Allan–Herndon–Dudley-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 20. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Das Allan–Herndon–Dudley-Syndrom ist eine Mutation im SLC16A2-Gen, die den Schilddrüsenhormon-Transporter MCT8 verändert und eine gestörte Jodothyroninen-Aufnahme im Muskelgewebe und Zentralnervensystem bedingt. Aufgrund der Mutation leiden die Betroffenen an Muskelschwäche, sowie mobiler und geistiger Entwicklungsverzögerung. AHDS ist unheilbar und wird bislang ausschließlich mit der Gabe von Triiodothyroacetat behandelt.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Allan–Herndon–Dudley-Syndrom?

Das Allan–Herndon–Dudley-Syndrom ist eine Mutation im SLC16A2-Gen, die den Schilddrüsenhormon-Transporter MCT8 verändert und eine gestörte Jodothyroninen-Aufnahme im Muskelgewebe und Zentralnervensystem bedingt.

Als Entwicklungsverzögerungen oder Entwicklungsretardierungen werden Verzögerungen in der physischen, geistigen oder seelischen Entwicklung von Heranwachsenden und Kindern zusammengefasst. Entwicklungsverzögerungen können unterschiedliche Ursachen haben. So kann der Auslöser für die verzögerte Entwicklung zum Beispiel im zentralen Nervensystem liegen.

Das ist zum Beispiel beim Allan–Herndon–Dudley-Syndrom (AHDS) der Fall. Neben einer schweren Entwicklungsverzögerung im geistigen Bereich ist das Syndrom durch Störungen der motorischen Entwicklung gekennzeichnet. Die Erstbeschreibung des Syndroms geht auf das Jahr 1944 zurück. Bei dem von ihnen beschriebenen Krankheitsbild handelt es sich um eine Erberkrankung, also eine genetisch bedingte Störung.

Die Krankheit betrifft in einem Großteil aller bislang dokumentierten Fälle männliche Säuglinge. Die Entwicklungsstörungen und ihre Konsequenzen sind in fast allen Fällen bereits von Geburt an klar ersichtlich. AHDS ist eine extrem seltene Erkrankung. Aus diesem Grund ist der Forschungsstand zum Allan–Herndon–Dudley-Syndrom bisher eher dürftig.

Ursachen

AHDS ist eine genetische Erberkrankung, die von einer Mutation im SLC16A2-Gen ausgelöst wird. Dabei handelt es sich um das kodierende Gen für den sogenannten Schilddrüsenhormon-Transporter MCT8. Dieser Transporter vermittelt die Aufnahme von Jodothyroninen in das Muskel- und Nervengewebe.

Aufgrund der Mutation treten bei der Aufnahme der Schilddrüsenhormone Störungen auf, die das zentrale Nervensystem aus dem Gleichgewicht bringen und die Zellen des Nervensystems damit in ihrer Entwicklung beeinträchtigt. Muskelgewebe und Gehirn verarmen aufgrund der mutationsbedingten Fehlregulation am aktiven Schilddrüsenhormon, auf das sie eigentlich angewiesen sind.

Das Syndrom wird im X-chromosomal-rezessiven Erbgang weitergegeben. Frauen können die Erkrankung vererben, aber erkranken selbst aufgrund ihrer doppelten X-Chromosom-Struktur nur selten. Erkrankte Männer sind nicht fortpflanzungsfähig.

Obwohl die Mutation genetisch bedingt ist, spielen neben diesem internen Faktor vermutlich externe Faktoren für den Ausbruch der Erkrankung eine Rolle. Aufgrund der Seltenheit und der so limitierten Forschungsgrundlage ist die Rolle dieser externen Faktoren bislang nicht abschließend geklärt.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Das Allan–Herndon–Dudley-Syndrom ist eine angeborene Erkrankung, die sich meist bereits am Kleinkind oder Säugling manifestiert. Die Betroffenen leiden an mehr oder weniger starker Muskelschwäche. Das Muskelgewebe der Kinder ist auffällig unterentwickelt. Die Schwäche der Muskulatur wird bald von Gelenkdeformitäten begleitet.

