Brachyzephalus

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 26. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Der Brachyzephalus stellt eine Deformation des Schädels dar, die durch eine vorzeitige Verknöcherung der Kranznaht zustande kommt. Der Kopf erscheint aufgrund seiner Kürze und Breite rund. Da das Gehirn durch diese Deformation des Schädels in seinem Wachstum eingeschränkt ist, muss der Brachyzephalus schon frühzeitig chirurgisch behandelt werden.

Inhaltsverzeichnis

Was ist ein Brachyzephalus?

Je früher die Koronarnaht verknöchert, desto stärker sind auch die entsprechenden Deformationen. Der intrakranielle Druck ist entscheidend für die Entwicklung des Gehirns.
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Der Begriff Brachyzephalus kommt aus dem Griechischen und bedeutet „Rundköpfigkeit“ oder „Kurzköpfigkeit“. Synonym für diese Bezeichnung kann auch der Begriff Brachycephalie verwendet werden. Ursache ist ein ungleichmäßiges Schädelwachstum durch vorzeitigen Verschluss der Kranznaht.

Innerhalb der normalen Bevölkerung werden mehrere Kopfformen unterschieden. Dabei handelt es sich um Langschädel (Dolichozephalus), Mittelschädel (Mesozephalus) und Kurzschädel (Brachyzephalus). Bei extremer Ausprägung dieser Schädelformen liegt eine krankhafte Störung des Schädelwachstums vor. In der Anthropologie spielen die Schädelformen eine große Rolle zur Bestimmung der Abstammung.

Dabei hat sich die Messmethode nach Karolyi durchgesetzt. Bei dieser auch als Schädelindex oder Cranial Index bezeichneter Messung wird das Verhältnis der größten Kopfbreite zur größten Kopflänge bestimmt. Der daraus resultierende Länge-Breite-Index reicht von 70/75 für einen Langschädel bis 80/85 für einen Kurzschädel. Wird dieser Indexbereich verlassen, liegen krankhafte Schädeldeformationen vor.

Ursachen

Ursache für einen Brachyzephalus ist die vorzeitige Verknöcherung der Kranznaht. Die Kranznaht, auch Koronarnaht genannt, ist eine bindegewebsartige Nahtstelle zwischen dem vorderen Teil des Schädels (Os frontale) und den beiden hinteren Teilen der Schädeldecke (Ossa parietalia). Normalerweise beginnt die Verknöcherung der Nähte im zweiten Lebensjahr und ist in der Regel zwischen dem sechsten und achten Lebensjahr beendet.

Wenn die Koronarnaht jedoch vorzeitig verschließt, wird das Längenwachstum des Schädels gestoppt. Kompensatorisch kommt es dann häufig zu einem Höhenwachstum des Schädels, was zur Ausbildung eines sogenannten Turmschädels (Turricephalus) führt. Der vorzeitige Nahtverschluss wird auch als Kraniostenose bezeichnet.

Dabei ist der Brachyzephalus nur eine Form der Kraniostenose. Vielfach sind die Ursachen von Kraniostenosen nicht bekannt. Sie können unter anderem im Rahmen von genetisch bedingten Erkrankungen wie Apert-Syndrom oder Morbus Crouzon auftreten. Häufig kommen sie auch isoliert als einziges Symptom vor.

In diesen Fällen spielen wohl intrauterine Entwicklungsstörungen eine Rolle. Auch bei Störungen des Knochenstoffwechsels kann es zum vorzeitigen Nahtverschluss und damit zu einer Kraniostenose kommen. Festgestellt wurde auch, dass das Rauchen während der Schwangerschaft zu entsprechenden Fehlentwicklungen führen kann.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die Beschwerden hängen von der Ausprägung des Brachyzephalus ab. Je früher die Koronarnaht verknöchert, desto stärker sind auch die entsprechenden Deformationen. Der intrakranielle Druck ist entscheidend für die Entwicklung des Gehirns. Als intrakranieller Druck wird das Wachstum des Gehirns gegen den zu kleinen Schädel bezeichnet.

In der Regel passt sich das Schädelwachstum dem Hirnwachstum an. Das ermöglichen die unverschlossenen bindegewebsartigen Nähte in der Schädeldecke. Dabei erweitert sich die Naht, wobei das Schädelwachstum angeregt wird. Wenn jedoch eine Naht zu früh verschließt, kann die Hirnentwicklung darunter leiden. Ein Brachyzephalus ist oft auch mit Sehstörungen verbunden.

