Neuropsychologische Diagnostik

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 13. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die neuropsychologische Diagnostik umfasst eine Reihe von standardisierten Papier-und-Bleistift- sowie Computertests zur Abklärung kognitiver Defizite nach einer Hirnschädigung. Das Diagnoseverfahren ist Voraussetzung für die Erhebung des kognitiven Status sowie die Planung nachfolgender Therapiemaßnahmen. Die Testung wird von Neuropsychologen in Einrichtungen mit neurologischem Schwerpunkt durchgeführt.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die neuropsychologische Diagnostik?

Im Zentrum der Neuropsychologie stehen Schädigungen des Gehirns in Folge von Unfällen oder Erkrankungen sowie deren Auswirkungen auf kognitive und psychische Funktionen. Zu diesen zählen unter anderem Gedächtnis, Aufmerksamkeit, Konzentration, Wahrnehmung, Sprachverständnis, Planen und Problemlösen sowie Motivation, Stimmung und Antrieb.

Neuropsychologen decken im Behandlungsprozess die diagnostische Abklärung, die Durchführung verschiedener Therapiemaßnahmen sowie die Beratung für Betroffene und Angehörige ab. Neuropsychologen sind meist in Krankenhäusern, Therapiezentren oder Rehabilitationskliniken mit neurologischem Schwerpunkt tätig. Die Diagnostik oder testpsychologische Untersuchung umfasst die gesamte Bandbreite kognitiver und emotionaler Funktionen sowie deren Auswirkungen auf das Verhalten des Betroffenen.

Das Diagnoseverfahren beginnt mit einer Eigenanamnese, die aufgrund möglicher mangelhafter Zuverlässigkeit des Betroffenen durch eine Fremdanamnese mit Angehörigen ergänzt wird. Eine systematische Verhaltensbeobachtung in Therapie- und Alltagssituationen unterstützt und vervollständigt die in der Anamnese erhobenen Daten. Standardisierte, teilweise computergestützte Tests geben detaillierten Aufschluss über verschiedene kognitive und psychische Funktionen. Aufgrund der Testergebnisse erfolgt anschließend die Planung und Durchführung der Therapie.

In vielen Einrichtungen ist die neuropsychologische Diagnostik ein Standardverfahren des therapeutischen Prozesses. Betroffene mit Hirnschädigung durchlaufen eine umfangreiche Abklärung, auf die je nach Ergebnis nicht zwingend eine therapeutische Behandlung in Form von Übungen und kognitivem Training erfolgt.

Funktion, Wirkung & Ziele

Für eine umfangreiche Abklärung führen Neuropsychologen mehrere Tests durch, die unter Umständen etliche Stunden in Anspruch nehmen. Ein wesentlicher Teil ist die Untersuchung des Kurz- und Langzeitgedächtnisses.

Dieses kann durch eine erworbene Hirnschädigung wie Schlaganfall oder Schädel-Hirn-Trauma bedingt sein. Langfristig gesehen verursachen auch Demenzen Gedächtnisstörungen, die unterschiedlich schnell fortschreiten. Das bekannteste Mittel zur Bestimmung einer Demenz ist der Mini Mental Status Test. Durch verschiedene Aufgaben zur Merkfähigkeit, zur Orientierung und zum Umsetzen von verbalen und schriftlichen Vorgaben wird die kognitive Leistungsfähigkeit eingestuft. Ist dieser Test auffällig, werden weitere Untersuchungen zu Form und Fortschreiten der Demenz durchgeführt. Eine Prüfung der örtlichen, zeitlichen, persönlichen und situativen Orientierung erfolgt bereits in der Anamnese.

Neben Angaben zu seiner Person wie Wohnort und Geburtsdatum beantwortet der Patient Fragen zu seinem derzeitigen Aufenthaltsort, dem aktuellen Datum oder dem bisherigen Krankheitsverlauf. Eine weitere große Gruppe aus dem Bereich der neuropsychologischen Untersuchungen sind Tests zur visuellen Wahrnehmung. Ist das Sehzentrum geschädigt, können komplette oder teilweise Gesichtsfeldausfälle an einem oder beiden Augen die Folge sein. Die Tests laufen immer öfter computergestützt ab. Der Patient soll versuchen, verschiedene Objekte ohne Drehung des Kopfes auf dem Bildschirm zu sehen. Ein ähnliches Verfahren kommt bei Neglect-Tests zum Einsatz.