Auch Kontrakturen sind häufige Begleitsymptome. Die Beweglichkeit der Kinder wird von den Kontrakturen und Deformitäten zunehmend beeinträchtigt. Aus diesem Grund wirken die Betroffenen häufig unnatürlich statisch oder sogar bewegungslos. Aufgrund der mutationsbedingten Unterversorgung mit Schilddrüsenhormonen leiden die Betroffenen oft zusätzlich an Muskelkrämpfen oder führen unwillkürliche Bewegungen mit ihren Armen und Beinen aus.

Oft können sich die Betroffenen nicht selbstständig fortbewegen. In den meisten Fällen sind die motorischen Einschränkungen mit geistig schweren Störungen vergesellschaftet. Ein Großteil der Patienten ist zum Beispiel nicht dazu in der Lage zu sprechen. Im Einzelfall kann AHDS von vielen weiteren Symptomen im Bereich der geistigen und körperlichen Entwicklung gekennzeichnet sein.

Diagnose & Verlauf

Der erste Verdacht auf das AHDS ereilt den Arzt in der Regel in der Anamnese. Laborchemisch verweist ein erhöhter T3-Spiegel bei normalem FT4- und TSH-Spiegel auf das Allan–Herndon–Dudley-Syndrom. Bildgebungen des zentralen Nervensystems sind meist Bestandteil der Diagnostik.

Differentialdiagnostisch sind Muskelschwächen aufgrund von motoneuronalen Erkrankungen auszuschließen. Die Prognose für Patienten mit Allan-Herndon-Dudley-Syndrom ist relativ ungünstig. Bislang ist die Erkrankung unheilbar. Studien haben nahegelegt, dass der Zeitpunkt der Diagnose für die Prognose der Patienten vermutlich eine entscheidende Rolle spielt.

Komplikationen

Wie alle chromosonal vererbete Störungen kann das Allan–Herndon–Dudley-Syndrom nicht kurativ behandelt werden. Die häufigste Begleiterscheinung des Allan–Herndon–Dudley-Syndroms - die ausgeprägte Muskelschwäche - kann physiotherapeutisch behandelt werden. Eine solche Behandlung mit dem Ziel, die Muskeln zu stärken, kann für den Patienten schmerzhaft sein.

Gerade Kleinkinder verweigern sich häufig der Therapie aufgrund der Schmerzen. Trotz eines intensiven Trainings führt die Physiotherapie nicht immer zum gewünschten Erfolg. Ähnlich verhält es sich mit der logopädischen Begleitung des Allan–Herndon–Dudley-Patienten. Zwar kann die Minderung der Sprachfähigkeit mit einem intensiven Training verbessert werden, dennoch führt aufgrund der meist hochgradigen geistigen Beeinträchtigung der Betroffenen die Behandlung nicht immer zum Erfolg.

Frustration beim Patienten selbst sowie eine hohe Belastung der gesamten Familie ist eine der gravierendsten Komplikationen bei der Behandlung des Allan–Herndon–Dudley-Syndroms. Muskelkrämpfe und nicht beeinflussbare Bewegungen der Extremitäten können mit der Gabe von Musklerelaxantien therapiert werden. Komplikationen sind in den zum Teil starken Nebenwirkungen der Medikamente zu sehen.

Müdigkeit, allgemeines Erschöpfungsempfinden und Unwohlsein sind neben einer Belastung des Magen-Darm-Traktes zu nennen. Dauerhaftes Einnehmen von Relanxantien schädigen außerdem Leber und Nieren. Unterbleibt eine Behandlung des Allan–Herndon–Dudley-Syndrom, so werden die Betroffenen keine nennenswerten Fortschritte hinsichtlich ihrer geistigen oder motorischen Fähigkeiten erlangen können.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

In vielen Fällen ist eine direkte Behandlung des Allan-Herndon-Dudley-Syndroms nicht möglich. Aus diesem Grund findet die Behandlung vor allem symptomatisch statt und zielt auf die einzelnen Beschwerden und Verzögerungen ab. In der Regel sollten die Eltern dann einen Arzt aufsuchen, wenn das Kind an einer Muskelschwäche leidet.

Diese kann sich durch Abgeschlagenheit oder durch andauernde Müdigkeit bemerkbar machen. Weiterhin ist auch dann ein ärztlicher Rat notwendig, wenn es durch das Allan-Herndon-Dudley-Syndrom zu einer Verzögerung der geistigen und motorischen Entwicklung kommt.

