Essenzielle Thrombozythämie

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 18. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die essenzielle Thrombozythämie ist eine Bluterkrankung, die sich durch eine erhöhte Produktion von Thrombozyten auszeichnet. Sie ist nach aktuellen Erkenntnissen genetisch bedingt. Häufig treten Thrombosen auf.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine essenzielle Thrombozythämie?

Wenn Symptome auftreten, handelt es sich meist um Mikrozirkulationsstörungen mit erhöhtem Blutdruck oder funktionellen Störungen. Als Komplikationen können Thrombosen, Herzinfarkte, Schlaganfälle oder Embolien auftreten.
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Bei der essenziellen Thrombozythämie handelt es sich um eine Myeloproliferative Neoplasie (MPN). Dabei kommt es zu einer verstärkten Bildung von Blutplättchen. Der Begriff „Essenziell“ bedeutet, dass die verstärkte Thrombozytenbildung keine Begleiterscheinung einer anderen Bluterkrankung, sondern das primäre Symptom ist. Normalerweise werden im Blut zwischen 150.000 und 450.000 Thrombozyten pro Mikroliter Blut gefunden. Steigt die Thrombozytenzahl über 450.000 Mikroliter, sind die Werte zwar erhöht, jedoch ohne Symptome.

Bei einer Anzahl über 600.000 kann es zu einer verstärkten Thrombenbildung kommen, die mit der Ausbildung von Thrombosen und Mikrozirkulationsstörungen verbunden ist. Wenn der Wert über 1000.000 Thrombozyten pro Mikroliter liegt, tritt statt einer Thrombosebildung eine erhöhte Blutungsneigung in den Vordergrund. Die Blutplättchen haben die Aufgabe, bei Verletzungen das Blutgefäß durch Verklumpung abzudichten und bilden dabei ein Blutgerinnsel, das sich nach dem Ausheilen schnell wieder auflöst.

Die erhöhte Anzahl von Thrombozyten kann zu großen Blutgerinnseln führen, welche die Gefäße verstopfen. Noch höhere Thrombozytenkonzentrationen sorgen jedoch für die Absorption von Gerinnungsfaktoren und erhöhen dadurch die Blutungsneigung wieder. Frauen sind von der Erkrankung häufiger als Männer betroffen. Die Lebenserwartung ist bei der leichten Form der ET normal.

Ursachen

Wie alle myeloproliferativen Neoplasien ist die essenzielle Thrombozythämie genetisch bedingt. Allerdings tritt die Erkrankung trotz genetischer Anlage nicht bei jedem Patienten auf. Auch der Schweregrad der Erkrankung ist bei den verschiedenen Personen unterschiedlich. Vollständig ist der genetische Hintergrund noch nicht aufgeklärt. In den letzten Jahren wurden aber drei unterschiedliche Mutationen für diese Erkrankung ausgemacht. Bei der Hälfte aller Fälle liegt eine Mutation in der Tyrosinkinase JAK2 vor.

Es handelt sich um die JAK2-Mutation-V617F. Bei dieser Mutation bleibt die Tyrosinkinase JAK2 dauerhaft aktiv und veranlasst die ständige Produktion von Thrombozyten. Es wurde jedoch festgestellt, dass die JAK2-Mutation-V617F auch bei anderen MPN wie bei der Polycythaemia Vera oder der Osteomyelofibrose besteht. Bei einem Prozent der Fälle liegt eine Mutation im Gen für den Thrombopoetin-Rezeptor MPL vor. Dadurch werden die betreffenden Blutstammzellen dauerhaft zum Wachstum stimuliert.

Bei 70 Prozent aller Erkrankungen ohne JAK2-Mutation-V617F ist das Gen CALR verändert, welches das Protein Calreticulin codiert. Interessanterweise kommen die Mutationen JAK2, MPL und CALR nie gemeinsam vor. Somit kann davon ausgegangen werden, dass für das gleiche Krankheitsbild mindestens drei unterschiedliche Mutationen verantwortlich sein müssen.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die essenzielle Thrombozythämie kommt in drei unterschiedlichen Ausprägungsformen vor. Die Ausbildung der Krankheiterscheinungen ist zum großen Teil von der Konzentration der Thrombozyten abhängig. Vielfach verläuft die Erkrankung symptomlos. Wenn Symptome auftreten, handelt es sich meist um Mikrozirkulationsstörungen mit erhöhtem Blutdruck oder funktionellen Störungen. Als Komplikationen können Thrombosen, Herzinfarkte, Schlaganfälle oder Embolien auftreten. Bei einer Embolie löst sich ein Blutgerinnsel und verstopft das entsprechende Blutgefäß.

