Townes-Brocks-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

Sie sind hier: Startseite Krankheiten Townes-Brocks-Syndrom

Bei dem Townes-Brocks-Syndrom handelt es sich um eine genetisch bedingte Erkrankung, die mit einer Reihe von typischen Fehlbildungen des Körpers einhergeht. Dabei wird die Krankheit grundsätzlich auf autosomal-dominantem Weg vererbt. Die Missbildungen, die sich im Rahmen des Townes-Brocks-Syndroms zeigen, betreffen in erster Linie die Ohren, die Daumen und den After. Außerdem sind etwa 50 Prozent der erkrankten Personen auch von Fehlbildungen der Nieren betroffen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Townes-Brocks-Syndrom?

Das Townes-Brocks-Syndrom hat in erster Linie genetische Ursachen. Im überwiegenden Teil der Fälle sind Mutationen auf dem Gen SALL1 für die Fehlbildungen verantwortlich.
© BillionPhotos.com – stock.adobe.com

Prinzipiell stellt das Townes-Brocks-Syndrom eine genetische Krankheit dar, die durch diverse Fehlbildungen gekennzeichnet ist. Diese Missbildungen betreffen verschiedene Bereiche des menschlichen Körpers. Die medizinische Forschung hat ergeben, dass die Erkrankung in der Regel autosomal-dominant an die Nachkommen weitergegeben wird.

Darüber hinaus ist zu beachten, dass etwa die Hälfte der Erkrankungen die Folge von dominanten Neumutationen ist. Grundsätzlich handelt es sich bei dem Townes-Brocks-Syndrom um eine relativ selten vorkommende Krankheit. Dabei ist der Prozentsatz an spontanen Neumutationen, die zum Townes-Brocks-Syndrom führen, relativ hoch.

Ursachen

Das Townes-Brocks-Syndrom hat in erster Linie genetische Ursachen. Im überwiegenden Teil der Fälle sind Mutationen auf dem Gen SALL1 für die Fehlbildungen verantwortlich. Diese Mutation führt bei etwa 75 Prozent der betroffenen Personen zur Ausbildung der typischen Symptome und Fehlbildungen. In einigen Fällen kommt es zu Verwechselungen des Townes-Brocks-Syndrom mit dem sogenannten Okihiro-Syndrom.

Diese Erkrankung ist die Folge von Defekten auf dem Gen SALL4. Die Krankheit zeichnet sich durch Fehlbildungen der Daumen ähnlich wie im Rahmen des Townes-Brocks-Syndrom aus. Dabei ist der Radius verkürzt und es kommt zu einer Duane-Anomalie. Darüber hinaus sind ebenfalls Fehlbildungen der Ohren, Nieren sowie eine Analatresie möglich.

Mitunter wird das Townes-Brocks-Syndrom auch mit der VACTERL-Assoziation verwechselt, da sich die Symptomatik zum Teil ähnelt. Im Rahmen der Erkrankung kommt es zu Defekten der Wirbelsäule oder einzelner Wirbel, Fehlern am Herzen, einer Analatresie sowie Missbildungen an Luft- und Speiseröhre. Grundsätzlich sind die Ursachen für diese Krankheit weitgehend unklar.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Das Townes-Brocks-Syndrom ist durch eine charakteristische Kombination von Missbildungen des Körpers gekennzeichnet. Die Fehlbildungen betreffen dabei im überwiegenden Teil der Fälle die Daumen, die Ohren und den Anus. So sind zum Beispiel doppelte Daumen oder triphalangeale Daumen möglich.

Zudem sind circa 75 Prozent der erkrankten Personen von einer starken Schwerhörigkeit betroffen. Etwa die Hälfte der Personen mit Townes-Brocks-Syndrom weist eine Fehlbildung an den Nieren auf. Darüber hinaus zeigen sich bei einigen Patienten schwerwiegende Funktionsstörungen der Niere, auch wenn das Organ nicht von Fehlbildungen betroffen ist.

Weitaus seltener kommt es im Rahmen des Townes-Brocks-Syndrom zu Fehlern am Herzen. Im Zusammenhang mit einer bestimmten Mutation erhöht sich das Risiko von Herzfehlern jedoch, außerdem sind sie stärker ausgeprägt. Es besteht die Gefahr, das Townes-Brocks-Syndrom mit einigen anderen Erkrankungen zu verwechseln. Dabei handelt es sich in erster Linie um das Okihiro-Syndrom sowie das STAR-Syndrom.

Von dieser Krankheit sind ausschließlich weibliche Personen betroffen. Die Patienten leiden unter einer Syndaktylie der zweiten bis fünften Zehe. Diese Fehlbildung tritt beim Townes-Brocks-Syndrom nicht auf und erleichtert die Differentialdiagnose. Außerdem zeigen sich beim STAR-Syndrom in der Regel keine Fehlbildungen an den Daumen.

