Spinobulbäre Muskelatrophie Typ Kennedy

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 15. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Als Spinobulbäre Muskelatrophie Typ Kennedy wird eine seltene Erbkrankheit bezeichnet. Sie stellt eine spezielle Form der spinalen Muskelatrophie dar.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine Spinobulbäre Muskelatrophie Typ Kennedy?

Die ersten Beschwerden der Spinobulbären Muskelatrophie treten in der Regel im Erwachsenenalter auf. Dabei handelt es sich um unspezifische Beschwerden wie Muskelschmerzen, Müdigkeit sowie Schwächegefühle in den Gliedmaßen.
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Bei der Spinobulbären Muskelatrophie Typ Kennedy (SBMA) handelt es sich um eine x-chromosomal-rezessive Erberkrankung, die zur Gruppe der Trinukleotiderkrankungen zählt. Sie gehört zu den erblichen Formen der spinalen Muskelatrophie. Die Spinobulbäre Muskelatrophie Typ Kennedy trägt auch die Bezeichnung Kennedy-Krankheit.

Nicht selten wird sie mit dem Foster-Kennedy-Syndrom verwechselt. Dabei handelt es sich jedoch um eine andere Erkrankung. Bei der SMBA kommt es zu einer Erkrankung der Muskeln, die von den Nervenzellen hervorgerufen wird. Davon betroffen sind fast nur Männer, bei denen sich im Erwachsenenalter Muskelschwund zeigt. Als Namensgeber der Kennedy-Krankheit diente der amerikanische Neurologe William R. Kennedy, der sie 1968 erstmalig beschrieb.

Die Spinobulbäre Muskelatrophie Typ Kennedy zählt zu den sehr selten auftretenden Erkrankungen. In Europa gilt eine Prävalenz von 1:36.000 als wahrscheinlich. Mediziner gehen allerdings von einer höheren Dunkelziffer aus. Nach der Auswertung von genetischen Daten nehmen die Wissenschaftler an, dass sich die Kennedy-Krankheit erstmals im Westen von Finnland zeigte. Zum Ausbruch kommt die Spinobulbäre Muskelatrophie im Alter zwischen 20 und 40 Jahren.

Ursachen

Die Spinobulbäre Muskelatrophie Typ Kennedy wird durch Vererbung weitergegeben. Als Ursache gilt eine Mutation des X-Chromosoms. Dabei wiederholt sich das Basentriplett, wodurch sich die Zahl verdoppelt oder verdreifacht. Unter einem Basentriplett wird eine Molekülverbindung verstanden. Die Moleküle sind wichtig für den Aufbau der menschlichen DNA. Zu den vier bekannten Basen zählen Adenin, Cytosin, Guanin und Thymin.

Bei der Kennedy-Krankheit wiederholt sich ein CAG-Triplett mehrmals auf dem X-Chromosom, was wiederum Auswirkungen auf den Hormonhaushalt des Körpers hat. Gleichzeitig kommt es zu einem neurotoxischen Einfluss, der zur Schädigung der Nerven führt. Die Auswirkungen sind auf das zweite Motoneuron beschränkt. Zur Degeneration scheint es jedoch erst aufgrund einer weiteren Spaltung im Genprodukt zu kommen.

Da bei Frauen normalerweise ein X-Chromosom vorhanden ist, das ein Merkmal aufweist, welches die Kennedy-Krankheit überdeckt, zeigen sich bei ihnen nur sehr selten Symptome. Sie können die Erbkrankheit jedoch zu 50 Prozent an ihre Söhne weitergeben. Bei Männern setzt im Laufe der Zeit das Absterben der spinalen Vorderhornzellen ein. Die führt wiederum zum Abbau von motorischen Nerven, die die Muskelfasern versorgen. Infolgedessen sterben auch die Muskelfasern ab. Bemerkbar macht sich die Muskelschwäche zunächst an den Oberarmen.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die ersten Beschwerden der Spinobulbären Muskelatrophie treten in der Regel im Erwachsenenalter auf. Dabei handelt es sich um unspezifische Beschwerden wie Muskelschmerzen, Müdigkeit sowie Schwächegefühle in den Gliedmaßen. Ebenfalls zu den Beschwerden gehören unwillkürliche Kontraktionen der Muskeln (Faszikulationen).

Darüber hinaus sind Krämpfe und Lähmungserscheinungen im Bereich des Möglichen. Zeigen sich diese gehäuft in proximalen Muskelgruppen, ist es ratsam, einen Arzt zu konsultieren. In manchen Fällen tritt auch eine Beeinträchtigung von Hals und Nacken auf, wodurch die Kiefermuskulatur und die Zunge beeinträchtigt werden. In diesem Fall kann es zu Schluck- und Sprachstörungen kommen.

