Pulley-Läsion

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die Pulley-Läsion ist eine Schädigung der ringförmigen Bandeinfassung der langen Bizepssehne bei ihrem Eintritt in die Bizepsrinne. Sie entsteht in Folge einer Unfallverletzung oder durch Schwächung des im Alter spröde gewordenen Sehnenansatzes. Die Therapie der Wahl ist die Tenotomie.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine Pulley-Läsion?

Die Pulley-Läsion wirkt sich sehr negativ auf die Lebensqualität des Patienten aus. In der Regel kommt es dabei zu heftigen Einschränkungen in der Bewegung, sodass der Betroffene eventuell auf Geh-Hilfen oder auf die Hilfe anderer Menschen in seinem Alltag angewiesen ist.
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Die Pulley-Läsion ist eine Schädigung der langen Bizepssehne im Schultergelenk. Ihren Ansatz nimmt die lange Bizepssehne am Oberrand der Schultergelenkpfanne, von wo aus die frei durch den Gelenkinnenraum läuft, welchen sie schließlich durch die Bizepsrinne des Oberarmkopfes verlässt.

Im Vergleich zur kurzen Bizepssehne, die außerhalb des Schultergelenks liegt, ist die lange Bizepssehne durch ihren herausgehobenen Verlauf innerhalb des Gelenkes anfällig für Verletzungen und Überlastungen. Der Abschnitt im Schultergelenk, den sie durchquert, wird als Pulley-System bezeichnet. Hierbei handelt es sich um eine Bindegewebsschlinge, das sich aus verschiedenen Sehnenabschnitten und Bändern zusammensetzt.

Anteile der Supraspinatussehne und der Subscapularissehne gehören ebenso dazu wie das Coracohumerale Ligament und das Superiore Glenohumerale Ligament. Diese Schlinge umfasst bei einem gesunden Schultergelenk die lange Bizepssehne vollständig, da sie das Herausrutschen der langen Sehne aus dem Sulcus intertubercularis verhindern soll, was eine Instabilität zur Folge hätte.

Ursachen

Bei degenerativen Veränderungen des Schultergelenks kann die Führung der langen Bizepssehne empfindlich gestört werden. Auch im Rahmen einer sogenannten Rotatorenmanschettenruptur – einer Schulterverletzung, bei der eine oder mehrere Sehnen der vier Muskeln, die die Rotatorenmanschette bilden, gerissen ist.

Insbesondere, wenn die Sehne des Musculus subscapularis betroffen ist, kann die lange Bizepssehne im Schultergelenk ihr ursprüngliches Lager im Sulcus bicipitis humeri verlassen und in das Articulatio humeri genannte Hauptgelenk hineingeraten. Kurz: Die Pulley-Läsion entsteht in der Regel im Zusammenhang mit einer Verletzung der Teile der Subscapularissehne. Durch ein Außenrotations- beziehungsweise Hyperflektionstrauma entsteht eine Überlastung der Bandeinfassung der Bizepssehne, die im ungünstigsten Fall zu einem Abriss der Subscapularissehne mit vollständiger Zerstörung des Pulley-Systems führt.

Dies führt in direkter Folge zu einer Luxation der Bizepssehne aus der Bizepsrinne und kann auch jüngere Patienten betreffen, beispielsweise durch einen Sturz beim Snowboarding. Bei älteren Patienten ist die Ursache für die Pulley-Läsion meist eine schleichende Schwächung des im Alter spröde gewordenen Sehnenansatzes. Aus diesem Grunde kann es hier auch ohne ursächlichen Unfall zu einem schrittweisen Abriss der Subscapularissehne und einer daraus folgenden Instabilität der langen Bizepssehne kommen.

Symptome, Anzeichen & Beschwerden

Die Pulley-Verletzung bringt Bewegungseinschränkungen oder -irritationen mit sich. Als Folge der Instabilität des Pulley-Systems, das regelrecht aufscheuert, kann es zu einer Entzündung der langen Bizepssehne kommen, weshalb Schmerzen vor allem vorn am Oberarm auftreten. Zudem werden durch die Pulley-Läsion allmählich die umliegenden Gelenkanteile zerrieben.

Die Folge kann eine Arthrose im Schultergelenk sowie die Ausdünnung, später der Riss der langen Bizepssehne sein. Patienten mit Pulley-Verletzung aufgrund eines Unfalls haben oftmals ein reißendes Geräusch während des Unfalls bemerkt. Sie haben zumeist starke Schmerzen in der Schulter, die nachts verstärkt auftreten.

Aber auch bei ruckartigen Bewegungen der Arme oder beim Anheben schwerer Gegenstände mit gestrecktem Arm zeigen sich Schmerzspitzen. Diese Beschwerden klingen monatelang nicht ab. Sehr starke Schmerzen können für den Arzt ein Zeichen sein, dass eine vollständige Luxation der langen Bizepssehne vorliegt.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Um eine Pulley-Läsion zu diagnostizieren, wird der O´Brien-Test durchgeführt – eine Schmerzangabe des Patienten nach Anheben seines nach vorn ausgestreckten, nach innen rotierenden Arms gegen einen Widerstand. Neben einem positiven Ergebnis des O´Brien-Tests finden sich bei der Pulley-Läsion häufig zusätzlich positive Subscapulariszeichen sowie lokaler Druckschmerz über der Bizepsrinne.

