Anale Phase

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

Sie sind hier: Startseite Körperprozesse Anale Phase
Hilfreiche Videos: MedLexi.de auf YouTube

Die anale Phase beschreibt in der Psychoanalyse nach Sigmund Freud einen Abschnitt der kindlichen Frühentwicklung. Die anale Phase folgt auf die orale Phase und beginnt mit dem zweiten Lebensjahr. In der analen Phase stehen die Auscheidungsfunktionen des Körpers sowie der Umgang mit ihnen im Mittelpunkt der kindlichen Aufmerksamkeit.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die anale Phase?

Für Sigmund Freud ist der Eintritt in die anale Phase gleichzusetzen mit der Entdeckung der kindlichen Lust an dem Vorgang der Defäkation. Zu Beginn der Phase erfolgt der Lustgewinn durch das Ausscheiden des Stuhls, im weiteren Verlauf erlebt das Kind auch Lust an der Zurückhaltung der Ausscheidungsprodukte. Hierdurch kommt es zu einem Zustand zwischen Loslassen und Zurückhalten, der durch Spannungen geprägt sein kann.

Funktion & Aufgabe

Während der analen Phase werden zum ersten Mal seitens der Erziehungsberechtigten und des Umfeldes Forderungen an Sauberkeit und Zurückhaltung an das Kind gestellt. Das Kind erlebt, dass bestimmte Dinge, die von dem Kind erzeugt und für wichtig erachtet werden (in diesem Falle der Kot), von der Umwelt abgelehnt oder sogar sanktioniert werden können.

Je nach Zeitpunkt der Darmentleerung wird diese von den Bezugspersonen des Kindes als „gut“ oder „böse“ klassifiziert, je nachdem, ob die Bedürfnisse gemäß den Vorgaben der Bezugspersonen oder des Kindes befriedigt wurden. Daher wird die anale Phase auch als Ursprung der Konflikte um Macht und Kontrolle angesehen und stellt den Beginn des „eigenen Willens“ dar.

Das Kind lernt in der analen Phase, dass es sowohl seinen eigenen Willen durchsetzen kann als auch sich einem fremden Willen zu beugen. Auch ist sich das Kind in der analen Phase zum ersten Mal der Thematik des Hergebens und Behaltens bewusst.

Frühe Lusterfahrungen beim Hergeben der Ausscheidungsprodukte, beispielsweise durch ein Lob der Eltern beim erfolgreichen Gang auf das Töpfchen, prägen sich tief im kindlichen Charakter ein und können im späteren Leben Freude beim Hergeben von Dingen auslösen. Im negativen Sinne sorgen wiederholte Unlustgefühle beim Hergeben der Ausscheidungsprodukte dafür, dass das Kind im späteren Leben durch übermäßigen Geiz auffallen kann.

In der analen Phase setzt das Kind den Ausscheidungsvorgang mit den entsprechenden Organen und Produkten (Stuhl und Urin) gleich, es findet noch keine Unterteilung statt. Werden die Ausscheidungsprodukte von den Bezugspersonen des Kindes negativ belegt, so kann sich dies beim Kind in Schamgefühlen und Ekel vor dem eigenen Körper manifestieren.

Während der analen Phase und der damit einhergehenden Reinlichkeitserziehung kommt es zu einer steten Auseinandersetzung des Kindes mit der äußeren Umgebung. Dadurch entwickelt sich das Ich als Vermittler zwischen Es, Über-Ich und der äußeren Realität.

Durch diese Instanz verfügt das Kind mit Abschluss der analen Phase nach dem dritten Lebensjahr über erweiterte Gedächtnis- und Sprachfähigkeiten, einer konstanten Persönlichkeit und der Fähigkeit, nach dem Realitätsprinzip handeln zu können. Weiterhin ist es dem Kind nach der analen Phase möglich, den Triebansprüchen des Es wahlweise nachzugeben oder diese zu unterdrücken.

Hilfreiche Videos für Ihre Gesundheit: MedLexi.de auf YouTube
Hier klicken

Krankheiten & Beschwerden

Wenn während der analen Phase des Kindes seitens der Bezugspersonen eine zu strenge oder gar negative Bewertung des Kots stattfindet oder einer Verstopfung mit Drohungen entgegnet wird, kann sich dieses Verhalten der Bezugspersonen schnell in Entwicklungsstörungen des Kindes zeigen. Einnässen oder Einkoten, ein übertriebenes Nein-Sagen oder Stottern sind als Konsequenzen des fehlerhaften Umgangs mit der analen Phase zu nennen. Auch das genaue Gegenteil des Nein-Sagers, der ewige Ja-Sager, kann seinen Ursprung in einer Störung der analen Phase haben.

Bei Kindern, die in der analen Phase nicht genügend Befriedigung erfahren haben (beispielsweise durch eine übertrieben strenge Reinlichkeitserziehung der Eltern), kann mit fortschreitendem Lebensalter eine Fixierung auf die anale Phase festgestellt werden. Eine Fixierung entsteht durch Frustration, dies bedeutet Versagung, Verwöhnung oder eine unzureichende Befriedigung. Dadurch erfolgt ein Hängenbleiben in der als zutiefst frustrierend erlebten Phase, was wiederum eine abweichend verlaufende Persönlichkeitsentwicklung zur Folge haben kann.

Personen die von einer Fixierung auf die anale Phase betroffen sind, haben auch weit nach Verlassen Phase noch mit den damals unbefriedigten Bedürfnissen zu kämpfen. Dies kann unter anderem der unterschwellige Wunsch nach Spielen mit Kot sein. Da die Personen oder die Umwelt die Befriedigung der Bedürfnisse aber nicht zulassen und sanktionieren, kommt es stellenweise zu Abwehrmechanismen der Psyche, um die Neigungen zu unterdrücken. Dadurch wird der eigene Wunsch, sich zu beschmutzen, in das genaue Gegenteil verkehrt und zeigt sich in übertriebener Sauberkeit.

Reinlichkeits-Zwangssymptome dienen der menschlichen Psyche dabei als mentaler Ausgleich zwischen angstauslösenden Neigungen und der inneren, dagegen aufkommenden Abwehr. Weitere spätere Nachwirkungen einer strengen Reinlichkeitserziehung in der analen Phase zeigen sich in manischen Persönlichkeitstypen, die durch Überkontrolliertheit, ein extremes Sauberkeitsbedürfnis und Geiz auffallen. Dieser Typus wird von Sigmund Freud auch als „analer Charakter“ bezeichnet.

Um Störungen in der frühkindlichen Entwicklung vorzubeugen, sollten Eltern und Erzieher strikt darauf achten, keinerlei negative Bewertung von Ausscheidungsvorgängen und Ausscheidungsprodukten gegenüber dem Kind zu äußern. In der analen Phase ist es immens wichtig, dass dem Kind Grenzen gesetzt werden und Impulsen des Kindes unterstützend nachgegangen wird.

Quellen

  • Lohaus, A., Vierhaus, M., Maass, A.: Entwicklungspsychologie des Kindes- und Jugendalters. Springer, Berlin 2010
  • Steinhausen, H.-C. (Hrsg.): Psychische Störungen bei Kindern und Jugendlichen. Urban & Fischer, München 2010
  • Zimbardo, P. & Gerrig, R.: Psychologie. Pearson Verlag, Hallbergmoos 2008

Das könnte Sie auch interessieren