Myotone Dystrophie Typ 2

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 4. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Bei zunehmender Muskelschwäche im Erwachsenenalter sollte ein Neurologe aufgesucht werden, um eine myotone Dystrophie Typ 2 auszuschließen. Das gilt vor allem, wenn zusätzliche Beschwerden wie Herzrhythmusstörungen oder Schilddrüsenerkrankungen bestehen. Weitere Synonyme für diese Erkrankung sind: PROMM, DM2 und Morbus Ricker.

Inhaltsverzeichnis

Was ist myotone Dystrophie Typ 2?

Die Ursache für die myotone Dystrophie vom Typ 2 ist ein Gendefekt auf dem dritten Chromosom. Die Sequenzen der vier Basen wiederholen sich hier stärker als im Normalfall.
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Die myotone Dystrophie Typ 2 hat eine Reihe alternative Bezeichnungen, die jedoch dieselbe Krankheit betreffen. Neben der Abkürzung DM2 werden in der Literatur die Begriffe proxymale myotone Myopathie (PROMM) oder Rickersche Erkrankung verwendet.

Es handelt sich um eine seltene Erkrankung, die seit etwa 12 Jahren in Deutschland bekannt ist und von Professor Kenneth Ricker erstmals beschrieben wurde. Kennzeichnend für die Krankheit ist eine Muskelschwäche, die mit einer verzögerte Muskelerschlaffung der Oberschenkel- und Handmuskulatur nach einer vorherigen Anspannung auftritt.

Die Muskelschwäche ist dabei langsam fortschreitend und vor allem im Beckengürtel und im Schulterbereich ausgeprägt. Viele Patienten haben ziehende Muskelschmerzen vor allem beim Treppensteigen oder beim Aufstehen. Eine Reihe anderer Beschwerden kann bei der myotonen Dystrophie vom Typ 2 zusätzlich auftreten. Dazu zählen der graue Star und Erkrankungen des Herzmuskels aber auch Störungen der Schilddrüsenfunktion sowie Diabetes und die Beeinträchtigung der Fruchtbarkeit.

Ursachen

Die Ursache für die myotone Dystrophie vom Typ 2 ist ein Gendefekt auf dem dritten Chromosom. Die Sequenzen der vier Basen wiederholen sich hier stärker als im Normalfall. Die Vererbung erfolgt autosomal-dominant, wodurch bei einem betroffenen Elternteil die Hälfte der Kinder den Gendefekt erbt, während die andere Hälfte die gesunde Erbanlage erhält.

Die Krankheit tritt dabei etwa zwischen dem 16. Und dem 50. Lebensjahr auf. Anders als beim Typ 1 dieser Erkrankung, tritt bei der myotonen Dystrophie vom Typ 2 auch keine Verschlimmerung der Beschwerden von einer Generation zur nächsten auf.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die Myotone Dystrophie Typ 2 ist durch eine ähnliche Symptomatik wie die Myotone Dystrophie Typ 1 gekennzeichnet. Hauptmerkmal ist die stark verzögerte Muskelrelaxation im höheren Lebensalter. Diese äußert sich in einer zunehmenden [[Steife Gelenke (Gelenksteife) und Schwäche der Muskulatur. Es kommt zu gestörten Bewegungsabläufen und Muskelschmerzen.

Im Rahmen der Erkrankung tritt sehr häufig auch ein Grauer Star auf. Das Risiko zur Entstehung von Diabetes mellitus ist stark erhöht. Auch Herzrhythmusstörungen werden sehr oft beobachtet. Da der Testosteronspiegel zu niedrig ist, kann es auch zu einer Hodenatrophie kommen. Die Gehfähigkeit ist aber meist erst im höheren Alter beeinträchtigt. #

Insgesamt ist der Verlauf der Myotonen Dystrophie Typ 2 viel gutartiger als bei der Myotonen Dystrophie Typ 1. Obwohl es sich um eine genetisch bedingte Erkrankung handelt, beginnen die ersten Symptome immer erst im Erwachsenalter. Eine angeborene Form der Erkrankung wie bei der Myotonen Dystrophie Typ 1 gibt es hier nicht. Geistige und körperliche Entwicklungsstörungen treten nicht auf.