Das Townes-Brocks-Syndrom führt bei Personen mit Funktionsstörungen der Niere unter Umständen bis zum Nierenversagen. Die Fehlbildungen an den Daumen äußern sich zum Beispiel darin, dass die Finger dreigliedrig sind oder mehrere Daumen vorkommen. Manche Kinder, die an dem Townes-Brocks-Syndrom leiden, zeigen Verzögerungen in der Entwicklung sowie auffälliges Verhalten. In einigen Fällen weisen die betroffenen Personen Asymmetrien im Bereich des Gesichts auf.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Besteht der Verdacht auf das Townes-Brocks-Syndrom, steht die Durchführung einer gründlichen Anamnese an erster Stelle. Im Gespräch erörtert der Arzt mit dem Patienten dessen Krankengeschichte, die Symptome und Beschwerden sowie familiäre Dispositionen. Wenn sich der Verdacht auf die Krankheit erhärtet, wird in der Regel eine genetische Analyse des betroffenen Patienten durchgeführt.

Diese Analyse ermöglicht eine eindeutige Diagnose des Townes-Brocks-Syndroms, da die entsprechenden Mutationen der jeweiligen Gene nachgewiesen werden. Der Verlauf der Erkrankung richtet sich nach der individuellen Ausprägung der Symptome und Fehlbildungen.

Sind die Missbildungen an Niere und Herz nicht allzu groß, ist die Lebenserwartung der betroffenen Patienten prinzipiell nicht geringer als bei gesunden Personen. Grundsätzlich weist die Art der Vererbung des Townes-Brocks-Syndroms jedoch darauf hin, dass die Überlebensrate teilweise herabgesetzt ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn zum Beispiel Funktionsstörungen der Niere vorliegen.

Komplikationen

Da es sich beim Townes-Brocks-Syndrom um eine genetisch bedingte Erkrankung handelt, ist keine ursächliche Behandlung möglich. Die Betroffenen leiden dabei in erster Linie an einer stark ausgeprägten Schwerhörigkeit. Dabei kann sich die Schwerhörigkeit auch auf die Entwicklung von Kindern sehr negativ auswirken und den Alltag des Patienten einschränken.

Weiterhin führt das Townes-Brocks-Syndrom auch zu Fehlfunktionen der Nieren, sodass die Betroffenen im schlimmsten Fall auf eine Dialyse oder auf die Transplantation einer Niere angewiesen sind. Dabei kann es unbehandelt zu einem Nierenversagen und im schlimmsten Falle zum Tode des Betroffenen kommen. In vielen Fällen wirkt sich das Syndrom auch sehr negativ auf die Entwicklung und ebenso auf die Intelligenz des Betroffenen aus.

Die meisten Patienten sind daher auf die Hilfe anderer Menschen in ihrem Leben angewiesen. Auch die Angehörigen und die Eltern leiden dabei häufig an psychischen Beschwerden oder an Depressionen. Ebenso kann das Syndrom zu Asymmetrien im Gesicht führen und damit auch die Ästhetik des Betroffenen verringern.

Da die Behandlung des Townes-Brocks-Syndroms nur symptomatisch erfolgen kann, treten dabei keine Komplikationen auf. Allerdings wird eine vollständige Heilung nicht erreicht. Eventuell ist auch die Lebenserwartung des Patienten durch das Syndrom verringert.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Der Betroffene ist beim Townes-Brocks-Syndrom auf jeden Fall auf eine medizinische Untersuchung und Behandlung durch einen Arzt angewiesen. Hierbei kann es auch nicht zu einer Selbstheilung kommen, sodass eine Untersuchung durch einen Arzt unabdingbar ist. Je früher das Townes-Brocks-Syndrom erkannt und behandelt wird, desto besser ist in der Regel auch der weitere Verlauf der Krankheit. Daher sollte schon bei den ersten Beschwerden des Townes-Brocks-Syndroms ein Arzt kontaktiert werden.

Der Arzt ist beim Townes-Brocks-Syndrom dann aufzusuchen, wenn der Betroffene an einer starken Schwerhörigkeit leidet. In der Regel tritt diese Schwerhörigkeit ohne einen besonderen Grund auf und verschwindet auch nicht wieder von alleine. Auch Störungen an den Nieren können dabei auf dieses Syndrom hindeuten, sodass eine Untersuchung durch einen Arzt durchgeführt werden sollte. Nicht selten kann es auch zu Herzbeschwerden kommen.

Das Townes-Brocks-Syndrom kann in der Regel durch einen Allgemeinarzt oder durch einen Kinderarzt erkannt und behandelt werden. In vielen Fällen kommt es durch diese Krankheit trotz Behandlung zu einer verringerten Lebenserwartung des Betroffenen.

