Multifokale motorische Neuropathie
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 7. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Die multifokale motorische Neuropathie (MMN) ist eine langsam fortschreitende Erkrankung motorischer Nerven, die zu verschiedenen Ausfällen führt. Sensible und vegetative Nerven sind nicht beteiligt. Als Ursache wird ein autoimmunologischer Prozess angenommen.
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Was ist eine multifokale motorische Neuropathie?
Die multifokale motorische Neuropathie ist durch den langsamen Ausfall motorischer Nerven gekennzeichnet. Bei Untersuchungen werden Antikörper gegen das Gangliosid-GM1 nachgewiesen. Somit handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung. Die Neuropathie wird dem Guillain-Barré-Syndrom zugeordnet. Beim Guillain-Barré-Syndrom handelt es sich um einen Sammelbegriff von autoimmunologisch bedingten Erkrankungen des Nervensystems, welche die Muskelfunktion beeinträchtigen.
Die multifokale motorische Neuropathie zeichnet sich durch Funktionsstörungen des Nervus ulnaris und des Nervus medianus aus. Es ist eine sehr seltene Erkrankung mit einer Prävalenz von 1 bis 2 pro 100.000 Personen. Meist tritt die Neuropathie im Alter von 30 bis 50 Jahren erstmals auf. Männer sind zwei- bis dreimal häufiger von der multifokalen motorischen Neuropathie betroffen als Frauen. Auch die Symptome erscheinen bei Männern wesentlich früher.
Die MMN besitzt ähnliche Symptome wie ALS und muss immer differenzialdiagnostisch von dieser abgegrenzt werden. Im Gegensatz zur ALS bestehen jedoch gute Behandlungsmöglichkeiten, die ein Fortschreiten der Erkrankung aufhalten und sogar rückgängig machen können.
Ursachen
Bei Ausfall dieser Phospholipide werden die Nervensignale nur noch schwach weitergeleitet. Es kann zu Nervenausfällen bis hin zu Paresen kommen. Die Autoantikörper binden an die Ganglioside und schalten sie dadurch aus. Deshalb wird die Erregungsweiterleitung lokal gehemmt und die Muskelleistung beeinträchtigt. Im Falle der multifokalen motorischen Neuropathie ist der Nervus ulnaris und der Nervus medianus betroffen.
Symptome, Beschwerden und Anzeichen
Die MMN ist durch das Auftreten von asymmetrischen distalen Paresen der oberen Extremitäten gekennzeichnet, die allerdings erst nach langer Zeit zu Muskelatrophien führen können. Zuweilen treten überhaupt keine Atrophien auf oder sie sind nur schwach ausgebildet. Wie bereits erwähnt, sind hauptsächlich Nervus ulnaris und Nervus medianus betroffen.
Der Nervus ulnaris ist ein motorischer Nerv des Arms. Er ist für die Unterarmmuskulatur und die Hände verantwortlich. Der Nervus medianus innerviert ebenfalls Muskeln des Unterarms und der Hände beziehungsweise Finger. In seltenen Fällen ist auch eine Beteiligung der Hirnnerven möglich. Des Weiteren treten Muskelkrämpfe und unwillkürliche Bewegungen kleiner Muskelgruppen auf (Faszikulationen). In sehr seltenen Fällen sind durch die Beteiligung der Zwerchfellnerven auch Atemlähmungen möglich.
Die Muskeleigenreflexe nehmen im Laufe der Erkrankung ab. Es kommt jedoch kaum zu Sensibilitätsstörungen. Bei Beteiligung des Nervus phrenicus können jedoch Atemwegsprobleme auftreten. Allerdings kommt das nur in circa einem Prozent der Fälle vor. Manchmal sind auch die unteren Extremitäten von der multifokalen motorischen Neuropathie betroffen. Das ist jedoch auch nur sehr selten der Fall.
Besonders zu Beginn der Erkrankung fällt die Diskrepanz zwischen den oft erheblichen Paresen und den nur unwesentlich erscheinenden Muskelatrophien auf. Allerdings treten die Atrophien im Laufe der Erkrankung durch die allmähliche Zerstörung der Myelinscheiden stärker in Erscheinung.
Diagnose und Krankheitsverlauf
Die multifokale motorische Neuropathie ist durch fast identische Symptome wie die amyotrophe Lateralsklerose (ALS) gekennzeichnet, sodass beide Erkrankungen nur schwer auseinandergehalten werden können. Das Gleiche gilt auch für die spinale Muskelatrophie und das Nervenkompressionssyndrom. Es muss eine Differenzialdiagnose durchgeführt werden, um diese Erkrankungen auszuschließen.
Blutanalysen, Gehirnwasseruntersuchungen und bildgebende Verfahren führen hierbei zu keinem Ergebnis. Ein typischer Hinweis auf die multifokale motorische Neuropathie ist in den motorischen Elektroneurografien das Auftreten von Nervenleitungsblöcken. Dabei ist die Summe der Muskelsummenpotenziale der proximalen Nervenstimulationen deutlich über 50 Prozent gegenüber den Muskelsummenpotenzialen der distalen Nervenstimulationen reduziert.
