Somnambulismus

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 10. April 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

Sie sind hier: Startseite Krankheiten Somnambulismus

Bei einem Somnambulismus handelt es sich um eine Schlafstörung, die umgangssprachlich als Schlafwandeln bezeichnet wird. Die Ursache dieser Störung ist weitgehend unbekannt. In der Hauptsache sind Kinder betroffen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Somnambulismus?

Somnambulismus äußert sich durch Umhergehen während des Tiefschlafes, Nichtreaktion auf Außenreize, starren Gesichtsausdruck und schwere Weckbarkeit. In seltenen Fällen kann es zu aggressivem Verhalten kommen.
© milkovasa – stock.adobe.com

Der Somnambulismus kennzeichnet einen Zustand, bei dem der Betroffene während des Schlafes umhergeht und unter Umständen dabei auch komplexe Handlungen ausführt. Diese Störung gehört als Schlafstörung zur Gruppe der Parasomnien. In der Regel erinnert sich der Betroffene später gar nicht mehr daran oder es bestehen nur Erinnerungsfetzen. Umgangssprachlich wird beim Somnambulismus von Schlafwandeln oder Mondsucht gesprochen.

Früher wurde der Vollmond aufgrund seiner Helligkeit als Auslöser der nächtlichen Aktivitäten angesehen. Das Ereignis des Schlafwandelns dauert meist nur wenige Minuten. Hauptsächlich Kinder (10 bis 30 Prozent) sind davon betroffen. Nach der Pubertät verschwindet die Tendenz zum Schlafwandeln in den meisten Fällen wieder. Bei Erwachsenen gibt es nur ein bis zwei Prozent chronische Schlafwandler. Somnambulismus ist keine ernsthafte Erkrankung, sondern meist eine harmlose Störung des Aufwachens. In hartnäckigen Fällen besteht jedoch die Gefahr von Verletzungen durch Stürze.

Ursachen

Zu den Ursachen des Somnambulismus ist nicht viel bekannt. Die Feststellung, dass hauptsächlich Kinder betroffen sind, lässt auf ein Reifeproblem des Zentralnervensystems schließen. Während der Kindheit und der Jugendphase ist der Reifungsprozess innerhalb des Nervensystems noch nicht abgeschlossen. Mit Beendigung der Pubertät endet meist auch der für viele Kinder und Jugendliche noch typische Somnambulismus.

In nur einem bis zwei Prozent der Fälle tritt er weiterhin auch im Erwachsenenalter auf. Manchmal wird der Zustand chronisch. In einigen Fällen kommt es nur noch selten vor. Es gibt sogar Fälle, bei denen Somnambulismus erstmalig im Erwachsenenalter auftritt. Mit Sicherheit wurde festgestellt, dass die Ursache des Schlafwandelns eine genetische Komponente besitzt. So kommt Somnambulismus in einigen Familien gehäuft vor. Als auslösende Faktoren werden zusätzlich noch Stress und sonstige belastende Situationen vermutet.

Auch beruhigende Medikamente, Fieber, durchwachte Nächte oder Alkoholkonsum können die Schlafstörung auslösen. Der Somnambulismus findet nie während des Traumschlafes (REM-Schlaf) sondern immer während des Tiefschlafes oder des normalen Schlafes statt. Dabei besteht die Vermutung, dass nach einem innerlichen oder äußerlichen Weckreiz der Aufwachprozess nicht vollständig ist.

So bildet sich ein Zwischenzustand heraus, bei welchem ein Teil des Gehirns wach ist, während die anderen Hirnbereiche noch schlafen. In dieser Situation können komplexe Handlungen vollzogen werden. Warum der Aufwachprozess nicht vollständig ist, konnte bisher nicht geklärt werden.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Somnambulismus äußert sich durch Umhergehen während des Tiefschlafes, Nichtreaktion auf Außenreize, starren Gesichtsausdruck und schwere Weckbarkeit. In seltenen Fällen kann es zu aggressivem Verhalten kommen. Nach wenigen Minuten kehrt der Schlafwandelnde in der Regel wieder ins Bett zurück und schläft weiter. Das Schlafwandeln erfolgt meist im ersten Drittel der Nacht. Durch Reize wie Licht oder Lärm wird die Aktivität noch verstärkt.

