Progressive Muskelentspannung

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 21. September 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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In unserer heutigen Zeit sind Stress und Anspannung an der Tagesordnung. Oft geschieht es unwillkürlich, dass sich Muskeln im Körper anspannen, ohne dass wir es merken. Der amerikanische Arzt und Physiologe Edmund Jacobson erkannte Ende des 19. Jahrhunderts erstmals Zusammenhänge zwischen chronischen Muskelverspannungen und den meisten Erkrankungen. Daraus wurde später die progressive Muskelentspannung, oft auch progressive Muskelrelaxation nach Jacobson genannt.

Inhaltsverzeichnis

Was ist progressive Muskelentspannung?

Die progressive Muskelentspannung, auch progressive Muskelrelaxation genannt, ist ein Verfahren, das durch bewusstes Anspannen und anschließendes Entspannen bestimmter Muskelgruppen nacheinander eine tiefe Entspannung im Körper herbeiführt.

Die progressive Muskelentspannung, auch progressive Muskelrelaxation genannt, ist ein Verfahren, das durch bewusstes Anspannen und anschließendes Entspannen bestimmter Muskelgruppen nacheinander eine tiefe Entspannung im Körper herbeiführt.

Jacobson hatte erkannt, dass nicht nur seelische Verspannungen zu körperlichen Anspannungen führen, sondern erkannte und wies auch nach, dass es auch umgekehrt funktioniert, dass entspannte Muskeln zur seelischen Entspannung beitragen.

Mit der progressiven Muskelentspannung entwickelte er ein Verfahren, das heute mit zu den wichtigsten Entspannungsmethoden gehört und leicht erlernbar ist.

Geschichte & Entwicklung

Die Progressive Muskelentspannung (PME) wurde in den 1920er Jahren von dem amerikanischen Arzt und Physiologen Edmund Jacobson entwickelt. Jacobson arbeitete als Forscher an der Harvard University und war besonders an der Verbindung zwischen körperlicher Anspannung und psychischer Gesundheit interessiert. Er entdeckte, dass Menschen in stressigen Situationen oft unbewusst ihre Muskeln anspannen, was zu chronischer Anspannung und körperlichem Unbehagen führen kann. Jacobson ging davon aus, dass eine bewusste Entspannung der Muskulatur auch zur psychischen Entspannung beitragen könnte.

Im Jahr 1929 veröffentlichte er sein erstes Buch mit dem Titel Progressive Relaxation, in dem er die Methode beschrieb. Sie basiert auf der schrittweisen Anspannung und anschließenden Entspannung verschiedener Muskelgruppen, um ein gesteigertes Bewusstsein für körperliche Spannungen zu fördern und diese gezielt abzubauen. Ursprünglich entwickelte Jacobson die Technik als therapeutisches Werkzeug für seine Patienten mit psychosomatischen Beschwerden, insbesondere zur Behandlung von Angstzuständen und Stress.

Im Laufe der Jahrzehnte erfuhr die Progressive Muskelentspannung eine zunehmende Popularität und wurde in den Bereichen Psychotherapie, Stressbewältigung und Schmerztherapie breit eingesetzt. Heute ist sie eine anerkannte Entspannungsmethode, die weltweit praktiziert und in Kliniken, Schulen und im Alltagsleben angewendet wird.

Einsatz & Indikation

Die Progressive Muskelentspannung (PME) wird in Situationen durchgeführt, in denen körperliche und psychische Entspannung notwendig oder förderlich ist. Sie eignet sich besonders bei Stress, Angstzuständen und körperlicher Anspannung. Typischerweise wird die Methode in ruhigen Umgebungen praktiziert, um eine maximale Entspannung zu ermöglichen. Sie wird häufig in Therapien zur Stressbewältigung, bei Schlafstörungen, sowie bei psychosomatischen Erkrankungen angewendet. Menschen, die unter chronischer Anspannung oder muskulären Verspannungen leiden, nutzen PME, um das Körperbewusstsein zu verbessern und Spannungszustände gezielt abzubauen.

Notwendig wird die Progressive Muskelentspannung, wenn körperliche Symptome wie Kopfschmerzen, Nackenschmerzen oder Rückenschmerzen aufgrund von muskulärer Anspannung auftreten. Auch bei stressbedingten Erkrankungen wie Bluthochdruck, Nervosität und innerer Unruhe kann die Technik zur Linderung beitragen. In der Psychotherapie wird PME oft bei Patienten mit Angststörungen oder Panikattacken angewendet, um die körperlichen Reaktionen auf Angst zu kontrollieren.

Darüber hinaus wird die Methode präventiv eingesetzt, um Stresssituationen vorzubeugen. In diesem Fall wird sie regelmäßig praktiziert, um das allgemeine Wohlbefinden zu steigern und die Stressresistenz zu erhöhen. Auch im Sport oder in der Rehabilitation nach Verletzungen kann PME hilfreich sein, um die Muskulatur zu entspannen und die Erholungsphasen zu unterstützen.

