Apert-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 5. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Beim Apert-Syndrom handelt es sich um eine seltene Erbkrankheit. Es kommt im gesamten Organismus zu Fehlbildungen mit schwersten, chronischen Funktionseinbußen und Krankheitsverläufen durch Missbildungen. Beide Geschlechter sind gleichermaßen betroffen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Apert-Syndrom?

Durch molekularbiologische Tests steht mittlerweile fest, dass sich der Phänotyp des Apert-Syndroms, also das nach außen hin sichtbare Erscheinungsbild der Krankheit, auf eine Mutation des 10. Chromosoms zurückführen lässt.
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Das Apert-Syndrom, auch unter der Bezeichnung Akrozephalosyndaktylie-Syndrom bekannt, ist ursächlich für schwere bis schwerste Missbildungen, die den ganzen Körper betreffen können. Diese multiplen Fehlbildungen wurden erstmals von dem französischen Kinderarzt Eugène Apert beschrieben, nach dem die unheilbare Erkrankung auch benannt wurde. Eugène Apert praktizierte als Pädiater in der französischen Hauptstadt Paris und lebte von 1868 bis 1940.

Das Apert-Syndrom ist nur eine von möglichen anderen phänotypischen Ausprägungen der Akrozephalosyndaktylie-Syndroms. Im Krankheitenregister des ICD-10 hat das Apert-Syndrom den Diagnosecode Q87.0. Die 4 anderen, ebenfalls zu den Akrozephalosyndaktylie-Syndromen gehörenden Krankheiten zählen das Crouzon-Syndrom, das Carpenter-Syndrom, das Pfeiffer-Syndrom sowie das Saethre-Chotzen-Syndrom. Das Pfeiffer-Syndrom ist nicht zu verwechseln mit der infektiösen Mononukleose, die ebenfalls den Namen Morbus Pfeiffer trägt.

Unter den genannten Krankheiten der Akrozephalosyndaktylie-Syndrome stellt das Apert-Syndrom jedoch dasjenige mit dem schwerwiegendsten und fulminantesten Verlauf dar. Nachdem die Verdachtsdiagnose gestellt wurde, stehen die Ärzte vor der Herausforderung, das Krankheitsbild der richtigen Diagnose aus der Gruppe der Akrozephalosyndaktylie-Syndrome zuzuordnen.

Ursachen

Allen Akrozephalosyndaktylie-Syndromen, also auch dem Apert-Syndrom, liegt eine spezielle Genmutation zugrunde. Durch molekularbiologische Tests steht mittlerweile fest, dass sich der Phänotyp des Apert-Syndroms, also das nach außen hin sichtbare Erscheinungsbild der Krankheit, auf eine Mutation des 10. Chromosoms zurückführen lässt. Dem Entdecker der Krankheit waren diese Zusammenhänge zur damaligen Zeit jedoch noch nicht bekannt. Auf Chromosom 10 befindet sich der Bauplan für das sogenannte Fibroblast Growthfaktor Rezeptor Gen, FGFR.

Der genaue Genlocus ist 10Q26, die Vererbung des Apert-Synroms erfolgt über einen sogenannten autosomal-dominanten Erbgang. Ist das entsprechende Gen auf Chromosom Nr.10 mutiert, dann kommt es auch in jedem Fall zum phänotypischen Ausbruch der Krankheit, man spricht in diesem Zusammenhang auch von vollständiger Penetranz. Dabei ist die Varianz beim Apert-Syndrom sehr hoch, dies hat insofern klinische Relevanz, als dass die Krankheitszeichen und Symptome bei den Betroffenen sehr unterschiedlich ausgeprägt sein können. Häufigste Ursachen des Apert-Syndroms sind spontane, also nicht vorhersehbare Mutationen auf dem 10. Chromosom.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Es konnte durch molekularbiologische Untersuchungen zweifelsfrei nachgewiesen werden, dass das Alter des Kindsvaters bei der Neigung zur Spontanmutation eine wichtige Rolle spielt. Das Apert-Syndrom tritt also insbesondere bei Kindern älterer Väter auf. Dieser Zusammenhang ist für das Apert-Syndrom verifiziert, jedoch nicht für die anderen Akrozephalosyndaktylie-Syndrome. Statistisch ist eines von 130.000 Neugeborenen von einem Apert-Syndrom betroffen. Die Symptome, Beschwerden und Anzeichen, welche auf das Vorliegen eines Apert-Syndroms hindeuten können sind äußerst vielgestaltig und variabel.

