3M-Syndrom
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 18. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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3M-Syndrom ist eine sehr seltene Erkrankung des Skelettsystems. Es handelt sich um eine Erbkrankheit, die einen Minderwuchs zur Folge hat. Besonders auffällig sind Veränderungen im Gesicht sowie im Bereich des Rückens.
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Was ist das 3M-Syndrom?
Das 3M-Syndrom zählt zu den genetisch bedingten Formen des Kleinwuchses. Es ist ein Syndrom mit besonderer Beteiligung des Skeletts. In der Medizin wird es auch als Dolichospondyläre Dysplasie, Gloomy-Syndrom oder Le-Merrer-Syndrom bezeichnet. Benannt wurde es nach den amerikanischen Erstautoren Miller, McKusick und Malvaux.
Deren Erstbeschreibung der Erkrankung erfolgte im Jahr 1975. Das 3M-Syndrom ist eine sehr selten auftretende Erbkrankheit, die mit einer Wahrscheinlichkeit von 1:1 Million diagnostiziert wird. Sie wird autosomal-rezessiv vererbt. Die Erkrankung kann bereits im Mutterleib festgestellt werden. Sie zeichnet sich aus durch einen Minderwuchs.
Charakteristisch sind bereits bei der Geburt eine dreieckige Gesichtsform und weitere Veränderungen im Bereich der Stirn, Augenbrauen und des Kinns. Später zeigen sich im Wachstumsverlauf Veränderungen des Halses, der Brust, der Wirbel sowie der Gelenke. Trotz diverser körperlicher Anomalien ist die Intelligenz des Erkrankten normal. Die Ausprägung der Symptome und die Anzahl der Auffälligkeiten des Kleinwuchssyndroms variieren zwischen den Patienten.
Ursachen
Die Ursache des 3M-Syndroms liegt in einem Gendefekt. Autosomal-rezessiv werden Mutationen auf drei verschiedenen Genen vererbt. Die rezessive Vererbung bedeutet, dass der Gendefekt nicht zwangsläufig von den Eltern an das Kind weitergegeben wird. Sobald sich während der Entstehungsphase des Embryos ein dominantes Allel in seiner Merkmalsausprägung gegenüber dem rezessiven Allel durchsetzt, wird das Ausbrechen der Krankheit automatisch verhindert.
Setzt sich der Gendefekt jedoch durch, werden drei verschiedene Typen des 3M-Syndroms unterschieden. Das Syndrom kann über Mutationen im CUL7-Gen (Typ 1), OBSL1-Gen (Typ 2) oder CCDC8-Gen (Typ 3) verursacht werden. Die auftretenden Störungen und Beschwerden sind bei allen Typen gleich.
Da das Syndrom Wachstumsveränderungen im Skelettsystem zur Folge hat, gab es lange die Vermutung, dass endokrine Störungen dafür verantwortlich seien. Dies ist bislang nicht publiziert oder bestätigt worden. Der Gendefekt gilt als die einzige Ursache.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Zu den Symptomen zählen schwere Wachstumsverzögerungen. Diese beginnen bereits pränatal und setzen sich postnatal weiter fort. Der Minderwuchs gilt als proportioniert. Er ist gekennzeichnet durch charakteristische Veränderungen im Gesichtsbereich und bereits kurz nach der Geburt feststellbar. Zu den kranialen Merkmalen gehören ein großer Kopf und eine dreieckige Gesichtsform.
Das Kinn ist spitz, die Augenbrauen sind dicht und die Lippen voll. Die Nasenlöcher sind meist nach oben gerichtet. Der Patient hat eine Balkonstirn und weist eine Mittelgesichtshypoplasie auf. Im weiteren Wachstumsverlauf entwickelt sich ein kurzer Hals. Die Wirbelkörper sind verkürzt und die Knochen wie Rippen lang sowie verschmälert.
Die Schultern haben eine quadratische Erscheinungsform und der Trapezmuskel ist sehr auffällig. Der Thorax sowie die Kleinfinger sind verkürzt. Die Gelenke des Erkrankten sind hypermotil und er hat eine Trichterbrust. Alle Symptome treten bei den Patienten in individueller Ausprägung und Anzahl auf.
