Artikulationsstörung
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Der Begriff Artikulationsstörung bezeichnet verschiedene Probleme bei der individuellen Lautbildung eines Menschen, die vom Standard abweichen. Das bedeutet, dass bestimmte Laute entweder gar nicht oder falsch gebildet werden. Die Ursachen für eine Artikulationsstörung können sehr vielfältig sein, eine Behandlung erfolgt zumeist beim Logopäden.
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Was sind Artikulationsstörungen?
Der medizinische Fachbegriff für eine Artikulationsstörung lautet Dyslalie. Bei dieser Art der Sprachstörung werden einzelne oder zusammenhängende Laute (wie zum Beispiel die Lautfolge „sch“) fehlerhaft ausgesprochen, falsch zusammengesetzt oder beim Sprechen komplett weggelassen.
Besonders häufig kommen diese Fehler bei den sogenannten Zischlauten vor. Diese falsche Aussprache der Buchstaben und Lautfolgen „s“, „z“, „ch“ und „sch“ ist in der Umgangssprache als Lispeln bekannt. Besonders häufig treten Artikulationsstörungen im Kindesalter auf. Während der Phase des Spracherwerbs haben beinahe vierzehn Prozent der Kinder im Alter zwischen vier und sechs Jahren Störungen dieser Art.
Dyslalien lassen sich generell in zwei Gruppen unterteilen, können aber auch als Mischform der beiden auftreten. Einerseits gibt es die phonologischen Störungen, bei denen einzelne Laute zwar korrekt ausgesprochen werden können, dies den Betroffenen im Sprachfluss jedoch nicht möglich ist. Dabei kann es beispielsweise sein, dass eine Person den Buchstaben „s“ zwar an sich korrekt aussprechen kann, beim Sprechen jedoch trotzdem lispelt.
Andererseits gibt es die phonologischen Störungen, bei denen Laute und Lautfolgen generell nicht richtig ausgesprochen werden können, auch nicht isoliert. Hier ist es dem Betroffenen beispielsweise generell nicht möglich, den Buchstaben „s“ korrekt auszusprechen.
Ursachen
Die Ursachen für eine Artikulationsstörung sind vielfältig. Zunächst einmal können angeborene oder erworbene Missbildungen an den Artikulationsorganen (Lippen, Zunge, Gaumen, Kiefer) zu den Beschwerden führen. Solche Missbildungen erschweren eine korrekte Artikulation. Auch Hörstörungen können zu Dyslalien führen. Die Betroffenen hören dabei ihre eigene fehlerhafte Aussprache nicht und somit kann es zu Artikulationsstörungen kommen.
Bei einer myofunktionellen Störung ist die Muskelspannung im Bereich des Mundes beeinträchtigt. Diese Störung der Muskelspannung führt zu einer fehlerhaften Aussprache von Lauten oder Lautfolgen.
Bei den meisten Artikulationsstörungen liegt aber überhaupt keine organische Ursache zugrunde. Das Problem liegt vielmehr in schlechten Angewohnheiten. So können Kinder falsche Sprechvorbilder haben, wodurch sie sich angewöhnen, Laute und Lautfolgen nicht korrekt auszusprechen. Oder aber die Umsetzung der korrekten Laute wird nicht genau genug geübt.
Gewöhnt sich ein Mensch erst einmal an diese fehlerhafte Aussprache, so liegt ebenfalls eine Artikulationsstörung vor. Je länger Kinder die fehlerhafte Aussprache beibehalten und somit automatisieren, desto schwieriger wird die Behandlung.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Eine Artikulationsstörung kann zu einer Reihe unterschiedlicher Symptome und Beschwerden führen und schränkt im Allgemeinen die Lebensqualität des Patienten deutlich ein. Die meisten Betroffenen können dabei verschiedene Laute oder Buchstaben nicht richtig aussprechen. Es kommt dadurch zu einer Sprachstörung, sodass auch die Kommunikation mit anderen Menschen gestört ist.
Vor allem im Kindesalter kann es dadurch zu Mobbing oder zu Hänseleien und dadurch auch zu psychischen Beschwerden und Verstimmungen kommen. Auch das vollständige Weglassen von Lauten und Buchstaben kann durch die Artikulationsstörung eintreten. Dadurch wird die kindliche Entwicklung deutlich eingeschränkt und verzögert. Wird die Artikulationsstörung nicht behandelt, so kann es dadurch auch im Erwachsenenalter zu Komplikationen oder zu Sprachbeschwerden kommen.
