Psychomotorik

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. April 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die Bewegung eines Menschen wird durch unterschiedliche psychische Vorgänge wie Konzentration oder Emotionalität beeinflusst. Dieses kausale Zusammenspiel wird als Psychomotorik bezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Psychomotorik?

Der Begriff "psychomotorisch" umfasst die Einheit von motorischen und psychischen Vorgängen, der Terminus "Psychomotorik" beschreibt die Entwicklungsförderung mit Hilfe von Bewegung, die heute immer mehr Verbreitung findet.

Es gibt verschiedene Psychomotorik-Schulen, die das Zusammenspiel von psychischem Erleben sowie der Entwicklung von Wahrnehmung und Motorik betonen. Die einzelnen Schulen vertreten dabei unterschiedliche Annahmen, wie beeinträchtigte Bewegungsabläufe entstehen können. Diese Konzepte verfolgen unterschiedliche Schwerpunkte und werden auch unter den Termini Mototherapie, Motopädie, Motopädagogik, Bewegungstherapie oder Bewegungspädagogik zusammengefasst.

Die Grundannahme der Psychomotorik ist dabei, dass die Entwicklung der Persönlichkeit immer ganzheitlich zu verstehen ist. Das heißt, dass physische und psychische Bereiche miteinander verbunden sind und Bewegungserfahrungen immer auch als Selbsterfahrungen verstanden werden müssen. So sagt zum Beispiel die Körperhaltung eines Menschen immer auch etwas über seinen seelischen Zustand aus.

Das gilt auch für Kinder: Bewegungen haben nicht nur Einfluss auf ihre motorischen Kompetenzen, sondern wirken auch auf die Wahrnehmung der eigenen Fähigkeiten. Vor allem bei Kindern sind rationale, emotionale und seelische Vorgänge sehr stark miteinander verbunden. So werden Emotionen auch durch Bewegung ausgedrückt, wodurch beispielsweise Bewegungsspiele den Kontakt zu Kindern wesentlich erleichtern.

Der Begriff "psychomotorisch" umfasst daher die Einheit von motorischen und psychischen Vorgängen, der Terminus "Psychomotorik" beschreibt die Entwicklungsförderung mit Hilfe von Bewegung, die heute immer mehr Verbreitung findet. Als Urvater der Psychomotorik gilt Ernst Kiphard, dessen Sportangebot für aggressive und verhaltensauffällige Kinder einen positiven Effekt auf deren emotionale Entwicklung hatte. Laut Kiphard sind motorische Auffälligkeiten bei Kindern, die an Verhaltensproblemen leiden, auf eine minimale cerebrale Dysfunktion zurückzuführen.

Dadurch treten Defizite im Bereich Bewegung bzw. Wahrnehmung und in weiterer Folge auch Hyperaktivität, motorische Unruhe, Konzentrationsstörungen oder gehemmtes Verhalten auf. Durch eine motorische Betätigung ist es laut Kiphard allerdings möglich, die Persönlichkeit der Kinder und Jugendlichen zu stabilisieren und harmonisieren. Kiphard setzte beispielsweise das Trampolin ein, um die Koordination und die Bewegung zu schulen.

Funktion, Wirkung & Ziele

Allerdings galt Kiphards Konzept als zu sehr defizitorientiert und wurde schließlich weiterentwickelt, wobei der kindliche Standpunkt in den Vordergrund rückte. Es entstanden neue Ansätze wie der kindzentrierte Ansatz nach Meinhart Volkamer bzw. Renate Zimmer. Dieser hat Ähnlichkeit mit der Spieltherapie nach Virginia Axline und soll den Kindern einen Sozialerfahrungs- sowie Bewegungsraum bieten, sodass sie lernen, ihre Probleme durch Bewegung auszudrücken und zu bewältigen.

