Neugeborenengelbsucht

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 5. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Über die Hälfte aller Neugeborenen entwickelt kurz nach der Geburt eine schwächer oder stärker ausgeprägte Gelbfärbung der Haut, die in den meisten Fällen harmlos ist. Eine krankhafte Neugeborenengelbsucht muss aber unbedingt behandelt werden.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Neugeborenengelbsucht?

Die Neugeborenengelbsucht tritt typischerweise innerhalb der ersten Lebenstage auf.
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Bei etwa 60 Prozent aller gesunden Neugeborenen tritt in den ersten Lebenstagen eine auffällige Gelbfärbung der Haut auf: die Neugeborenengelbsucht.

Sie entsteht durch Ansammlungen des gelben Gallenfarbstoffs Bilirubin. In vielen Fällen sind die Symptome harmlos und bilden sich von selbst wieder zurück. Dann spricht man von einer physiologischen Neugeborenengelbsucht, die keine Behandlung erfordert.

Bleiben die Symptome aber über einen bestimmten Zeitraum und überschreiten die Bilirubinwerte im Blut eine bestimmte Marke, muss die Erkrankung therapiert werden. Bei einer Frühgeburt steigt das Risiko einer Neugeborenengelbsucht auf 80 Prozent. In der Fachsprache wird auch von einem Neugeborenenikterus gesprochen.

Ursachen

In den meisten Fällen ist die Neugeborenengelbsucht auf normale Stoffwechselvorgänge nach der Geburt zurückzuführen: Im Mutterleib wird der Fötus über viele rote Blutkörperchen mit Sauerstoff versorgt. Es handelt sich dabei um eine bestimmte Sorte, abgekürzt HbF.

Nach der Geburt kann der Säugling selbstständig atmen. Er braucht also weniger rote Blutkörperchen und zudem eine andere Sorte, das HbA. Die alten Blutkörperchen müssen also abgebaut werden, wobei sich das gelbe Bilirubin bildet. Die noch nicht vollständig entwickelte Leber der Neugeborenen kann größere Mengen Bilirubin noch nicht schnell genug in eine ausscheidbare Form überführen, sodass es zu einer Gelbfärbung der Haut kommt.

Ein vermehrter Abbau von Blutkörperchen kann zum Beispiel entstehen, wenn sich die Blutgruppen von Mutter und Kind nicht vertragen. Auch größere Blutergüsse nach der Geburt und eine angeborene Blutarmut können das Entstehen einer Neugeborenengelbsucht erhöhen. Eine Frühgeburt, eine Anlagestörung der Gallenwege, bestimmte Stoffwechselstörungen oder einige Medikamente sind weitere Ursachen, die zu einem mangelhaften Abbau des Bilirubins führen können.

Kindern, die unter dem sogenannten Crigler-Naijar-Syndrom leiden, fehlt das Enzym, das für den Abbau des Bilirubins verantwortlich ist. Auch durch das Stillen kann eine zumeist physiologische Neugeborenengelbsucht ausgelöst werden. Die Gründe hierfür sind noch nicht genau geklärt.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die Neugeborenengelbsucht tritt typischerweise innerhalb der ersten Lebenstage auf. Sie äußert sich durch zunächst durch die Gelbfärbung der Haut und durch die gelblich-weißen Verfärbungen an der weißen Augenhaut. Meist zeigen die erkrankten Säuglinge ein leicht kränkliches Aussehen und verhalten sich ungewöhnlich. So kann es zu einer gesteigerten Aktivität oder zu einer Apathie kommen, abhängig von der Höhe der Bilirubinwerte und dem individuellen Krankheitsverlauf.

Überschreiten die Bilirubinwerte einen gewissen Wert nicht, klingt die Neugeborenengelbsucht von selbst wieder ab. Weitere Komplikationen oder Spätfolgen sind in diesem Fall nicht zu erwarten. Bei höheren Werten können sich dagegen Gallenfarbstoffe im Gehirn ablagern. Dies kann zu körperlichen und geistigen Beschwerden führen – es kommt zum sogenannten Kernikterus.