Viele Patienten leiden dabei auch an Lispeln. Im Falle von Fehlbildungen oder Missbildungen im Mundraum können diese in einigen Fällen auch zu Schluckbeschwerden führen, die die Einnahme von Nahrung und Flüssigkeit deutlich erschweren. Auch ein Schlaganfall kann die Artikulationsstörung hervorrufen und tritt dabei in der Regel mit anderen Beschwerden auf.
Häufig leiden auch die Eltern oder die Angehörigen des betroffenen Kindes an psychischen Beschwerden und an Depressionen aufgrund der Artikulationsstörung und benötigen daher auch eine psychologische Behandlung.
Diagnose & Verlauf
Die Diagnose von Artikulationsstörungen im Kindesalter erfolgt zumeist aus dem Umfeld. Eltern, Freunden, Lehrern oder Erziehern fällt die fehlerhafte Aussprache zunächst einmal einfach auf. Anschließend entscheiden entweder der Kinderarzt oder ein zurate gezogener Logopäde, ob die Auffälligkeit nur vorübergehend oder behandlungsbedürftig ist, also ob es sich tatsächlich um eine Artikulationsstörung handelt.
Logopäden verfügen dafür über spezielle und zuverlässige Testverfahren, die Aufschluss geben. Der Verlauf der Störung hängt einerseits von dessen Ursachen und andererseits von dessen (frühzeitiger) Behandlung ab.
Komplikationen
Artikulationsstörungen können aufgrund verschiedener Ursachen entstehen und haben dementsprechend verschiedene Komplikationen. Zum einen können angeborene Missbildungen Artikulationsstörungen verursachen. Dazu zählt beispielsweise eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte (Cheilopalatognathoschisis). Durch diese Erkrankung müssen die Betroffenen häufig ins Krankenhaus und Behandlungen unterziehen, was ein psychisches Problem darstellt.
Außerdem werden die Kinder häufig wegen ihres Aussehens und ihrer Aussprache verspottet, was die psychische Problematik verstärkt. Dies führt schon sehr früh zu einer sozialen Isolation, was sich im Erwachsenenalter bis hin zu einer Depression entwickeln kann, welche durch ein Alkohol- und Drogenverhalten auszeichnet. Außerdem denken Betroffene nicht selten über einen Suizid nach.
Zusätzlich verursacht eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte ein Problem bei der Nahrungsaufnahme dar. Ein gleichzeitiges Atmen beim Trinken ist nicht mehr möglich. Ein Schlaganfall führt häufig auch zu Problemen der Artikulation. Neben Schwierigkeiten der Aussprache haben Betroffene auch Probleme beim Verständnis von Gesprochenen. Nicht selten kommt es zu Lähmungen. Betroffene können meist ihre Beine oder Arme nicht bewegen und sind halbseitig gelähmt.
Auch eine Blasen- oder Stuhlinkontinenz können oft hinzukommen, so dass die Patienten meist pflegebedürftig werden. Auch die mentale Leistung ist beeinträchtigt, die Patienten werden häufig dement und leiden unter einer Amnesie. Zusätzlich kann sich die Persönlichkeit verändern. In den schlimmsten Fällen führt ein Schlaganfall zu Ausfällen in lebenswichtigen Prozessen, sodass dies zum Tod führt.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
In der Regel sollte eine Artikulationsstörung so früh wie möglich von einem Arzt untersucht und schließlich auch behandelt werden. Dabei können Komplikationen im Erwachsenenalter vermieden werden. Ebenso werden vor allem bei Kindern damit Hänseleien und Mobbing vermieden. Ein Arzt sollte dann aufgesucht werden, wenn das Kind sich nicht richtig ausdrücken kann oder wenn es plötzlich und ohne besonderen Grund zu einer Artikulationsstörung kommt. Die Ursachen für die Artikulationsstörung können sehr unterschiedlich sein.
In vielen Fällen leiden die Betroffenen an psychischen Beschwerden, allerdings können auch physische Einschränkungen zu einer Artikulationsstörung führen. Vor allem nach einem Schlaganfall kommt es nicht selten zu Artikulationsstörungen. Diese können leider nicht immer behandelt werden, sodass die Betroffenen in vielen Fällen auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen sind.