Der Neglect ist eine Begleiterscheinung von Schlaganfällen, meist bei Schädigung der rechten Hemisphäre. Für Patienten mit Neglect existiert eine Raumhälfte visuell, akustisch und/oder taktil nicht, Reize aus dieser Raumhälfte werden nicht wahrgenommen. Der einfachste Weg der Diagnose sind Linienhalbierungstests, bei denen Betroffene Linien auf einer Seite des Blattes übersehen und die Linien nicht genau in der Hälfte, sondern bei etwa einem Viertel teilen. Auch der Uhrentest, bei dem der Patient eine Uhr samt Zeiger aufzeichnen soll, gibt Aufschluss über einen Neglect. Betroffene würden sämtliche Ziffern in nur eine Hälfte der Uhr einzeichnen. Neuropsychologen klären auch sprachliche Aspekte einer Hirnschädigung ab.

Lese- und Schreibtests erlauben Rückschlüsse auf eine Betroffenheit des Sprachzentrums. Neben dem Lese-Sinn-Verständnis wird hierbei auch das Gedächtnis untersucht, wenn Patienten das Gelesene wiedergeben sollen. Schreibtests zeigen außerdem mögliche motorische Defizite der dominanten Hand. Tests zur Handlungsplanung und Problemlösung geben Aufschluss darüber, wie gut sich Betroffene in Alltags- oder Berufssituationen zurechtfinden und die dort auftretenden Herausforderungen bewältigen können. Die meisten neuropsychologischen Tests prüfen parallel auch Aufmerksamkeit und Konzentration. Sollten hier Auffälligkeiten vorliegen, können eigene Verfahren wie Ausstreichtests ein genaueres Bild vermitteln.


Risiken, Nebenwirkungen & Gefahren

Da es sich bei der neuropsychologischen Diagnostik um ein nichtinvasives Verfahren handelt, entsteht für den Betroffenen keine körperliche Gefährdung. Viele Personen haben allerdings Schwierigkeiten, die Testung und die anschließende Therapie vollständig anzunehmen.

Körperliche Defizite sind für die Psyche oft einfacher zu verarbeiten als kognitive, weswegen die Betroffenen während der Testung unter Umständen nicht compliant sind. Eine fehlende Krankheitseinsicht erschwert die Diagnostik für den Neuropsychologen. Eine weitere Komplikation liegt in Patienten mit massiven Verhaltensauffälligkeiten oder Aggressionen, welche eine Testung mitunter unmöglich machen. In diesem Fall kann die neuropsychologische Diagnostik nicht gleich nach der Aufnahme, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Manche neuropsychologische Untersuchungen wie der Mini Mental Status Test können nur einmal angewendet werden.

Dieser Test zur Bestimmung einer Demenz kann aufgrund des Lerneffekts bei einer zweiten Durchführung ein besseres und damit verfälschtes Ergebnis zeigen. Neuropsychologen müssen sich mit anderen Berufsgruppen absprechen, damit keine doppelte Testung erfolgt. Ergotherapeuten beispielsweise führen ebenfalls Testungen im kognitiven Bereich durch, um ihre Therapiemaßnahmen zu planen. Eine Rücksprache mit anderen Ärzten und Therapeuten ist nicht nur während der Diagnostik, sondern auch während des Therapieprozesses unumgänglich, da die Behandlung von Gehirnschädigungen im multidisziplinären Team erfolgt.

Quellen

  • Davison, G.C., Neale, J.M., Hautzinger, M.: Klinische Psychologie. Beltz PVU, München 2007
  • Lautenbacher, S., Gauggel, S. (Hrsg.): Neuropsychologie psychischer Störungen. Springer, Berlin 2010
  • Upledger, J. E.: Die Entwicklung des menschlichen Gehirns und Zentralen Nervensystems: a brain is born. Haug, Stuttgart 2003

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