Wirbelgleiten (Spondylolisthesis)

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 5. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die Spondylolisthesis ist eine Wirbelsäulenerkrankung, bei welcher sich ein oder mehrere Wirbelkörper gegeneinander verschieben (Wirbelgleiten) und so zu einem Stabilitätsverlust der Wirbelsäule führen. Eine Spondylolisthesis ist in Abhängigkeit von Ausmaß und Progredienz der Erkrankung (Beteiligung der Nerven, Spinalkanalstenose) in aller Regel im Rahmen konservativer Maßnahmen gut therapierbar.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Wirbelgleiten?

Frau leidet an Rückenschmerzen
Bei einer Spondylolisthesis kommt es nicht selten zu starken Rückenschmerzen.

Als Wirbelgleiten bzw. Spondylolisthesis wird das Gleiten eines Corpus vertebrae (Wirbelkörper) über dem darunter befindlichen Wirbelkörper bezeichnet, das nach erworbenen (Verschleiß, Traumata, Überlastung) und genetisch bedingten Formen (Spondylolyse) differenziert werden kann.

Die Verschiebung der Wirbel kann hierbei entweder nach vorne (Ventrolisthesis bzw. Anterolisthesis) oder nach hinten (Retrolisthesis) erfolgen. In den meisten Fällen sind die Lendenwirbel, insbesondere der 5. Lendenwirbel, von einer Spondylolisthesis betroffen, die oftmals asymptomatisch verläuft und keine Beschwerden verursacht.

Eine Spondylolisthesis kann sich anhand belastungsabhängiger Rücken- und Kreuzschmerzen sowie einem Instabilitätsgefühl im betroffenen Bereich manifestieren. In seltenen Fällen kann infolge einer Verengung des Wirbelkanals ein Wurzelkompressionssyndrom (Reizung der Wurzel eines Spinalnervs im betroffenen Wirbelsäulenbereich) vorliegen, das zu neurologischen Symptomen führt.

Ursachen

Eine Spondylolisthesis kann entweder genetisch bedingt oder erworben sein. Altersbedingte Veränderungen der Wirbelsäule, insbesondere der Bandscheiben, die mit zunehmendem Alter an Höhe verlieren, verursachen einen Spannkraftverlust der die Wirbelsäule stabilisierenden Bänder.

In der Folge verlieren die Wirbelkörper an Stabilität, so dass sie sich gegeneinander verschieben können (degeneratives Wirbelgleiten). Begünstigt wird dieser Verschleißprozess durch unzureichende Bewegung und eine schwach ausgeprägte Rumpfmuskulatur. Zudem können Ermüdungsläsionen oder -frakturen im Pars interarticularis des Wirbelbogens infolge einer zu starken Beanspruchung der Wirbelsäule (i.d.R. bei Leistungssportarten wie Speerwerfen, Stabhochsprung, Gewichtheben) zu einem Wirbelgleiten führen (isthmische Spondylolisthesis).

Daneben kann ein schweres Trauma mit Verletzungen der Wirbelsäule oder ein operativer Eingriff an der Wirbelsäule ein Wirbelgleiten bedingen (posttraumatische Spondylolisthesis). Ist das Wirbelsäulengefüge infolge einer angeborenen Defektbildung der Wirbelbögen (Spondylolyse) gestört, wird von einem angeborenen bzw. dysplastischen Wirbelgleiten gesprochen. In seltenen Fällen kann das Wirbelgleiten auf einen Tumor oder eine Entzündung zurückgeführt werden (pathologische Spondylolisthesis).

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Beim Wirbelgleiten kann es zu verschiedenen Symptomen und Beschwerden kommen. Es ist jedoch möglich, dass nur gelegentlich unspezifische Kreuzschmerzen auftreten. Diese sind meist belastungsabhängig entstanden. Es kommt sogar vor, dass eine Spondylolisthese gänzlich beschwerdefrei verläuft. In diesem Fall wird sie oft nur zufällig diagnostiziert. Ob die Beschwerdefreiheit mit den Jahren erhalten bleibt, ist aber eine andere Frage.

Die entstehenden Symptome der Spondylolisthesis werden durch das Gleiten der Wirbel verursacht. Es kommt zu Druckgefühlen und Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule. Diese können auch bis in den Oberschenkel ausstrahlen. In anderen Fällen entstehen Ischiaschmerzen. Diese werden oft auf andere Ereignisse und nicht unbedingt auf die Spondylolisthese zurückgeführt.

