Multiple epiphysäre Dysplasie
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 23. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Unter dem klinischen Terminus der Multiplen epiphysären Dysplasie versteht die Medizin Anomalien an den Gelenkenden der langen Röhrenknochen. Mutationen der proteinkodierenden Gene scheinen für die Anomalien verantwortlich zu sein. Im Fokus der Therapie steht die Angleichung der je betroffenen Gelenkflächen.
Inhaltsverzeichnis |
Was ist eine Multiple epiphysäre Dysplasie?
Epiphysäre Erkrankungen sind Krankheiten an den Gelenkenden langer Röhrenknochen. Bei der heterogenen Krankheitsgruppe der epiphysären Displasien weisen diese Gelenkenden Anomalien auf. Wachstumsstörungen rufen den abnormen Wuchs der Epiphysen hervor. Das Phänomen wird auch Fairbank-Erkrankung oder Ribbing-Müller-Erkrankung genannt.
Die Krankheit zählt zu den sekundären Wachstumsstörungen und ist eine Folge von chromosomalen Mutationen in verschiedenen Expressionen. Vor allem die Epiphysen der Hüften und Fußgelenke sind betroffen. Die Prävalenz der Krankheit liegt bei 1:20.000. Aus der heterogenen Krankheitsgruppe ist die EDM1 bislang am besten erforscht. Diese Unterform wird autosomal-dominant vererbt. Auch autosomal-rezessive Erbgänge sind innerhalb der Gruppe epiphysärer Dysplasien aber denkbar.
Eine von mehreren Sonderformen aus dieser Krankheitsgruppe ist die Meyer-Dysplasie an den Femur-Epiphysen. Die Krankheitsgruppe ist bislang nicht abschließend erforscht.
Ursachen
Die Mutationen scheinen in den Genen COL9A2 auf Genlokus 1p33-p32.2, COL9A3 auf Genlokus 20q13.3, MATN3 auf Lokus 2p24-p23 und COL9A1 auf Lokus 6q13 zu liegen. Bei allen Formen liegen also Mutationen der Proteine vor, die für die extrazelluläre Knorpelmatrix kodieren. Die letztgenannte Mutation ist eine Kollagen-IX-Anomalien. Eine letzte und eher atypische EDM-Form wird mit Mutationen im SLC26A2-Gen auf Genlokus 5q32-q33.1 assoziiert.
Die autosmal-dominante Vererbung ist Standard. Autosomal-rezessive Formen sind seltener. Die Ätiopathogenese bleibt in großen Teilen unklar. Spekulationen zufolge ist der Transport von Proteinanteilen der Proteoglykane gestört. Die Proteinanteile können so vom rauen endoplasmatischem Retikulum nicht mehr zum Golgi-Apparat wandern.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Die multiple epiphysäre Dysplasie kann in den verschiedensten Lebensabschnitten zum Ausdruck kommen. In der frühen Kindheit sind die meisten Patienten noch asymptotisch. Die ersten Anzeichen der epiphysären Erkrankung sind arthrotische Gelenkschmerzen. Die präarthrotischen Veränderungen in multiplen Gelenken rufen mit der Zeit Bewegungseinschränkung hervor.
Gangstörungen wie der Watschel-Gang sind ein charakteristisches Krankheitszeichen. Ebenso charakteristisch kann moderater Kleinwuchs sein. Abhängig von der tatsächlichen Ursache liegen die multiplen Epiphysenläsionen in Kombination mit zusätzlichen Symptomen vor. So wird die multiple epiphysäre Dysplasie mittlerweile zum Beispiel mit Myopie assoziiert.
Schwerhörigkeit und Dysmorphien im Gesichtsbereich werden genauso oft mit der heterogenen Krankheitsgruppe in Zusammenhang gebracht. Von den Dysplasien sind vor allem die Hüft- und Fußgelenke betroffen. Schmerzen strahlen aus den Gelenken arthrotisch in den Körper ab.