Falls die Behandlung im Kindesalter nicht stattfindet, kann es im Erwachsenenalter zu erheblichen Beschwerden und Einschränkungen kommen. Vor allem dann, wenn der Patient nicht mehr sprechen kann, sollte ein Arzt aufgesucht werden. Auch bei Muskelkrämpfen ist eine Behandlung notwendig. Sollte es sich um einen akuten Notfall handeln, so kann auch direkt das Krankenhaus aufgesucht oder ein Krankenwagen gerufen werden.

In den meisten Fällen wird das Allan-Herndon-Dudley-Syndrom durch einen Allgemeinarzt oder durch einen Kinderarzt behandelt. Die einzelnen Beschwerden müssen allerdings vom jeweiligen Facharzt oder Therapeuten untersucht und behandelt werden.

Behandlung & Therapie

Beim AHDS handelt es sich um eine ursächlich nicht behandelbare Erkrankung. Da keine Therapien zur Behebung der Primärursache zur Verfügung stehen, ist die Krankheit bisher nicht heilbar. Mittlerweile legen Fortschritte im Bereich der Gentherapie eine baldige Zulassung von gentherapeutischen Ansätzen für den klinischen Alltag nahe.

Inwieweit Patienten mit dem Syndrom von der Zulassung profitieren würden, ist bislang nicht weiter geklärt. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt existiert auch im Bereich der symptomatischen Therapie keine etablierte oder standardisierte Behandlungsmöglichkeit für Patienten mit AHDS. Vor einigen Jahren hielten Forscher die Gabe von TRIAC für eine symptomatisch womöglich geeignete Therapiemöglichkeit.

Bei TRIAC handelt es sich um ein nicht klassisches Schilddrüsenhormon, um das Triiodothyroacetat. Die Verabreichung des Hormons wurde in einer klinischen Studie an betroffenen Kindern durchgeführt, konnte allerdings keine sichtbaren Erfolge verzeichnen. Die Ergebnisse der Studie sind nicht zwingend von Aussagekraft, da mit der Gabe des Hormons relativ spät begonnen wurde.

2014 wurde TRIAC aus diesem Grund noch immer für die mitunter beste Therapiemöglichkeit gehalten. An einem Fall konnte im Jahr 2014 unter der Therapie mit TRIAC eine signifikante Verbesserung der motorischen und geistigen Entwicklung dokumentiert werden. Die Therapie wurde am Betroffenen bereits im frühen Säuglingsalter angesetzt.

Damit deuten die bisherigen Studienergebnisse darauf hin, dass der Zeitpunkt des Therapiebeginns für Patienten mit AHDS einen nicht zu unterschätzenden Effekt auf die Therapieergebnisse zeigt. Begleitend supportive Therapien wie Ergotherapie und Physiotherapie oder Frühförderung können theoretisch zum Einsatz kommen, um die Lebensqualität und die Fähigkeiten der Patienten zu verbessern. Über die Effizienz eines solchen Vorgehens existieren im Zusammenhang mit AHDS-Patienten allerdings kaum Belege.

Aussicht & Prognose

Durch das Allan–Herndon–Dudley-Syndrom kommt es bei den meisten Patienten zu einer Reihe verschiedener Beschwerden. In erster Linie leiden die Betroffenen an einer heftigen Muskelschwäche. Damit sind gewöhnliche Tätigkeiten oder Sportarten für den Betroffenen möglicherweise nicht mehr ohne Weiteres durchzuführen. Ebenso kommt es zu starken Verzögerungen der geistigen und mobilen Entwicklung. Die Konzentration des Patienten ist deutlich eingeschränkt und verringert.

Es kommt weiterhin zu starken Krämpfen in den Muskeln und damit oft auch zu unwillkürlichen Bewegungen oder Zuckungen. Im weiteren Verlauf des Allan–Herndon–Dudley-Syndroms können die Betroffenen nicht mehr sprechen. Der Alltag des Patienten wird durch das Syndrom somit deutlich eingeschränkt und die Lebensqualität verringert. In einigen Fällen sind die Patienten dann auf die Hilfe anderer Menschen in ihrem Lebensalltag angewiesen.

