Bourneville-Pringle-Syndrom
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 13. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
Sie sind hier: Startseite Krankheiten Bourneville-Pringle-Syndrom
Als Bourneville-Pringle-Syndrom ist ein Trias aus Tumoren des Gehirns mit Epilepsie und Entwicklungsverzögerung, Hautläsionen und Wucherungen in anderen Organsystemen bekannt. Die Erkrankung wird durch eine Mutation der beiden Gene TSC1 und TSC2 verursacht. Die Therapie erfolgt symptomatisch mit Fokus auf die Epilepsie.
Inhaltsverzeichnis |
Was ist das Bourneville-Pringle-Syndrom?
Der medizinische Terminus Bourneville-Pringle-Syndrom ist eine synonyme Bezeichnung der tuberösen Sklerose. Dieses pathologische Phänomen fällt in die Gruppe der Erberkrankungen uns ist durch meist gutartige Tumore im Gesicht, im Gehirn und im Organsystem, durch geistige Behinderung und epileptische Anfälle gekennzeichnet.
Die Prävalenz der tuberösen Sklerose liegt für Neugeborene bei etwa einem Fall auf 8000 Säuglingen. Die französischen Neurologen Désiré-Magloire Bourneville und Édouard Brissaud beschrieben die Erkrankung gemeinsam mit dem britischen Hautarzt John James Pringle im 19. Jahrhundert erstmals. Die Bezeichnung als Bourneville-Pringle-Syndrom hat sich ihnen zuliebe eingebürgert.
Im englischen Sprachraum heißt der Symptomkomplex Tuberous Sclerosis Complex. Klinisch zeichnet sich der Komplex aus einem symptomatischen Trias mit den weiter oben genannten Symptomen aus. Eine Sonderform des Syndroms ist das Contiguous-Gen-Syndrom.
Ursachen
In Zusammenhang mit dem Bourneville-Pringle-Syndrom wurden familiäre Häufungen beobachtet, denen offenbar ein autosomal-dominanter Erbgang zugrunde liegt. In der Hälfte aller Fälle liegt der Erkrankung scheinbar aber eine genetische Neumutation als Ursache zugrunde. Die Rate an Spontanmutationen ist somit mindestens genauso hoch wie die von vererbten Mutationen.
Bei familiären Fällen wurden Mutationen im TSC1-Gen auf Locus Chr.9q34 und im TSC2-Gen auf Locus Chr.16p13 mit gleicher Häufigkeit beobachtet. Das sporadische Vorkommen ist annähernd ausschließlich auf Neumutationen im TSC2-Gen beschränkt. Die beiden Gene sind Tumor-Suppressor-Gene und somit an der Unterdrückung von Zellwucherungen beteiligt. Ihre Genprodukte sind Hamartin und Tuberin, deren Funktionen nicht abschließend geklärt sind.
Die Mutationen im Rahmen eines Bourneville-Pringle-Syndroms sind über alle Exons der genannten Gene verteilt und können jedem Mutationstyp entsprechen. Nur große Deletionen im TSC2-Gen auf einem oder mehreren Exons wurden bislang nicht beobachtet. Die Sonderform des Contiguous-Gen-Syndroms betrifft sowohl das TSC2-Gen, als auch das PKD1-Gen.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Die tuberöse Sklerose ist durch multiple Areale abnormaler Gewebedifferenzierung gekennzeichnet, die Hamartiene genannt werden und hinsichtlich der Organsysteme an variabler Lokation vorkommen. Zu den Hauptkriterien der Erkrankung zählen neben fazialen Angiofibromen und Bindegewebenävi im Stirnbereich, nicht traumatisch bedingte Angiofibrome, mindestens drei hypomelanotische Flecken, Bindegewebenävi des Kreuzbeins und mehrere Hamartome an der Retina.