Um eine komplikationsfreie Entwicklung des Kindes zu garantieren, sollte schon bei den ersten Anzeichen einer Artikulationsstörung ein Arzt aufgesucht werden. In der Regel kann dabei direkt ein Kinderarzt oder ein Logopäde besucht werden, der eine entsprechende Behandlung der Artikulationsstörung einleiten kann.
Behandlung & Therapie
Die Behandlung von Artikulationsstörungen erfolgt meistens bei einem Logopäden. Diese legen ihren Behandlungsplan individuell nach dem Patienten und dessen Sprachproblemen an. Dabei geht es zunächst um die Wahrnehmung des Problems. Dem Betroffenen soll zunächst bewusst werden, dass seine Aussprache von Lauten oder Lautfolgen vom Standard abweicht.
Die Behandlung von Artikulationsstörungen erfolgt meistens bei einem Logopäden. Diese legen ihren Behandlungsplan individuell nach dem Patienten und dessen Sprachproblemen an. Dabei geht es zunächst um die Wahrnehmung des Problems. Dem Betroffenen soll zunächst bewusst werden, dass seine Aussprache von Lauten oder Lautfolgen vom Standard abweicht.
Die korrekte Aussprache wird anschließend anhand verschiedener Übungen und Methoden schrittweise trainiert. Infrage kommen dabei unter anderem Atemübungen, Wortbildungsübungen anhand von einzelnen Buchstaben und Silben, Hörübungen und vieles mehr. Diese Art von Training erfolgt bei Kindern auf eine spielerische Art und Weise. Schrittweise wird der Schwierigkeitsgrad erhöht, sodass beispielsweise falsche Automatismen langsam korrigiert werden. Das Ziel ist dabei stets, die Aussprache in Richtung der Norm zu verbessern.
Ist die Ursache für eine Artikulationsstörung ein Problem mit dem Gehör, sollte zudem ein Hals-Nasen-Ohren-Arzt zurate gezogen werden, der sich mit den körperlichen Ursachen des Problems beschäftigt. Doch auch in diesem Fall kann eine logopädische Behandlung durchaus sinnvoll sein.
Bei Missbildungen im Bereich der Sprechwerkzeuge können verschiedene Vorgangsweisen sinnvoll sein. Bei einer sogenannten Kiefer-Gaumenspalte kann zum Beispiel sogar ein chirurgischer Eingriff zur Besserung nötig sein. Doch auch Missbildungen können durch logopädischen Einsatz bei Artikulationsstörungen eingesetzt werden, da sie andere Wege zeigen, die betroffenen Regionen der Sprechwerkzeuge zu benutzen.
Aussicht & Prognose
Die frühzeitige Diagnose einer Artikulationsstörung sichert für das Kind eine gute Heilungsaussicht. Je eher ein Logopäde einen individuellen Behandlungsplan erstellen kann, desto früher kann der Beginn einer Therapie erfolgen. Da grundsätzlich der Lernerfolg des Sprachzentrums größer ist, je jünger das Kind ist, verringert sich allmählich über die ersten Lebensjahre die Möglichkeit, akzent- und beschwerdefrei die Lautbildung zu erlernen.
Die Unterscheidung neuer Laute wird in einem Therapieprozess trainiert. Dies stellt die Basis für eine korrekte Lautbildung dar. Können die einzelnen Laute gut voneinander getrennt wahrgenommen werden, nimmt die Wahrscheinlichkeit zu, dass sie korrekt wiedergegeben werden können. Durch verschiedene Atem- und Worttechniken wird das Erlernen der Lautgebung trainiert, bis die Störung vollständig behoben wurde.
Liegt eine körperliche Ursache für die Artikulationsstörung vor, kann in einem chirurgischen Eingriff eine Korrektur erfolgen. Auch hier sind die Heilungsaussichten sehr gut.
Die Prognose für eine Beschwerdefreiheit ändert sich, wenn als Ursache eine psychische Erkrankung oder ein seelisches Leiden vorliegen. In einer Psychotherapie müssen zuerst die Gründe für die Artikulationsstörung geklärt und behoben werden, damit sich die Lautgebung verbessern kann. Die Dauer eines seelischen Heilungsprozesses ist individuell und kann mehrere Monate bis Jahre andauern. Häufig ist eine logopädische Behandlung erst im Anschluss erfolgversprechend.