Diagnose & Krankheitsverlauf
Die Diagnose der multiplen epiphysären Dysplasie hängt von der Erkennung der Anzeichen im Röntgenbild ab. Die Anamnese veranlasst den Arzt zur Röntgenbildgebung. Im Röntgenbild lassen sich symmetrisch wirkende Veränderungen an den Epiphysen verschiedener Röhrenknochen erkennen. Die Epiphysenkerne treten verspätet auf, sind klein und fragmentieren. Haupt- und Nebenkerne verschmelzen zu abnormalen Gelenkenden.
Diese Verschmelzung ruft Wachstumsstörungen und Abweichungen der Achsen hervor und verursacht so die arthrotischen Veränderungen. Molekulargenetische Analysen können einen Nachweis der Genmutationen erbringen. Der Verlauf einer multipel epiphysären Dysplasie hängt von der ursächlichen Mutation, dem Zeitpunkt der Diagnose und der Therapierbarkeit ab. Eine frühe Diagnosestellung wirkt sich günstig auf die Prognose aus.
Komplikationen
Die Betroffenen werden dadurch gereizt und die Lebensqualität nimmt deutlich ab. Ebenso können die Schmerzen aus den Gelenken auch in andere Regionen ausstrahlen und dort zu Beschwerden führen. In einigen Fällen führt diese Krankheit auch zu Kleinwuchs. Ebenso können dauerhafte Schmerzen auch psychische Beschwerden und Depressionen auslösen.
In einigen Fällen sind gewisse Tätigkeiten im Alltag für den Betroffenen nicht durchführbar, sodass dieser auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen ist. Es ist nicht möglich, die Krankheit kausal zu behandeln. Allerdings können viele Beschwerden und Schmerzen eingeschränkt werden.
Der Betroffene ist allerdings auf verschiedene Therapien angewiesen. In der Regel wird die Lebenserwartung nicht eingeschränkt. In einigen Fällen können auch operative Eingriffe eingesetzt werden, um die Beschwerden des Patienten zu lindern. Dabei treten meistens keine besonderen Komplikationen auf.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Beschwerden und Unregelmäßigkeiten der Gelenke weisen auf eine gesundheitliche Beeinträchtigung hin. Halten sie an oder nehmen sie an Intensität zu, wird ein Arzt benötigt. Treten die Unstimmigkeiten nach einer körperlichen Überanstrengung oder intensiven sportlichen Aktivität auf, genügen häufig die Kühlung der Gelenke sowie eine ausreichende Schonung. Tritt eine Spontanheilung unmittelbar nach einem erholsamen Nachtschlaf ein, ist kein Arztbesuch erforderlich. Zukünftig sind die Überanstrengungen zu vermeiden und das Schuhwerk sollte auf seine Verträglichkeit überprüft und wenn notwendig optimiert werden.
Bei Einschränkungen der Mobilität oder Gelenktätigkeit ist eine Kontrolluntersuchung bei einem Arzt anzuraten. Störungen der Fortbewegung, Fehlstellungen oder eine schiefe Körperhaltung müssen mit einem Arzt besprochen werden, damit sich keine dauerhaften Schäden einstellen. Kommt es zu einer Entwicklungsstörung, einem Minderwuchs oder einer Fehlhaltung, ist ein Arzt zu konsultieren. Störungen der allgemeinen Bewegungsabläufe oder eine verminderte Möglichkeit, die alltäglichen Verpflichtungen zu erfüllen, sind mit einem Arzt zu besprechen.
Eine Schwerhörigkeit gilt als besorgniserregend. Kommt es zu einer Abnahme des Hörvermögens, ist unverzüglich ein Arztbesuch anzuraten. Schmerzen der Gelenke oder ungewöhnliche Verformungen des Gesichts sind weitere Anzeichen einer behandlungsbedürftigen Erkrankung. Zusätzlich sollte die Einnahme eines schmerzstillenden Medikaments zur Vermeidung von Nebenwirkungen nur in Rücksprache mit dem behandelnden Arzt erfolgen.
