Endemische Syphilis

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die endemische Syphilis ist eine nicht venerische Variante der Syphilis. Krankheitserreger ist das Bakterium Trepnoma pallidum ssp. endemica. Die Behandlung erfolgt durch die mehrwöchige Gabe von Penicillin.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine endemische Syphilis?

Kleinere Läsionen treten an den Mundschleimhäuten auf. Die Ulcera bluten leicht. Zuweilen treten sichtbare Wunden in der anogenitalen Region oder am Kehlkopf auf.
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Endemien sind Erkrankungen, die auf eine bestimmte Population oder ein begrenztes Gebiet bezogen auftreten. Syphilis existiert beispielsweise als endemische Variante in Afrika, auf der Arabischen Halbinsel und im Nahen Osten. Bei jeder Form der Syphilis handelt es sich um eine Geschlechtskrankheit in Folge einer Infektion mit dem Bakterium Treponema pallidum.

Anders als bei der gewöhnlichen Syphilis" findet die Übertragung bei der endemischen Syphilis nicht venerisch statt. Infektionen erfolgen durch Schmierinfektion und sind die Folge aus engem Sozialkontakt in sozioökonomisch meist schlechten Verhältnissen. Dier endemische Form der Syphilis ist auch als Bejel oder Njoverav bekannt und betrifft vor allem Kinder im Alter von vier bis zehn Lebensjahren.

Der nicht venerische Übertragungsweg meint in diesem Fall Infektion ohne Sexualkontakt. Die endemische Syphilis betrifft vor allem nomadische Bevölkerungsgruppen in engem Sozialverband bei hygienisch schlechten Bedingungen. Unter den Nomaden der Sahelzone, den Pygmäen zwischen der Republik Kongo und der Zentralafrika sowie bei Beduinenvölkern in Saudi-Arabien ist die endemische Form der Syphilis am weitesten verbreitet.

Trockene Gebiete wie der Irak, der Iran, Kasachstan, Turkmenistan, Usbekistan, Afghanistan und Xinjiang waren in der Vergangenheit ebenfalls Risikogebiete. Landesinterne Bezeichnungen sind Frenga, Dichuchwa, Siti und Skerljevo.

Ursachen

Wie bei der "echte Syphilis" ist ein gramnegatives Schraubenbakterium der Familie Spirochaetaceae der Krankheitserreger der endemischen Syphilis. Anfangs wurde für die endemische Syphilis eine eigene Bakterienart namens Trepnoma endemica bestimmt. Da der Krankheitserreger allerdings hohe Ähnlichkeit zum Erreger der „echten Syphilis“ aufweist, werden beide Bakterienspezies mittlerweile als Subspezies der Art Trepnoma pallidum behandelt.

Für die endemische Syphilis lautet die Subspezies genauer gesagt Trepnoma pallidum ssp. endemica. Der Subspezies fehlen einige Pathogenitätsfaktoren, die der Erreger der „echten Syphilis“ besitzt. Anders als die „echte Syphilis“ kann die endemische Syphilis kein Nervengewebe infizieren oder in Narbengewebe überleben. Morphologische Unterschiede zwischen den beiden Erregern existieren nicht.

Bei beiden handelt es sich um schraubenförmige Bakterien mit einer Länge zwischen fünf und 20 µm und einer Breite zwischen 0,1 und 0,4 µm. Die Fortbewegungsart beider Krankheitserreger besteht aus längsseitigen Rotationsbewegungen.

Wegen der Umweltlabilität und der Trockenheitssensibilität werden beide Bakterien vor allem in direktem Haut- oder Schleimhautkontakt übertragen. Etwas seltener findet die Übertragung von Bejel beim Stillen oder über den indirekten Kontakt statt, wie er durch Fliegen oder die gemeinsame Nutzung von Geschirr stattfindet.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Wie alle Bakterien der Art Trepnoma zeichnet sich Bejel durch einen Verlauf aus mehreren Phasen aus. Offene Hautwunden sind das Leitsymptom. Die Primärläsionen treten an der Eintrittsstelle des Bakteriums auf und sind oft nicht direkt sichtbar. Nach einer Inkubationszeit von bis zu drei Monaten entzünden sich die Mundwinkel der betroffenen Person.