Bei einem voll ausgeprägten Krankheitsbild wir die richtige Diagnose zuverlässig gestellt, bei Subformen kann es aber auch zur Verzögerung bei der korrekten Diagnosestellung kommen. Zu den Kardinalsymptomen des Apert-Syndroms gehören Fehlbildungen des knöchernen Schädels, des Gesichtes, der Extremitäten einschließlich Hände und Füße, sowie Skoliose der Wirbelsäule, Atemprobleme, Fehlsichtigkeiten sowie Schwerhörigkeit.

In mehr als 80 Prozent der Fälle kann der Arzt darüber hinaus einen sogenannten Hydrocephalus und eine schwere geistige Retardierung feststellen. Die Schädelknochen sind derart ineinander verwachsen, dass es zu Kontusionen des Gehirns und damit zu einem vermehrten Hirndruck kommt.

Diagnose & Verlauf

Typische Fehlbildungen und Merkmale eines Apert-Syndroms sind etwa ab dem vierten Schwangerschaftsmonat in der Feinsonografie zu erkennen. Schon direkt nach der Geburt kann eine erste Verdachtsdiagnose durch die typischen hinweisgebenden Symptome gestellt werden. Die Bestätigung und Erhärtung der Diagnose sollte umgehend durch weiterführende molekulargenetische Blutuntersuchungen erfolgen. Steht die Diagnose dann zweifelsfrei fest, sollte unverzüglich mit der operativen Therapie begonnen werden.

Komplikationen

Beim Apert-Syndrom kommt es zu sehr schweren Komplikationen, die das Leben des Patienten in einer starken Art und Weise beeinträchtigen. Durch das Apert-Syndrom entstehen starke Fehlbildungen am Körper, die zu gesundheitlichen Problemen führen können. Hierbei sind sowohl Frauen als auch Männer vom Syndrom betroffen.

In der Regel zeigt sich das Syndrom durch eine Fehlbildung im Schädelknochen. Der Schädel sieht daher anders aus als bei gesunden Menschen. Die führt vor allem bei Kindern oft zu Mobbing und Hänseleien und kann beim Patienten psychische Probleme auslösen. Auch die Extremitäten können Fehlbildungen enthalten, es kommt darüberhinaus auch zu Problemen bei der Atmung und zur Schwerhörigkeit.

Die meisten Betroffenen benötigen eine Sehhilfe. Neben den körperlichen und physischen Problemen treten bei den meisten Patienten auch geistige und kognitive Probleme auf. Denken und Handeln sind stark eingeschränkt, sodass der Patient den Alltag in den meisten Fällen nicht alleine meistern kann und auch auf die Hilfe der Familie angewiesen ist.

Eine Behandlung ist nur eingeschränkt möglich. Die physischen Symptome können durch operative Eingriffe behandelt werden, sodass Fehlformationen und Fehlstellungen entfernt werden. Die psychische Retardierung kann allerdings nicht behandelt werden, sodass die Patienten auch eine geringere Lebenserwartung haben.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Beim Apert-Syndrom ist eine frühzeitige Diagnose und Behandlung der Krankheit von großer Bedeutung. Aus diesem Grund sollte immer dann ein Arzt aufgesucht werden, wenn die Beschwerden dieses Syndroms auftreten. Die Betroffenen leiden dabei in der Regel an verschiedenen Missbildungen am Körper, die allerdings nicht direkt nach der Geburt auftreten müssen. Sollte der Patient daher unter Atembeschwerden oder an Sehbeschwerden leiden, sollte eine ärztliche Untersuchung durchgeführt werden. Auch bei einer Schwerhörigkeit, die ohne besonderen Grund auftritt ist eine Untersuchung und Behandlung durch den Arzt sinnvoll.