Der verletzte Arm verfügt im Vergleich zur gesunden Seite über eine erhöhte Außenrotationsfähigkeit. Durch Röntgendiagnose lassen sich knöcherne Verletzungen ausschließen; zudem gibt das bildgebende Verfahren Aufschluss über den Gesamtzustand des Schultergelenks, etwa ob eine Arthrose vorliegt, ob es Kalkeinlagerungen gibt oder Anzeichen für eine stattgehabte Luxation. Die Pulley-Läsion lässt sich per Ultraschall darstellen – zumindest in jenen ausgeprägten Fällen, wo die lange Bizepssehne aus der Bizepsrinne getreten ist.

MR-Diagnostik wiederum kann die Ablösung des Sehnenansatzes der Subscapularissehne als Kontinuitätsunterbrechung gezeigt werden, nicht selten mit Flüssigkeitseinstrom zwischen Sehnengewebe und Oberarmknochen. In nicht eindeutigen Fällen kann nach Einspritzung eines Kontrastmittels eine MR-Arthrographie durchgeführt werden. Im MRT zeigt sich die Pulley-Läsion dann als Aufweitung des Rotatorenintervalls.

Komplikationen

Die Pulley-Läsion wirkt sich sehr negativ auf die Lebensqualität des Patienten aus. In der Regel kommt es dabei zu heftigen Einschränkungen in der Bewegung, sodass der Betroffene eventuell auf Geh-Hilfen oder auf die Hilfe anderer Menschen in seinem Alltag angewiesen ist. Auch verschiedene Schwierigkeiten der Koordination können durch die Pulley-Läsion auftreten und den Alltag des Patienten weiterhin erschweren.

In den meisten Fällen kommt es dabei ohne Behandlung auch zu einer Entzündung. Weiterhin kann sich eine Arthrose ausbilden, sodass es zu heftigen Schmerzen in der Schulter kommt. Diese Schmerzen breiten sich dabei nicht selten auch in den Rücken aus. Vor allem in der Nacht kann es dadurch zu einer Schlaflosigkeit und weiterhin zu Depressionen und anderen psychischen Verstimmungen kommen.

Eine Selbstheilung tritt bei der Pulley-Läsion in der Regel nicht ein. Auch das Heben von schweren Gegenständen ist damit für den Betroffenen mit starken Schmerzen verbunden. Die Behandlung der Pulley-Läsion erfolgt mittels eines operativen Eingriffs und verschiedener Therapien. Dabei kommt es meistens nicht zu Komplikationen. Die Lebenserwartung des Betroffenen wird durch die Pulley-Läsion nicht beeinflusst.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Die Pulley-Läsion sollte immer durch einen Arzt behandelt werden. Da es bei dieser Erkrankung nicht zu einer Selbstheilung und häufig auch zu einer Verschlechterung des allgemeinen Zustandes kommt, ist eine ärztliche Behandlung unerlässlich. In der Regel ist bei der Pulley-Läsion dann ein Arzt aufzusuchen, wenn es zu einer Entzündung an der betroffenen Sehne kommt. Durch die Entzündung leidet der Patient unter starken Schmerzen, die sich in den ganzen Arm ausbreiten können.

Dabei treten die Schmerzen nicht nur in Form von Belastungsschmerzen, sondern auch als Ruheschmerzen auf und können zu deutlichen Schlafbeschwerden führen. Weiterhin kann auch die Ausbildung einer Arthrose auf die Pulley-Läsion hindeuten, sodass es zu starken Schmerzen in den Schultern des Patienten kommt. Dabei kann der Betroffenen seinen Arm nicht mehr richtig strecken und leidet dadurch an deutlichen Einschränkungen in seinem Alltag.

In erster Linie kann bei der Pulley-Läsion ein Orthopäde oder ein Unfallmediziner aufgesucht werden. Die weitere Behandlung findet meist durch einen operativen Eingriff statt, sodass auch ein Aufenthalt in einem Krankenhaus notwendig ist.

Behandlung & Therapie

Eine Rückführung der Sehne in ihren natürlichen Verlauf gestaltet sich schwierig bis unmöglich, da die führenden Strukturen selbst geschädigt sind. Zudem ist die Bindegewebsschlinge des Pulley-Systems derart filigran, dass die Rekonstruktionsversuche nach ihrem Reißen zumeist scheitern. Dort, wo eine Rekonstruktion möglich war, hatten Patienten nachher vielfach mehr Beschwerden als vorher.

Aus diesem Grund hat sich als Therapie der Wahl die Durchtrennung der Sehne etabliert. Das Fehlen der langen Bizepssehne nämlich ist weitaus weniger problematisch als das Fehlen der kurzen wäre: Die Kraftentfaltung des Bizepsmuskels wird zu mehr als neunzig Prozent über die kurze Sehne entwickelt, sodass die Einbuße der langen Sehne gut kompensiert werden kann.