Kleinere Läsionen treten an den Mundschleimhäuten auf. Die Ulcera bluten leicht. Zuweilen treten sichtbare Wunden in der anogenitalen Region oder am Kehlkopf auf. Hautveränderungen und Knochenbefall sind ein mögliches, aber nicht sonderlich verbreitetes Anzeichen im frühen Stadium. Während des ersten Stadiums wird der Allgemeinzustand der Patienten in der Regel nicht beeinträchtigt.

Nach rund sechs bis neun Monaten tritt das latente Stadium der Infektion ein. Die langen Röhrenknochen des Schienbeins und die Gesichtsknochen des Nasenbeins werden befallen. Eine proliferative, deformierende Periostitis tritt ein. Ulzerierende Hautläsionen oder größere Hautdefekte liegen vor. Zuweilen schreitet die Infektion jahrelang fort und mündet in entstellende Gewebsdefekte. Das Zentralnervensystem und das Herz bleiben anders als bei der „echten Syphilis“ verschont.

Diagnose

Die Diagnose der endemischen Syphilis erfordert den mikrobiologischen Nachweis des Bakteriums Trepnoma pallidum. Bei routinemäßigen Untersuchungen des Gewebes oder lassen sich die dünnen Bakterien in den meisten Fällen nicht kenntlich machen. Zum Nachweis des Erregers ist meist eine native Dunkelfeldmikroskopie oder eine spezifische Fluoreszenzmikroskopie erforderlich.

In der Frühphase der Erkrankung liegen Antikörper vor, die mittels Treponema-pallidum-Hämagglutinations-Assay und Fluoreszenz-Treponema-Antikörper-Absorptionstest belegt werden. Die Abgrenzung von der „echten Syphilis“ gelingt ausschließlich in einem Speziallabor. Für Patienten mit endemischer Syphilis besteht eine weitaus bessere Prognose als für Patienten mit „echter Syphilis“.

Komplikationen

Im Rahmen einer Endemischen Syphilis können eine Reihe von Komplikationen auftreten. So breiten sich die Erreger bereits nach einigen Wochen im gesamten Körper aus und befallen unter anderem auch die Lymphknoten. Im Sekundärstadium kommt es zum Hautausschlag und mitunter auch schweren Knochen-, Eingeweide- und Hirnhautveränderungen.

Im Teriärstadium ruft die Endemische Syphilis weitere Entzündungen an den Knochen und am Herz hervor. Eine mögliche Entzündung der Aorta erhöht das Risiko für ein Aneurysma erheblich. Selten kommt es zur Bildung sogenannter Gummen. Diese Geschwulste können sowohl äußerlich auf der Haut auftreten als auch die inneren Organe und das Skelett befallen.

Charakteristisch ist auch ein fortschreitender Persönlichkeitsabbau, der sich oft über Jahre hinzieht und irreversibel ist. Im ersten und zweiten Stadium ist die Erkrankung zudem hoch ansteckend. Bei infizierten Frauen kann der Erreger während der Schwangerschaft in den Embryo eindringen und zu einer angeborenen Syphilis beim Kind führen. Wird die Endemische Syphilis nicht behandelt, kann sie auch Jahre später noch zum Tod führen. Es empfiehlt sich deshalb, bei Verdacht auf eine Syphilis umgehend einen Arzt hinzuzuziehen.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Leidet der Betroffene unter ungewöhnlichen Wunden auf der Haut, ist es ratsam, wenn er einen Arzt konsultiert. Treten die Wunden wiederholt auf oder nimmt die Häufigkeit des Auftretens zu, ist ein Arztbesuch notwendig. Es besteht das Risiko, dass über die offenen Wunden Keime in den Organismus gelangen, die zu weiteren Erkrankungen führen. Ein Arzt ist aufzusuchen, sobald sich ein allgemeines Unwohlsein, Schwindel oder ein körperliches Schwächegefühl einstellen.