Bei einem Stimmritzenkrampf wird außerdem das Atmen erschwert. Nicht selten leiden die Patienten zudem unter Sensibilitätsstörungen an den Gliedmaßen wie Kribbeln und Taubheitsgefühle. Als weiteres typisches Merkmal gelten Veränderungen der männlichen Brustdrüse wie eine Gynäkomastie, bei der die Brust anwächst.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Besteht Verdacht auf eine Spinobulbäre Muskelatrophie Typ Kennedy, befasst sich der behandelnde Arzt zunächst mit der Krankengeschichte des Patienten. Da die Symptome recht unspezifisch sind, macht dies eine Differentialdiagnose nötig. Das heißt, dass andere Erkrankungen, die für die Beschwerden in Betracht kommen, ausgeschlossen werden müssen. Außerdem finden labormedizinische Untersuchungen statt. So lassen sich im Blut erhöhte Kreatinkinase-Werte (CK-Wert) nachweisen.

Mitunter zeigen sich auch erhöhte LDH- und GOT-Werte. Durch ein Elektromyogramm (EMG) ist es zudem möglich, Störungen der Bewegungsnervenzellen zu ermitteln. Liegt bereits ein konkreter Verdacht auf die Kennedy-Krankheit vor, lässt sich die Diagnose relativ einfach durch eine genetische Untersuchung stellen. Auch die Unterscheidung zu anderen neuromuskulären Erkrankungen wie ALS (Amyotrophe Lateralsklerose) gilt als leichter.

Für den Fall, dass der untersuchende Arzt noch nicht über ausreichend Erfahrung verfügt, ist es jedoch möglich, dass er die Symptome nicht richtig einordnet und eine Fehldiagnose stellt. So wird die Spinobulbäre Muskelatrophie Typ Kennedy nicht selten mit anderen Myopathien wie ALS verwechselt. Im Unterschied zu ALS gilt die Lebenserwartung von SBMA-Patienten als normal. Allerdings benötigen manche Patienten durch die Krankheit im Laufe der Zeit einen Rollstuhl.

Komplikationen

Die meisten Komplikationen der spinobulbären Muskelatrophie Typ Kennedy beruhen darauf, dass die Erkrankung oft erst sehr spät erkannt oder falsch diagnostiziert wird. Es stellen sich zwar ähnliche Symptome wie bei der amyotrophen Lateralsklerose (ALS) ein. Im Gegensatz zu dieser Erkrankung ist die Lebenserwartung bei der spinobulbären Muskelatrophie Typ Kennedy aber nicht reduziert.

Jedoch können aufgrund der ständigen Zuckungen in der Schlund- und Zungenmuskulatur langfristig Sprech- und Schluckstörungen auftreten. Nach sehr langer Zeit ist auch die Gehfähigkeit beeinträchtigt. Zwar ist die Erkrankung nicht heilbar, aber mit einer frühzeitig einsetzenden symptomatischen Behandlung können ihre Auswirkungen gering gehalten werden. Das größte Problem besteht in den ständigen Diagnosefehlern und der oftmals quälend langen Zeit, bis die richtige Diagnose gestellt wird.

So kann die bei einer falschen Diagnose eingeleitete Therapie sogar zur Verstärkung der Symptome führen. Zumindest wird der Krankheitsprozess oft nicht verzögert. Falsche Diagnosen und falsche Therapien zehren außerdem an den Nerven der Betroffenen. Da der Verfallsprozess der Muskulatur bei der spinobulbären Muskelatrophie Typ Kennedy durch körperliche Aktivität verlangsamt werden kann, liegt die Bedeutung der richtigen Diagnose klar auf der Hand. Neben den muskulären Verfallsprozessen führen falsche Diagnosen und falsche Therapien oft auch aufgrund der Resignation der Patienten zu Depressionen oder anderen psychischen Erkrankungen.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Bei dieser Krankheit ist der Patient auf eine medizinische Untersuchung angewiesen, da es nicht zu einer Selbstheilung kommen kann. Je früher dabei der Arzt aufgesucht wird, desto besser ist meist auch der weitere Verlauf der Erkrankung. Es kann unbehandelt zu schwerwiegenden Komplikationen und Beschwerden kommen, die das Leben des Betroffenen deutlich erschweren können. Aus diesem Grund ist schon bei den ersten Anzeichen der Krankheit ein Mediziner aufzusuchen. Ein Arzt ist dann zu kontaktieren, wenn der Betroffene an einer starken Müdigkeit oder an sehr starken Schmerzen in den Muskeln leidet.

Diese Schmerzen treten auch in Form von Ruheschmerzen auf und wirken sich sehr negativ auf die Lebensqualität des Patienten aus. Dabei kann es zu starken Krämpfen oder sogar zu Lähmungen am Körper des Patienten kommen. Treten diese Symptome auf, so ist ein Besuch bei einem Arzt notwendig. In vielen Fällen können auch Beschwerden beim Sprechen oder beim Schlucken auf die Erkrankung hindeuten und sollten ebenso durch einen Mediziner untersucht werden. Die Krankheit kann durch einen Allgemeinarzt erkannt und behandelt werden. Der weitere Verlauf hängt jedoch sehr stark von den genauen Ausprägungen ab.

