Sexsucht

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 2. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die Hypersexualität – umgangssprachlich Sexsucht – bezeichnet ein gesteigertes Verlangen nach Sex oder sexuellen Handlungen. Medizin, Psychologie und Sexualwissenschaft befassen sich in den letzten Jahren vermehrt mit diesem Thema. Die Ursachen sind unterschiedlicher Natur, die Abgrenzung vom noch gesunden zum bereits ungesunden Verhalten ist schwierig.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Sexsucht?

Anzeichen einer Sexsucht ist in erster Linie das ständige Verlangen nach sexuellen Kontakten. Das Verlangen wird dabei nicht durch einen erlebten sexuellen Akt gestillt, sondern der Wunsch nach mehr Sex bleibt permanent bestehen.
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Eine wissenschaftliche Definition für den Begriff Sexsucht, gibt es bisher nicht. Einzig und alleine das gesteigerte sexuelle Verlangen als sexuelle Störung ist anerkannt.

Ob eine Sexsucht vorliegt oder nicht, wird hauptsächlich über das Empfinden des Betroffenen definiert. Eine Vorgabe, wann Sex zu viel wird, gibt es nicht, daher ist die Frage, ob der Betroffene selbst ein Problem mit seinem Verhalten hat. Menschen die unter Sexsucht leiden, haben einen übersteigerten, extremen Drang nach sexuellen Handlungen, der sie in ihrem Leben einschränkt.

Die Gedanken der Betroffenen drehen sich um nichts anderes mehr, sie sind nur noch auf der Suche und können an nichts anderem mehr Freude haben. Oft sind die Orgasmus- und Bindungsfähigkeit bei Sexsüchtigen eingeschränkt, was sie dazu bringt immer weiter zu suchen.

Ursachen

Die genauen Ursachen für eine Sexsucht sind nicht bekannt. Klar ist aber, dass es sich immer um ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren handelt. Es gibt in seltenen Fällen körperliche Ursachen, die in einem Tumor in der Nebennierenrinde liegen können.

Genauso kommen verschiedene psychische Erkrankungen, wie beispielsweise Manien ursächlich in Frage. Da Sexualität auch erlernt wird, spielen familiäre Faktoren eine Rolle. Auffällig ist, dass Sexsüchtige oft aus Familien kommen, in denen Alkoholmissbrauch oder andere Abhängigkeiten bestehen. Es ist erwiesen, dass Suchtverhalten eine genetische Disposition hat.

Beim Sex werden im Körper Botenstoffe ausgeschüttet, die die Stimmung positiv beeinflussen. Viele Sexsüchtige steigern die Ausschüttung von körpereigenen Drogen zusätzlich durch Spiele, die Angst oder Risiko beinhalten. Eine Ursache für eine Sexsucht kann auch ein Missbrauch in der Kindheit sein. Betroffene haben gelernt, dass sie Probleme mit Sex lösen können und stehen den Partnern zur Verfügung ohne ihre eigenen Bedürfnisse wirklich wahrzunehmen.

Auch eine überwältigende, positive Erfahrung bei frühen sexuellen Erlebnissen kann eine Sexsucht auslösen. Betroffene suchen fortwährend nach der Wiederholung dieses Gefühls.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Anzeichen einer Sexsucht ist in erster Linie das ständige Verlangen nach sexuellen Kontakten. Das Verlangen wird dabei nicht durch einen erlebten sexuellen Akt gestillt, sondern der Wunsch nach mehr Sex bleibt permanent bestehen. Daraus ergeben sich oftmals Probleme in einer Beziehung. Wenn der Sexualtrieb beider Partner dauerhaft nicht miteinander zu vereinbaren ist, wird sich über kurz oder lang Unzufriedenheit einstellen.

Typisches Symptom einer Sucht ist die Begier, in dem Fall nach Sex, die sich nicht rational beherrschen lässt. So besuchen auch viele von Sexsucht Betroffene, ihr Verlangen nach sexuellen Kontakten auch außerhalb einer bestehenden Partnerschaft auszuleben. Erachtet der Partner dies nicht als legitim, sind Eifersucht, Vertrauensbruch und Trennung meist die Folgen.