Wiederholte Entzündungen der Mundwinkel sollten ärztlich abgeklärt, untersucht und behandelt werden. Reißen die Mundwinkel über einen Zeitraum von mehreren Wochen oder Monaten erneut ein, ist es empfehlenswert, wenn eine medizinische Versorgung des Organismus stattfindet. Bei Beschwerden der Mundschleimhaut oder Veränderungen des Hautbildes, sollte ein Arzt konsultiert werden. Wunden in der Region des Kehlkopfes gelten als ungewöhnlich und sind von einem Mediziner abklären zu lassen.

Häufig sinkt in einem schleichenden Prozess der Zustand des allgemeinen Wohlbefindens. Ein Arztbesuch ist anzuraten, sobald die Veränderungen des herabgesetzten Allgemeinzustandes im Alltag wahrgenommen werden. Bei Schmerzen der Knochen, einer inneren Unruhe oder einem diffusen Krankheitsgefühl sollte ein Arzt aufgesucht werden. Kommt es zu emotionalen Problemen, einem erhöhten Stresserleben oder einer anhaltenden gedrückten Gefühlslage, empfiehlt es sich, einen Arzt zu konsultieren.

Behandlung & Therapie

Bei der endemischen Syphilis handelt es sich um eine bakterielle Infektion. Wie die meisten anderen Infektionen erfordert die Behandlung vor allem eine gezielte Therapie mit Antibiotikum. Die antibiotische Behandlung erstreckt sich für Patienten der endemischen Syphilis über mindestens zwei Wochen.

Als Medikament kommt Penicillin zum Einsatz. Bei leichter Erkrankung in der Anfangsphase reicht die einmalige Gabe von Depotpräparaten oft aus. Trotz wachsender Bakterienresistenz sind die Erreger der endemischen Syphilis bislang nicht resistent gegenüber Penicillin. Falls der Patient Überempfindlichkeiten gegenüber Penicillin besitzt, kommen statt dem Medikament Makrolide und Tetracycline zum Einsatz.

Bei schwerer Erkrankung in einem späteren Stadium wird die konservativ medikamentöse Behandlung der endemischen Syphilis länger fortgesetzt. Oft kommt es während der Therapie zu einem massenhaften Zerfall der Bakterien. Eine Herxheimer-Reaktion mit akuten Vergiftungserscheinungen ist aus diesem Grund denkbar. Nach der antibiotischen Therapie liegen oft schwere Gewebsdefekte vor, die später im Zuge einer plastischen Operation korrigiert oder rekonstruiert werden können.

Aussicht & Prognose

Die Prognose für Patienten mit Endemischer Syphilis richtet sich nach diversen Faktoren, ist jedoch im Einzelfall nicht sicher vorhersagbar. Generell gilt, dass sich ein zeitiger Behandlungsbeginn positiv auf die Krankheitsprognose bei der Endemischen Syphilis auswirkt. Zudem spielen der allgemeine Gesundheitszustand des Patienten sowie die hygienischen Bedingungen eine entscheidende Rolle.

Begeben sich die Erkrankten in einem frühen Stadium der Endemischen Syphilis in ärztliche Behandlung, so ist die Krankheit durch Arzneimittel oftmals unter Kontrolle zu halten. Da auch während einer adäquaten Therapie jederzeit Komplikationen möglich sind, ist eine engmaschige ärztliche Überwachung der Patienten von hoher Relevanz.

Ist die Behandlung mittels antibiotischer Wirkstoffe abgeschlossen, bleiben oftmals ausgeprägte Defekte am Gewebe der Betroffenen zurück. In solchen Fällen rekonstruieren plastische Chirurgen die entsprechenden Bereiche, falls erwünscht und möglich. Allerdings verbleiben häufig Narben oder andere äußerlich sichtbare Defekte, die sich nicht mehr beheben lassen.

Die Prognose der Endemischen Syphilis ohne geeignete medizinische Therapie steht vergleichsweise schlecht. Denn die Infektionskrankheit befällt mit der Zeit verschiedene Bereiche des Organismus und führt teilweise auch mehrere Jahre nach der Infektion zum Tod der Patienten. Zuvor leiden die Betroffenen durch die Endemische Syphilis an zahlreichen Beschwerden, die die Lebensqualität stark einschränken und plötzliche Komplikationen wahrscheinlich machen.


