Amphetamin
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 21. Oktober 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Arzneistoff, Aufputschdroge, Dopingmittel - das Amphetamin hat in seiner Geschichte schon eine Menge mitgemacht und viele Bezeichnungen erhalten. Unter dem Namen "Speed" ist es hierzulande illegal, noch in den 30er Jahren wurde es aber als Schnupfenmittel und gegen Depressionen oder Impotenz angewandt. Als Arzneimittel sind Amphetamine eigentlich aufgrund ihres Suchtpotentials heutzutage obsolet geworden - das ADHS-Medikament Methylphenidat bildet auch hier jedoch eine Ausnahme.
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Was ist Amphetamin?
Der Wirkstoffname Amphetamin ist die Kurzversion der chemischen Bezeichnung alpha-Methylphenethylamin und beschreibt einen synthetisch hergestellten Stoff aus der Gruppe der Phenylethylamine, welcher im Körper eine nicht-halluzinogene stimulierende Wirkung hat.
Die verschiedenen Amphetamine haben eine Menge Wirkungen und sind in ihrer Geschichte als Arzneimittel für viele verschiedene Indikationen verwendet worden - heutzutage gibt es aufgrund des enormen Suchtpotenzials keine medizinische Indikation mehr.
Als Droge sind die Amphethamine auch unter dem Namen "Speed" bekannt - auch das MDMA (Methylendioxymetamphetamin) ist ein bekannter Vertreter dieser Substanzklasse.
Pharmakologische Wirkung
Ihre pharmakologische Wirkung entfalten die Amphetamine durch ihre Verwandtschaft mit dem Adrenalin des Körpers und über die Freisetzung der Neurotransmitter Noradrenalin und Dopamin im Zentralen Nervensystem.
Sie gehören somit in die pharmakologische Gruppe der Sympathomimetika. In der Körperperipherie haben die Amphetamine eine deutliche direkte adrenerge Wirkung: Blutgefäße werden verengt, Herzschlag und Blutdruck gesteigert, die Bronchien werden erweitert zur vermehrten Sauerstoffaufnahme und Schleimhäute schwillen ab. All dies und viele weitere Teilwirkungen sind Bestandteil des Fight-or-Flight-Systems unseres autonomen Nervensystems, des Sympathikus.
Dieser wird dann aber vor allem noch einmal direkt stimuliert im Zentralen Nervensystem: Als "Weckamine" gehen die Amphetamine problemlos über die Blut-Hirn-Schranke ins Gehirn und setzen hier aus den Speichern von Nervenzellendigungen Noradrenalin und Dopamin frei. Ebenso wie das Coffein wirken die Amphetamine dabei bei ermüdeten Personen deutlicher als im hellwachen Zustand. Die Müdigkeit verschwindet, die Stimmung wird angehoben, eventuell kommt es zu Euphorie, die durch Ermüdung herabgesetzte Leistungsfähigkeit wird für einige Stunden wiederhergestellt.
Kraftreserven werden mobilisiert, die Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit steigt, gleichzeitig kommt es zu Appetithemmung und gesteigertem Bewegungsdrang - der Körper wird bis in die Haarspitzen in einen Kampf-und-Flucht-Modus versetzt.
Die Kehrseite der Medaille ist, dass der Körper bei wiederholter Gabe bald in einen Erschöpfungszustand gerät, schließlich fehlen im Schlaf und Nahrung - auch wenn der Geist dies nicht mehr erkennt. Es tritt eine Gewöhnung ein, die zur Dosissteigerung führt. Eventuell kommt es zur Gewohnheitsbildung und Sucht. Auch Psychosen können in diesem Stadium des Missbrauchs entstehen. Aus diesem Grund sind die Amphetamine als Betäubungsmittel klassifiziert und nicht frei zugänglich oder verschreiblich.
Medizinische Anwendung & Verwendung
Heutzutage gibt es keine berechtigte medizinische Anwendung für die Amphetamine mehr. Früher galt das Gegenteil: So ziemlich jede der oben beschriebenen Wirkungen hat zur Verwendung der Amphetamine als Arzneimittel geführt.
In den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts waren sie Erkältungsmittel und Antiallergikum, dienten Studenten zum Durchlernen ganzer Nächte, wurden später auch verwendet gegen Parkinson, Depressionen, Narkolepsie und Impotenz. Im Zweiten Weltkrieg hielten Armeen ihre Soldaten massenhaft mit Amphetaminen wach - so wurde der Weg geebnet für die Verbreitung des Wirkstoffes als Droge, welche vor allem ab den 50er Jahren um sich griff.
1948 wurde ein Amphetamin auch gegen ADHS (Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung) auf den Markt gebracht - dies ist die letzte heute noch verbliebene medizinische Verwendung (das heute gebräuchliche Methylphenidat ist mit den Amphetaminen verwandt und ist daher ebenfalls der BtM-Verschreibungsordnung unterstellt).