Diagnose

Die Diagnostik eines Brachyzephalus erfolgt durch die Messung des Schädelindex. Wenn dieser über 85 liegt, kann von einer krankhaften Kurzköpfigkeit ausgegangen werden. Des Weiteren werden bildgebende Verfahren wie Röntgenaufnahmen und CT-Untersuchungen angewendet. Mit einer CT kann der Schädel dreidimensional dargestellt werden.

Das erweist sich als Hilfe für die Planung der Therapie. Außerdem gehören zur Diagnostik auch die Untersuchungen auf eventuell bestehende Hirnschädigungen. Dazu wird unter anderem ein EEG aufgezeichnet. Zusätzlich müssen auch Augenuntersuchungen und Untersuchungen auf mögliche neurologische Ausfälle stattfinden.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

In den meisten Fällen wird diese Beschwerden schon relativ früh oder direkt nach der Geburt des Kindes festgestellt. Eine frühzeitige Behandlung und Diagnose dieser Krankheit wirkt sich sehr positiv auf ihren Verlauf aus und kann dabei verschiedene Beschwerden und Komplikationen vollständig einschränken. In der Regel muss dann ein Arzt aufgesucht werden, wenn es zu Verknöcherungen oder zu Deformationen an den Schädelknochen des Patienten kommt. Diese sind in den meisten Fällen gut sichtbar oder tastbar.

Auch eine verlangsamte Entwicklung des Kindes kann auf Gehirnbeschwerden hindeuten, sodass auch diese Beschwerde untersucht werden sollte. In der Regel kann dabei ein Allgemeinmediziner oder ein Kinderarzt aufgesucht werden. Die weitere Diagnose wird allerdings durch eine Röntgenaufnahme gestellt. Bei der Therapie sind operative Eingriffe notwendig, sodass diese Behandlung in der Regel in einem Krankenhaus erfolgt. Durch eine frühzeitige Operation können damit spätere Komplikationen und Folgen vermieden werden. Aus diesem Grund sind vor allem bei Kindern regelmäßige Untersuchungen durch einen Arzt sehr wichtig.

Behandlung & Therapie

Ein Brachyzephalus kann nur durch eine frühzeitige Operation vollständig korrigiert werden. Das gilt übrigens auch für alle anderen Kraniostenosen. Die betroffenen Schädelabschnitte werden dabei neu modelliert. Zur Planung der Operation kann vorher aus den CT-Daten ein Modell erstellt werden.

Während der Operation muss der knöcherne Schädel zunächst eröffnet werden. Dieses Verfahren wird als Kraniotomie bezeichnet. Beim Brachyzephalus ist diese Operation auch mit einer Kraniektomie verbunden. Dabei werden Teile des Schädeldachs neurochirurgisch entfernt, um sie zu rekonstruieren und dann zu reimplantieren.

Bei der Rekonstruktion der Schädelform werden in der Regel resorbierbare Kunststoffplatten oder -schrauben eingesetzt. Da diese Materialien resorbiert werden, sind später keine weiteren Eingriffe mehr notwendig. Der Eingriff sollte im Alter von sieben bis zwölf Monaten vorgenommen werden. In diesem Alter sind die Ergebnisse der Operation in der Regel noch so gut, dass die Schädelform sogar vollständig angepasst werden kann.

Bei den Betroffenen fallen die abweichenden Schädelformen dann später nicht mehr auf. Auch Hirnschädigungen lassen sich durch diese frühzeitige Behandlung vermeiden. Spätere Korrekturen bei einer bereits verfestigten Schädeldeformation können bereits eingetretene Hirnschäden nicht mehr rückgängig machen. Auch die Anpassung der Schädelform gelingt dann nicht mehr so gut.

Aussicht & Prognose

Die Prognose des Brachyzephalus ist bei der Inanspruchnahme einer medizinischen Behandlung gut. Die Deformierung des Kopfes wird in einem operativen Eingriff korrigiert. Bestehen keine weiteren Erkrankungen, wird der Patient nach der Beendigung des anschließenden Heilungsprozesses als geheilt entlassen.