Behandlung & Therapie

Im Rahmen der Behandlung des Townes-Brocks-Syndrom stehen verschiedene Optionen zur Auswahl, die in Abhängigkeit der individuellen Symptomatik zur Anwendung kommen. Funktionsstörungen der Niere werden mit Dialyse oder einer Organtransplantation behandelt. Liegt ein Herzfehler vor, so steht die Therapie dieser Missbildung und eventuell eine Operation im Fokus.

Fehlbildungen an den Gliedmaßen oder Daumen lassen sich unter Umständen operativ korrigieren, sodass die Patienten nicht psychisch unter den Missbildungen leiden. Schwerhörigkeit im Rahmen des Townes-Brocks-Syndroms wird in der Regel mit Hörgeräten gelindert.


Vorbeugung

Es sind in der heutigen Zeit noch keine wirkungsvollen Methoden zur Vorbeugung des Townes-Brocks-Syndrom bekannt, da es sich um eine genetisch bedingte Erkrankung handelt.

Nachsorge

Beim Townes-Brocks-Syndrom (TBS) wird der Umfang der Nachsorgemaßnahmen von der charakteristischen Fehlbildung der Erkrankung bestimmt. Im Ergebnis des TBS leidet der Betroffene an kombinierten Anomalien von Händen, Anus, Füßen und Ohren. Anomalien an den Extremitäten (Hände, Füße) können gebenenfalls chirurgisch korrigierbar sein. Im Operationsfall obliegt der Nachsorge das Mobilisieren der korrigierten Extremitäten.

Als Nachsorgebehandlungen sind hierfür grundsätzlich physiotherapeutische und physikalische Anwendungen (zum Beispiel Elektrotherapie oder Kältetherapie) vorgesehen. Auch ist der Erfolg des chirurgischen Eingriffs postoperativ mittels magnetresonanztomographischen Aufnahmen (MRT) zu kontrollieren. Fehlbildungen der Ohren sind in der Regel Mikrotie oder eine eingefaltete obere Helices. In rund 88 Prozent dieser Krankheitsfälle führen die Fehlbildungen zu einer neurosensorischen Schwerhörigkeit.

Für normales Hören wird ein Hörgerät notwendig. Die Nachsorge nimmt in diesem Fall zuerst ein Anbieter von Hörgeräten wahr. Er soll den Betroffenen beraten und das ausgewählte Hörgerät optimal für den Betroffenen einstellen. Im weiteren Krankheitsverlauf können für das Ermitteln des aktuellen Krankheitsbildes weitere Hörtests erforderlich werden.

Analfehlbildungen manifestieren sich als eine Analatresie, Analstenose oder Vorverlagerungen des Anus. Diese drei Erkrankungen sind chirurgisch therapierbar. Als Spätfolge kann es zu einer nicht behandelbaren Stuhlinkontinenz mit gegebenenfalls klinischen Aufenthalten kommen. Aufgabe der Nachsorge ist dann, für den Betroffenen die soziale Kontinenz mittels multimodaler Therapieoptionen zu erzielen.

Das können Sie selbst tun

Die symptomatische Behandlung des Townes-Brocks-Syndroms kann durch verschiedene Allgemeinmaßnahmen unterstützt werden. Sämtliche Begleitmaßnahmen gilt es zunächst mit dem behandelnden Arzt zu besprechen.

Begleitend zu einer Dialyse, wie sie bei Nierenfehlfunktionen im Rahmen des Townes-Brocks-Syndroms notwendig ist, empfiehlt sich eine Ernährungsumstellung. Vor der Dialyse muss ausreichend Wasser getrunken werden. Die Diät sollte arm an Eiweißen und reich an gesunden Fetten sein. Begleitend zur Dialyse sollte dagegen die Flüssigkeitszufuhr begrenzt und viel Eiweiß aufgenommen werden. Wichtig ist vor und während der Dialyse außerdem eine phospat-, kalium- und salzarme Ernährung.

Bei einer Schwerhörigkeit, die bei dem Townes-Brocks-Syndrom meist stark ausgeprägt ist, muss ein Hörgerät getragen werden. Patienten wenden sich am besten an einen Ohrenarzt, der die Diagnose stellen kann.

Nach einem operativen Eingriff, etwa einer Nierentransplantation oder einer chirurgischen Korrektur der Extremitäten, sollten in erster Linie die ärztlichen Vorgaben eingehalten werden. Außerdem empfehlen sich Schonung und ausreichend Bettruhe, damit der Körper sich zügig von den Strapazen des Eingriffs erholen kann. Welche Maßnahmen im Detail sinnvoll sind, erklärt der verantwortliche Mediziner.

Quellen

  • Murken, J., Grimm, T., Holinski-Feder, E., Zerres, K. (Hrsg.): Taschenlehrbuch Humangenetik. Thieme, Stuttgart 2011
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Witkowski R., Prokop O., Ullrich E.: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen. Springer, Berlin 2003

Das könnte Sie auch interessieren