Erkrankte Säuglinge sind ständig müde und gähnen häufig. Appetit und Trinkverhalten sind reduziert, woraus relativ schnell Mangelerscheinungen und Dehydration resultieren. Im weiteren Verlauf erhöht sich die Muskelspannung und es bildet sich das typische Hohlkreuz mit durchgestrecktem Rücken.

Begleitend dazu wird das Kind immer unruhiger, schreit und weint oder zeigt sich zwischenzeitlich apathisch. Auch Atemnot und Krampfanfälle treten in diesem Stadium der Erkrankung auf. Langfristig kann eine schwere Neugeborenengelbsucht zu Hör- und Sehstörungen, Entwicklungsstörungen und Fehlbildungen führen.

Diagnose & Verlauf

Eine physiologische Neugeborenengelbsucht entsteht zwischen dem dritten und dem sechsten Tag nach der Geburt und bildet sich bis zum zehnten oder vierzehnten Tag wieder zurück.

Deutlich sichtbar ist die Gelbfärbung der Haut und der weißen Augenhaut. Der Arzt überprüft gegebenenfalls die Bilirubinwerte im Blut. Erste Aufschlüsse erhält der Arzt mithilfe eines Multispektralgeräts. Damit kann er den Anteil farbigen Lichts messen, das durch die Haut dringen kann. Ergeben sich Hinweise auf erhöhte Werte, werden Blutuntersuchungen durchgeführt, die Hinweise auf die Ursachen geben. Weiterhin werden Galle und Leber überprüft, beispielsweise mit Ultraschallbildern.

Eine krankhafte Neugeborenengelbsucht kann dazu führen, dass das Kind schläfrig wird und wenig trinkt. Grund dafür ist, dass sich das Bilirubin in bestimmten Bereichen des Gehirns ablagern kann. Im Verlauf dieses sogenannten Kernikterus kann es zu einer erhöhten Muskelspannung mit zum Hohlkreuz durchgedrückten Rücken, Atemnot, schrillem Schreien und Krampfanfällen kommen. Spätfolgen können Seh- und Hörstörungen, eine verminderte geistige Entwicklung und Bewegungsauffälligkeiten sein.

Komplikationen

Die Neugeborenengelbsucht oder Neugeborenenikterus tritt bei 60 Prozent der Neugeborenen auf und ist in der Regel harmlos. Die Erkrankung wird durch den notwendigen Umbau beziehungsweise Austausch der roten Blutkörperchen nach der Geburt verursacht. Der massive Abbau der Erythrozyten des Typs HbF verursacht eine vorübergehende Überschwemmung des Stoffwechsels mit dem Abbauprodukt Bilirubin, das die typische gelbe Hautverfärbung verursacht.

Im Normalfall stellen sich auch unbehandelt keine weiteren Komplikationen ein, und die Gelbverfärbung bildet sich nach 10 bis 14 Tagen wieder vollständig zurück. Liegt allerdings eine krankhafte Neugeborenengelbsucht vor, können sich unbehandelt ernsthafte Symptome einstellen, die auch irreversible Schäden verursachen können. Falls sich aufgrund des mangelhaften Abbauvermögen eine zu hohe Konzentration von Bilirubin im Blut einstellt, kann sich der Stoff im Gehirn absetzen. Es stellt sich dann ein sogenannter Kernikterus ein, der zu einem erhöhten Muskeltonus führt.