Vorbeugung
Vorbeugen kann man den körperlichen Ursachen von Artikulationsstörungen nicht. Nur bei Störungen, die keine körperliche Ursache haben, ist Vorbeugung möglich. Kinder sollten gute Sprechvorbilder haben, die Wert auf eine korrekte Aussprache von Lauten legen. Entwickelt ein Kind Probleme in der Artikulation, sollten die Bezugspersonen korrigierend eingreifen, damit sich dieses Verhalten nicht automatisiert. Bessert sich das fehlerhafte Verhalten nicht von alleine, so ist der Kinderarzt oder ein Logopäde zurate zu ziehen.
Nachsorge
Ob eine Nachsorge bei einer therapierten Artikulationsstörung überhaupt notwendig ist, hängt vom Einzelfall ab. Generell gilt, dass im Kindesalter therapierte Formen der Dyslalie eine hervorragende Prognose haben und die Therapien als effektiv gelten. Rückfälle sind selten, aber möglich. Dabei hängt dies häufig von den persönlichen Umständen ab und dabei vor allem von einer möglichen psychischen Belastung.
Eine Nachsorge bestünde im weitesten Sinne also im gelegentlichen weiteren Aufsuchen von Therapieangeboten. Auch Selbsthilfegruppen können relevant sein, wenn die Sprachstörung trotz Therapie nicht überwunden wird. Außerhalb der Therapie werden zudem noch Übungen zur Selbstkontrolle vorgeschlagen, die Betroffene auch nach der Therapie ihr Dyslalie noch weiter lösen können, um sich ständig selbst zu kontrollieren.
Kontrolluntersuchungen sind in der Regel nicht nötig, da eine wieder aufflammende Artikulationsstörung vom Betroffenen selbst und von seinem Umfeld bemerkt werden kann. Keine der therapeutischen und logopädischen Maßnahmen beinhaltet Medikamente, entsprechend ist daher keine Nachsorge erforderlich.
Erwähnenswert ist, dass es unter Umständen zu einer erhöhten psychischen Belastung aufgrund einer Artikulationsstörung kommen kann. Dies ist zumeist durch die Reaktionen der Umwelt sowie durch eigene Unsicherheit begründet. In solchen Fällen können Nachsorge-Maßnahmen nach einer erfolgten Therapie der Artikulationsstörung notwendig sein, um fehlendes Selbstvertrauen wieder aufzubauen und zu stärken.
Das können Sie selbst tun
Haben Kinder Schwierigkeiten bestimmte Laute und Lautverbindungen zu artikulieren, können ein paar einfache sprachförderliche Hilfen von den Eltern sehr nützlich sein. Sprechen beginnt zu Hause und so haben Eltern mit ihrem sprachlichen Vorbild die besten Möglichkeiten, ihrem Kind das Sprechenlernen zu erleichtern. Wichtig ist es, das Kind aussprechen zu lassen, ihm in Ruhe zuzuhören, es beim Sprechen anzuschauen und nicht während es redet die Aussprache zu verbessern.
Komplizierte Sätze wiederholen die Eltern mit einfachen, kindgerechten Worten und korrigieren sie auf diese Weise. Dabei sollte auf die korrekte Grammatik geachtet werden. Das Kind darf anschließend jedoch nicht zum Nachsprechen gezwungen werden. Singen, tanzen, Bilderbücher ansehen, reimen, kleine Verse und Geschichten erzählen bilden die Basis für eine gute Entwicklung des Sprechens. Dabei ist ein ruhiges, betontes und langsames Sprechen durch die Eltern förderlich.
Einigen Kindern hilft es den Bedeutungsunterschied zu veranschaulichen, der durch so manche Lautvertauschung entstehen kann. Es ist schon ein Unterschied, ob die Suppe im "Topf oder im Kopf" kocht oder man eine "Bank oder ein Band" in der Hand hält. Viele Kinder begreifen durch diese sogenannten Minimalpaare wie wichtig es ist, genau hinzuhören und zu sprechen. Im Zweifelsfall kann eine Beratung bei einer Logopädin oder einem Logopäden sinnvoll sein.
Quellen
- Boenninghaus, H. G., Lenarz, T.: Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde. Springer, Heidelberg 2012
- Michaelis, R., Niemann, G.W.: Entwicklungsneurologie und Neuropädiatrie. Thieme, Stuttgart 2010
- Steinhausen, H.-C. (Hrsg.): Psychische Störungen bei Kindern und Jugendlichen. Urban & Fischer, München 2010