Die Entfernung des im Gelenk verlaufenden Anteils der langen Bizepssehne wird als Tenotomie („Durchtrennung“) bezeichnet. Zusätzlich kann eine sogenannte Tenodese („Umlagerung“) durchgeführt werden – die Verlagerung des Sehnenansatzes in den Bereich der Bizepsrinne am Oberarmkopf, wenn der natürliche Verlauf der Sehne nicht erhalten werden kann. Hierzu nutzt der Chirurg einen Titan-Anker.

Eine Reparatur der Bandeinfassung samt einem Erhalt des anatomischen Verlaufs der Bizepssehne dagegen ist zumeist nicht erfolgversprechend. Die Operation wird arthroskopisch unter Vollnarkose durchgeführt und dauert etwa sechzig Minuten. Es folgt eine drei- bis vierwöchige Ruhigstellung, um das Einheilen der verlegten Sehne zu gewährleisten.


Vorbeugung

Da die Pulley-Läsion entweder in Folge eines Unfalls oder mit fortschreitendem Alter aufgrund natürlichen Gelenksverschleißes entsteht, können lediglich generelle Präventionsmaßnahmen zur Unfallverhütung empfohlen werden.

Nachsorge

Bei der Pulley-Läsion bestimmen der Schweregrad der Erkrankung und die vom Facharzt festgelegte Therapie den Umfang der Nachsorge. Grundsätzlich wird die Pulley-Läsion zuerst konservativ behandelt. Die Nachsorge fokussiert sich dann auf das Weiterführen der therapeutischen Behandlungen. Langfristig wird hier versucht (Zeitraum zwei bis vier Monate), durch Physiotherapie die Schmerzsituation beim Betroffenen zu lindern und die Bewegungsfunktion der Schulter zu verbessern.

Übungen zur Kräftigung der Schultermuskulatur können den Genesungsprozess beschleunigen. Auch wird die medikamentöse Therapie dem Beschwerdebild regelmäßig angepasst. Die Pulley-Läsion heilt aber konservativ in der Regel nicht vollständig aus. Der Betroffene muss Funktionsdefizite im Schulterbereich akzeptieren. Bei der Nachsorge sollten daher Techniken erlernt werden, die im Alltag die Belastung auf den Schultergürtel reduzieren können.

Nach einer Operation der Pulley-Läsion (Durchtrennen der Sehne oder Befestigung am Knochen) verbleibt die Schulter für sechs Wochen in einem Gilchristverband. Die lange Bizepssehne wird aber postoperativ sofort passiv beübt. Sekundäre Rupturen (Riss der Sehne an anderer Stelle) und die Verlagerung des Muskelbauches können so verhindert werden. Bei der operativen Therapie steht im Mittelpunkt der Nachsorgebehandlungen das Beüben der Schultermuskulatur mittels Krankengymnastik. Auch werden vom Facharzt grundsätzlich physikalische Anwendungen wie Elektrotherapie (Reizstrom) und Kälte verordnet. In rund 95 Prozent aller Fälle sind nach einer Operation gute Ergebnisse zu erwarten.

Das können Sie selbst tun

Eine Pulley-Läsion muss zunächst ärztlich diagnostiziert und behandelt werden. Abhängig von der Schwere der Läsion kann der Patient verschiedene Maßnahmen ergreifen, um die Therapie zu unterstützen. Wichtig ist zunächst sportliche Betätigung. Durch Krankengymnastik, Yoga und Co. kann die Rückführung der Sehne unterstützt werden. Dann ist unter Umständen eine vollständige Genesung möglich und die Patienten können den betroffenen Arm wieder schmerzfrei bewegen.

In den meisten Fällen ist eine Rückführung der Sehne in den natürlichen Bewegungsverlauf nicht mehr möglich, da die Strukturen selbst bereits stark geschädigt sind. In diesem Fall konzentriert sich die Therapie darauf, die Schmerzen zu lindern und die übrigen Sehnen soweit zu stärken, dass die eingeschränkte Bewegungsfähigkeit optimal kompensiert wird. Dies gelingt durch Dehnübungen, aber auch durch einen operativen Eingriff, bei dem die Sehne mit Hilfe eines Bands gestärkt wird.

Neben diesen symptomatischen Maßnahmen muss die Ursache der Pulley-Läsion ermittelt werden. Dies gelingt durch eine umfassende Anamnese, unterstützt durch ein Beschwerdetagebuch, in dem unter anderem das erstmalige Auftreten der typischen Beschwerden notiert werden sollte. Anhand dieser Informationen kann der Arzt den Auslöser der Bänderschädigung finden und weitere Maßnahmen einleiten. Wichtig ist die Behebung der Ursache, etwa indem auf Kraftsport verzichtet oder der Beruf gewechselt wird.

Quellen

  • Gesenhues, S., Zisché, R.H., Breetholt, A. (Hrsg.): Praxisleitfaden Allgemeinmedizin. Urban & Fischer, München 2013
  • I care Krankheitslehre. Thieme, Stuttgart 2015
  • Netter, F.H. et. al.: NETTERs Allgemeinmedizin. Thieme, Stuttgart 2006

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