Eine zusätzlich durchgeführte Elektromyografie zeigt eine Verringerung des Nervenanteils in der Skelettmuskulatur. Auch der GM1-Antikörper kann bestimmt werden. Wenn der Titer dieses Autoantikörpers erhöht ist, liegt ein weiterer Hinweis auf eine MMN vor.
Komplikationen
Ebenso können Krämpfe und epileptische Anfälle auftreten, die mit starken Schmerzen verbunden sind. Im schlimmsten Falle wird dadurch auch die Atmung gelähmt, sodass der Betroffene mit Luft unterversorgt wird und möglicherweise auch das Bewusstsein verliert. Dabei kann eventuell bei einem Sturz zu einer Verletzung kommen.
Am gesamten Körper leiden die Patienten durch die Krankheit auch an Störungen der Sensibilität oder an Lähmungen. Diese können den Alltag ebenfalls deutlich einschränken, sodass die Betroffenen die Hilfe anderer Menschen in ihrem Leben benötigen. Eine Selbstheilung tritt bei dieser Krankheit in der Regel nicht auf.
Die Behandlung dieser Krankheit kann mit Hilfe von Medikamenten durchgeführt werden. Allerdings sind die Betroffenen in der Regel auch auf verschiedene Therapien angewiesen, die die Funktionen der Muskeln aufrechterhalten. Besondere Komplikationen treten dabei in der Regel nicht auf.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Die multifokale motorische Neuropathie sollte ärztlich abgeklärt werden, wenn klassische Symptome wie Muskelkrämpfe oder unwillkürliche Bewegungen auftreten. Sensibilitätsstörungen und Atemwegsprobleme deuten auf eine bereits fortgeschrittene Erkrankung hin, die umgehend diagnostiziert und behandelt werden muss. Die Erkrankung kann zu Beginn anhand der unregelmäßigen Wechsel zwischen leichten Muskelkrämpfen und schwerwiegenden Paresen erkannt werden. Personen, die das genannte Symptombild bei sich bemerken, suchen idealerweise direkt den Hausarzt auf.
Der Mediziner kann eine erste Verdachtsdiagnose stellen und bei Bedarf einen Facharzt hinzuziehen. Bei motorischen Ausfällen muss der Notarzt gerufen werden. Selbiges gilt bei Krämpfen, epileptischen Anfällen und Lähmungen der Atmung. Sollte es aufgrund eines Anfalls zu einem Sturz kommen, muss außerdem erste Hilfe geleistet werden. Der Betroffene wird anschließend im Krankenhaus versorgt. Die eigentliche Behandlung erfolgt durch einen Neurologen oder einen anderen Facharzt für innere Erkrankungen. Teil der Behandlung ist außerdem eine umfassende Physiotherapie, in deren Rahmen versucht wird, die Bewegungsfähigkeit der Glieder zu bewahren.
Behandlung & Therapie
Im Gegensatz zur amyotrophen Lateralsklerose kann eine multifokale motorische Neuropathie gut therapiert werden. Deshalb ist eine Differenzialdiagnose zur Unterscheidung beider Erkrankungen sehr wichtig. So wird bei einigen Patienten mit der Vordiagnose ALS bei genauerer Untersuchung eine MMN diagnostiziert. Die MMN kann mit Immunglobulinen gut behandelt werden.
Es wurde festgestellt, dass bei 40 bis 60 Prozent aller Patienten mit der Diagnose MMN durch diese Behandlung ein Fortschreiten der Erkrankung verhindert werden konnte. Dabei ist die Prognose umso günstiger, je früher mit der Therapie begonnen wurde. Die Therapie wird in der Regel sechs Jahre durchgeführt. Während dieser Zeit wird die Dosis der Immunglobuline von anfangs zwölf auf siebzehn Gramm pro Woche erhöht.
Nebenwirkungen dieser Behandlung sind nicht bekannt. Da es im Laufe der Erkrankung jedoch zu irreversiblen Schädigungen der Nervenzellen kommt, hängt der Therapieerfolg von Zeitpunkt des Therapiebeginns ab.
Aussicht & Prognose
Die Aussichten bei einer multifokalen motorischen Neuropathie sind grundsätzlich schlecht. Zwar betonen viele Wissenschaftler, dass die Verabreichung von Immunglobulinen den Krankheitsfortgang verhindert. Dieses hilft allerdings nach statistischen Untersuchungen maximal sechzig Prozent der Betroffenen. Die anderen leiden dauerhaft unter einer Muskelschwäche und müssen Einschränkungen in ihrem Leben hinnehmen. Nachteilig wirkt sich auch aus, dass die langfristige Verabreichung von Immunglobulinen meist eine Unwirksamkeit mit sich bringt. Dann bilden sich permanente Defizite aus. Das Risiko für eine Erkrankung an der multifokalen motorischen Neuropathie ist im Alter von 30 bis 50 am größten. Besonders Männer gelten statistisch gesehen als anfällig.