Behandlung & Therapie
Eine ursächliche Therapie besteht für Patienten der EDM nicht. Die genetische Mutation lässt sich nicht bereinigen. Die Behandlung erfolgt symptomatisch. Die Herstellung von möglichst kongruenten Gelenkflächen ist bei der multipel epiphysären Dysplasie der Fokus der Therapie. Die arthrotischen Schmerzen gehen durch die Kongruenz der Gelenkflächen zurück und das Gelenk nimmt keinen weiteren Schaden. Operationen sind zur Herstellung kongruenter Gelenkflächen das Mittel der Wahl. Diese orthopädischen Operationen finden idealerweise schon in der Kindheit statt.
So lassen sich Folgeschäden wie Arthrose bestmöglich eindämmen. Die Anzahl der erforderlichen Operationen hängt vom Einzelfall ab. Um die Lebensqualität der Patienten zu verbessern, können gegen starke Schmerzen Schmerzmittel erhalten. Akute Schmerzen lassen sich zum Beispiel durch peripher wirkende Analgetika eindämmen. Die Patienten bleiben im Idealfall aktiv. Um das zu erreichen, ist eine Physiotherapie der Schritt der Wahl.
Ältere Patienten einer multipel epiphysären Dysplasie leiden häufig trotz der Gegenmaßnahmen an Arthrose. Der Ausbruch dieser sekundären Verschleißerkrankung lässt sich durch die genannten Therapiemaßnahmen oft lediglich hinauszögern. Bei einer schweren Arthrose in einem oder mehreren Gelenken kann ein Gelenkersatz erforderlich werden. Wenn mehrere Gelenke betroffen sind, finden die Ersatzoperationen zu möglichst weit auseinanderliegenden Zeitpunkten statt.
Besonders nach derartigen Operationen ist begleitende Physiotherapie unabkömmlich. Andere Patienten der Krankheitsgruppe benötigen trotz der Fehlbildungen das gesamte Leben lang keinen Gelenkersatz. Eventuell wird in Zukunft eine ursächliche Therapie der Erkrankung möglich sein. Die medizinische Forschung beschäftigt sich aktuell mit Ansätzen wie der Gen-Therapie.
Aussicht & Prognose
Die Ursache der multiplen epiphysären Dysplasie ist in einer Mutation der Genetik zu finden. Diese darf vom behandelnden Arzt nicht verändert werden. Rechtliche Vorgaben untersagen es Medizinern, die menschliche Genetik zu verändern. Daher gilt die Erkrankung als unheilbar. Der Patient zeigt unmittelbar nach der Geburt und im weiteren Verlauf verschiedene Fehlbildungen, optische Auffälligkeiten oder Störungen der Sinneswahrnehmung.
Wenngleich keine Genesung erreicht werden kann, entwickeln Wissenschaftler stetig neue Methoden, um eine Linderung der individuell ausgeprägten Beschwerden zu erreichen. Aus diesem Grund ist es in einigen Fällen möglich, durch einen frühen Behandlungsbeginn und durch den Einsatz verschiedener Behandlungsschritte sowie operativer Eingriffe Verbesserungen der Gesamtsituation zu erzielen. Verlaufen Operation ohne weitere Komplikationen, kann oftmals ein deutlicher Fortschritt bei der Stabilisierung der Gesundheit dokumentiert werden.
Die Ergebnisse werden insgesamt verbessert, wenn der Patient auch außerhalb der Behandlung physiotherapeutische Übungen und Trainingseinheiten für die Unterstützung des Bewegungsapparates absolviert. Zudem sind verschiedene Vorkehrungen zu treffen, um die Belastung für die Gelenke zu verringern. Dies trägt erheblich zur Optimierung des Wohlbefindens bei und beugt weiteren Folgeerkrankungen vor. Dennoch ist die Belastung der Erkrankung sowie die dadurch entstehenden Umstände im Alltag insgesamt sehr hoch und das Risiko für die Entwicklung einer psychischen Störung erhöht.
Vorbeugung
Die Ätiologie der multipel epiphysären Dysplasie ist nicht abschließend geklärt. Vorbeugemaßnahmen gibt es daher keine. Die frühzeitige Behandlung hilft aber bei der Vorbeugung von Folgeerkrankungen.