Die Bewegungserlebnisse sind dabei nur wenig gesteuert und haben das Ziel, das Selbstkonzept der Kinder zu stärken. Der kompetenzorientierte Ansatz vertritt die Ansicht, dass Kinder, die an Bewegungsstörungen leiden, auch psychische Probleme entwickeln, die den Mangel im Bewegungsverhalten kompensieren sollen. So versteht der kompetenzorientierte Ansatz Aggressivität beispielsweise als Ausdruck für ein Problem im motorischen Bereich. In diesem Zusammenhang kann die Psychomotorik helfen, nachträglich Bewegungskompetenzen aufzubauen. Jürgen Seewald hingegen ist ein Vertreter des verstehenden Ansatzes der Psychomotorik. Er entwickelte so genannte Beziehungs- bzw. Leibthemen der Kinder, mit deren Hilfe die Ursache der Probleme erkannt werden kann. In einem psychomotorischen Setting können diese Schwierigkeiten dann nachträglich verarbeitet und bewältigt werden.

Marion Esser vertritt einen Ansatz, der sich tiefenpsychologisch orientiert. Für sie ist Bewegung auch innere Bewegtheit, wobei hier als theoretische Grundlagen die Gestaltpsychologie, die Entwicklungspsychologie sowie die Psychoanalyse gelten. Die systemische Psychomotorik versteht die psychomotorische Entwicklung als Anpassung an das jeweilige soziale Umfeld. Demnach müssen bei Kindern, die an motorischen Auffälligkeiten leiden, auch die zwischenmenschlichen Beziehungen überprüft und behandelt werden. Die verschiedenen Ansätze der Psychomotorik finden vor allem Anwendung in der Kinder- bzw. Jugendpsychiatrie, wobei der Einsatz der jeweiligen Psychomotorik-Schule vom ausführenden Psychomotoriker abhängt. Angestrebt wird ein möglichst ganzheitliches Vorgehen, um den Kindern und Jugendlichen eine Hilfestellung auf einer relativ breiten Ebene bieten zu können. Psychomotorische Therapien werden oft auch von Krankenkassen bezahlt.

Durchgeführt werden sie vorwiegend in psychomotorischen Praxen, Elemente davon finden sich aber auch in der Arbeit von Logopäden, Ergotherapeuten oder Physiotherapeuten. Angebote gibt es darüber hinaus auch in Kindergärten sowie im Bereich des Schulsports, Einsatz findet die Psychomotorik aber auch in der Sonder- und Heilpädagogik, wo Kinder und Jugendliche mit körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderungen betreut werden. Diese weisen oft Probleme im Bereich Kognition, Kommunikation, Emotion, Motorik bzw. Sensorik auf, wobei diese Bereiche mit psychomotorischen Maßnahmen äußerst positiv beeinflusst werden können.

Mittlerweile existieren auch viele Forschungsergebnisse, die zeigen, wie wichtig Wahrnehmung und Bewegung für die frühkindliche Entwicklung vor allem im Bereich Kognition, Sozialverhalten, Sprachentwicklung und Emotionalität sind. In der Psychomotorik werden zum Beispiel Geräte wie Rollbretter, Balancierkreisel oder Pedalos eingesetzt. Diese sprechen das Gleichgewicht an und sind sehr gut zur Förderung entwicklungsauffälliger Kinder geeignet. Sehr wichtig ist dabei die Art und Weise, wie die Geräte von den Kindern entdeckt werden. Wichtige Inhalte der Psychomotorik sind dabei:

  • Selbst- und Körpererfahrungen wie beispielsweise körperlicher Ausdruck oder Sinneserfahrungen
  • Materialerfahrungen und Lernen über die Bewegung
  • Soziale Erfahrungen wie Kommunikation mit Hilfe der Bewegung
  • Regelspiele mit Spielregeln, die auf eine bestimmte Situation abgestimmt sind.


Risiken, Nebenwirkungen & Gefahren

Eine Psychomotoriktherapie birgt keine Gefahren, sondern verfolgt das Ziel, Kinder frühestmöglich zu fördern, um das Risiko für eventuelle Beeinträchtigungen oder Störungen zu reduzieren. Dabei sollen die kindlichen Kompetenzen gestärkt und Risikofaktoren minimiert werden.

Quellen

  • Köckenberger, H., Hammer, R.: Psychomotorik. Ansätze und Arbeitsfelder. Ein Lehrbuch. Verlag Modernes Lernen, Dortmund 2004
  • Zimmer, R.: Handbuch der Psychomotorik: Theorie und Praxis der psychomotorischen Förderung von Kindern. Herder, Freiburg 2012
  • Zimmermann, K.: Einführung in die Psychomotorik. Universität Kassel (Verlag), Kassel 2001

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