Die betroffenen Neugeborenen sind meist schläfrig und trinken schlecht. Sie neigen zu einem ausgesprochenen Hohlkreuz, zu schrillem Schreien und auch zu Krampfanfällen sowie zu Atemnot. Bei Nichtbehandlung können sich auch irreversible Spätschäden wie Seh- und Hörstörungen, Bewegungsanomalien und eine verminderte geistige Entwicklung einstellen. Eine zielführende Therapie bietet eine Bestrahlung der Haut mit Blaulicht. Dieses erleichtert die Umwandlung des Bilirubins in seine wasserlösliche Form, die seinen Abbau und seine Ausscheidung wesentlich erleichtert.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Bei einer stationären Geburt oder einer von Geburtshelfern begleiteten Niederkunft übernehmen die anwesenden Krankenschwestern, Hebammen oder Ärzte die Erstuntersuchungen des Neugeborenen. Stellen sie Unregelmäßigkeiten oder Besonderheiten beim allgemeine Gesundheitszustand des Säuglings fest, werden selbständig die weiteren Schritte für eine ausreichende medizinische Versorgung eingeleitet. Die Eltern oder Angehörige müssen in diesen Fällen nicht aktiv werden.

Treten jedoch die ersten Anzeichen einer gesundheitlichen Beeinträchtigung erst einige Tage nach der Geburt ein, besteht Handlungsbedarf der Eltern. Bei einer Veränderung des Hautbildes, einer Gelbfärbung der Haut oder Verhaltensauffälligkeiten des Nachwuchses ist ein Arzt zur Abklärung der Symptome aufzusuchen. Verweigert das Neugeborene die Nahrungszufuhr, zeigt es eine starke Unruhe oder schreit es unaufhörlich, liegt eine gesundheitliche Störung vor die diagnostiziert und unter Umständen behandelt werden muss. Obgleich die Neugeborenengelbsucht nicht unbedingt medizinisch versorgt werden muss, ist ein Arztbesuch grundsätzlich zu empfehlen.

Insbesondere sollten durch ärztliche Untersuchungen andere Erkrankungen ausgeschlossen werden, um das Leben des Neugeborenen nicht zu gefährden. Anspannungen der Muskulatur, eine Teilnahmslosigkeit oder Apathie sind weitere Hinweise, denen nachgegangen werden sollte. Zeigt der Säugling einen übermäßigen Schlafbedarf oder eine Störung der Atemtätigkeit, ist ein Arzt von den Beobachtungen zu unterrichten. Bei einer Atemnot muss unverzüglich ein Arzt konsultiert werden.

Behandlung & Therapie

Eine krankhafte Neugeborenengelbsucht wird oft mit einer Licht- oder Phototherapie behandelt. Dazu wird die Haut mit blauem Licht bestrahlt, was das Bilirubin dazu regt, sich in seine wasserlösliche Form umzubauen.

So kann der Körper den Farbstoff leichter abbauen. Als Nebenwirkung der Lichttherapie kann sich ein harmloser Hautausschlag bilden, der in der Regel nicht juckt. Bei einer stark erhöhten Bilirubinkonzentration im Blut ist ein Blutaustausch durch eine Austauschtransfusion nötig.

Bei Frühgeborenen und bei Säuglingen, bei denen die Gelbsucht besonders früh eintritt, wird die Behandlung recht schnell begonnen. Dauert die Neugeborenengelbsucht länger an, handelt es sich wahrscheinlich um eine Störung der Gallenwege. Hier kann eine Lichttherapie gut Abhilfe verschaffen.


Vorbeugung

Es gibt nur sehr wenige Möglichkeiten, einer Neugeborenengelbsucht vorzubeugen. So weit es möglich ist, sollte das Baby nicht vor dem errechneten Termin aus dem Mutterleib geholt werden. Viele Eltern versuchen auch, ihrem Kind möglichst viel Licht und Sonne zukommen zu lassen.

Dabei ist die pralle Mittagssonne aber nicht geeignet. Am angenehmsten für empfindliche Babyhaut ist die Sonne am frühen Morgen und am späten Nachmittag. Sonnenschutzprodukte dürfen dabei nicht fehlen. Homöopathische Arzneimittel wie beispielsweise Phosphor C30 können ebenfalls sinnvoll sein.