Andererseits können auch Mangeldurchblutungen in verschieden Körperteilen wie den Beinen oder dem Kopf (Leere im Kopf) vorkommen. Dabei treten beispielsweise starke Schmerzen in den Beinen beim Gehen auf. Wenn die Thrombozytenzahl über eine Million pro Mikroliter Blut angestiegen ist, kommt es wiederum zu einer verstärkten Blutungsneigung. Bei einem Drittel der Patienten treten keine Symptome auf. Die durchschnittliche Lebenserwartung entspricht in diesen Fällen jener der Normalbevölkerung.

Diagnose

Die Diagnose einer essenzielle Thrombozythämie wird heute normalerweise im Rahmen einer Routineuntersuchung gestellt, da die Erkrankung häufig symptomfrei verläuft. Dabei werden erhöhte Thrombozytenzahlen festgestellt. Die Ursache der erhöhten Werte muss dann weiter abgeklärt werden. Denn hohe Thrombozytenkonzentrationen können bei vielen anderen Krankheiten auch auftreten. Dazu zählen unter anderem Eisenmangel, Infektionen oder bestimmte Tumoren.

Zur eindeutigen Identifizierung einer ET müssen verschiedene Kriterien vorliegen. Die Blättchenzahl liegt anhaltend über 600.000 pro Mikroliter. Bei einer Knochenmarkshistologie werden vergrößerte, reife Megakaryozyten gefunden. Des Weiteren müssen die typischen Mutationen für eine ET diagnostiziert werden. Da eine JAK2-Mutation auch bei anderen MPN vorliegt, müssen noch verschiedene andere Bluterkrankungen ausgeschlossen werden.

Komplikationen

Bei einer essenziellen Thrombozythämie tritt eine verstärkte Bildung von Thrombozyten im Blut auf. Dadurch besteht die Gefahr einer Durchblutungsstörung. Die Folge ist eine erhöhte Gerinnungsneigung des Blutes, die schwerwiegende Komplikationen nach sich ziehen kann. Immer wieder kommt es zu einer lokalen Blutgerinnung, die zur Entstehung eines Blutgerinnsels (Thrombus) führt.

Sowohl das venöse als auch das arterielle Blutsystem können davon betroffen sein. Bei der ET besteht vor allem das Risiko einer Thrombose der tiefen Beinvenen (Phlebothrombose), der Lebervenen (Budd-Chiari-Syndrom) und der Bauchvenen, insbesondere der Pfortader. Eine gefürchtete Komplikation stellt die Thromboembolie dar, bei der ein Thrombus vom Blutstrom verschleppt wird und ein Gefäßteil oder einen Gefäßast verschließt.

Ist das venöse System betroffen, kann es zu einer Lungenembolie kommen. Als Folgen einer arteriellen Thromboembolie drohen Milzinfarkt, Herzinfarkt und Schlaganfall. Mikroembolien im Gehirn können zu einer transitorischen ischämischen Attacke (TIA) führen mit einer vorübergehenden Symptomatik, die einem Schlaganfall ähnelt. Die Dauer der neurologischen Störung ist in der Regel auf ein bis zwei Stunden begrenzt.

Darüber hinaus kann die essenzielle Thrombozythämie in eine andere Erkrankung aus der Gruppe der myeloproliferativen Neoplasien übergehen. In den meisten Fällen bildet sich eine Myelofibrose oder eine Polycythaemia vera aus. Die Entstehung einer akuten myeloischen Leukämie ist sehr selten.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Bei dieser Erkrankung muss immer ein Arzt aufgesucht werden. Dadurch werden schwerwiegenden Komplikationen, die im schlimmsten Fall zum Tod führen können, vermieden. Ein Arzt sollte immer dann aufgesucht werden, wenn der Betroffene über einen längeren Zeitraum an einem erhöhten Blutdruck leidet. Dabei kann es auch zur Ausbildung von Thrombosen am Körper kommen. Auch ein Schlaganfall oder ein Herzinfarkt kann durch die Erkrankung eintreten. Sollte es dazu kommen, so muss sofort ein Notarzt verständigt werden. Weiterhin ist bis zum Eintreffen des Notarztes eine Mund-zu-Mund-Beatmung und eine Herzmassage durchzuführen.