Vorteile & Nutzen

Die Progressive Muskelentspannung (PME) bietet mehrere Vorteile gegenüber anderen Behandlungs- und Entspannungsmethoden, insbesondere aufgrund ihrer Einfachheit und Zugänglichkeit. Ein zentraler Vorteil ist, dass sie leicht erlernbar und in vielen verschiedenen Situationen anwendbar ist. Im Gegensatz zu komplexeren Techniken wie Meditation oder Yoga erfordert PME keine speziellen Fähigkeiten oder umfangreiche Vorkenntnisse, was sie für Menschen jeden Alters und Fitnesslevels zugänglich macht.

Ein weiterer Vorteil ist die direkte körperliche Wirkung der Methode. Im Gegensatz zu rein kognitiven Ansätzen, wie beispielsweise kognitiver Verhaltenstherapie, konzentriert sich PME auf die physische Entspannung der Muskulatur, was oft eine sofortige Linderung von Spannungsschmerzen und Stresssymptomen bietet. Durch den Wechsel von Anspannung und Entspannung lernen die Betroffenen, ihren Körper bewusster wahrzunehmen und können so gezielt gegen chronische Anspannungen vorgehen.

Darüber hinaus ist PME flexibel und überall durchführbar, da sie keine speziellen Hilfsmittel erfordert. Das macht sie ideal für den Einsatz im Alltag oder in Stresssituationen, wo schnelle Entspannung erforderlich ist. Im Vergleich zu medikamentösen Behandlungen ist PME zudem nebenwirkungsfrei und eine natürliche Methode zur Stressbewältigung und Schmerzlinderung. Sie kann auch als Ergänzung zu anderen Therapien eingesetzt werden und hat sich als wirksam bei einer Vielzahl von psychischen und physischen Beschwerden erwiesen.

Funktion, Wirkung & Ziele

Die progressive Muskelentspannung nach Jacobson ist eine der bekanntesten Methoden, um Stress vorzubeugen und abzubauen. Darüber hinaus sensibilisiert dieses Verfahren den Körper, schneller Anspannungen wahrzunehmen und ihnen entgegenzuwirken.

Progressive Muskelentspannung findet überall Anwendung, wo es um die Linderung von Stresssymptomen geht. Häufig wird sie im Rahmen einer Verhaltenstherapie oder einer Schmerztherapie eingesetzt.

Mit der progressiven Muskelentspannung (PME) können u. a. die folgenden Beschwerden behandelt oder gelindert werden:

Auch in der Geburtsvorbereitung findet die progressive Muskelentspannung Anwendung, darüber hinaus bei nächtlichem Zähneknirschen, das schmerzhafte Kieferprobleme verursachen kann, Stottern, im Prinzip alle gesundheitlichen Probleme, bei denen Stress eine Rolle spielt.

Das Prinzip der progressiven Muskelentspannung ist leicht zu erlernen und wird an den meisten Volkshochschulen als Kurs angeboten. Zunächst werden bestimmte Muskelgruppen angespannt, die Anspannung dann einen kurzen Moment gehalten und anschließend wieder entspannt. Durch die Anspannung vor der Entspannung spürt der Körper besser die wohltuende Wirkung der Entspannung. Nacheinander werden 16 Muskelgruppen zunächst angespannt und im Anschluss wieder entspannt.

Die Übungen können wahlweise im Liegen oder Sitzen ausgeführt werden. Je intensiver die Muskelgruppen vorher angespannt wurden, desto spürbarer ist hinterher die Entspannung. Wenn man die Übungen regelmäßig durchführt, entwickelt man ein besonderes Gespür für das Zusammenspiel zwischen Anspannung und Entspannung. Wichtig für den Erfolg ist das regelmäßige Üben. Manche Krankenkassen übernehmen bereits die Kosten für Kurse.

Das primäre Ziel der progressiven Muskelentspannung ist eine gesundheitliche Vorsorge jeglicher Art. Sie soll erreichen, dass der Körper in der Lage ist, ein ausgewogenes Verhältnis von Anspannung und Entspannung zu entwickeln und eine größere Gelassenheit. Regelmäßige Übungen stärken das Wohlbefinden und führen zu einer sensibleren Körperwahrnehmung, so dass man stressbedingte Verspannungen besser erkennen und rechtzeitig Abhilfe schaffen kann.

Zusätzlich wird durch die Übungen die Konzentrationsfähigkeit verbessert. Die progressive Muskelentspannung gibt den Übenden das Gefühl, selbst in der Lage zu sein, Stress und Anspannung wieder abzubauen und aus eigenem Antrieb etwas für die Gesundheitsvorsorge zu tun.