Im günstigsten Fall bilden sich die Symptome zurück. Ärzte versprechen sich besonders einen Behandlungserfolg, wenn die Beschwerden noch nicht zu weit fortgeschritten sind. Eine Therapieaufnahme im Frühstadium kann daher als ideal angesehen werden. Die multifokale motorische Neuropathie betrifft hauptsächlich die Extremitäten. Selten weitet sich die Erkrankung auf die Hirn- und Zwerchfellnerven aus, woraus weitere Komplikationen resultieren. Behinderungen und Schwächen entstehen insbesondere und nachweislich dann, wenn die multifokale motorische Neuropathie über längere Zeit unbehandelt geblieben ist.
Vorbeugung
Welche Möglichkeiten es zur Vorbeugung vor einer multifokalen motorischen Neuropathie gibt, ist nicht bekannt, denn die Ursache dieser Erkrankung ist unklar. Es handelt sich um eine Autoimmunerkrankung. Bei Auftreten der ersten Symptome sollte die Behandlung jedoch schnell beginnen, weil der Therapieerfolg maßgeblich vom Zeitpunkt des Therapiebeginns abhängig ist.
Nachsorge
Die Nachsorge bei einer multifokalen motorischen Neuropathie richtet sich nach dem jeweiligen Krankheitsverlauf. Wenn die Behandlung mit Immunglobulinen frühzeitig beginnt, besteht in einigen Fällen sogar eine gute Chance auf vollständige Heilung. Bei später einsetzender Therapie verschlechtern sich jedoch die Aussichten auf eine vollständige Rückbildung der Erkrankung.
Dann kann oft nur noch versucht werden, einer Verschlechterung der Symptomatik entgegenzuwirken. Auf jeden Fall handelt es sich um eine langwierige Therapie, welche durch intensive Nachsorgemaßnahmen begleitet werden muss. Die Behandlung mit Immunglobulinen wird in der Regel alle vier bis acht Monate wiederholt. Danach sollten immer ausführliche Untersuchungen durchgeführt werden, um den Fortschritt der Therapie zu dokumentieren.
Die Gabe von Immunglobulinen führt in circa 40 bis 60 Prozent der Fälle mindestens zu einem Stopp der Progredienz des Krankheitsverlaufes. Sollte sich in den Nachsorgeuntersuchungen jedoch eine Therapieresistenz abzeichnen, kann versucht werden, mithilfe von anderen Wirkstoffen wie Cyclophosphamid in Kombination mit Immunglobulinen eine Verbesserung der Symptomatik herbeizuführen.
Besonders bei ungünstiger Prognose mit zunehmender Bewegungsunfähigkeit muss in den Nachsorgemaßnahmen oft auch eine psychologische Therapie integriert sein, weil trotz normaler Lebenserwartung die Lebensqualität doch erheblich eingeschränkt ist. Gleichzeitig gehört zur Nachsorge auch die Beschaffung von geeigneten Hilfsmitteln, die bei erheblicher Behinderung der Bewegungsfähigkeit der unteren Extremitäten notwendig werden.
Das können Sie selbst tun
Beginnt man direkt nach Diagnosestellung mit körperlicher Betätigung, kann man zwar den Krankheitsverlauf nicht beeinflussen, begünstigt aber den Erhalt von Muskelkraft und Bewegung. Wichtig ist bei Bedarf auf Gelenkstützen oder Bandagen zurück zu greifen, um eine Überlastung bestimmter Muskelgruppen zu verhindern.
Sofern sich krankheitsbedingt im Beruf Probleme ergeben, bietet das Integrationsfachamt umfassende Hilfe. Die Mitarbeiter beraten und sind behilflich bei der Kommunikation mit dem Arbeitgeber und der Beantragung von Hilfsmitteln um die Arbeitskraft aufrecht zu erhalten.
Bei einer stark fortgeschrittenen Erkrankung ist ein eigenständiges Leben ohne fremde Hilfe kaum mehr möglich. In diesem Fall ist es wichtig, sich frühzeitig um die Beantragung einer Pflegestufe zu kümmern, um einerseits die pflegenden Angehörigen finanziell zu unterstützen oder andererseits eine externe Teilzeit-Pflege zu erhalten. Welcher Weg der Richtige ist muss jeder Patient gemeinsam mit seiner Familie entscheiden. Oftmals ist es psychisch weniger belastend sich Hilfe von außen zu holen. Auch der Schritt zum Therapeuten darf nicht gescheut werden, da ein seelisches Ungleichgewicht auch zu körperlichen Beschwerden führen kann.
Besteht eine vollständige Hilfsbedürftigkeit in allen Lebenslagen kann auch eine externe Betreuung rund um die Uhr beantragt werden. Mit dieser Unterstützung ist es Betroffenen teilweise sogar wieder möglich ihrem Beruf nachzukommen und am Gesellschaftsleben teilzunehmen.
Quellen
- Grehl, H., Reinhardt, F.: Checkliste Neurologie. Thieme, Stuttgart 2012
- Masuhr K., Masuhr, F., Neumann, M.: Duale Reihe Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013
- Mattle, H., Mumenthaler, M.: Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013