Orale Phase

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 13. April 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die orale Phase ist eine Entwicklungsstufe im ersten Lebensjahr des Kindes, in der es seine Umwelt mit dem Mund erkundet. Während der oralen Phase versucht das Baby, Gegenstände aller Art in den Mund zu nehmen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die orale Phase?

Die orale Phase ist eine Entwicklungsstufe im ersten Lebensjahr des Kindes, in der es seine Umwelt mit dem Mund erkundet.

Der österreichische Psychologe Sigmund Freud befasste sich unter anderem mit den Entwicklungen von Babys und kleinen Kindern durch die Pubertät zum erwachsenen Menschen. Auf ihn geht das Wissen über die Phasen der Körper- und Umwelterkundung zurück, die ein Baby maßgeblich im ersten Lebensjahr, aber auch darüber hinaus durchläuft.

Eine dieser Phasen ist die orale Phase. Sie markiert den Eintritt in die verschiedenen Phasen. Etwa ab dem dritten Lebensmonat kann ein Baby erste Greifbewegungen durchführen, es sieht jedoch eher einen schemenhaften Umriss als klare Konturen.

Der Tastsinn des Mundes ist wesentlich verlässlicher als sein Sehsinn. Während ein Erwachsener einen Gegenstand anschaut, um ihn zu begreifen, nimmt ihn das Baby in den Mund und stellt anhand von Geschmack, Widerstand beim Kauen, Form, Temperatur und derartigen Faktoren fest, was es in der Hand hat - oder im Mund.

Die Lernprozesse der oralen Phase sind das Greifen und die Hand-Mund-Koordination, eine erste einfache Motorik-Übung. Auch das Kauen wird trainiert.

Gefährlich ist die orale Phase jedoch ohne Frage auch, denn Babys differenzieren nicht zwischen harmlosen und potenziell gefährlichen Gegenständen.

Funktion & Aufgabe

Genau wie alle anderen Phasen, die auf die orale Phase noch folgen, darf sie nicht unterdrückt werden. Das Baby lernt in dieser Zeit vieles, auch wenn es für Erwachsene sicher nicht angenehm ist, keinen Gegenstand unbeaufsichtigt zu lassen oder einen nass wieder zurückzubekommen.

Zunächst lernt das Baby auf seine Weise die Umgebung kennen. Der Sehsinn ist noch nicht annähernd mit dem eines Erwachsenen zu vergleichen. Babys sehen Schatten und unscharfe Umrisse, Gesichter in ihrer Nähe können sie gerade so erkennen, auf Distanz sehen sie unscharf. Der Tastsinn des Mundes ist dagegen gut entwickelt und vertritt den Sehsinn, bis dieser besser ausgereift ist.

Zudem lernt das Baby Geschmäcker, Temperaturen und Strukturen kennen. Das bereitet es auf die erste Nahrung nach der Muttermilch vor. Die orale Phase trainiert aber auch das Greifen und weitere Feinheiten der Motorik. Am Beginn der oralen Phase greift ein Baby, indem es Daumen und Handfläche nutzt. Wenn die orale Phase im neunten Monat schon beinahe wieder beendet ist (zumindest die Hochphase), kann das Baby alle Finger zum Greifen nutzen. Außerdem übt es die Hand-Mund-Koordination, indem es die Hand immer wieder zum Mund führt.

Das Baby entwickelt ein erstes, begrenztes Körpergefühl. Zunge, Kiefer und Lippen bauen Muskulatur und Kraft auf, die sie bald zum Kauen der ersten festen Nahrung brauchen werden - und auch zum Sprechen. Da die orale Phase bei jedem Kind unterschiedlich lange dauert und manche Babys schon selbständig krabbeln können, wenn sie noch mitten in ihrer oralen Phase sind, birgt das aber natürlich auch Risiken. Denn ein Baby differenziert nicht zwischen dem vollkommen sicheren Beißring und dem giftigen Putzmittel, das eventuell in greifbarer Nähe steht.


Krankheiten & Beschwerden

Mit der oralen Phase tritt leider auch häufig eine erste Vergiftung des Babys ein. Wenn die ersten Babys im dritten Lebensmonat beginnen, die Welt mit dem Mund zu erkunden, können sie nur greifen, was in der Nähe liegt oder ihnen angeboten wird. Doch sobald die Kleinen mobil werden, sich auch nur rollen und drehen können, kommen sie an Dinge heran, die man in sicherer Entfernung wähnte. Sobald ein Baby krabbelt, sollte es daher sicherheitshalber beaufsichtigt werden.

Wie lange die orale Phase andauern wird, kann nicht mit Sicherheit generalisiert werden, doch auch wenn im Kleinkindalter schon deutlich weniger in den Mund genommen wird, ist bei Gegenständen außer Babyspielzeug Vorsicht geboten. Selbst bei einem Vier- oder Fünfjährigen wäre es nicht unnormal, wenn es in einem gedankenverlorenen Moment einen Gegenstand in den Mund nimmt.

Weitere Schwierigkeiten können entstehen, wenn einem Baby bewusst verboten wird, Gegenstände in den Mund zu nehmen - dann sind die Schwierigkeiten eher psychischer Natur. Die frühkindlichen Erfahrungen und ihr Einfluss auf die Psyche sind noch heute Gegenstand der Forschung, doch fest steht, dass es definitiv einen Zusammenhang zwischen der Unterdrückung einer natürlichen Entwicklung und der seelischen Gesundheit eines Menschen gibt.

Das bedeutet natürlich nicht, dass alle gewünschten Gegenstände in den Mund genommen werden müssen, nur weil das Baby das gerne hätte. Lieber sollten dem Baby altersgerechte Kauspielzeuge mit unterschiedlichen Oberflächen, Größen und Formen geboten werden, um es von diesen Dingen abzulenken. Sobald das Kind Worte versteht versteht, kann ihm dann auch erklärt werden, warum es sich nicht am Esstisch festbeißen darf.

Zudem muss darauf geachtet werden, dass Beißspielzeuge sauber gehalten werden - sauber und nicht steril. Keime sind wichtig für die Entwicklung und Reifung des Immunsystems, völlig verklebt sollten Beißspielzeuge aber auch nicht sein. Zu Erkrankungen wird es wahrscheinlich nicht kommen, wenn das Baby etwas Verdrecktes ableckt, nach Möglichkeit sollte dies allerdings dennoch verhindert werden.

Quellen

  • Becker-Carus, C., Wendt, M.: Allgemeine Psychologie. Springer 2. Auflage, Berlin 2017
  • Faller, H.: Kurzlehrbuch Medizinische Psychologie und Soziologie. Springer, Berlin 2019
  • Furnham, A.: 50 Schlüsselideen Psychologie. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2010

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