Progressive familiäre intrahepatische Cholestase

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 15. April 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Unter dem Begriff progressive familiäre intrahepatische Cholestase werden drei, im Erscheinungsbild sehr ähnliche, Cholestasen zusammengefasst, die durch unterschiedliche Gendefekte voneinander abgegrenzt werden können. Die Krankheiten werden autosomal rezessiv vererbt und führen aufgrund fehlerhaft kodierter Membrantransportproteinen in den Gallenkapillarmembranen zu einem Stau von Gallenflüssigkeiten im Körper. Eine Heilung der Krankheit setzt eine Lebertransplantation voraus, ansonsten ist die Prognose für alle drei Formen der Krankheit ungünstig.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine progressive familiäre intrahepatische Cholestase?

Das Auftreten von Lebertumoren und die Ausbildung von Gallensteinen bereits im ersten oder zweiten Lebensjahr sind typische Anzeichen für PFIC2.
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Bei der seltenen progressiven intrahepatischen Cholestase (PFIC) handelt es sich um eine autosomal-rezessiv vererbte Erkrankung der Leber. Es sind drei verschiedene Formen der Krankheit, der PFIC Typ1 bis Typ 3 (PFIC1, PFIC2, PFIC3) bekannt, die sich klinisch nur wenig unterscheiden. Ihr Hauptabgrenzungsmerkmal besteht in unterschiedlichen Gendefekten, die jeweils ein bestimmtes Membrantransportprotein in den Leberzellen fehlerhaft kodieren.

Es kommt dadurch zu einer gestörten Ausscheidung von Gallensäuren und bedingt einen auf die Leberzellen (Hepatozyten) toxisch wirkenden Stau der Gallensäuren sowie einen Stau der Gallenflüssigkeit im Körper (Cholestase). Der PFIC Typ 1 wird auch als Morbus Byler oder Byler-Syndrom bezeichnet, weil der verursachende Gendefekt erstmals bei einer Familie Byler festgestellt wurde.

Alle drei Formen der Krankheit führen bereits im frühen Alter zur Ausbildung einer Leberzirrhose, die sich medikamentös und diätetisch nur verzögern, nicht aber verhindern lässt. Die einzige Heilungsmöglichkeit besteht in einer Lebertransplantation noch im Kindesalter.

Ursachen

Die progressive familiäre intrahepatische Cholestase wird ausschließlich durch bestimmte Gendefekte verursacht, die autosomal-rezessiv vererbt werden. Das bedeutet, dass die Krankheit nicht geschlechtsspezifisch ist und nur zum Tragen kommt, wenn beide Elternteile den gleichen Gendefekt aufweisen. PFIC1 geht auf das mutierte ATP8B1-Gen ATP auf Chromosom 18 zurück.

Die Genmutation bewirkt eine Störung des Phosphoglycerids Phosphatidylserin, das für die Funktion eines bestimmten Aminophospholipid-Transporters wichtig ist. Es kommt dadurch zu einer intrahepatischen Cholestase. Da der gleiche Zelltyp auch in der Bauchspeicheldrüse vorhanden ist, stellen sich auch dort ähnliche Symptome ein. Hierdurch erklären sich die bei PFIC1 ebenfalls zu beobachtenden extrahepatischen Symptome.

Die Krankheitsvariante PFICB2 lässt sich auf eine Genmutation des ABCB11-Gens auf Chromosom 2 zurückführen. Das defekte Gen ist an der Funktionsfähigkeit eines Gallensäuretransporters beteiligt und führt ebenfalls zu einer Cholestase. Eine Genmutation im ABCB4-Gen auf Chromosom 7 führt zu einer verringerten Ausscheidung von Lecithin, so dass es zu einem verringerten Schutz der Hepatozyten kommt.

Die Auswirkungen des Gendefekts, der ursächlich für die Entstehung von PFICB3 verantwortlich ist, äußern sich in einer chronischen Cholangitis, die letztlich der Auslöser für die Entwicklung einer Leberzirrhose ist.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die Symptomatik bei allen drei Formen der PFIC ist nur wenig unterschiedlich und tritt vielfach bereits bei den Neugeborenen auf. Alle drei Erscheinungsformen werden von schwerem Juckreiz begleitet, der nur bei PFIC3 schwächer ausgeprägt ist. Das Byler-Syndrom zeichnet sich schon bald nach der Geburt durch eine chronische Gelbsucht, durch Diarrhö, Pankreatitis sowie durch Wachstumsstörungen und Schwerhörigkeit aus.