Dabei muss zwischen vier Formen des Somnambulismus unterschieden werden:

  • Bei der subklinischen Form kommt es nicht immer zu einer Aktivität. Allerdings können entsprechende Hirnaktivitäten im Elektroencephalogramm (EEG), im Elektrokardiogramm (EKG) und im Elektromyogramm (EMG) nachgewiesen werden.
  • Bei der sogenannten abortiven Form des Somnambulismus beschränken sich die Aktivitäten auf das Bett. Der Betroffene setzt sich entweder nur hin oder redet im Schlaf undeutlich.
  • Beim klassischen Somnambulismus wandert der Betroffene im Schlaf umher, vollzieht unter Umständen komplexe Handlungen und setzt sich durch Nichtreaktion auf äußere Reize der Gefahr von Verletzungen aus.
  • In seltenen Fällen kommt auch eine aggressive bis gewalttätige Verlaufsform vor. Gerade hier besteht jedoch auch die Verwechslungsgefahr mit anderen Formen von Schlafstörungen, die oft viel ernstere psychologische Erkrankungen zur Grundlage haben.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Der Somnambulismus ist in der Regel eine harmlose Störung des Schlafes. Sie muss jedoch differenzialdiagnostisch von anderen, viel ernsteren Schlafstörungen abgegrenzt werden. So gibt es bestimmte Epilepsie-Formen, die nachts auftreten und mit Somnambulismus verwechselt werden können. Des Weiteren können bestimmte REM-Schlaf-Störungen (Schenck-Syndrom) die aggressive Form des Somnambulismus vortäuschen.

Hier treten die Aktivitäten jedoch während des Traumschlafes auf, wobei der Patient auf Trauminhalte aggressiv reagiert und sich später teilweise auch erinnern kann. Andere Ausschlussdiagnosen stellen Verwirrtheitszustände bei Demenz sowie psychische Ausnahmezustände dar. Mittels Elektroencephalogramm, Elektrokardiogramm oder Elektromyogramm kann eine gesicherte Diagnose auf Somnambulismus gestellt werden.

Komplikationen

Der Somnambulismus selbst ist in den meisten Fällen unproblematisch. Beim Schlafwandeln besteht allerdings ein erhöhtes Risiko für Unfälle und Stürze. So kann es während der nächtlichen Aktivitäten beispielsweise passieren, dass der Betroffene von der Treppe stürzt, stolpert oder den Herd anschaltet.

Wird der Schlafwandler aufgeweckt, so kann dies einen Schock auslösen und es kommt unter Umständen zu einer Herzattacke. Gelegentlich werden die Betroffenen handgreiflich, da sie nicht zwischen Traum und Realität unterscheiden können. Bei Erwachsenen kann Somnambulismus auf Erkrankungen des Gehirns hindeuten. Es ist nicht auszuschließen, dass dem Schlafwandeln eine neurologische Störung oder sogar ein Hirntumor zugrunde liegt – beides muss behandelt werden, bevor sich weitere Komplikationen einstellen.

Meist werden bei Schlafwandeln Beruhigungs- oder Schlafmittel verschrieben, die immer mit Neben- und Wechselwirkungen verbunden sind. Auch Benzodiazepine und Antidepressiva bergen Risiken. Wird eine möglicherweise vorliegende psychische Erkrankung nicht erkannt, kann die Medikation zu einer Verstärkung der Symptome führen. Meist nimmt dann auch das Wohlbefinden ab und die Lebensqualität sinkt. Eine Verhaltenstherapie verläuft meistens ohne Komplikationen, sollte aber dennoch unter Anleitung eines Experten durchgeführt werden.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

In den meisten Fällen wird beim Schlafwandeln kein Arzt benötigt. Es handelt sich häufig um eine vorübergehende oder einmalige Erscheinung, bei der kein Handlungsbedarf besteht. Zeigen sich keine weiteren Unregelmäßigkeiten oder Verhaltensauffälligkeiten, muss nicht immer ein Arzt aufgesucht werden. Der Betroffene findet in einer Vielzahl der Fälle ohne weitere Komplikationen den Weg zurück in sein Bett und benötigt keine Hilfe.

Die Konsultation eines Arztes ist angezeigt, sobald es zu regelmäßigen oder wiederholten nächtlichen Problemen kommt. Müdigkeit am Tag, Abgeschlagenheit oder eine Abnahme der geistigen wie körperlichen Leistungsfähigkeit sind Hinweise, denen nachgegangen werden sollte. Treten Schlafstörungen, Angstzustände oder eine innere Unruhe auf, sollte eine Abklärung der Beschwerden erfolgen. Zeigen sich Auffälligkeiten des Verhaltens, ein aggressives Auftreten oder Wandlungen der Persönlichkeit, ist die Begutachtung eines Arztes oder Therapeuten zu empfehlen.

Liegen verschieden Stressfaktoren vor, ist das Wohlbefinden herabgesetzt oder kommt es zu einem Rückzugsverhalten des Betroffenen, sollte mit einem Arzt über die Entwicklungen gesprochen werden. Bei gefährlichen Situationen oder selbstzerstörerischen Handlungen ist die Rücksprache mit einem Facharzt anzuraten. Der Betroffene und die Angehörigen benötigen Hinweise für einen richtigen Umgang mit dem Schlafwandler und sollten die Schlafhygiene optimieren, damit es für alle Beteiligten zu einer Entspannung kommt.

Behandlung & Therapie

Während der Aktivitätsphase des Somnambulismus sollte der Betroffene nicht geweckt werden, weil durch Desorientierung die Verletzungsgefahr noch wächst. Es können sogar Panikreaktionen auftreten. Nur in den Fällen, wo sich der Schlafwandler in eine Gefahrenzone begibt, sollte er leise angesprochen und sanft zum Bett geführt werden. Dabei ist darauf zu achten, dass das Schlafzimmer immer abgedunkelt ist, da Schlafwandler auf Licht reagieren.