Neben kortikalen Dysplasien zählen außerdem subependymale Knotenbildungen, subependymale Riesenzellensymptome und Rhabdomyome des Herzens. Darüber hinaus können pulmonale Lymphangiomyomatosen und das Angiomyolipom der Nieren als Hauptkriterien bezeichnet werden. Begleitsymptomatisch weisen die Patienten meist Zahnschmelzdefekte, rektale Polypen oder ossäre Zystenbildungen auf.
Zusätzlich kann begleitsymptomatisch eine ungewöhnliche Steifung der weißen Hirnsubstanz vorliegen. Dasselbe gilt für gingivale Fibrome, Depigmentierungen und Zysten der Nieren. Der Trias des Syndroms wird in symptomatische Hautveränderungen, Fehlbildungen des Gehirns mit Entwicklungsstörungen und Epilepsie und Symptome anderer Organsysteme aufgegliedert.
Diagnose & Verlauf
Zur Diagnose einer tuberösen Sklerose weist der Arzt dem Patienten entweder zwei Hauptkriterien der Erkrankung oder ein Hauptsymptom mit zwei Nebenkriterien nach. Die Veränderungen des Gehirns werden meist am frühesten erwiesen und in der Regel mittels Bildgebung wie dem MRT dargestellt. Eine molekulargenetische Analyse kann die Verdachtsdiagnose auf das Syndrom sichern und differentialdiagnostisch ähnliche Syndrome ausschließen.
Die Prognose ist für Patienten eines eher milde ausgeprägten Bourneville-Pringle-Syndroms gut. Viele Patienten mit einem milden BPS führen ein weitestgehend normales Leben. Betroffene von schwerem BPS und somit schwer ausgeprägter Epilepsie, extremen kognitiven Beeinträchtigungen und einer großen Menge an Tumoren haben eine schlechtere Prognose und müssen unter Umständen mit lebensverkürzenden Auswirkungen rechnen.
Komplikationen
Beim Bourneville-Pringle-Syndrom beziehungsweise Tuberösen Sklerose sind verschiedene Organsysteme betroffen und können verschiedene Komplikationen haben. Zum einen betrifft diese Erkrankung vor allem das Zentrale Nervensystem und Gehirn. Dabei leiden die Betroffenen insbesondere im Kindesalter an Epilepsien. Am häufigsten sind sogenannte partielle Anfälle, können aber auch generalisierte Anfälle sein.
Unbehandelt kann sich die Epilepsie im Kindesalter zu einem Lennox-Gausaut-Syndrom entwickeln. Dabei erleidet der Betroffene mehrmals am Tag einen meist tonischen Anfall und Absencen, welche auch in dem schlimmsten Fall in einen Status epilepticus, einem medizinischen Notfall, übergehen kann. Manchmal können auch geistige Entwicklungsstörungen beim Kind beobachtet werden.
Des Weiteren kann der einen Patient im Verlaufe der Erkrankung einen erhöhten Hirndruck entwickeln. Dieser führt zu starken Kopfschmerzen und Bewusstseinsstörungen. In den schlimmsten Fällen kann es zu einer Einklemmung wichtiger Steuerungszentren im Bereich des verlängerten Marks (Medulla oblongata) kommen, wodurch es zum Atemstillstand kommen kann.
Weiter kann die Tuberöse Sklerose Ursache für Nierenzysten oder auch maligne Tumoren sein, welche für ein Versagen der Niere verantwortlich sein können (Niereninsuffizienz). Die Lebensqualität wird dadurch stark eingeschränkt, der Patient muss sich eventuell einer Dialyse oder einer Transplantation unterziehen. Am Herzen kann es zu einem intrakardialen Rhabdomyom kommen, welches für Herzrhythmusstörungen (Arrhythmien) oder sogar einem Herztod verantwortlich sein kann.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Wenn es immer wieder zu epileptischen Anfällen und kognitiven Beeinträchtigungen kommt, muss ein Arzt konsultiert werden. Dieser kann anhand einer Ultraschalluntersuchung feststellen, ob das Bourneville-Pringle-Syndrom ursächlich ist. Eine gezielte Diagnose der Tumorerkrankung ist allerdings erst nach einer umfassenden Anamnese möglich. Die kennzeichnende Epilepsie kann bereits in den ersten Lebensmonaten festgestellt werden.