Behandlung & Therapie

Die Spinobulbäre Muskelatrophie Typ Kennedy ursächlich zu behandeln, ist leider bislang nicht möglich. So gelang es der Medizin noch immer nicht, eine therapeutische Lösung für die Erbkrankheit zu finden. Forschungen auf diesem Gebiet laufen nach wie vor. Zeitweise erhielten einige Patienten Hormone wie Androgene, die die Muskelkraft leicht besserten. Ungeklärt blieb jedoch, ob die Besserung tatsächlich auf die Gabe der Hormone zurückzuführen ist.

In Tierversuchen zeigten unterschiedliche Substanzen wie Leuproproelin positive Effekte. Allerdings wird es noch Jahre dauern, bis ein Medikament auch tatsächlich zur Zulassung gelangt. SBMA-Patienten wird geraten, sich regelmäßig krankengymnastischen Übungen zu unterziehen und so viel wie möglich zu bewegen. Auf diese Weise lässt sich der Verfall der Muskelzellen verlangsamen.


Vorbeugung

Die Spinobulbäre Muskelatrophie Typ Kennedy wird zu den angeborenen Erbkrankheiten gezählt. Daher ist keine Vorbeugung möglich.

Nachsorge

Da bisher keine ursächliche Behandlung für die Spinobuläre Muskelathrophie Typ Kennedy existiert, kann an diese auch keine klassische Nachsorgebehandlung anschließen. Stattdessen sollte sich die Nachsorge, wie auch die Therapie auf die Symptome der Erkrankung, sowie deren Folge ausrichten. Bereitet die Krankheit trotz ihrer medikamentösen Therapie Schmerzen, sollte eine zusätzliche medikamentöse Schmerztherapie stattfinden.

Da die Erkrankung für betroffene Personen und deren Angehörige sehr belastend sein kann, sollte bei der Nachbehandlung aber vor allem die psychische Gesundheit der Betroffenen im Fokus stehen. Sind Depressionen oder Angsterkrankungen entstanden, sollten diese medikamentös und psychotherapeutisch behandelt werden. Für den Fall, dass auch Angehörige von der Krankheit sehr belastet sind, kommt zusätzlich auch eine systemische Therapie in betracht.

Daneben kann in einer Verhaltenstherapie gelernt werden, mit der Erkrankung umzugehen. Liegen auf Grund der Erkrankung oder der psychischen Folgen der Erkrankung zusätzlich Schlafstörungen vor, sollten diese ebenfalls therapiert werden. Neben der Gabe von Schlafmitteln (Z-Drugs) sollte auch dies im Rahmen der psychotherapeutischen Betreuung bearbeitet werden.

Da die Spinobuläre Muskelatrophie Typ Kennedy genetisch bedingt ist und vererbt wird, sollte im Falle einer Schwangerschaft der betroffenen Person oder von deren Partnerin eine Pränataldiagnostik erfolgen, um festzustellen, ob auch das Kind von der Erkrankung betroffen sein wird.

Das können Sie selbst tun

Damit der Krankheitsfortschritt so weit wie möglich eingedämmt wird, sollte der Betroffene seinen Muskelapparat täglich trainieren. In einer medizinischen Behandlung werden automatisch physiotherapeutische Übungen durchgeführt, um einem Muskelschwund vorzubeugen und die Mobilität zu unterstützen. Der Patient kann auch außerhalb der Therapiestunden erlernte Trainings eigenverantwortlich und selbstständig durchführen. Zudem sollten im Rahmen seiner Möglichkeiten sportliche Aktivitäten ausgeführt werden, damit die allgemeinen Bewegungsabläufe möglichst langfristig erhalten bleiben.

Wenngleich die genetische Erkrankung nach dem derzeitigen rechtlichen wie medizinischen Stand zu keiner Heilung führen wird, ist die Zusammenarbeit mit einem Arzt sowie Nutzung von eigenen Fördermöglichkeiten anzuraten, um die Gesamtsituation zu verbessern. Situationen der Überlastung oder körperlichen Überanstrengung sind grundsätzlich zu vermeiden. Kommt es zu einer erschwerten Atemtätigkeit oder zeigen sich erste Unregelmäßigkeiten der starken Beanspruchung, sind Pausen einzulegen. Der Organismus benötigt Zeit der Regeneration, damit keine Komplikationen oder irreversiblen Schäden auftreten. Zeigen sich Störungen der Sprachgebung, empfiehlt sich ebenfalls ein regelmäßiges Training.

Darüber hinaus sind im Alltag Methoden der Kommunikation zwischen den Angehörigen zu entwickeln, die einfach in der Handhabung sind und für jeden gut zu händeln sind. Dies erleichtert die Bewältigung der alltäglichen Verpflichtungen und verbessert das soziale Miteinander. Zusätzlich ist auf einer Stärkung der mentalen Kraft zu achten. Hierfür können Entspannungstechniken genutzt werden.

Quellen

  • Arasteh, K., et. al.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013

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