Die Linsentrübung und ein Diabetes mellitus können aber oft schon früh diagnostiziert werden. Im Gegensatz zur Myotonen Dystrophie Typ 1 gibt es hier auch keine Antizipation. Das bedeutet, dass es bei der Vererbung der Erkrankung zu keiner Vorverlagerung der Symptome in frühere Lebensjahre kommt. Statt einer Heilung der Erkrankung ist allerdings lediglich eine Milderung der Symptomatik möglich.

Diagnose & Verlauf

Die Diagnose der myotonen Dystrophie vom Typ 2 ist schwierig und bedarf daher eines erfahrenen Neurologen.

Nach der Aufnahme der Krankengeschichte und einer körperlichen Untersuchung kann ein Elektromyogramm (EMG) den ersten Nachweis für die Erkrankung liefern. Tritt als erstes Symptom ein grauer Star auf oder eine Herzrhythmusstörung, muss der Patient vom Augenarzt oder vom Internisten zur weiteren Diagnostik zum Neurologen überwiesen werden.

Ein gezielter Gentest kann vor allem bei einer entsprechenden Familiengeschichte bereits vor dem Auftreten von Beschwerden die Diagnose einer myotone Dystrophie vom Typ 2 sichern. Dabei handelt es sich um einen Bluttest, der von der Krankenkasse bezahlt wird. Der Verlauf der Erkrankung ist dabei sehr verschieden. Je später beim Betroffenen die ersten Symptome auftreten, desto langsamer ist generell mit dem Fortschreiten der myotonen Dystrophie vom Typ 2 zu rechnen.

Komplikationen

Durch diese Krankheit leiden die Betroffenen an verschiedenen Beschwerden, die den Alltag deutlich erschweren können. In erster Linie kommt es dabei zu einem starken Muskelschwund und zu Schmerzen in den Muskeln. Diese Schmerzen können ebenfalls in Form von Ruheschmerzen auftreten und dabei nachts zu Schlafbeschwerden und damit zu Depressionen oder anderen psychischen Beschwerden führen.

Weiterhin sinkt auch deutlich die Belastbarkeit des Patienten ab und es kommt zu einer Trübung der Augenlinse und damit eventuell auch zu einem grauen Star. Durch die Sehbeschwerden wird der Alltag des Patienten negativ beeinflusst. Weiterhin führt die Krankheit zu Beschwerden am Herzen, sodass der Patient im schlimmsten Falle am einem Herztod versterben kann. Die Lebenserwartung des Betroffenen wird durch diese Krankheit damit deutlich verringert.

In der Regel kommt es bei der Behandlung nicht zu weiteren Komplikationen. Die Beschwerden an den Augen können relativ gut und einfach gelöst werden, sodass die Betroffenen wieder gewöhnlich sehen können. Weitere Beschwerden werden mit Hilfe von operativen Eingriffen oder durch verschiedene Therapien behandelt. Dabei treten in der Regel ebenfalls keine besonderen Beschwerden auf.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Ein Arztbesuch sollte stattfinden, sobald es zu einer Schwächung der Muskelkraft kommt. Eine geringe körperliche Leistungsfähigkeit oder eine Abnahme der Belastungsmöglichkeiten sind Anzeichen des Körpers für eine bestehende Erkrankung. Ein Arzt ist zu konsultieren, sobald die Beschwerden über eine längere Zeit anhalten oder an Intensität zunehmen. Schmerzen der Muskulatur, die nicht auf einer kurzfristigen Überbeanspruchung oder einseitigen Körperhaltung basieren, sollten ärztlich abgeklärt werden.