Der Kinderarzt wird daraufhin eine Routineuntersuchung veranlassen und das Bourneville-Pringle-Syndrom rasch diagnostizieren. Bleiben die epileptischen Anfälle aus, gestaltet sich die Diagnose als schwieriger. Etwaige Entwicklungsstörungen und Verhaltensauffälligkeiten bilden sich oftmals erst im Verlauf der Kindheit oder Jugend heraus. Grundsätzlich gilt: wenn das Kind sich auffällig verhält, Schwierigkeiten beim Lernen hat oder sonstige Beeinträchtigungen zeigt, muss der Kinderarzt hinzugezogen werden.
Weitere Warnzeichen, die eine medizinische Abklärung erfordern, sind zunehmende Hautveränderungen wie rötliche Pappeln oder die charakteristischen blattförmigen Flecken auf der Haut. Im weiteren Verlauf können Hauttumore, Knoten und andere Auffälligkeiten hinzukommen. Wenn eines oder beide Elternteile am Bourneville-Pringle-Syndrom leiden, ist eine ärztliche Abklärung während der Schwangerschaft sinnvoll.
Behandlung & Therapie
Das Bourneville-Pringle-Syndrom lässt sich bislang nicht kausal therapieren, da nur gentherapeutische Ansätze als Kausaltherapie infrage kommen und diese Ansätze derzeit zwar Gegenstand der Forschung sind, aber noch keine Zulassung zur Anwendung erhalten haben. Aus diesem Grund stehen zur Behandlung derzeit ausschließlich symptomatische Therapien zur Verfügung.
Die Therapie der Epilepsie steht im Fokus der Therapie, da gerade dieses Symptom die Lebensqualität der Betroffenen stark beeinträchtigt und im Verlauf schlimmstenfalls eine starke Verschlechterung des Gesundheitszustands bis hin zum Tod hervorruft. Die Epilepsiebehandlung erfolgt entweder medikamentös oder in schweren Fällen soweit wie möglich chirurgisch.
So hat beispielsweise die Trennung der beiden Gehirnhemisphären durch die chirurgische Entfernung des Corpus callosum in der Vergangenheit Erfolge in der Epilepsie-Therapie verzeichnet. Für mildere Formen ist die Gabe von Anti-Epileptika oftmals ausreichend. Neben diesen Behandlungsschritten müssen die Tumore aus den Organsystemen entfernt werden. Da es sich meist um gutartige Tumore handelt, ist eine anschließende Bestrahlung in der Regel nicht indiziert.
Eine engmaschige Kontrolle ist bei der Vielzahl von Tumoren allerdings angezeigt, um mögliche Veränderungen hin zum malignen rechtzeitig zu erkennen. Da die Betroffenen oftmals an geistig verzögerter Entwicklung leiden, können auch Maßnahmen wie die Frühförderung angemessene Therapieschritte sein. Die Sprachentwicklung lässt sich in logopädischer Betreuung unterstützen.
Den motorischen Entwicklungsverzögerungen kann mit physio- und ergotherapeutischen Maßnahmen begegnet werden. Falls sich durch die Erkrankung psychische Belastungen für den Patienten ergeben, kann zusätzlich eine Psychotherapie sinnvoll sein.
Aussicht & Prognose
Derzeit besteht noch keine kurative Therapie für das Bourneville-Pringle-Syndrom. Nur eine symptomatische Behandlung ist möglich. Die Ausprägung der Erkrankung ist bei den einzelnen Patienten unterschiedlich. In der Regel besteht eine normale Lebenserwartung. Allerdings kann diese durch häufige epileptische Anfälle, schwere geistige Retardierung sowie durch eine maligne Entartung der bestehenden Tumoren reduziert sein.