Das Auftreten von Lebertumoren und die Ausbildung von Gallensteinen bereits im ersten oder zweiten Lebensjahr sind typische Anzeichen für PFIC2. Wenn auch der Verlauf der Krankheit bei PFIC3 im Vergleich zu den beiden anderen Formen langsamer und milder zu sein scheint, entwickelt sich später eine Leberzirrhose.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Bei Neugeborenen, die Symptome einer Cholestase zeigen, ohne dass eine Verlegung der Gallenwege vorliegt, deutet auf die Erbkrankheit PFIC hin. Eine laborchemische Untersuchung liefert Hinweise über die Leberenzymwerte und über Gallensäure im Blut. Weitere Diagnosemöglichkeiten bestehen in einer Leberbiopsie mit anschließender histologischer Untersuchung und Überprüfung auf Vorhandensein defekter Transportproteine.

Prinzipiell ist eine molekulargenetische Untersuchung hilfreich, vor allem zur Abgrenzung der drei Formen der PFIC untereinander. Allerdings sind die Ergebnisse einer derartigen Untersuchung nicht immer zuverlässig. Die Zusatzbezeichnung progressiv deutet bereits darauf hin, dass die Krankheit unbehandelt einen progressiven Verlauf nimmt. Die Überlebensprognose ist bei allen drei Erscheinungsformen der Krankheit ungünstig. Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt unbehandelt bei unter zehn Jahren.

Komplikationen

Bei dieser Krankheit kommt es in den meisten Fällen zum Tod, wenn keine Behandlung eintritt. Die Betroffenen sind dabei in der Regel auf die Transplantation der Leber angewiesen, um zu überleben. Eine Selbstheilung tritt dabei nicht ein. Die Beschwerden treten dabei schon im Kindesalter auf und können zu einem sehr starken Juckreiz auf der Haut führen.

Auch eine Gelbsucht tritt dabei auf und verringert die Lebensqualität des Patienten enorm. Ebenso leiden die Betroffenen dabei an einer Schwerhörigkeit und an Störungen des Wachstums und der Entwicklung. Weiterhin führt die Krankheit auch zu störrigen Durchfällen oder zu Blähungen. Auch die Eltern und die Angehörigen der Patienten leiden aufgrund der Erkrankung sehr häufig an Depressionen oder an anderen psychischen Verstimmungen.

Sollte es nicht zu einer Behandlung kommen, so führt diese Erkrankung in der Regel zu einer Leberzirrhose, die schließlich zum Tod des Betroffenen führt. Die Behandlung dieser Erkrankung erfolgt mit Hilfe von Medikamenten. Allerdings sind die Patienten in den meisten Fällen auf eine Transplantation der Leber angewiesen, um die Lebenserwartung zu erhöhen.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Erste Anzeichen einer Unregelmäßigkeit zeigen sich bereits kurz nach der Geburt des Erkrankten. Juckreiz, Veränderungen und Auffälligkeiten des Hautbildes sowie eine Verfärbung der Haut sind untersuchen und behandeln zu lassen. In vielen Fällen werden die Besonderheiten bereits unmittelbar nach der Geburt von Mitgliedern des Pflege- und Helferteams bemerkt. Hebammen und Ärzte führen die Erstuntersuchungen bei Neugeborenen durch. Liegen zu diesem Zeitpunkt Unregelmäßigkeiten vor, werden diese dokumentiert und weiter verfolgt. Eltern und Angehörige sollten in diesen Fällen einen engmaschigen Kontakt zu dem behandelnden Arzt pflegen.

Zeigen sich im weiteren Entwicklungsprozess Störungen des Wachstums, ist eine Abklärung der Beobachtungen anzuraten. Kommt es im direkten Vergleich zu Gleichaltrigen zu einer Kleinwüchsigkeit, sollte ein Arzt aufgesucht werden. Störungen des Hörvermögens, eine verminderte Hörkraft und Unregelmäßigkeiten des Sprechens sind ebenfalls untersuchen und behandeln zu lassen.

Pickel, Geschwüre und Wucherungen auf der Haut weisen auf eine Funktionsstörung der Leber hin. Ein Arztbesuch ist anzuraten, damit eine Abklärung der Beschwerden stattfinden kann. Unstimmigkeiten der Verdauung, Durchfall sowie Schmerzen im Unterleib sind einem Arzt vorzustellen. Eine erhöhte Körpertemperatur, eine innere Unruhe sowie Übelkeit und Erbrechen sollten von einem Arzt untersucht werden. Bei einem Schwächegefühl und Teilnahmslosigkeit wird ein Arzt zur Abklärung der Ursache benötigt.

Behandlung & Therapie

PFIC ist aufgrund der genetisch bedingten Verursachung nicht heilbar, so dass sich Therapien auf Behandlung der Symptomatik konzentrieren, um eine Hinauszögerung des progressiven Krankheitsverlaufs zu erreichen. Wichtig ist eine hochwertige Ernährung mit hochkalorischen Elementen, um die durch Diarrhö verminderte Aufnahmefähigkeit des Darms zu kompensieren.

Hinsichtlich Ernährung sollte auch für eine ausreichende Zufuhr fettlöslicher Vitamine und für eine Anreicherung mit mittelkettigen Fetten (MCT-Kost) gesorgt werden. Der Juckreiz wird normalerweise mit Antihistaminika behandelt, auf die aber nicht alle Patienten ansprechen. Eventuelle Nebenwirkungen dieser leicht sedierenden Medikamente müssen bedacht werden.