Leidet der Betroffene unter Störungen der Mobilität oder kommt es zu Auffälligkeiten der allgemeinen Bewegungsabläufe, wird ein Arzt benötigt. Bei Verzögerungen oder Besonderheiten der Entwicklung eines heranwachsenden Jugendlichen, besteht Anlass zur Besorgnis. Ein Arztbesuch ist notwendig, sobald es zu starken Differenzen des Betroffenen im unmittelbaren Vergleich mit den Möglichkeiten eines Gleichaltrigen kommt. Eine Minderung der Gehfähigkeit, Gangunsicherheiten oder eine erhöhte Sturz- und Unfallgefahr sind mit einem Arzt zu besprechen.

Unregelmäßigkeiten des Herzrhythmus sowie Beeinträchtigungen der Sehkraft sind weitere Anzeichen einer vorliegenden gesundheitlichen Störung, die untersucht und behandelt werden müssen. Können gewohnte sportliche Aktivitäten nicht mehr ausgeführt werden, ist die Rücksprache mit einem Arzt erforderlich. Kommt es neben den körperlichen Unstimmigkeiten auch zu einer seelischen Belastung, ist ebenfalls ein Arztbesuch anzuraten. Bei Verhaltensauffälligkeiten, Stimmungsschwankungen sowie depressiven Tendenzen benötigt der Betroffene medizinische Hilfe.

Behandlung & Therapie

Für die myotone Dystrophie vom Typ 2 gibt es derzeit keine direkte medikamentöse Therapie. Die Behandlung orientiert sich deshalb an den auftretenden Beschwerden und soll die auftretenden Beeinträchtigungen mildern.

Dazu zählt vor allem Krankengymnastik und weitere physiotherapeutische Anwendungen gegen die muskulären Beschwerden sowie Medikamente zur Behandlung von Diabetes und möglicher Schilddrüsenerkrankungen und Herzrhythmusstörungen.

Die meisten Patienten sind muskulär nur wenig eingeschränkt, da sich bei dieser Erkrankung die Feinmotorik und auch die Gefühlsempfindungen in den Gliedmaßen nicht verschlechtert. Auch beim Kauen und Schlucken gibt es keine Beeinträchtigungen. Der graue Star kann durch eine meist ambulant durchgeführte Operation beseitigt werden.

Lokale Narkosen stellen dabei für den Patienten kein Problem dar. Bei geplanten Vollnarkosen muss der Anästhesist jedoch unbedingt über die bestehende myotone Dystrophie vom Typ 2 informiert werden um die Medikamente während der Narkose entsprechend auswählen zu können.


Aussicht & Prognose

Die Prognose für die Myotone Dystrophie Typ 2 ist durchwachsen. Problematisch erscheint vor allem, dass die Erkrankung nicht geheilt werden kann. Ursache ist ein Gendefekt. Ärzte können nur versuchen, auftretende Beschwerden zu lindern. Demgegenüber tritt die Erkrankung erst im hohen Alter auf. Die Muskelschwäche ist meist im Vergleich zur Myotone Dystrophie Typ 1 geringer ausgeprägt.

Auch geht sie nach bisherigem Kenntnisstand nicht mit mentalen Einschränkungen einher. Die Feinmotorik bleibt erhalten. Mit einer geeigneten Therapie und Krankengymnastik lassen sich die meisten Anzeichen abstellen. Die Myotone Dystrophie Typ 2 kann zu einer Verkürzung der Lebenszeit beitragen. Oft ist eine Herzproblematik der Auslöser für ein frühzeitiges Ableben.

Die Erkrankung kommt sehr selten vor. Eine Person aus 100.000 Einwohnern leidet an ihr. Eine Häufung gibt es meist in Familien. Die Myotone Dystrophie Typ 2 wird vererbt. Die Wahrscheinlichkeit auf eine mögliche Erkrankung als Senior steigt demnach, insofern die Muskelschwäche auch bei anderen Familienmitgliedern vorlag. Die besten Chancen auf eine lange Beschwerdefreiheit ergeben sich, wenn die Myotone Dystrophie Typ 2 frühzeitig durch geeignete Therapien behandelt wird.