Gelegentlich kommt es im Verlauf der Spondylolisthese zu Spannungsgefühlen oder Muskelkrämpfen in den Beinen. Dort können sich die Gleitwirbel auch durch eine Muskelschwäche bemerkbar machen. Auch dieses Symptom weist nicht unbedingt auf Wirbelgleiten hin. Da es vier Schweregrade gleitender Wirbel gibt, können die Beschwerden schwach, mittelstark oder ausgeprägt sein. Die Instabilitätsbeschwerden können unter Belastung plötzlich schlimmer werden.

Manche Beschwerdebilder legen nahe, dass Nerven an den Schmerzen beteiligt sind. Viel öfter aber ist das Wirbelgleiten die Ursache weiterer Symptome, beispielsweise nach einem Bandscheibenvorfall oder einer Facettengelenkarthrose. Beide sind durch starke, tief im Kreuz sitzende Schmerzen gekennzeichnet.

Diagnose & Verlauf

Eine Spondylolisthesis wird in aller Regel anhand einer Röntgenaufnahme diagnostiziert. Hierbei ist ein Wirbelgleiten in der Seitenaufnahme in Form einer bewegungsunabhängig fixierten Verschiebung des betroffenen Wirbelkörpers zu erkennen.

Gleichzeitig sind Aussagen zur Ausprägung der Spondylolisthesis (Gradeinteilung nach Meyerding) sowie zu Veränderungen der Wirbelsäule (Verkrümmungen, Gelenkarthrosen, Bandscheibenveränderungen, Osteoporose) möglich. Um eine Beteiligung von Weichteilen oder Nerven festzustellen, kommen darüber hinaus Computer- und Magnetresonanztomographien zum Einsatz.

In einigen Fällen kann ein angeborenes Wirbelgleiten im fortgeschrittenen Stadium anhand des Gangbildes (Seiltänzergang) diagnostiziert werden. Eine Spondylolisthesis weist in Abhängigkeit vom Vorliegen weiterer Beeinträchtigungen (Beteiligung der Nerven, Spinalkanalstenose) eine gute Prognose auf und kann bei geringgradigen Beschwerden im Rahmen konservativer Maßnahmen gut therapiert werden.

Komplikationen

Wer Gleitwirbel hat, kennt diese auch unter Bezeichnungen wie Wirbelgleiten oder Spondylolisthese. Die erworbene Erkrankung der Wirbelsäule betrifft meistens den vierten oder fünften Lendenwirbel. Da man das Wirbelgleiten in vier Schweregrade unterteilt - von Meyerding I bis IV - sind bei höheren Schweregraden Komplikationen nicht selten.

Eine der häufigsten Komplikationen des Wirbelgleitens sind starke Kreuzschmerzen, die jeder physiotherapeutischen Behandlung trotzen. Im Falle solcher Komplikationen sind operative Eingriffe eine Lösung. Bei einer hochgradigen Spondylolisthesis beziehungsweise einer Spondyloptose mit mehr als sechsmonatigen Schmerzzuständen muss gegebenenfalls operiert werden.

Infrage kommt eine operative Versteifung der Gleitwirbel. Die Direktverschraubung der Spondylolyse im Wirbelbogen kann bereits bei schwer betroffenen Kindern vorgenommen werden. Als Folge dieser Operation können Narbenbildungen und Nervenverletzungen auftreten. Oftmals kommt es durch neuerliche Belastung der versteiften Wirbelgelenke zu Schraubenbrüchen. Diese erfordern eine weitere Operation.

Die erworbene Instabilität der Wirbelsäule kann Nerven im Spinalkanal einklemmen. Außerdem können umliegende Nerven überdehnt werden. Es kann zu Nervenschäden oder Funktionsausfällen im Bereich der umliegenden Nerven kommen. Infolge des Drucks auf Nervenstränge sind Lähmungen möglich. Diese können die Beine, aber auch Blase und sonstige Verdauungsorgane betreffen. Durch die gleitenden Wirbel kommt es außerdem zu einer immer stärker werdenden Abnutzung der betroffenen Bandscheiben und Wirbelgelenke.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Klagt der Betroffene über Schmerzen oder Unregelmäßigkeiten im Bereich des Rückens, sollte dies weiter beobachtet werden. Handelt es sich um eine einmalige Situation der Überlastung oder einer fehlerhaften Belastung des Skelettsystems, zeigen sich nach ausreichender Ruhe und Schonung bereits innerhalb kurzer Zeit Verbesserungen. Wird nach einem Nachtschlafes eine Beschwerdefreiheit festgestellt, benötigt der Betroffene in den meisten Fällen keine ärztliche Konsultation.

