Myotone Dystrophie Typ 1
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Die myotone Dystrophie Typ 1 (Curschmann-Steinert-Syndrom) ist eine autosomal-dominant vererbte Multisystemerkrankung mit den Leitsymptomen Muskelschwäche und Linsentrübung (Katarakt). Man unterscheidet zwei Formen der Krankheit: eine angeborene (kongenitale) Form, bei der bereits das Neugeborene durch Muskelschwäche auffällt ("floppy infant") und eine adulte Form, die sich erst im 2. bis 3. Lebensjahrzehnt manifestiert. Die myotone Dystrophie Typ 1 ist nicht heilbar und verkürzt je nach Schwere und Progredienz die Lebenserwartung.
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Was ist myotone Dystrophie Typ 1?
Die myotone Dystrophie Typ 1 zählt zu den sogenannten Trinukleotid-Repeat-Erkrankungen. Im genetischen Code auf dem langen Arm des Chromosom 19 liegt ein Trinukleotid aus den Nukleinbasen Cytosin, Thymin und Guanin vervielfältigt vor.
Während sich dieses Basentriplett beim Gesunden 5-35 mal wiederholt, finden sich bei Betroffenen bei milder Krankheitsausprägung etwa 50-200, bei schweren Formen sogar über 1000 Wiederholungen. Das Trinukleotid codiert nicht direkt für ein Protein, beeinflusst aber die Synthese anderer Proteine. Ein in Skelett- und Herzmuskulatur benötigtes Enzym, die Dystrophia-Myotonica-Proteinkinase (DMPK), wird durch den Gendefekt vermindert produziert.
Aber auch weitere Proteine sind betroffen, z.B. das in der Linse exprimierte SIX5 oder der Insulinrezeptor. Daher wirkt sich die myotone Dystrophie Typ 1 in sehr vielen verschiedenen Organsystemen aus. Mit einer Inzidenz von ca. 1:20000 stellt die myotone Dystrophie Typ 1 die häufigste Myotonie und zugleich die häufigste im Erwachsenenalter auftretende Muskeldystrophie dar.
Bei ihrer Vererbung nimmt die Anzahl der Trinukleotid-Repeats von Generation zu Generation zu, sodass die Krankheit bei den Nachkommen immer früher und schwerer einsetzt. Die kongenitale Form wird immer von der Mutter vererbt. Jungen sind von der myotonen Dystrophie Typ 1 häufiger betroffen als Mädchen.
Ursachen
Bei den länger überlebenden Kindern ist mit Entwicklungsverzögerungen und schwerer mentaler Retardierung zu rechnen. Ihre Lebenserwartung liegt bei ca. 30-40 Jahren. Bricht die Krankheit erst im Erwachsenenalter aus, bemerken Betroffene häufig zunächst eine Muskelschwäche in rumpffernen Muskeln, besonders in den Beinen sowie im Hals- und Gesichtsbereich. Die Gesichtsmuskulatur atrophiert, was den Patienten ein hageres Aussehen verleiht.
Auch Sprach- und Schluckstörungen resultieren. Die Muskelschwäche geht mit einer verzögerten Muskelentspannung einher, sodass es Betroffenen beispielsweise schwerfällt, einen Handgriff wieder zu lösen. Weitere Symptome sind Linsentrübung, Innenohrschwerhörigkeit, ein gesteigertes Schlafbedürfnis, kognitive Einschränkungen sowie verminderte Glukosetoleranz bis hin zum Diabetes mellitus. Durch den gestörten Hormonhaushalt treten bei Männern typischerweise Hodenatrophie und eine Stirnglatze, bei Frauen Menstruationsstörungen auf.
Besonders gefährlich sind die Auswirkungen auf die Herzmuskulatur: Häufig kommt es zu Herzrhythmusstörungen, gelegentlich sogar zum Herzstillstand. Wenn die Muskelschwäche die Rumpfmuskulatur erreicht, sind Atemstörungen und eine erhöhte Infektanfälligkeit der Lungen die Folge. Die myotone Dystrophie Typ 1 verläuft immer progredient, aber Schwere und Zusammensetzung ihrer Symptome sind äußerst variabel. Im Durchschnitt beträgt die Lebenserwartung bei der adulten Form der myotonen Dystrophie Typ 1 etwa 50-60 Jahre.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Das Hauptmerkmal der Myotonen Dystrophie vom Typ 1 besteht in der verzögerten Erschlaffung der Muskulatur nach einer Muskelkontraktion. Über dieses Kennzeichen kann die Erkrankung von anderen Muskeldystrophien abgegrenzt werden. Besonders die Muskeln, die sich am weitesten vom Körperstamm befinden, wie Gesichts-, Hals-, Unterarm-, Hand-, Unterschenkel und Fußmuskeln, sind betroffen. Unabhängig von den Muskelbeschwerden kommen noch weitere Symptome vor.