Die Operation ist umfangreich und erfolgt über mehrere Stunden mit geschulten sowie erfahrenen Ärzten. Zusätzlich ist sie verbunden mit den üblichen Risiken und Nebenwirkungen eines Eingriffs unter Vollnarkose. Befindet sich das Kind in einer guten gesundheitlichen Verfassung und hat es seinem Alter entsprechend ein stabiles Immunsystem, kann es innerhalb einiger Wochen nach der Operation wieder unvermindert am Alltagsgeschehen teilnehmen. Eine Schonung sollte dennoch über mehrere Monate erfolgen.

Ohne eine medizinische Versorgung ist die Prognose sehr ungünstig. In schweren Fällen kann es zu Ableben des Patienten kommen. Der Kopf ist derart deformiert, dass innerhalb des natürlichen Wachstums- und Entwicklungsprozesses das Gehirn über zu wenig Platz im Kopfinneren verfügt. Blutgefäße verengen sich, Kopfschmerzen treten ein und der Druck im Kopf ist erhöht.

Wird nicht unverzüglich eingegriffen, kommt es zu einer Stauung des Blutes. Im weiteren Verlauf platzen Blutgefäße und der Patient erlebt einen Schlaganfall. Neben lebenslangen Beeinträchtigungen droht ohne eine sofortige intensivmedizinische Versorgung der frühzeitige Tod des Patienten.


Vorbeugung

Da die Ursachen für den Brachyzephalus sowie für alle Kraniostenosen in der Regel nicht bekannt sind, gibt es keine Strategien zu dessen Vorbeugung. Oftmals treten die Deformationen im Rahmen genetischer Erkrankungen auf. Hier kann bei familiärer Häufung eventuell das Risiko für die Nachkommen im Rahmen einer humangenetischen Untersuchung abgeschätzt werden.

Intrauterine Entwicklungsstörungen können außerdem durch Umweltgifte und Medikamente ausgelöst werden. So ist bekannt, dass das Rauchen während der Schwangerschaft zu diesen Störungen führen kann. Deshalb sollte während der Schwangerschaft nicht geraucht und kein Alkohol getrunken werden.

Das können Sie selbst tun

Ein Brachyzephalus manifestiert sich bereits bei Säuglingen, sodass die Patienten selbst eine untergeordnete Rolle bei der Selbsthilfe spielen. Vielmehr sind es die Eltern des erkrankten Kindes, die mit ihrer Betreuung und ihren Entscheidungen einen wesentlichen Einfluss auf den Verlauf der Erkrankung und die spätere Lebensqualität des Patienten ausüben.

Die meist notwendige Operation am Schädel ist so früh wie möglich vorzunehmen, wobei es sich um einen schwierigen Eingriff handelt. Nach Möglichkeit begleiten die Eltern das erkrankte Kind während des Aufenthalts im Krankenhaus. Zur Linderung von Schmerzen sind adäquate Medikamente notwendig.

Auch nach dem operativen Eingriff sind über einen langen Zeitraum regelmäßige Untersuchungen zur Nachkontrolle vonnöten. Die Eltern sind durch den Brachyzephalus des Kindes meist erheblichen seelischen Belastungen ausgesetzt und entwickeln mitunter Depressionen oder andere psychische Erkrankungen. Deshalb ist die Behandlung der Sorgeberechtigten durch einen Psychotherapeuten sinnvoll, um auch die Betreuung des Patienten zu sichern.

Bleibt die Operation zur Korrektur des Brachyzephalus aus oder erfolgt zu spät, ergeben sich bei einigen Patienten Störungen bei der Entwicklung des Gehirns. Außerdem sind Sehstörungen möglich, die wiederum entsprechend zu therapieren sind. Die Patienten besuchen im fortgeschrittenen Alter regelmäßig Augenärzte sowie Optiker und nutzen entsprechende Sehhilfen.

Quellen

  • Breusch, S., Clarius, M., Mau, H., Sabo, D. (Hrsg.): Klinikleitfaden Orthopädie, Unfallchirurgie. Urban & Fischer, München 2013
  • Henne-Bruns, D., Barth, H.: Duale Reihe Chirurgie. Thieme, Stuttgart 2012
  • Zilles, K. et al.: Anatomie. Springer Medizin Verlag Heidelberg 2010

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