Nachsorge

Da in den meisten Fällen von Gelbsucht bei Neugeborenen keine Therapie notwendig ist, müssen üblicherweise auch keine spezifischen Nachsorgemaßnahmen ergriffen werden. Es kommt für gewöhnlich innerhalb kurzer Zeit ohne Behandlung zur Heilung. Nach spätestens zwei bis drei Wochen sollte die gelbliche Hautfarbe des Kindes von selbst verschwunden sein. Sollte dies noch nicht der Fall sein, können auf Anraten des Arztes zusätzlich weitere Maßnahmen notwendig werden.

In der Regel sind jedoch keine speziellen Nachsorgeuntersuchungen aufgrund der Gelbsucht vonnöten. Der behandelnde Kinderarzt wird die Erkrankung im Rahmen der üblichen Kontrolluntersuchungen für Neugeborene beobachten. Zusätzlich kontrolliert die Hebamme weiterhin, ob die Gelbsucht vollständig abgeheilt ist oder ob Handlungsbedarf besteht. Halten die Symptome über einen längeren Zeitraum an, ordnet der Kinderarzt in der Regel einen aktuellen Bluttest des Kindes an.

Dabei wird der Bilirubinwert noch einmal überprüft. Je nach Befund können anschließend noch weitere Maßnahmen zur Nachsorge oder zur erneuten Therapie notwendig sein. Mit dem betroffenen Kind ans Tageslicht zu gehen, ist jedoch die wichtigste Maßnahme zur Nachsorge bei Neugeborenengelbsucht. Dies ist insbesondere vonnöten, wenn das Neugeborene bereits im Krankenhaus mittels Phototherapie behandelt wurde.

Das können Sie selbst tun

Ist bereits auf der Wochenbettstation abzusehen, dass er sich bei der Gelbsucht des Neugeborenen um eine gefährliche Form handelt, wird schon im Krankenhaus zu Behandlungsmaßnahmen gegriffen. Doch gibt es einige Methoden, mit denen die Eltern das Abklingen der Gelbsucht zu Hause unterstützen können.

Eltern sollten ihr Kind möglichst häufig dem Sonnenlicht aussetzen. Hierfür eignet es sich am besten, das Neugeborene nackt in das durch das Fenster fallende Licht zu legen. Dabei müssen die Räume unbedingt warm gehalten werden. Direktes Sonnenlicht wäre besser, doch besteht die Gefahr, dass das Kind sich einen Infekt holt. Das Fensterglas lässt ohnehin den wichtigen "blauen" Lichtanteil durch. Gleichzeitig hilft es, die Darmtätigkeit des Neugeborenen anzuregen. Dann wird das bereits von der Leber ausgeschiedene Bilirubin, welches zur Gelbsucht führt, direkt ausgeschieden und die Gefahr, es könne zurück in den Körper gelangen, erübrigt sich.

Das Kind sollte so häufig wie möglich an die Brust genommen werden, um die Milchproduktion anzuregen. Ob die Darmtätigkeit tatsächlich angekurbelt wird, macht sich am häufigen Stuhlgang des Kindes bemerkbar. Auf ein Zufüttern durch Flaschennahrung oder gar Beikost sollte jedoch verzichtet werden, da es nur zu Irritationen des neugeborenen Körpers führt. Auch auf das Geben von Wasser oder Tee kann verzichtet werden. Muttermilch allein reicht aus.

Quellen

  • Eppinger, M., Müller, M., et al.: Pädiatrie. Für Studium und Praxis. 2013/14. Medizinische Verlags- und Informationsdienste, Breisach 2013
  • Gortner, L., Meyer, S., Sitzmann, F.C.: Duale Reihe Pädiatrie. Thieme, Stuttgart 2012
  • Kerbl, R. et al.: Checkliste Pädiatrie. Thieme, Stuttgart 2011

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