So treten häufig Herzrhythmusstörungen oder Herzschwäche auf. Aufgrund der Herzbeteiligung kommt es bei Narkosen häufig zu Narkosezwischenfällen. Grauer Star und Stirnglatze bei Männern werden oft beobachtet. Der Testosteronspiegel ist zu niedrig, was nicht selten zu Hodenschwund führt. Es besteht ein erhöhtes Risiko für die Entstehung von Diabetes.
Sprechen und Schlucken bereiten den Patienten Schwierigkeiten. Des Weiteren ist der Patient am Tage ständig müde, was zu nächtlichen Atemaussetzern führen kann. Die Schlafapnoe ist aber nicht immer vorhanden. Als weitere Symptome können Verdauungsstörungen, Gallenleiden oder Hörstörungen vorkommen. Obwohl es sich um eine erblich bedingte Erkrankung handelt, treten bei vielen Patienten die Symptome erst nach dem zwanzigsten Lebensjahr auf.
Als erstes Krankheitszeichen wird häufig ein Grauer Star diagnostiziert. Es gibt jedoch auch eine Form der Erkrankung, die bereits von Geburt an besteht. Diese kongenitale Form der Muskelmyotonie ist durch einen besonders schweren Verlauf mit lebensgefährlicher Ateminsuffizienz sowie geistigen und körperlichen Entwicklungsstörungen gekennzeichnet.
Diagnose & Verlauf
Komplikationen
Die Lebensqualität wird dabei deutlich verringert. Vor allem junge Menschen können bei plötzlichen Sehbeschwerden oder bei einer Erblindung psychische Beschwerden oder Depressionen entwickeln. Weiterhin können auch Herzbeschwerden auftreten, sodass der Patient an einem plötzlichen Herztod sterben kann. Nicht selten leiden die Betroffenen an Diabetes.
Die Muskelschwäche schränkt den Alltag der Betroffenen deutlich ein, sodass diese in einigen Fällen auch auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen sind. Gewisse Tätigkeiten oder Sportarten können dabei nicht mehr ohne Weiteres durchgeführt werden. Kinder werden durch die Krankheit in ihrer Entwicklung deutlich eingeschränkt, sodass es im Erwachsenenalter zu Komplikationen kommen kann. Es ist nicht möglich, diese Krankheit kausal zu behandeln.
Allerdings können viele Beschwerden eingeschränkt und gelindert werden, sodass der Alltag für den Betroffenen erträglich wird. Dabei treten in der Regel keine besonderen Komplikationen auf und die Lebenserwartung des Patienten wird durch die Krankheit nicht eingeschränkt.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Die Notwendigkeit eines Arztbesuches ist gegeben, sobald der Betroffene Beeinträchtigungen bei der Bewältigung seines Alltags erlebt. Eine Schwäche der Muskelkraft, eine Abnahme der körperlichen Leistungsfähigkeit sowie ein Schwund des Gewebes sind Anzeichen einer gesundheitlichen Störung. Können gewohnte sportliche Aktivitäten nur eingeschränkt oder gar nicht ausgeübt werden, sind die Beobachtungen mit einem Arzt zu besprechen. Verschiedene Untersuchungen müssen eingeleitet werden, damit eine Klärung der Ursache erfolgen kann und ein Behandlungsplan erstellt wird.
Eine Verzögerung der willentlich gesteuerten Muskelspannung sowie ein vermindertes Sehvermögen sind besorgniserregend. Kommt es zu unscharfem Sehen oder einer Trübung der Linse, ist ein Arztbesuch anzuraten. Eine Unregelmäßigkeit der natürlichen Greiffunktion ist ein Warnsignal des Körpers, bei dem Handlungsbedarf besteht. Eine erhöhte Unfall- und Sturzgefahr muss mit einem Arzt besprochen werden, damit Gegenmaßnahmen eingeleitet werden können. Störungen des Herzrhythmus, Herzrasen oder Schlafunterbrechungen sind von einem Arzt näher untersuchen zu lassen.