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Durchführung & Ablauf

Bei der Progressiven Muskelentspannung (PME) wird die Muskulatur systematisch angespannt und wieder entspannt, um ein tiefes Gefühl der Entspannung zu erreichen. Der Ablauf beginnt in einer bequemen Position, meist im Sitzen oder Liegen, in einer ruhigen Umgebung, um Ablenkungen zu vermeiden.

Der Prozess startet in der Regel mit der Anspannung einer Muskelgruppe, etwa in den Händen oder Armen. Die Anspannung wird bewusst und fest ausgeführt, ohne dabei Schmerzen zu verursachen, und etwa 5 bis 10 Sekunden gehalten. Während dieser Phase konzentriert sich der Übende ganz auf das Gefühl der Anspannung. Anschließend wird die Muskelgruppe entspannt, was etwa 20 bis 30 Sekunden dauert. In dieser Phase liegt der Fokus auf der wahrgenommenen Entspannung und dem Unterschied zwischen Anspannung und Entspannung.

Dieser Ablauf wird schrittweise für verschiedene Muskelgruppen des Körpers wiederholt, beginnend meist bei den Händen und Armen und fortschreitend über Gesicht, Nacken, Schultern, Rücken, Bauch, Beine und Füße. Jede Muskelgruppe wird einzeln behandelt, um ein tiefes Bewusstsein für körperliche Spannungen zu entwickeln und gezielt abzubauen.

Zwischen den Phasen der Anspannung und Entspannung wird immer wieder der gesamte Körper wahrgenommen, um ein umfassendes Gefühl der Entspannung zu erzeugen. Das Ziel ist, muskuläre Anspannung frühzeitig zu erkennen und diese gezielt zu lösen.

Risiken, Nebenwirkungen & Gefahren

Auch wenn die progressive Muskelentspannung nach Jacobson eine tolle und leicht zu erlernende Entspannungsmethode ist, um Stress abzubauen, kann man sie doch nicht uneingeschränkt jedem Menschen empfehlen.

Bei Menschen, die unter Herzproblemen leiden, unter unkontrollierbarem Bluthochdruck, Psychosen oder Nervenerkrankungen ist Vorsicht geboten. Auch bei Menschen, die zwanghaft, hypochondrisch oder paranoid veranlagt sind, kann die Methode das Gegenteil bewirken von dem, was eigentlich beabsichtigt ist. Hypochondrisch veranlagte Menschen hören ohnehin ständig in sich hinein, deshalb würde die progressive Muskelentspannung kontraproduktiv wirken.

Auch bei Angstzuständen ist besondere Vorsicht geboten. Bei Kopfschmerzen hilft sie zwar allgemein sehr gut, aber bei schlimmer Migräne sollte man sie eher mit Vorsicht anwenden. Bei empfindlichen Menschen kann der Blutdruck absinken oder sie können hyperventilieren. Ein bestehendes Asthma kann sich während der Übungen verstärken.

Alternativen

Es gibt mehrere alternative Verfahren zur Progressiven Muskelentspannung (PME), die eingesetzt werden können, wenn PME aus verschiedenen Gründen nicht möglich oder nicht geeignet ist. Eine häufige Alternative ist das Autogene Training, bei dem der Fokus auf Selbstsuggestion und Entspannung durch mentale Übungen liegt. Der Patient lernt, durch konzentrierte Gedanken Wärme und Schwere im Körper zu erzeugen, was zu einer tiefen körperlichen und mentalen Entspannung führt.

Eine weitere Methode ist die Atemtherapie, bei der gezielte Atemtechniken verwendet werden, um Stress abzubauen und den Körper zu entspannen. Durch bewusste, tiefe Atmung kann der Parasympathikus aktiviert und eine beruhigende Wirkung erzielt werden. Diese Methode ist besonders hilfreich für Menschen, die Schwierigkeiten haben, sich auf muskuläre Anspannung und Entspannung zu konzentrieren.

Yoga und Tai Chi bieten ebenfalls ganzheitliche Ansätze zur Entspannung und Stressbewältigung. Beide Techniken kombinieren sanfte körperliche Bewegung mit Atemübungen und fördern sowohl körperliche als auch geistige Entspannung. Sie sind besonders hilfreich für Menschen, die körperliche Bewegung und Dehnung in ihre Entspannungsroutine integrieren möchten.

Schließlich gibt es die Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion (MBSR), die auf Meditation und Achtsamkeit basiert. Diese Methode lehrt, im Moment präsent zu sein und stressvolle Gedanken loszulassen, was zu einer inneren Ruhe und Entspannung führt.

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Quellen

  • Federspiel, F., Herbst, V. : Die andere Medizin. Stiftung Warentest, Berlin 2005
  • Hainbuch, F.: Progressive Muskelentspannung. Gräfe&Unzer, München 2015
  • Jänicke, C., Grünwald, D. J.: Alternativ heilen. Gräfe und Unzer, München 2006

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