Nachsorge
Bei der Multiplen epiphysären Dysplasie handelt es sich um eine genetisch verursachte Erkrankung, die nicht heilbar ist. Aus diesem Grund bezieht sich die Nachsorge bei dieser Erkrankung nicht auf Maßnahmen nach vollständiger Heilung, sondern lediglich auf einzelne Schritte während der Therapie. Da eine komplette Genesung nicht möglich ist, können nur die Symptome der Erkrankung behandelt werden.
Die frühzeitig eintretende Arthrose zum Beispiel lässt sich mittels Schuheinlagen und sonstigen orthopädischen Hilfen zumindest teilweise abmildern. Außerdem wirkt sich eine physiotherapeutische Behandlung meist förderlich auf den Zustand der Patienten mit einer Multiplen epiphysären Dysplasie aus. Ähnliches gilt für die mit der Erkrankung im Zusammenhang stehenden Gelenkschmerzen.
Die Nachsorge umfasst bei dieser Krankheit eher die Überwachung von Einzelmaßnahmen, beispielsweise operative Eingriffe. Im fortgeschrittenen Stadium der Arthrose kommen chirurgische Interventionen in Frage, bei denen zum Beispiel künstliche Gelenke eingesetzt werden. In einem solchen Fall gleicht die Nachsorge jener bei anderen postoperativen Situationen.
Zur Gewöhnung der Patienten an das neue Gelenk ist eine intensive Physiotherapie unerlässlich. Ein von einem professionellen Ernährungsberater entwickelter Speiseplan kann sich förderlich auf den Zustand der Arthrose auswirken, ebenso wie ein generell gesunder Lebensstil mit leichten sportlichen Aktivitäten.
Das können Sie selbst tun
Da der multiplen epiphysären Dysplasie eine genetische Mutation zugrunde liegt, ist eine ursächliche Therapie nicht möglich. Auch die Möglichkeiten zur Selbsthilfe sind daher begrenzt. Es können aber Maßnahmen zur Linderung der Symptome angewendet werden.
Eine wichtige Ergänzung zur medizinischen Therapie bildet der Erhalt der körperlichen Aktivität. Patienten können durch physiotherapeutische Unterstützung Übungen erlernen, die helfen, Schmerzen zu lindern. Außerdem sollten weitere alternative Möglichkeiten zur Schmerzbehandlung ausprobiert werden. Dies können beispielsweise Akupunktur, Hypnose oder progressive Muskelentspannung sein. Ärzte und Physiotherapeuten geben Auskunft über die individuell passende Behandlungsmöglichkeit. Dabei ist es wichtig, die jeweiligen Begleitmaßnahmen kontinuierlich anzuwenden. Nur so stellen sich physische und psychische Erfolge dieser Therapien langfristig ein.
Eine strukturierte Tagesroutine hilft, sich Zeit für Übungen und Entspannung zu nehmen. Neben solchen Anwendungen ist es wichtig, das soziale Umfeld miteinzubeziehen. Ein gesundes Sozialleben kann helfen, einen aktiven Lebensstil zu erhalten. Auch zur Unterstützung bei akuten Schmerzen und anderen schwerwiegenden Symptomen der Krankheit ist ein intaktes soziales Netzwerk wichtig. Trotz einer schwierigen Prognose und langwierigen Behandlungen kann so individuell ein positiver Beitrag zum Erhalt der Lebensqualität gemacht werden.
Quellen
- Breusch, S., Clarius, M., Mau, H., Sabo, D. (Hrsg.): Klinikleitfaden Orthopädie, Unfallchirurgie. Urban & Fischer, München 2013
- Niethard, F., Pfeil, J., Biberthaler, P.: Orthopädie und Unfallchirurgie. Thieme, Stuttgart 2014
- Wülker, N., Kluba, T., Roetman, B., Rudert, M.: Taschenlehrbuch Orthopädie und Unfallchirurgie. Thieme, Stuttgart 2015