Nicht selten leiden die Patienten durch das Apert-Syndrom auch an einer gestiegen Retardierung. Diese kann sich durch Schwierigkeiten in der Schule und durch psychische und motorische Einschränkungen zeigen. Sollten diese Beschwerden ebenso auftreten, so leidet der Patient sehr wahrscheinlich am Apert-Syndrom.

Bei einer frühzeitigen Behandlung können die Beschwerden eingeschränkt werden, sodass der Alltag für den Betroffenen erträglich wird. Durch verschieden operative Eingriffe können viele Symptome gelöst oder gelindert werden. Ein Besuch beim Arzt kann auch für die Eltern oder die Angehörigen des Kindes sinnvoll sein, falls diese an psychischen Beschwerden oder an Depressionen leiden.

Behandlung & Therapie

Im Vordergrund der Therapie steht die Beseitigung der Schädeldeformitäten, die für die Hirndrucksteigerung mit Hydrocephalus verantwortlich sind. Die dazu notwendige therapeutische Intervention kann ausschließlich chirurgisch erfolgen. Dazu müssen die Schädelnähte, Suturen, unter Vollnarkose gesprengt werden. Diese spezielle Form der Operation kann nur in dafür zertifizierten Zentren qualifiziert vorgenommen werden.

Synchron wird meist auch die Fehlstellung von Zehen und Fingern, soweit als möglich vorgenommen. In einem weiteren, separaten Eingriff müssen Strukturen im Mittelohr operiert werden, weil die typischen Gehörknöchelchen Hammer, Amboss und Steigbügel beim Apert-Syndrom nicht oder nicht vollständig ausgebildet sind.

In einigen Fällen können die Kinder durch diese OP ihre Hörfähigkeit zumindest teilweise wiedererlangen. Sind die Missbildungen im Mittelohr jedoch zu stark ausgeprägt, kann die Hörfähigkeit leider nicht wiederhergestellt werden. Die betroffenen Kinder sind sehr extremen psychischen Belastungen ausgesetzt, denn die Ablehnung durch die Umwelt ist sehr groß. Und die betroffenen Kinder machen bereits in den ersten Lebensjahren eine Vielzahl von Operationen mit. Die auch dadurch sich verschärfenden psychischen Einschränkungen sollten stets mit therapiert werden.

Aussicht & Prognose

Die Prognose des Apert-Syndroms ist als ungünstig einzustufen. Die Erbkrankheit tritt vermehrt bei Kindern mit einem älteren Vater auf und gilt bis zum heutigen Tage als nicht heilbar. Aus rechtlichen Gründen ist es Medizinern und Wissenschaftlern untersagt, in die Genetik des Menschen einzugreifen. Daher gibt es mit den derzeitigen vorhandenen Möglichkeiten keine Therapie oder Arznei, die zu einer Genesung der Erkrankung führen könnten.

Der Behandlungsplan ist auf die Linderung der vorhandenen Beschwerden ausgerichtet und konzentriert sich auf die Verbesserung der Lebensqualität. In vielen Fällen kann jedoch keine Behandlung durchgeführt werden, da sie keinen weiteren Erfolg erleben würde. Obgleich die Erkrankung nicht heilbar ist, hat sie auch keinen progressiven Krankheitsverlauf. Die vorhandenen Beeinträchtigungen verschlechtern sich im Laufe des Lebens nicht.

Bei einer Behandlung werden häufig Sehhilfen zur Verbesserung der Sehkraft genutzt. Darüber hinaus wird, sofern möglich, ein operativer Eingriff vorgenommen, um die Schädeldeformierungen zu verändern. Dies hat nicht nur einen kosmetischen Charakter, sondern dient dazu, dass Gefäße und Gewebe innerhalb des Wachstumsprozesses nicht eingequetscht oder verletzt werden. Es handelt sich dabei häufig um vorbeugende Maßnahmen, damit kein akutes Organversagen oder Einblutungen auftreten können. Diese würden ein frühzeitiges Ableben des Patienten zur Folge haben.