Aber auch Betroffene von Sexsucht, die nicht in einer Partnerschaft leben, gehen manchmal gewisse Risiken ein. Eine hohe Anzahl von Sexualpartnern birgt das Risiko, sich mit einer Geschlechtskrankheit zu infizieren. Um die daraus resultierenden Beschwerden zu umgehen, müssen Betroffene auf die strikte Verwendung von Kondomen achten.

Gleiches gilt auch für die Entstehung einer ungewollten Schwangerschaft. Die Sexsucht ist im Regelfall auf das ständige Ausleben des körperlichen Triebes beschränkt, beinhaltet aber nicht notwendigerweise den Wunsch nach einer festen Partnerschaft oder Kindern. Um hier allen Beteiligten emotionale Probleme zu ersparen, ist eine sichere Verhütung bei Sexsucht unabdingbar.

Diagnose & Verlauf

Eine Sexsucht steigert sich über Jahre. Typisch ist, dass die Sexualität immer weniger befriedigend wird, ihr Einfluss auf das Alltagsleben immer größer. Der Drang nach dem Ausleben der Sexualität wird immer schwerer zu kontrollieren.

Typische Anzeichen sind:

  • Die Gedanken drehen sich immer häufiger um Sex. Es wird auch immer mehr Sex praktiziert. Findet dieser nicht mehr statt, entsteht Angst und innere Leere.
  • Die Betroffenen haben Probleme in ihren Partnerschaften, ein erhöhtes Risiko der Infektion mit Geschlechtskrankheiten, oft treten finanzielle und berufliche Schwierigkeiten auf.
  • Es findet ein Kontrollverlust über das Verhalten statt. Betroffene versuchen ihre sexuellen Aktivitäten auszuweiten, scheitern an ihrem Mangel an Befriedigung und legen letztendlich ein zwanghaftes Verhalten an den Tag, das sie nicht mehr durchbrechen können.
  • Sexsüchtige versuchen Konflikte und negative Emotionen mit Sex zu lösen. Dies gelingt nur kurzfristig, oft folgen Schuldgefühle.
  • Die Sexualität bestimmt das komplette Leben des Betroffenen, andere Pflichten werden komplett vernachlässigt.
  • Oft ist das sexuelle Lustempfinden gestört.

Komplikationen

Die Sexsucht führt auf mehreren Ebenen zu Komplikationen. Beispielsweise führt das ständige Nachgehen der Sucht (bei entsprechender Möglichkeit) zu einer zunehmenden Toleranzbildung. Es verhält sich hierbei ähnlich, wie bei abhängig machenden Substanzen: Der ursprüngliche Reiz genügt nicht mehr, um die Sucht zu befriedigen und so werden extremere Reize gesucht.

Dies kann sich im Ausleben von härteren Sexualpraktiken äußern, kann aber auch in sexueller Belästigung, Vergewaltigung oder gar einem sexuell assoziierten Tötungsdelikt enden. Entsprechende rechtliche Konsequenzen hat die Sexsucht in solchen Fällen für Betroffene.

Besonders gravierend verhält es sich, wenn Sexsüchtige zudem eine Paraphilie (Pädophilie, Koprophilie) aufweisen. Aufgrund der mangelnden Möglichkeiten, sich auszuleben, entwickeln Betroffene hier Ausweichverhalten (intensiver Konsum von teils illegaler Pornographie, Besuch von Prostituierten, die ihre Wünsche erfüllen) und können auch hier rechtliche Grenzen übertreten.

Umgekehrt gibt es Fälle, in denen die Sexsucht als Grundlage für die eigens ausgelebte Prostitution angesehen werden kann. In solchen Fällen ist eine Behandlung der Sexsucht gleichbedeutend mit dem Verlust der finanziellen Grundlage. Ein sozialer Abstieg ist aufgrund der Sexsucht möglich. Er kann durch Seitensprünge, den finanziellen Ruin oder Straftaten in diesem Zusammenhang bedingt sein.

