Forensische Psychiatrie
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 16. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Die forensische Psychiatrie ist ein Teil- und Spezialgebiet der Psychiatrie und Psychotherapie. Die Forensik wird in der Bevölkerung vor allem durch die staatlich geführten Therapieeinrichtungen des Maßregelvollzugs für psychisch kranke Straftäter wahrgenommen, die es in jedem Bundesland gibt. Die Unterbringung in der Forensik erfolgt nach einer Straftat auf Antrag der Staatsanwaltschaft durch richterlichen Beschluss.
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Was ist die Forensische Psychiatrie?
Die forensische Psychiatrie, forensische Psychologie oder forensische Psychotherapie, in Kurzform auch als Forensik bezeichnet, ist ein besonderes Teilgebiet der allgemeinen Psychiatrie, die Betreuung und Begutachtung von psychisch kranken Straftätern erfolgt durch speziell geschulte forensische Psychiater.
Es handelt sich bei dem Teilgebiet der forensischen Psychiatrie um eine bestimmte ärztliche Weiterbildung eines bereits fertig ausgebildeten Psychiaters. Forensische Psychiatrie ist allerdings keine Facharztbezeichnung. In der Forensik geht es vor allem um die Begutachtung von strafrechtlich relevanten Kapitaldelikten sowie um die Therapie psychisch kranker Straftäter, die solche Straftaten begangen haben.
Auch Patienten, die entsprechende Delikte unter Drogen- oder Medikamenteneinfluss begangen haben, werden von forensischen Psychiatern begutachtet und therapiert. Wird ein forensisch-psychiatrisches Gutachten erstellt, dann geht es vor allem um die Begutachtung der sogenannten Steuerungsfähigkeit oder Schuldunfähigkeit während der Tatbegehung. Auch Rechtsbrecher, denen im Rahmen der Begutachtung nur eine Teilschuld nachgewiesen werden konnte, können ambulant oder stationär im sogenannten Maßregelvollzug einer forensischen Klinik untergebracht werden. Die Unterbringung kann auch zwangsweise gegen den Willen eines Delinquenten auf richterlichen Beschluss erfolgen.
Behandlungen & Therapien
Die forensisch-psychiatrische Therapie kann in diesem Fall nicht abgebrochen werden. § 64 StGB erfasst Patienten, die ein Strafdelikt unter Drogeneinfluss begangen haben, dabei macht das Gesetz keinen Unterschied über die Drogenart. Das Leitmotiv der Behandlung lautet Therapie statt Strafe, das setzt aber immer das Einverständnis des Täters für eine Therapie voraus. Falls ein Suchtkranker sich keiner forensischen Therapie unterziehen möchte, dann erfolgt eine Unterbringung nach § 64 in Form von Strafhaft. Auch der Paragraph zur Sicherungsverwahrung, § 66, spielt in der Forensik eine große Rolle, die in der Hauptverhandlung dann angeordnet werden kann, wenn die Schwere der Schuld besonders schwer wiegt oder besonders schwere Delikte zum wiederholten Male begangen wurden.
Die Sicherungsverwahrung muss nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes stets in der Hauptverhandlung angeordnet werden. Die sogenannte nachträgliche Sicherungsverwahrung ist nicht mehr möglich. Täter, die im Maßregelvollzug untergebracht sind, haben ihre Taten entweder unter Drogeneinfluss oder im Rahmen einer psychiatrischen Erkrankung begangen. Die forensische Psychiatrie behandelt und untersucht deshalb unter anderem Patienten, die unter einer Polytoxikomanie oder Abhängigkeiten von Heroin, Kokain, Alkohol oder Amphetamin leiden.
Ebenfalls können alle bekannten Persönlichkeitsstörungen oder Schizophrenien dazu führen, dass eine Straftat im Zustand einer verminderten Schuldunfähigkeit begangen wird. Zu den besonders häufig therapierten Krankheitsbildern in der Forensik gehört die Paranoide Schizophrenie, die Hebephrenie, die Schizophrenia simplex sowie die sogenannte Katatone Schizophrenie. Zu den forensisch-psychiatrisch relevanten Persönlichkeitsstörungen gehören dissoziale, schizotype, Borderline oder kombinierte Störungen.
Diagnose & Untersuchungsmethoden
In vielen forensischen Psychiatrien gibt es darüber hinaus einen eigenen Sicherheitsdienst. Typisch ist auch die zentrale Kameraüberwachung von Stationen, Höfen oder sonstigen Arealen. Besonders gefährliche Patienten werden auch in ihrem Zimmer permanent per Kamera überwacht. Um erfolgreich therapieren zu können, wird im Rahmen der Pflege stets versucht, Vertrauen zu den Patienten aufzubauen, damit eine Therapie überhaupt möglich wird. Wahnvorstellungen oder Psychosen von Insassen in der Forensik werden sehr häufig mit Psychopharmaka behandelt, die mehrmals täglich unter Aufsicht von Pflegekräften eingenommen werden müssen.
Zur gezielten Therapie psychisch kranker Straftäter wurden bereits eigene Generationen und Modifikationen von Psychopharmaka entwickelt. Es handelt sich stets um verschreibungspflichtige Präparate, die nur unter bestimmten Bedingungen und unter der Einhaltung spezieller ärztlicher Leitlinien von Apotheken abgegeben werden dürfen. Auch verschiedene Formen der Psychotherapie spielen im forensischen Stationsalltag eine wichtige Rolle. Bewährte psychotherapeutische Modelle in der Forensik sind die Arbeitstherapie, die Milieutherapie sowie die Teilnahme der Patienten an sozialen Kompetenzgruppen.
Um Werdegang und Vita eines Täters zu verstehen und das Zustandekommen der Straftat tiefenpsychologisch zu ergründen, wird von forensischen Psychiatern zur Exploration häufig das Verfahren der Psychoedukation angewandt. Dieses psychotherapeutische Verfahren versteht sich gleichzeitig als Diagnose und Therapie und umfasst mindestens 15 Sitzungen. Abhängig vom Krankheitsbild und der Aufenthaltsdauer eines Patienten, in der Regel einige Jahre oder lebenslang, kann die Psychoedukation sich auch als begleitende Maßnahme über die gesamte Haftdauer erstrecken.
Quellen
- Davison, G.C., Neale, J.M., Hautzinger, M.: Klinische Psychologie. Beltz PVU, München 2007
- Hautzinger, M. (Hrsg.): Kognitive Verhaltenstherapie: Behandlung psychischer Störungen im Erwachsenenalter. Beltz PVU, München 2013
- Pschyrembel: Klinisches Wörterbuch. 266. Auflage. De Gruyter, Berlin 2015