Einige Patienten sprechen auf Ursodesoxycholsäure an, wodurch der fibröse Umbau der Leber unter Umständen gestoppt oder zumindest stark verlangsamt werden kann. Besonders bei PFIC1 und 2 kann unter Umständen eine partielle externe Gallediversion den Krankheitsverlauf stoppen. Mittels einer Dünndarmschleife wird ein Stoma, ein künstlicher Ausgang für die Gallenblase geschaffen, so dass für etwa 30 bis 50 Prozent der Gallenflüssigkeit ein Bypass nach außen entsteht.

Alternativ hierzu können mit einem Bypass etwa 15 bis 20 Prozent des Dünndarms überbrückt werden, so dass die Reabsorption der Gallesalze verringert wird. Der Vorteil besteht darin, dass kein künstlicher Ausgang geschaffen werden muss. Als Ultima Ratio bleibt als einzige Möglichkeit zur Heilung der Krankheit eine Lebertransplantation.


Vorbeugung

Wegen der genetisch bedingten Verursachung der PFIC sind keine Vorsorgemaßnahmen existent, die Einfluss auf eine Verhinderung der Krankheit hätten. Empfehlenswert ist eine Nachforschung innerhalb der eigenen Familie, ob Fälle einer diagnostizierten PFIC bekannt sind.

Nachsorge

Eine Nachsorge bei einer progressiven familiären intrahepatischen Cholestase ist nur dann vorgesehen, wenn dem Patienten eine neue Leber transplantiert worden ist. Nach der Operation werden in den ersten Monaten regelmäßige Nachuntersuchungen angesetzt. Der Arzt überprüft, ob das neue Organ von dem Körper gut angenommen wurde und ob sich die Blutwerte des Patienten verbessert haben.

Da die Patienten meistens im Kleinkinder-Alter sind, kann die Operation Komplikationen nach sich ziehen. Durch die verabreichten Immunsuppressiva besteht das Risiko, dass sich Krankheitserreger im Körper der Patienten festsetzen. Eine einfache Erkältung kann sich zu einer schweren Grippe ausbreiten. Darum bekommen die Patienten zusätzlich Breitbandantibiotika verabreicht.

Die Gefahr einer Organabstoßung ist vergleichsweise gering. Trotzdem überprüft der Arzt, ob das neue Organ leistungsfähig ist oder ob sich Abstoßungsreaktionen zeigen. In einem Großteil der Fälle reicht es aus, wenn die Dosierung der Medikamente angepasst wird, bis sich der Körper des Patienten an die neue Leber gewöhnt.

Wenn die Leistung der Leber allerdings zu stark nachlässt, ist eine Abstoßung der Leber nicht mehr zu verhindern. In solchen Fällen wird darauf geachtet, die Leiden des Patienten zu lindern und ihn möglichst schmerzfrei zu halten. Eine Heilung der progressiven familiären intrahepatischen Cholestase oder einer erneute Transplantation ist nicht mehr möglich.

Das können Sie selbst tun

Die Erkrankung ist mit vielen verschiedenen starken Einschränkungen der Lebensführung verbunden. Daher sollte im Rahmen der Selbsthilfe auf eine optimale Gestaltung des Alltags geachtet werden.

Das Wohlbefinden sowie die Lebensfreude sind zu fördern, damit die Widrigkeiten und Umstände Umstände der Erkrankung gut gehandhabt werden können. Der Patient sollte umfassend von Ärzten und Angehörigen über den Krankheitsverlauf sowie die weiteren Entwicklungsschritte informiert werden. Darüber hinaus kann eine Eigenrecherche hilfreich sein, um offene Fragen beantwortet zu bekommen. In Selbsthilfegruppen werden Informationen rund um die Erkrankung ausgetauscht. Eine Kommunikation mit anderen Betroffenen kann als emotional unterstützend empfunden werden.

Nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Stand ist die einzige Möglichkeit einer Heilung oder Verbesserung der Situation in einer Transplantation der Leber zu finden. Um diesen Eingriff gut überstehen zu können, sollte eine gesunde Lebensweise stattfinden. Mit einer ausgewogenen und vitaminreichen Ernährung kann das Immunsystem stabilisiert werden. Darüber hinaus sollte auf den Konsum von Schadstoffen wie Nikotin und insbesondere Alkohol vollständig verzichtet werden.

Zur Stabilisierung der Psyche können Mentaltechniken oder Entspannungsverfahren genutzt werden. Diese dienen bei dem Abbau von vorhandenen Stressoren und Stärken das innere Gleichgewicht. Ein gesundes Selbstbewusstsein ist notwendig, um im Alltag mögliche Hänseleien der Wachstumsstörungen gut überwinden zu können.

Quellen

  • Arasteh, K., et. al.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013

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