Der Betroffene sollte in eine stabile Seitenlage gebracht werden, falls das möglich ist. Ebenso ist ein Besuch beim Arzt dann notwendig, wenn der Patient an Störungen der Durchblutung leidet, die sich in der Regel durch Störungen der Sensibilität oder durch Lähmungen zeigen können. Sollte die Erkrankung nicht zu Beschwerden oder Symptomen führen, so ist in der Regel auch keine Behandlung notwendig. Die Diagnose kann durch einen Allgemeinarzt gestellt werden. Die weitere Behandlung richtet sich allerdings stark nach der Grunderkrankung und wird von einem Facharzt durchgeführt. In den meisten Fällen kommt es dadurch nicht zu einer verringerten Lebenserwartung des Patienten.

Behandlung & Therapie

Die Behandlung der essenziellen Thrombozythämie richtet sich nach dem Schweregrad der Erkrankung. Hochrisikopatienten mit einer Blättchenzahl über 1500.000 pro Mikroliter oder der Neigung zu schweren Thrombosen beziehungsweise Blutungen müssen immer mit einer Chemotherapie mit Hydroxycarbamid, Anagrelid oder Alpha-Interferon behandelt werden. Anagrelid hemmt das Wachstum der Megakaryozyten im Knochenmark. Die Medikamente Hydroxycarbamid oder Alpha-Interferon unterdrücken die ständige Bildung von Thrombozyten.

Welches Medikament eingesetzt werden soll, muss im Einzelfall entschieden werden. Ein mittleres Risiko liegt vor, wenn bereits Herz-Kreislauf-Erkrankungen anderer Genese, Diabetes mellitus oder eine Hypercholesterinämie vorliegen. Eine Chemotherapie sollte hier unter Betrachtung von Vor- und Nachteilen individuell abgewägt werden. Eventuell kann der Blutverdünner Acetylsalizylsäure in niedriger Dosierung angewendet werden.

Wenn die Blättchenzahl unter 1500.000 pro Mikroliter liegt, der Patient unter 60 Jahre alt ist und keine oder nur geringfügige Symptome vorliegen, beschränkt sich die Therapie auf regelmäßige Bewegung, Gewichtsreduzierung, Vermeiden von langem Sitzen und Flüssigkeitsmangel sowie der Beobachtung von Frühsymptomen einer Thrombose.

Aussicht & Prognose

Die essenzielle Thrombozythämie ist nicht heilbar. Die Ursache der Erkrankung begründet sich auf einer Mutation der Gene. Die Genetik des Menschen darf aufgrund rechtlicher Vorgaben von Wissenschaftlern und Medizinern nicht verändert werden. Daher kann eine Behandlung nur symptomatisch erfolgen. Sobald die Therapie abgebrochen wird, stellen sich die Beschwerden unverzüglich erneut ein. Zur Verbesserung der Gesundheit ist aufgrund dieser Sachlage eine Langzeittherapie notwendig. Unbehandelt droht dem Betroffenen die Bildung eines Thrombus. Damit besteht eine potentielle Lebensgefährdung.

Die Prognose ist darüber hinaus abhängig von dem Schweregrad der Erkrankung. In leichten Fällen kommt es zu einer Gabe von Medikamenten. Diese überwachen und regulieren die Bildung der Blutkörperchen. Es stellt sich eine Linderung der Beschwerden ein. In regelmäßigen Kontrolluntersuchungen wird die Wirksamkeit der Präparate überprüft.