Diagnose & Verlauf
Vorgeburtlich kann die Vermutung des 3M-Syndroms bereits durch den Fehlbildungsultraschall geäußert werden. Über Röntgen werden die Verschmälerungen der Knochen und Rippen ermittelt. Letztlich wird über den Gentest die Mutation festgestellt. Das 3M-Syndrom ist in der Diagnostik von dem Floating-Harbor-Syndrom abzugrenzen. Dieses Kleinwachstumssyndrom weist zusätzlich noch Sprachstörungen auf, die nicht zur Symptomatik des 3M-Syndroms gehören.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
In der Regel wird das 3M-Syndrom schon direkt nach der Geburt oder durch Kontrolluntersuchungen durch einen Kinderarzt festgestellt. Aus diesem Grund ist in den meisten Fällen kein gezielter Besuch beim Arzt notwendig. Die Betroffenen leiden dabei vor allem an Deformationen im Gesicht und in der Brust und weiterhin auch an einem Minderwuchs. Sollte es also zu diesen Beschwerden kommen, so muss ein Arzt aufgesucht werden.
Auch bei allgemeinen Verzögerungen des Wachstums oder der Entwicklung des Kindes sollte immer ein Arzt konsultiert werden. Damit können Folgeschäden im Erwachsenenalter vermieden werden. Nicht selten kommt es durch das 3M-Syndrom zu Sprachstörungen. Damit es später nicht zu Mobbing oder zu Hänseleien kommt, sollten auch die Sprachstörungen von einem Therapeuten untersucht und behandelt werden. Die Diagnose des 3M-Syndroms erfolgt in der Regel durch den Allgemeinarzt oder durch den Kinderarzt. Die weitere Behandlung der einzelnen Symptome und Beschwerden kann dann ein Facharzt durchführen. In der Regel sind verschiedene Therapien notwendig, um dem Betroffenen den Alltag zu erleichtern.
Behandlung & Therapie
Das 3M-Syndrom kann nicht vollständig geheilt werden. Es erfolgen verschiedene Maßnahmen zur Linderung der Symptome und Beschwerden. Meist wird eine konservative und funktionelle Therapie erarbeitet. Im Fokus stehen dabei optische Korrekturen sowie eine Bewegungstherapie.
Begleitet wird die Behandlung des 3M-Syndroms mit Wachstumshormonen. Hierüber konnten bereits Erfolge erzielt werden und das Erreichen der körperlichen Endgröße bei den Patienten positiv verändert werden. An den Händen und im Gesicht kommt es oft zu chirurgischen Korrekturen. Durch den verkürzten Hals können sich jedoch während einer Narkose Probleme ergeben, die zu beachten sind.
Leidet der Patient unter einer Muskelhypotonie, wird die Vojta–Therapie angewendet. Bei dieser Therapie wird durch den Therapeuten auf bestimmte Körperzonen des Patienten Druck ausgeübt. Dieser befindet sich in der Bauch-, Rücken- oder Seitenlage. Diese Reize führen zu zwei Bewegungskomplexen, dem Reflexkriechen und dem Reflexumdrehen.
Auf diese Weise wird die gesamte Skelettmuskulatur rhythmisch aktiviert. Alle spontanen Bewegungen, die der Patient im Alltag benötigt, werden unbewusst angesprochen und trainiert. Dies umfasst die Muskelfunktionen in der Wirbelsäule, in den Armen, Beinen, Händen, Füßen sowie im Gesicht. Die Therapie hat das Ziel, bei dem Erkrankten die elementaren Bestandteile der Fortbewegung durch die Reflexlokomotionen zu aktivieren.
Begleitend wird bei Patienten sowie Angehörigen eines am 3M-Syndrom Erkrankten eine Psychotherapie empfohlen. Hierbei soll insbesondere auf den Umgang mit der Krankheit und die kognitiven Bewältigungsmöglichkeiten im Alltag eingegangen werden. Die Integration in ein stabiles Umfeld und die Teilnahme an sozialen Aktivitäten sind für den Erkrankten wichtig. Durch eine mentale Stärkung des Patienten sowie seiner Angehörigen, ist der Umgang mit der Krankheit für alle Beteiligten leichter zu bewältigen.