Die Therapie beschränkt sich besonders auf die Behandlung der epileptischen Anfälle. Im Rahmen der Erkrankung treten alle Anfallformen der Epilepsie auf. Es wurde ein Zusammenhang zwischen kognitiver Entwicklung und der Häufigkeit der Anfälle beobachtet. Erwachsene erleiden hauptsächlich sekundär generalisierte fokale Anfälle.
Insgesamt kommt es zu Entwicklungsstörungen, die sich in Sprach-, Bewegungs- und Lernstörungen äußern. Der Intelligenzquotient der einzelnen Betroffenen kann sich unterschiedlich entwickeln. Während dieser bei der Hälfte der Patienten normal ist, erreichen ungefähr 31 Prozent der Erkrankten einen Quotienten von maximal 21.
Auch die Hautveränderungen sind unterschiedlich und abhängig vom Alter. Dabei handelt es sich um Talgdrüsenadenome. Die kosmetische Behandlung der Adenome erfolgt durch operative Entfernung oder Laserbestrahlung. Häufig kommt es auch zu einem Angiomyolipom, einem gutartigen Tumor im Nierengewebe. Des Weiteren kann sich auch ein gutartiger Tumor in der quer gestreiften Muskulatur des Herzens bilden. Auch andere Organe wie die Lunge können von Tumoren betroffen sein. Eine maligne Entartung ist sehr selten.
Vorbeugung
Dem Bourneville-Pringle-Syndrom lässt sich bislang nur insofern vorbeugen, als dass Paare in der Familienplanung über molekulargenetische Untersuchungen ihr Risiko für erkrankte Kinder einschätzen und sich bei einem erhöhten Risiko gegebenenfalls gegen eigene Kinder entscheiden können.
Das können Sie selbst tun
Die tuberöse Sklerose, auch als Bourneville-Pringle-Syndrom bezeichnet, ist eine genetisch bedingte Krankheit, die sich derzeit noch nicht kausal behandeln lässt. Therapeutische Maßnahmen setzen deshalb an den Symptomen an.
Eine der beschwerlichsten Begleiterscheinungen, die die Lebensqualität der Betroffenen meist stark beeinträchtigt, ist die Epilepsie. Neben der medikamentösen Behandlung mit Antiepileptika können Betroffene oftmals durch ihre Lebensführung dazu beitragen, dass die Anfälle seltener auftreten oder weniger heftig ausfallen. Patienten sollten ein Epilepsie-Tagebuch führen, um herauszufinden, ob Faktoren aus ihrem Alltag die Anfälle triggern.
Solche Faktoren können gänzlich unterschiedlicher Natur sein. Bestimmte Nahrungsmittel, Alkohol, bewusstseinsverändernde Drogen sowie Schlafmangel, Stress, starke Angstgefühle oder bei Frauen auch die Monatsblutung. Kritische Faktoren sollten, soweit als möglich, gemieden werden. Vielen Betroffenen und ihren Angehörigen hilft auch der Beitritt zu einer Selbsthilfegruppe für Epileptiker, die es mittlerweile in zahlreichen deutschen Städten gibt.
Sehr oft leiden die von tuberöser Sklerose betroffenen Personen auch unter einer verzögerten geistigen Entwicklung. Den negativen Konsequenzen kann durch eine adäquate Frühförderung entgegengewirkt werden. Eltern können sich hier von Kinderärzten oder dem Jugendamt beraten lassen. Sofern auch die Entwicklung der motorischen Fähigkeiten beeinträchtigt ist, helfen ergo- und physiotherapeutischen Maßnahmen. Bei einer Verzögerten Sprachentwicklung sollte ein Logopäde zugezogen werden.
Quellen
- Buselmaier, W. et al.: Humangenetik für Biologen. Springer Verlag, Berlin Heidelberg 2005
- Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
- Preiß, J. et al.(Hrsg.): Taschenbuch Onkologie. Zuckschwerdt, München 2014