Vorbeugung

Da es sich bei der myotonen Dystrophie vom Typ 2 um eine genetisch bedingte Erkrankung handelt, gibt es keine direkten Vorbeugemaßnahmen. Bei einer entsprechenden Familiengeschichte sollte jedoch ein Gentest auf diese Erkrankung erwogen werden, da sie vererbt werden kann. Mögliche Beschwerden der myotonen Dystrophie vom Typ 2 können durch eine gesicherte Diagnose zielgerichteter erkannt und behandelt werden. Auch der Patient kann durch die eindeutige Diagnose besser mit den teilweise diffusen Beschwerden umgehen.

Nachsorge

Eine Nachsorge ist bei einer myotonen Dystrophie Typ 2 nicht möglich. Die Krankheit ist nicht therapierbar und Betroffene können lediglich in eine stationäre Behandlung gehen. Bei diesen stationären Aufenthalten sollen die Patienten lernen, wie sie trotz ihrer körperlichen Einschränkungen möglichst viel Selbstständigkeit bewahren.

Die ambulante Therapie sowie die stationäre Rehabilitation werden an die einzelnen Symptome der Patienten angepasst. Mit Krankentherapie und ergotherapeutischen Übungen trainieren die Patienten ihre Muskulatur, um ihre Beweglichkeit so lange wie möglich zu erhalten. Logopäden sollen Betroffenen dabei helfen, ihre Sprache zu verbessern oder auch wieder neu zu erlernen. Weil die Krankheit in vielen Fällen auch psychische Leiden wie Depressionen auslösen kann, stehen für die Patienten Psychologen und Sozialarbeiter zur Verfügung.

Der Umfang der Übungen richtet sich nach der körperlichen und psychischen Verfassung. Das genaue Abstimmen der richtigen körperlichen Belastung ist schwierig. Auf der einen Seite sollen Muskeln und Gelenke trainiert werden. Auf der anderen Weise dürfen Patienten sich aber nicht überanstrengen, um ihre Symptome nicht zu verschlimmern.

Stationäre Aufenthalte dauern in der Regel zwischen vier und sechs Wochen. Im Anschluss können die Patienten eine regelmäßige Krankengymnastik oder Ergotherapie in ihrer Umgebung erhalten. Es ist aber auch möglich, den stationären Aufenthalt zu wiederholen.

Das können Sie selbst tun

Bei der Erkrankung zielt die Selbsthilfe hauptsächlich auf die Verbesserung der vorhandenen Lebensqualität ab. Hierzu zählt vorrangig der Erhalt der Mobilität, der Selbständigkeit und der Arbeitskraft. Durch Physiotherapie können Betroffene Funktionen einzelner Muskeln erhalten, verbessern und die Muskulatur gezielt kräftigen. Bei Schluck- oder Sprachstörungen kann ein Logopäde durch gezielte Übungen die Beschwerden lindern und Leidensdruck nehmen. Bei Problemen mit der Feinmotorik helfen Ergotherapeuten mit gezielten Übungen, diese wieder zu verbessern oder durch Ersatzbewegungen zu kompensieren.

Da es sich um eine genetische Erkrankung handelt, ist es wichtig den Verwandtenkreis über mögliche Symptome zu informieren, welche die Erkrankung mittels eines Gentests bei sich ausschließen oder diagnostizieren lassen können

Einige Medikamente können zu einer Verschlechterung der Erkrankung führen. Deshalb ist es hilfreich einen Muskelnotfallausweis mit sich zu führen. Dieser kann beispielsweise bei der Deutschen Gesellschaft für Muskelkranke e.V. angefordert werden. Dieser kann aktiv neuen Ärzten vorgezeigt werden und hilft passiv bei Unfällen, indem der Rettungsdienst alle nötigen Informationen erhält und die behandelnden Ärzte informiert. Insbesondere bei Vollnarkosen muss vom Anästhesisten Rücksicht genommen und verträgliche Therapeutika angewandt werden.

Durch das Fortschreiten der Erkrankung kann es zu Stimmungsschwankungen bis hin zu Depressionen kommen, die im Rahmen einer Psychotherapie behandelt werden können.

Quellen

  • Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
  • Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010
  • Wildemann, B. Reiber, H., Oschmann, P.: Neurologische Labordiagnostik. Thieme, Stuttgart 2006

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