Aussicht & Prognose
Durch das 3M-Syndrom kommt es zu unterschiedlichen Fehlbildungen und Deformationen im Gesicht des Patienten. In den meisten Fällen tritt auch ein Minderwuchs auf, wobei dieser sich negativ auf den Rücken auswirken kann. Die Wachstumsverzögerungen treten schon in einem sehr jungen Alter auf. Es kommt dabei zu einem überdurchschnittlich großen Kopf und zu weiteren Deformationen im Gesicht. Diese können beim Patienten zu psychischen Beschwerden oder Depressionen führen. Nicht selten sind vor allem Kinder von Hänseleien und von Mobbing betroffen und leiden schwer unter dem 3M-Syndrom.
Auch die Finger sind verkürzt, wodurch es zu Einschränkungen in der Mobilität kommen kann. Am Rücken kommt es zu einer Verkürzung der Wirbel, was Schmerzen und Einschränkungen in der Bewegung zur Folge haben kann.
Es ist leider nicht möglich, das 3M-Syndrom kausal zu behandeln. Aus diesem Grund findet die Behandlung nur symptomatisch statt, wobei allerdings nicht alle Beschwerden und Symptome eingeschränkt werden können. Teils werden auch die Eltern des betroffenen Kindes psychologisch betreut, um Komplikationen vorzubeugen. Die Lebenserwartung ist in der Regel durch das 3M-Syndrom verringert.
Vorbeugung
Vorbeugend können Eltern sich einem Gentest unterziehen. Sobald das 3M-Syndrom in der Familie bereits aufgetreten ist, können Eltern prüfen lassen, ob sie das defekte Gen in sich tragen. Weitere vorbeugende Maßnahmen können nicht ergriffen werden.
Das können Sie selbst tun
Das Beschwerdebild dieser besonderen Form der Kleinwüchsigkeit beinhaltet Wachstumsverzögerungen, die bereits vorgeburtlich ihren Anfang nehmen. Die in der Gesellschaft als abnorm bezeichnete Erscheinung braucht ein starkes Gemüt, um selbstbewusst den Alltag meistern zu können. Eltern betroffener Kinder tun gut daran, den Minderwuchs nicht in den Vordergrund der Erziehung zu stellen. Vielmehr sollten sie ihre Kinder lehren, ganz selbstverständlich und selbstbewusst die Hürden des Alltags zu meistern.
Zeigen sich jedoch allgemeine Wachstumsverzögerungen oder Entwicklungsstörungen eines Kindes, sollte ein Kinderarzt aufgesucht werden. Möglicherweise können auf diese Weise Folgeschäden vermieden werden. Für Diagnostik und Behandlung auftretender Sprachstörungen ist ein adäquater Therapeut zuständig. Das schützt später vor Hänseleien in Kindergarten, Schule, Ausbildung und Beruf.
Das 3M-Syndrom kann nicht geheilt werden, jedoch sorgen verschiedene Therapieansätze, die Symptome und Beschwerden zu lindern. Dabei handelt es sich in der Regel um funktionelle und konservative Behandlungen. Im Vordergrund steht im Behandlungsverlauf die optische Korrektur. Auch der Bewegungsablauf kann optimiert werden. Jede betroffene Körperzone kann behandelt werden, jedoch wird die Genmutation stets – mehr oder weniger – sichtbar bleiben. Der Geist ist jedoch nicht betroffen, daher kann mit Selbstannahme und Selbstbewusstsein sowie einer angepassten Wohnungseinrichtung und anderen praktischen Hilfsmitteln der Alltag gemeistert werden.
Quellen
- Murken, J., Grimm, T., Holinski-Feder, E., Zerres, K. (Hrsg.): Taschenlehrbuch Humangenetik. Thieme, Stuttgart 2011
- Pschyrembel: Klinisches Wörterbuch. 266. Auflage, de Gruyter, Berlin 2014
- Witkowski R., Prokop O., Ullrich E.: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen. Springer, Berlin 2003