Vorbeugung

Eine direkte Vorbeugung gegen Spontanmutationen ist bislang nicht möglich. Jedoch können Akrozephalosyndaktylie-Syndrom im Rahmen einer sogenannten Pränataldiagnostik früh auffallen. Ab der neunten Schwangerschaftswoche ist auch eine Fruchtwasseruntersuchung, Amniozentese, möglich, durch die die Diagnose bereits sicher gestellt werden kann. Ist das Vorliegen eines Akrozephalosyndaktylie-Syndroms wahrscheinlich, so werden die Ärzte im Regelfall dazu raten, die Schwangerschaft baldmöglichst zu unterbrechen.

Nachsorge

Das Apert-Syndrom ist immer mit einer langwierigen Therapie verbunden. Die Erkrankten benötigen über Monate oder Jahre hinweg ärztliche und therapeutische Unterstützung, da die verschiedenen Beschwerden und Symptome immer wieder auftreten können beziehungsweise in einer chronischen Form dauerhaft bestehen bleiben. Dementsprechend konzentriert sich die Nachsorge auf regelmäßige Verlaufskontrollen.

Patienten sollten zu Beginn wöchentlich einen Arzt konsultieren. Bei einem positiven Krankheitsverlauf können die Kontrollen nach und nach reduziert werden, wobei die Routineuntersuchungen dauerhaft durchgeführt werden müssen. Sollten sich Komplikationen während der Nachsorge zeigen, muss die Behandlung wieder erneut aufgenommen werden.

Patienten sollten sich darüber hinaus um die notwendigen Medikamente bemühen, um Sinus-Infektionen, Atembeschwerden und andere, teilweise chronisch verlaufende Beschwerden effektiv zu lindern. Zur Nachsorge zählt auch eine Umstellung bestimmter Lebensgewohnheiten, welche die Symptome verstärken können. So muss die Ernährung umgestellt werden.

Durch eine fettarme und vitaminreiche Kost können Entzündungen reduziert und das Immunsystem unterstützt werden. Aufgrund der verschiedenen Verläufe, die die genetische Störung nehmen kann, müssen die genauen Schritte immer im Hinblick auf das individuelle Symptombild des Patienten erarbeitet werden. Der zuständige Arzt ist der richtige Ansprechpartner für eine Nachsorge nach dem Apert-Syndrom.

Das können Sie selbst tun

Das Apert-Syndrom ist eine ernste Erkrankung, die für die Betroffenen mit einer Reihe von Beschwerden und erheblichem körperlichem und psychischem Stress verbunden ist. Betroffene sollten deshalb Therapiemaßnahmen in Anspruch nehmen, welche die schulmedizinische Behandlung unterstützen.

Im Rahmen einer Selbsthilfegruppe ist der Austausch mit anderen Betroffenen möglich. Dadurch lassen sich nicht nur Tipps für den Umgang mit der Erkrankung austauschen, auch neue Kontakte zu anderen Erkrankten und Fachärzten können auf diese Weise geknüpft werden. Langfristig muss die Erkrankung allerdings akzeptiert werden – von den Betroffenen und deren Angehörigen zugleich. Die Elterninitiative Apert-Syndrom und verwandte Fehlbildungen e.V. bietet Betroffenen weitere Kontaktmöglichkeiten und Tipps für einen gesunden Umgang mit der Erkrankung.

Von diesen therapeutischen Maßnahmen einmal abgesehen, lassen sich die Beschwerden auch durch einen gesunden Lebensstil lindern. Regelmäßige Bewegung und eine gesunde Ernährung helfen langfristig dabei, die Symptome einzudämmen und die Lebensqualität zu steigern. Begleitend dazu sollten die notwendigen Maßnahmen ergriffen werden, um das künftige Leben behindertengerecht zu gestalten. Die genannten Maßnahmen werden am besten in Rücksprache mit dem zuständigen Arzt und den Angehörigen umgesetzt.

Quellen

  • Buselmaier, W. et al.: Humangenetik für Biologen. Springer Verlag, Berlin Heidelberg 2005
  • Eppinger, M., Müller, M., et al.: Pädiatrie. Für Studium und Praxis. 2013/14. Medizinische Verlags- und Informationsdienste, Breisach 2013
  • Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013

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