In schweren Fällen ist die Behandlung mittels einer Chemotherapie angezeigt. Diese ist mit verschiedenen Nebenwirkungen verbunden. Die Lebensqualität ist beeinträchtigt und die alltäglichen Verpflichtungen können häufig nicht erfüllt werden. Dennoch kann nach dem derzeitigen medizinischen Stand nur auf diesem Wege eine Verlängerung der Lebenszeit erfolgen. Damit die Nebenwirkungen der Behandlung reduziert werden, sollte der Betroffene auf eine gesunde Lebensführung achten. Langes Sitzen ist zu vermeiden, eine ausgewogene Ernährung unterstützt den Organismus und Flüssigkeit ist in einem ausreichenden Maß aufzunehmen.


Vorbeugung

Generell kann einer essenziellen Thrombozythämie nicht vorgebeugt werden, weil sie genetisch bedingt ist. Um den Ausbruch von Symptomen bei Niedrigrisikopatienten zu vermeiden, wird eine gesunde Lebensweise mit viel Bewegung, gesunder Ernährung und ausreichender Flüssigkeitsversorgung empfohlen.

Nachsorge

Dem Betroffenen stehen bei dieser Krankheit in den einigen Fällen nur sehr eingeschränkt Möglichkeiten oder Maßnahmen einer Nachsorge zur Verfügung. Dabei muss in erster Linie die Krankheit früh erkannt und behandelt werden, damit andere Komplikationen oder Beschwerden nicht eintreten. Nur bei einem frühzeitigen Behandlungseintritt kann es zu einer Heilung kommen. Da die Krankheit jedoch genetisch bedingt ist, kann nur eine rein symptomatische Behandlung durchgeführt werden.

Sollte es beim Betroffenen zu einem Kinderwunsch kommen, kann auch eine gentische Beratung durchgeführt werden. Dadurch kann das Vererben der Krankheit an die Nachfahren eventuell verhindert werden. Eine Selbstheilung tritt bei dieser Krankheit nicht ein. Da es durch diese Krankheit sehr häufig zur Ausbildung einer Thrombose kommen kann, sollten regelmäßige Untersuchungen durch einen Arzt durchgeführt werden.

Dabei sind auch Maßnahmen einer Vorsorge gegen Krebs zu treffen, damit Tumore schon früh erkannt und entfernt werden können. Im Allgemeinen wirkt sich bei dieser Krankheit eine gesunde Lebensweise mit einer gesunden Ernährung positiv auf den weiteren Verlauf aus. In vielen Fällen ist jedoch trotz Behandlung die Lebenserwartung des Betroffenen durch diese Krankheit verringert. Weitere Maßnahmen der Nachsorge stehen dem Betroffenen nicht zur Verfügung.

Das können Sie selbst tun

Patienten mit einer essenziellen Thrombozythämie sollten zur Aufrechterhaltung ihrer Gesundheit auf eine ausgewogene und gesunde Ernährung achten. Das Eigengewicht sollte sich nach den Vorgaben des BMI im Normalgewicht bewegen. Übergewicht ist zu vermeiden. Eine vitaminreiche Kost, die viel Eisen enthält ist zu empfehlen. Darüber hinaus ist die Aufnahme der empfohlenen Tagesmenge an Flüssigkeit einzuhalten, da der Körper vor dem Austrocknen geschützt werden muss.

Zusätzlich helfen, zur Verbesserung der Gesundheit, ausreichende Bewegungen, lange Spaziergänge und das regelmäßige Treiben von Sport. Bei der Wahl der Sportarten ist es wichtig, dass eine ganzheitliche Betätigung stattfindet und der Körper nicht zu stark belastet wird. Ratsam sind Sportarten wie Schwimmen, oder Joggen. Diese regen den Herz-Kreislauf an, überfordern den Organismus jedoch nicht.

Starre Körperhaltungen oder eine längere Zeit im Sitzen und Stehen sind grundsätzlich zu vermeiden. Im Alltag ist die Körperposition in regelmäßigen Abständen zu verändern. Dabei können leichte Auflockerungen durch Dehn- und Streckbewegungen ausgeübt werden. Der Kreislauf kann mit wenigen Gegen- oder Ausgleichsbewegungen angeregt werden. Der Konsum von Genussmitteln wie Nikotin oder Alkohol ist zu unterlassen. Hilfreich ist die regelmäßige Teilnahme an Kontrolluntersuchungen. Je älter ein Patient, desto geringer sollten die zeitlichen Abstände sein.

Quellen

  • Arasteh, K., et. al.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013

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