Außerdem kommt es bei sexuell sehr aktiven Menschen im Allgemeinen häufiger zum Auftreten von Geschlechtskrankheiten, insofern nicht auf einen adäquaten Schutz beim Akt geachtet wird.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Sexsucht erzeugt mit der Zeit Leidensdruck und das ist der richtige Zeitpunkt, sich ärztliche Hilfe zu suchen. Spätestens dann, wenn der Betroffene selbst erkennt, dass er sexsüchtig ist und deswegen Entscheidungen trifft, die nicht zu seinem Wohl sind, sollte ein Arzt aufgesucht werden. Allerdings tritt der Leidensdruck bei Sexsucht schon wesentlich früher auf, bevor der Betroffene selbst unter seiner Erkrankung zu leiden beginnt, nämlich bei den direkt von der Sexsucht betroffenen Menschen. Das können wechselnde oder auch feste Sexualpartner sein. Bereits das kann für Sexsüchtige ausreichen, um sich helfen zu lassen, auch wenn sie selbst noch nicht unter der Situation leiden - sie leiden darunter, dass sie anderen Menschen schaden, was sie nicht wollen.

Wer zu diesem Zeitpunkt schon Hilfe annehmen kann, trifft für sich selbst und andere eine richtige Entscheidung. Ansprechpartner kann bei Verdacht auf Sexsucht der Hausarzt sein, aber auch Fachärzte wie Gynäkologen oder Urologen werden sich des Problems annehmen können. Letztendlich wird die Behandlung durch einen Psychologen oder Heilpraktiker erfolgen müssen. Wer sich direkt an diese wenden will, kann auch das tun, wird allerdings eine Weile auf einen Termin warten oder die Kosten selbst tragen müssen. Ergänzend gibt es auch gute Selbsthilfegruppen für Sexsüchtige, die einen wertvollen Beitrag zur Behandlung leisten oder Wartezeiten überbrücken können.

Behandlung & Therapie

Wenn der Betroffene in der Lage ist, seine Situation zu erkennen und auch einen entsprechend hohen Leidensdruck verspürt, kann eine Therapie helfen. Meistens findet eine kognitive Verhaltenstherapie Anwendung. Betroffene lernen und verstehen wie sie in die Sexsucht geraten sind, was die persönlichen Ursachen dafür sind und wie sie ihre Verhaltensweisen ändern.

In manchen Fällen werden Psychopharmaka eingesetzt. Problematisch ist, dass bisher viel zu wenige Therapeuten wirklich Erfahrungen in der Behandlung von Sexsucht mitbringen. Möglicherweise müssen neben der Sexsucht weitere psychische Erkrankungen behandelt werden. Die Therapie verfolgt das Ziel, Intimität ohne die Verbindung mit Sexualität erleben zu können, deshalb arbeiten die meisten Therapien zu Beginn mit einer Phase der sexuellen Enthaltsamkeit, in der es weder sexuelle Handlungen mit sich selbst, noch mit einem Partner gibt.

Das hat den Sinn, dass beim Betroffene negative Gefühle auftreten, die aufgearbeitet werden können. Der Aufbau einer gesunden Beziehung zu sich selbst steht im Vordergrund, da die Beziehung zu sich selbst Beziehungen zu anderen prägt.


Vorbeugung

Die Vorbeugung einer Sexsucht ist im Grunde nicht möglich. Das einzige, das helfen kann, ist sich selbst, seine sexuellen Verhaltensweisen, seine Beziehungen zu Partnern zu überprüfen und sich zu fragen, ob die eigene Lebensweise als gesund einzustufen ist, ob sie von der Lebensweise anderer Menschen abweicht, ob man ein Problem damit hat und wenn ja warum.