Stellen sich Konzentrations- oder Aufmerksamkeitsdefizite ein oder wird aufgrund der Beeinträchtigungen eine verminderte geistige Leistungsfähigkeit bemerkt, ist ein Arztbesuch vonnöten. Leiden Männer unter einer verminderten sexuellen Lust oder entwickelt sich bei ihnen eine Stirnglatze, sollte ein Arzt konsultiert werden. Kommt es zusätzlich zu emotionalen oder seelischen Belastungszuständen, drohen dem Betroffenen Folgeerscheinungen. Ihnen ist rechtzeitig vorzubeugen.
Behandlung & Therapie
Eine kausale Behandlung der myotonen Dystrophie Typ 1 ist nicht möglich. Die Therapie konzentriert sich auf eine Linderung der Symptome, z.B. durch chirurgische Behandlung des Katarakts, medikamentöse Einstellung bei Herzrhythmusstörungen oder technische Atemunterstützung. Physiotherapeutische Förderung kann das Fortschreiten der myotonen Dystrophie Typ 1 verzögern.
Aussicht & Prognose
Die Aussichten bei einer diagnostizierten myotonen Dystrophie Typ 1 sind schlecht. Sowohl die Lebenserwartung als auch die Lebensqualität leiden. Die meisten Patienten erreichen nicht einmal das 60. Lebensjahr. Viele von ihnen sterben aufgrund eines Herzversagens oder erliegen Infekten. Therapeutische Maßnahmen können die Beschwerden der Erkrankung oft nur marginal lindern. Der Gendefekt an sich ist nach bisherigem wissenschaftlichem Stand nicht heilbar. Viele Betroffene zeigen schon vor dem 20. Lebensjahr Anzeichen der myotonen Dystrophie Typ 1. Andere erscheinen erst im fortgeschrittenen Alter beim Arzt. Innerhalb von Familien besteht ein erhöhtes Risiko, dass die Erkrankung vererbt wird.
Das Leiden nimmt kontinuierlich zu, weil die myotone Dystrophie Typ 1 über die Jahre hinweg unaufhaltsam voranschreitet. Betroffenen fällt es aufgrund der Muskelschwäche zunehmend schwerer, ihren Alltag allein zu bewältigen. Sie sind auf Hilfe angewiesen. Der Bewegungsapparat kommt zum Erliegen. Einem erlernten Beruf kann nach einiger Zeit nicht mehr nachgegangen werden. Die Therapieansätze Medikamente und Krankengymnastik büßen mit der Zeit zunehmend an Wirkung ein. Nicht selten wird der körperliche Verfall der myotonen Dystrophie Typ 1 von psychischen Problemen begleitet.
Vorbeugung
Da es sich bei der myotonen Dystrophie Typ 1 um einen vererbten Gendefekt handelt, ist eine Prävention nicht möglich.
Nachsorge
Die myotone Dystrophie Typ 1 ist erblich bedingt. Eine Heilung ist nach dem aktuellen Forschungsstand nicht möglich. Die Lebenserwartung wird durch die Krankheit um etwa 50 Jahre verringert. Eine Nachsorge ist ratsam, um das Fortschreiten der Dystrophie zu verlangsamen. Weitere Ziele einer nachsorgenden Begleitung sind die Symptomlinderung und die Erhaltung der Lebensqualität.
Bei der Nachsorge wird zudem die Verträglichkeit von Medikamenten kontrolliert, falls sie dem Patienten verabreicht wurden. Die nachsorgende Betreuung bezieht sich primär auf physische Beschwerden. Die Beweglichkeit der Glieder soll durch entsprechende Übungen so lange wie möglich erhalten bleiben. Eine begleitende Psychotherapie kann ebenfalls angemessen oder sogar notwendig sein.
Eine unzureichende Lebensqualität durch die Dystrophie kann den Patienten seelisch beeinflussen. Die Gefahr einer Depression ist sehr hoch. Bei einer Psychotherapie besteht die Möglichkeit, über negative Empfindungen zu sprechen. Im fortgeschrittenen Stadium ist mitunter ein Rollstuhl erforderlich. Bei der Nachsorge lernt der Erkrankte den alltäglichen Umgang mit dem Gerät.
Die myotone Dystrophie beeinflusst zudem die Herzfunktion. Ein Herzschrittmacher wirkt dem Prozess entgegen. Die nachsorgende Behandlung wird von einem Kardiologen durchgeführt. Er überwacht den Heilungsverlauf nach der Operation. Die Kontrolle wird eingestellt, wenn die Heilung erwartungsgemäß verlaufen ist.
Quellen
- Grehn, F.: Augenheilkunde. Springer, Berlin 2012
- Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
- Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013