Es ist in der Regel nicht möglich, das Allan–Herndon–Dudley-Syndrom kausal zu behandeln. Aus diesem Grund findet die Behandlung ausschließlich symptomatisch statt. Die Betroffenen sind dabei auf verschiedene Therapien angewiesen, die allerdings nicht in jedem Fall zu einem positiven Krankheitsverlauf führen. In einigen Fällen ist die Lebenserwartung des Betroffenen durch das Allan–Herndon–Dudley-Syndrom eingeschränkt.


Vorbeugung

AHDS lässt sich ausschließlich durch genetische Beratung vorbeugen. Mutationsträgerinnen können sich so beispielsweise gegen eigene Kinder entscheiden.

Nachsorge

Die Notwendigkeit einer Nachsorge beim genetisch verursachten Allan–Herndon–Dudley-Syndrom betrifft nur männliche Säuglinge. Das Problem ist, dass es für diese erbliche Erkrankung keine geeignete Therapieform gibt. Die schweren Folgen, die durch Defekte an Schilddrüsenhormon-Transmittern entstanden sind, können kaum gebessert werden. Versuche, den betroffenen Kindern durch die Gabe spezieller Schilddrüsenhormone Linderung zu verschaffen, sind gescheitert.

Problematisch ist, dass die Erkrankungsgrundlagen meist schon im Körper der Mutter etabliert werden. Sie schädigen das Ungeborene nachhaltig. Die Behandlung tritt so gesehen zu spät ein, nämlich erst nach der Geburt. In der Nachsorge können nur noch die bereits vorhandenen Schäden therapiert werden. Allerdings besteht Hoffnung. 2014 wurde ein Fall bekannt, bei dem ein vom Allan–Herndon–Dudley-Syndrom betroffener Säugling erfolgreich mit TRIAC behandelt werden konnte. Eine Nachsorge blieb trotzdem notwendig, da das Kind nicht geheilt werden konnte. Immerhin wurden seine Beschwerden gelindert.

Mitverursacher des Allan–Herndon–Dudley-Syndroms ist eine defekte Blut-Hirn-Schranke. Das legen Studien am Cedars-Sinai-Krankenhaus nahe. Durch die defekte Blut-Hirn-Schranke können die Schilddrüsenhormone nicht wirken. Das gilt auch für Schilddrüsenhormone, die nach der Geburt des Kindes verabreicht werden. Möglicherweise können Biotechnologie oder Genforschung im Nachhinein Abhilfe schaffen. Momentan scheitern alle Versuche einer Behandlung. Das beeinträchtigt auch die Nachsorge für die schwer geschädigten Kinder.

Das können Sie selbst tun

Das Allan-Herndon-Dudley-Syndrom ist eine schwere Erkrankung, die bislang nicht effektiv behandelt werden kann. Die Eltern können dennoch einige Maßnahmen ergreifen, um die Therapie zu unterstützen.

Wichtig sind zunächst regelmäßiges kognitives Training sowie sportliche Betätigung. Durch eine umfassende Therapie, die sich je nach Ausprägung des Syndroms aus Sprach- und Lesetraining, aber auch aus allgemeinen Gehirnübungen zusammensetzen kann, bieten sich auch Übungen aus der Krankengymnastik an. Das Training muss individuell auf das Symptombild abgestimmt sein. Die Eltern von betroffenen Kindern sollten deshalb sicherstellen, dass die Maßnahmen optimal gewählt sind und das Kind nicht überfordert ist.

Bei schweren geistigen Störungen benötigt das Kind unter Umständen dauerhafte Unterstützung im Alltag. Ein ambulanter Pflegedienst kann eine wichtige Entlastung für die Eltern darstellen. Ebenso wichtig ist die stationäre Behandlung, welche Zuhause durch regelmäßige Kontrollen der Symptome unterstützt werden kann.

Die Eltern sollten zudem eine psychologische Beratung in Anspruch nehmen und gegebenenfalls auch eine Selbsthilfegruppe aufsuchen, denn der Kontakt mit anderen Betroffenen erleichtert den Umgang mit der Erkrankung. Zudem erhalten die Eltern oftmals wichtige Tipps für den Umgang mit einem erkrankten Kind.

Quellen

  • Battegay, E. (Hrsg.): Siegenthalers Differenzialdiagnose. Thieme, Stuttgart 2012
  • Hennig, W.: Genetik. Springer, Berlin 1995
  • Witkowski R., Prokop O., Ullrich E.: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen. Springer, Berlin 2003

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