Zeigen die Unstimmigkeiten im Bereich des Rückens jedoch eine stetige Zunahme oder halten sie unvermindert über einen längeren Zeitraum an, sollte ein Arzt aufgesucht werden. Einschränkungen der Mobilität sowie Störungen der allgemeinen Bewegungsabläufe deuten auf eine gesundheitliche Störung hin. Beschwerden des Muskelapparates, Spannungsgefühle sowie eine kontinuierliche Abnahme der körperlichen Leistungsfähigkeit sind untersuchen und behandeln zu lassen. Obgleich es bei einigen Betroffenen zu Phasen der Beschwerdefreiheit kommt, besteht Handlungsbedarf, sobald sich eine sporadische Entwicklung der Beeinträchtigungen zeigt.

Bei Spannungsgefühlen oder unangenehmen Wahrnehmungen bei einer leichten Druckausübung auf den Rücken ist ein Arztbesuch notwendig. Es handelt sich hierbei um Warnsignale des Organismus, bei denen eine ärztliche Versorgung angezeigt ist. Hat der Betroffene insgesamt das Gefühl einer Instabilität im Bereich der Wirbelsäule, ist ein Kontrollbesuch bei einem Arzt anzuraten. Die Wahrnehmungen sollten besprochen werden, damit medizinische Tests eingeleitet werden können.

Behandlung & Therapie

Eine Spondylolisthesis wird in den meisten Fällen zunächst konservativ therapiert. Dabei zielt eine konservative Therapie auf eine Reduzierung der vorliegenden Schmerzen durch schmerzmindernde Medikamente sowie eine Stärkung der Rumpfmuskulatur durch physiotherapeutische, physikalische und krankengymnastische Maßnahmen.

Zur Entlastung und Stabilisierung der Wirbelsäule wird hierzu im Rahmen einer Physiotherapie die Rumpf- und Bauchmuskulatur individuell abgestimmt trainiert. Für die regelmäßige Bewegung, die einen Grundbaustein der Therapie darstellt, werden darüber hinaus rückenschonende Sportarten wie Radfahren, Rückenschwimmen, Nordic Walking empfohlen. In einigen Fällen kommt zusätzlich ein Korsett (Lindemann-Mieder) zur Stabilisierung der Wirbelsäule und sofortigen Schmerzreduzierung zum Einsatz, wobei dieses lediglich kurzfristig getragen werden sollte, um eine Schwächung der Rumpfmuskulatur zu vermeiden.

Physikalische Maßnahmen wie Massagen unterstützen zusätzlich die Schmerzreduzierung, während eine Rückenschulung zu einem wirbelsäulen- und bandscheibenfreundlichen Gang und Alltagsverhalten beitragen kann. Ist trotz konservativer Therapie nach 6 Monaten keine Verbesserung der Symptome feststellbar oder liegt eine Beteiligung der Nerven bzw. eine Spinalkanalstenose vor, kann ein operativer Eingriff angezeigt sein.

So kann der Wirbelkanal bei einer Spinalkanalstenose im Rahmen einer Laminektomie oder chirurgischen Dekompression geweitet und die instabilen Wirbelkörper versteift (Spondylodese) werden. Bei Jugendlichen mit einem ausgeprägten angeborenen Wirbelgleiten wird im Vorfeld der Spondylodese der betroffene Wirbel in seine ursprüngliche Lage zurückgebracht (Reposition).

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Vorbeugung

Einer Spondylolisthesis kann lediglich eingeschränkt vorgebeugt werden. Allerdings tragen eine gestärkte und trainierte Rumpfmuskulatur, ein durch ein wirbelsäulen- und bandscheibenschonendes Alltagsverhalten sowie regelmäßige Bewegung zur Minimierung des Risikos für Wirbelgleiten bei und verlangsamen ein Fortschreiten der Spondylolisthesis.