Einige ehemalige Sexsüchtige besuchen nach der Therapie eine Selbsthilfegruppe, um sich mit anderen Betroffenen auszutauschen. Solche Gruppen können einen Raum bieten, um über das Tabu-Thema Sexsucht offen zu sprechen. Die Gruppenteilnehmer unterstützen sich häufig, indem sie einander Tipps geben oder neue Perspektiven bieten. Eine wesentliche Funktion von Selbsthilfegruppen besteht darin, sich psychisch zu entlasten.

Nachsorge

In der ambulanten Nachsorge nach der Sexsucht-Therapie spielen Beratungsstellen eine wichtige Rolle. Diese organisieren zum Teil Selbsthilfegruppen oder andere Gesprächsgruppen. Einige Beratungsstellen bieten darüber hinaus Einzelgespräche an, die regelmäßig oder bei Bedarf stattfinden können.

Spezielle Anlaufstellen für Sexsüchtige sind selten – allerdings bieten manche Beratungen für Abhängigkeitserkrankungen Gruppen und Gespräche für Verhaltenssüchtige an. Zu diesen zählen neben Spiel- und Internetsüchtigen auch Sexsüchtige. Interessenten sollten sich jedoch im Einzelfall beim jeweiligen Anbieter erkundigen, ob ein bestimmtes Nachsorgeangebot für sie infrage kommt.

Neben Beratungsstellen gibt es Ambulanzen beziehungsweise Fachambulanzen und Kliniken, die mitunter ähnliche ambulante Angebote besitzen. Einige Kliniken verfügen über ein eigenes Nachsorge-Programm, in das Patienten nach einem Klinikaufenthalt wechseln können.

Die Sexsucht führt häufig zu Beziehungskonflikten. Wenn die Partnerschaftsprobleme in der Therapie noch nicht ausreichend thematisiert wurden, kann es nach der eigentlichen Behandlung sinnvoll sein, weiterhin an der Partnerschaft zu arbeiten – gegebenenfalls mit der Unterstützung eines Beraters, Coachs oder Therapeuten.

Das können Sie selbst tun

Am wichtigsten ist das Eingeständnis, dass die Sexsucht zu Problemen führt. Liegt diese Grundvoraussetzung nicht vor, wird ein Patient eine Behandlung erfahrungsgemäß nicht konsequent einhalten. Damit kann auch nicht das Ziel der Selbstbehandlung erreicht werden, die eigene Sexualität zu steuern.

Empfohlen wird der Austausch mit dem direkten Umfeld und anderen Betroffenen. Denn genauso wie beim Alkoholismus besteht eine erhöhte Rückfallgefahr. Eine Offenheit kann anfangs beschwerlich sein. Das trifft ganz besonders auf den eigenen Partner zu. Wichtig ist es, bestimmte Verhaltensweisen nicht zu tabuisieren. Als erfolgreich haben sich Gruppensitzungen erwiesen. An diesen nehmen mehrere Erkrankte teil, schildern ihre Erlebnisse und erarbeiten Bewältigungsstrategien. Durch die kontinuierliche Thematisierung sollte sich eine Besserung einstellen.

Sexsucht führt in extremen Fällen sogar zu Straftaten. Voyeurismus und Exhibitionismus stellen Formen dar, die andere Menschen verletzen. Sind sie aufgetreten, sollten Patienten auf eine Selbstbehandlung zwar nicht verzichten; der Fokus hat sich aber auf eine professionelle Therapie zu richten. In diesen Fällen wurde ein Stadium erreicht, das tief in der Psyche verankert ist und eine ärztliche Aufsicht erfordert.

Quellen

  • Arolt, V., Reimer, C., Dilling, H.: Basiswissen Psychiatrie und Psychotherapie. Springer, Heidelberg 2007
  • Lieb, K., Frauenknecht, S., Brunnhuber, S.: Intensivkurs Psychiatrie und Psychotherapie. Urban & Fischer, München 2015
  • Möller. H.-J., Laux, G., Deister, A., Braun-Scharm, H., Schulte-Körne, G.: Duale Reihe Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. Thieme, Stuttgart 2013

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