Vorbeugung

Ein präventiver Impfstoff gegen Treponemen ist bislang nicht bekannt. Aus diesem Grund ist die Prophylaxe im Fall der endemischen Syphilis auf die Vermeidung von engem Sozialkontakt in den beschriebenen Gebieten und eine Verbesserung der hygienischen Umstände begrenzt.

Die Aufklärung über die Erkrankung und den Übertragungsweg wird von Forschern für den wichtigsten Vorbeugeschritt gehalten. Durch eine medizinisch verbesserte Versorgung soll der Erreger aus den bedrohten Bevölkerungsgruppen eliminiert werden.

Nachsorge

Der Betroffene ist bei dieser Krankheit in erster Linie auf eine sehr schnelle Diagnose mit einer anschließenden Behandlung angewiesen, um die Erkrankung zu lindern. Kommt es dabei nicht zu einer frühzeitigen Diagnose, kann es zu starken Komplikationen und zu einer deutlichen Verschlechterung der Beschwerden kommen, sodass im Vordergrund bei dieser Krankheit in der Regel die frühzeitige Erkennung dieser Beschwerde steht.

Je früher die Krankheit dabei erkannt wird, desto besser ist meistens auch der weitere Verlauf. In den meisten Fällen wird die Erkrankung mit Hilfe von Medikamenten behandelt, wobei vor allem Antibiotika eingesetzt werden. Bei der Einnahme von Antibiotika ist auf eine richtige Dosierung und auch auf eine regelmäßige Einnahme zu achten. Sie sollten auch nicht zusammen mit Alkohol eingenommen werden, da dieser die Wirkung deutlich abschwächen kann.

In den meisten Fällen müssen sie auch nach dem Abklingen der Beschwerden noch einige Tage lang eingenommen werden, um die Beschwerden dauerhaft vollständig zu lindern. Bei Kindern müssen vor allem die Eltern auf eine richtige und regelmäßige Einnahme achten. Weitere Maßnahmen der Nachsorge sind meist nicht notwendig, wobei auch in der Regel die Lebenserwartung des Betroffenen bei einer rechtzeitigen Behandlung nicht verringert wird.

Das können Sie selbst tun

Eine endemische Syphilis verläuft in Phasen, wobei besonders in den späteren Stadien mit einer Vielzahl von Komplikationen zu rechnen ist. Im Anfangsstadium zeigt die Krankheit kaum Symptome, dafür ist sie in dieser Zeit hochansteckend. Da anders als bei der echten Syphilis für eine Übertragung der Erreger kein Sexualkontakt erforderlich ist, ist das gesamte soziale Nahfeld des Patienten gefährdet.

Dieser Umstand ist für den Betroffenen meist auch seelisch sehr belastend. Hinzu kommt, dass die Existenz einer nicht venerischen Form der Syphilis nicht allgemein bekannt ist. Die Diagnose Syphilis geht deshalb oftmals mit einer Stigmatisierung einher. Die Patienten schämen sich für ihre Krankheit, was das seelische Leiden noch erhöht.

Die Betroffenen sollten sich in dieser Situation einer Selbsthilfegruppe anschließen. Diese können auch online über das Internet kontaktiert werden. Patienten, die seelisch stark leiden, sollten sich auch nicht scheuen, einen Therapeuten hinzuzuziehen.

Gegen die körperlichen Folgen der Krankheit stehen nicht viele Selbsthilfemaßnahmen zur Verfügung. Es ist aber äußerst wichtig, dass die Betroffenen sich schonen und ausreichend trinken, um den durchfallbedingten Flüssigkeitsverlust auszugleichen. Darüber hinaus müssen die Medikamente wie verordnet eingenommen und alle Nachsorgeuntersuchungen auch tatsächlich wahrgenommen werden.

Quellen

  • Goerke, K., Steller, J., Valet, A.: Klinikleitfaden Gynäkologie. Urban & Fischer, München 2003
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Sökeland, J., Schulze, H., Rübben, H.: Urologie. Thieme, Stuttgart 2004

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