Nachsorge

Die Nachsorge spielt sowohl bei konservativer als auch operativer Behandlung des Wirbelgleitens eine wichtige Rolle. An eine konservative Therapie schließen sich orthopädische Rehabilitationsmaßnahmen an, die entweder der Hausarzt oder ein Orthopäde begleitet. Dabei gelten die konservativen Maßnahmen meist als erfolgversprechender als chirurgische Eingriffe.

Zur Nachbehandlung einer Spondylolisthesis haben sich als Reha-Maßnahmen krankengymnastische Übungen bewährt, die sich mit sportlichen Aktivitäten, Entspannungsübungen sowie einer Psychotherapie kombinieren lassen. Die Reha umfasst ein intensives Programm, das mehrere Wochen in Anspruch nimmt. Dazu darf der Patient jedoch nicht mehr unter akuten Schmerzen leiden.

Zu diesem Zweck erhält er Schmerzmedikamente sowie muskelentspannende Präparate. Die Schmerzfreiheit bewirkt, dass sich der Patient wieder regelmäßig bewegen und seine Muskeln trainieren kann. Im Mittelpunkt steht dabei der Aufbau der Rücken- und Bauchmuskulatur. Überaus wichtig für den Behandlungserfolg ist außerdem die Mitarbeit des Patienten. Muss das Wirbelgleiten operativ behandelt werden, ist ebenfalls eine Nachbehandlung erforderlich. Je nachdem, wie groß der Umfang des Eingriffs war, hält sich der Patient noch etwa eine Woche in der Klinik auf.

Bis die Rehabilitation beginnen kann, dauert es in der Regel zwölf Wochen, damit der Körper ausreichend Gelegenheit zur Erholung erhält. Nach dem allmählichen Ablegen des stabilisierenden Korsetts beginnen physiotherapeutische Übungen, die die Rückenmuskeln kräftigen. Drei Monate nach der Operation findet außerdem eine Kontrolluntersuchung statt, in deren Rahmen die Wirbelsäulenstabilität kontrolliert wird.

Das können Sie selbst tun

Personen mit Wirbelgleiten (Spondylolisthesis) haben im Alltag die Möglichkeit, durch diverse Maßnahmen ihre Beschwerden zu verringern und einer Verschlimmerung des Krankheitszustandes vorzubeugen. In zahlreichen Fällen sind bestimmte Sportarten der Auslöser für das Wirbelgleiten, sodass die Betroffenen zunächst an dieser Stelle ansetzen.

Es ist empfehlenswert, die Intensität der Sportausübung zu reduzieren und Kontakt zu einem Physiotherapeuten aufzunehmen. Schon bestimmte Übungen vor dem eigentlichen Sport können dabei helfen, das Risiko für eine Verschlechterung zu verringern. Generell ist es hilfreich, sich in physiotherapeutische Behandlung zu begeben und die Muskulatur nahe des betroffenen Abschnitts der Wirbelsäule gezielt und mit professioneller Unterstützung zu stärken. Auch dadurch werden Beschwerden reduziert und die Prognose verbessert. Der Patient, sein Trainer sowie der Physiotherapeut müssen gemeinsam entscheiden, ob ein Wechsel der Sportart im Einzelfall notwendig ist.

Sinnvoll ist eine Ausübung weniger rückenbelastender sportlicher Aktivitäten in jedem Fall und wirkt sich meist förderlich auf den gesundheitlichen Zustand aus. Mitunter sind die Patienten angehalten, für eine Zeit lang ein Korsett zu tragen, um die Wirbelsäule zu unterstützen. Dieser Empfehlung sollten die Betroffenen im eigenen Interesse nachkommen, auch wenn dies mit vorübergehenden Einschränkungen im Alltag und bei der Ausübung von Sport verbunden ist.

Quellen

  • Breusch, S., Clarius, M., Mau, H., Sabo, D. (Hrsg.): Klinikleitfaden Orthopädie, Unfallchirurgie. Urban & Fischer, München 2013
  • Grifka, J., Krämer, J.: Orthopädie, Unfallchirurgie. Springer, Heidelberg 2013
  • Niethard, F., Pfeil, J., Biberthaler, P.: Orthopädie und Unfallchirurgie. Thieme, Stuttgart 2014

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