Wenn das Schlafwandeln häufig vorkommt, sollten Verletzungsrisiken durch Abschließen von Fenstern und Türen und Entfernen von scharfkantigen Gegenständen minimiert werden. Eine Therapie zur Behandlung von Somnambulismus ist nicht bekannt.

Nachsorge

Der Umgang mit Schlafwandlern stellt für die Angehörigen im Alltag eine besondere Herausforderung dar. Um den Betroffenen vor möglichen Unfällen zu schützen, ist es wichtig, Gefahrensituationen vorzubeugen. Man muss den Schlafwandler einerseits davon abhalten im Schlaf wegzulaufen, gleichzeitig müssen aber auch Fluchtwege offen gehalten werden, damit bei Gefahr zügig gehandelt werden kann.

Stress hat negativen Einfluss auf Schlafwandler. Daher ist es für den Betroffenen wichtig, im Alltag Stressfaktoren abzubauen und am besten schon im Vorfeld zu minimieren. Überforderung und emotionale Belastung tragen oft zur Verschlimmerung des Somnambulismus bei und müssen überwunden werden. Therapeutische Unterstützung kann dabei sehr hilfreich für den Erkrankten sein.

Wichtig ist es auch, das Umfeld des Betroffenen mit der Krankheit vertraut zu machen, um unnötige Komplikationen zu vermeiden. Eine optimale Schlafhygiene trägt ebenfalls dazu bei, die Situation zu verbessern. Tages- und Nachtrhythmen sollten routiniert ablaufen und den Bedürfnissen des Schlafwandlers angepasst werden.

In der Phase des Schlafwandelns sollte der Betroffene auf keinen Fall nachdrücklich geweckt werden. Oft genügt es schon, den Schlafwandler sachte anzusprechen, um ihn zur Rückkehr ins Bett zu bewegen und ihn von weiteren Aktivitäten abzuhalten. Da es bei den Betroffenen häufig zu Erinnerungslücken kommt, sollte man sie im Nachgang über das Ereignis informieren.


Vorbeugung

Es gibt einige Maßnahmen, um den Aktivitätsphasen bei Somnambulismus vorzubeugen. Das Risiko kann durch eine gute Schlafhygiene minimiert werden. So sollte der Betroffene seinen Schlafrhythmus einhalten, Schlafdefizite vermeiden und auf den Mittagsschlaf verzichten. Bei Stress oder bestehenden Konflikten hat sich eine kognitive Verhaltenstherapie bewährt. Auch bestimmte Entspannungsverfahren wie autogenes Training oder progressive Muskelentspannung können bei der Behandlung von Somnambulismus gute Erfolge vorweisen.

Das können Sie selbst tun

Im Alltag ist der Umgang mit Schlafwandlern eine besondere Herausforderung. Einerseits sollte ein ausreichender Schutz vor möglichen Unfällen oder einem Weglaufen im Schlaf gewährleistet sein. Andererseits sind jedoch für Notfälle Fluchtwege offen und zugänglich zu halten, damit keine Gefahrensituation auftritt. Daher ist es oft nicht einfach, einen guten Mittelweg für alle Beteiligten zu finden.

Der Betroffene selbst kann im alltäglichen Geschehen Stressoren abbauen. Diese haben einen negativen Einfluss auf den Vorgang des Schlafwandels und sind daher zu minimieren. Zustände einer emotionalen Belastung oder Überforderung müssen überwunden werden oder sollten therapeutisch behandelt werden. Darüber hinaus ist das nahe Umfeld über die Vorgänge und die Möglichkeiten des Schlafwandels zu informieren. Ein richtiger Umgang mit dem Betroffenen ist wichtig, damit keine Komplikationen auftreten. Es hat sich gezeigt, dass eine Optimierung der Schlafhygiene zu einer Verbesserung der Gesamtsituation beiträgt. Daher sollten Tages- und Nachtrhythmen den Bedürfnissen des Körpers angepasst werden und routinierte Abläufe stattfinden.

In der Situation ist von allen Beteiligten Ruhe zu bewahren. Der Schlafwandler sollte unter keinen Umständen mit Nachdruck geweckt werden. Häufig genügen eine leichte Kommunikation und die Bitte für die Rückkehr ins Bett, um den Schlafwandler von weiteren Vorhaben abzubringen. Da das Erinnerungsvermögen im Anschluss getrübt es, besteht Aufklärungsbedarf des Betroffenen.

Quellen

  • Gortner, L., Meyer, S., Sitzmann, F.C.: Duale Reihe Pädiatrie. Thieme, Stuttgart 2012
  • Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Muntau, A.C.: Intensivkurs Pädiatrie. Urban & Fischer, München 2011

Das könnte Sie auch interessieren