Im Hochleistungssport werden Amphetamine zudem gerne als Dopingmittel zur Leistungssteigerung verwendet. Der Athlet bemerkt seine körperliche Müdigkeit auf diese Weise nicht und gibt weiter "Vollgas" - psychische Bremsen, die eigentlich zum Schutz des Körpers vor Überanstrengung sehr sinnvoll sind, werden somit ausgeschaltet, kurzfristig wird also die Leistungsfähigkeit gesteigert.
Verabreichung & Dosierung
Bei der Verabreichung und Dosierung von Amphetamin ist Vorsicht geboten, da es ein stark wirksames Stimulans des Zentralnervensystems ist. Amphetamine werden oft zur Behandlung von Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) und Narkolepsie verschrieben. Die Dosierung sollte individuell angepasst werden, basierend auf der Reaktion des Patienten und der Verträglichkeit. In der Regel beginnen Erwachsene und Kinder mit einer niedrigen Anfangsdosis, die schrittweise erhöht wird, um Nebenwirkungen zu minimieren. Die Dosierung für ADHS kann beispielsweise bei 5 mg pro Tag beginnen und bei Bedarf erhöht werden. Bei Narkolepsie können höhere Dosen erforderlich sein.
Amphetamin sollte immer gemäß ärztlicher Anweisung eingenommen werden, vorzugsweise am Morgen, um Schlafstörungen zu vermeiden. Die Einnahme am Nachmittag oder Abend kann zu Schlaflosigkeit führen. Eine genaue Überwachung ist besonders wichtig, da Amphetamine ein hohes Abhängigkeitspotenzial haben und Missbrauch zu schweren physischen und psychischen Nebenwirkungen führen kann.
Personen mit Herzproblemen, Bluthochdruck oder psychischen Störungen sollten besonders vorsichtig sein, da Amphetamine den Blutdruck erhöhen und psychische Symptome wie Angst und Reizbarkeit verschlimmern können. Regelmäßige ärztliche Untersuchungen sind notwendig, um die langfristige Sicherheit der Behandlung sicherzustellen.
Risiken, Nebenwirkungen & Gefahren
Risiken und Nebenwirkungen des Amphetamins und seiner Derivate sind so schwerwiegend, dass Amphetamine heute nicht mehr (legal) verwendet werden. Besitz und Handel mit Amphetaminen ist in Deutschland und den meisten anderen europäischen Ländern strafbar.
Hauptproblem ist natürlich die körperliche Auszehrung, welche bei Amphetamingebrauch eintritt, ohne dass der Betroffene es merkt und richtig einschätzen könnte. Energisch durchtanzte Nächte unter Einfluss von Speed und verwandten Drogen führen so nicht nur zum Kater am nächsten Morgen, sondern können ernsthafte lebensbedrohliche Erschöpfungszustände hervorrufen.
Langfristig tragen Appetit- und Schlafmangel zu dieser Problematik bei. Gleichzeitig haben Amphetamine aufgrund ihrer berauschenden Wirkung ein enormes Suchtpotenzial. Die Dosis muss dabei aufgrund rascher Gewöhnungsprozesse stetig gesteigert werden, um noch dieselbe Wirkung zu erzielen.
Kontraindikationen
Typische Kontraindikationen bei der Verwendung von Amphetamin betreffen vor allem Personen mit bestimmten Vorerkrankungen oder Risikofaktoren. Eine der wichtigsten Kontraindikationen ist das Vorliegen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, insbesondere unbehandelter Bluthochdruck, koronare Herzerkrankungen und Herzrhythmusstörungen, da Amphetamin den Blutdruck und die Herzfrequenz erhöhen kann, was das Risiko von Herzinfarkten oder Schlaganfällen erhöht.
Auch bei psychischen Störungen, wie Schizophrenie, schweren Angststörungen oder einer Vorgeschichte von Suchterkrankungen, ist die Anwendung von Amphetamin kontraindiziert. Das Medikament kann psychotische Episoden verschlimmern oder auslösen und das Suchtverhalten verstärken, da Amphetamin ein hohes Potenzial für Missbrauch und Abhängigkeit besitzt.
Patienten, die Monoaminoxidase-Hemmer (MAO-Hemmer) einnehmen, dürfen Amphetamin nicht verwenden, da es zu gefährlichen Wechselwirkungen kommen kann, wie hypertensiven Krisen. Auch Menschen mit einer Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) und Engwinkelglaukom sollten Amphetamin vermeiden, da es die Symptome dieser Erkrankungen verstärken kann.
Schwangere oder stillende Frauen sollten ebenfalls auf Amphetamin verzichten, da es das Risiko für Fehlbildungen beim Fötus erhöhen oder beim Säugling Schlafprobleme und Reizbarkeit verursachen kann.
Interaktionen mit anderen Medikamenten
Bei der Verwendung von Amphetamin bestehen zahlreiche potenzielle Interaktionen mit anderen Medikamenten, die sorgfältig überwacht werden müssen. Eine besonders gefährliche Wechselwirkung tritt mit Monoaminoxidase-Hemmern (MAO-Hemmern) auf. Wenn Amphetamin zusammen mit MAO-Hemmern eingenommen wird, kann es zu einer hypertensiven Krise kommen, die einen lebensbedrohlichen Anstieg des Blutdrucks verursacht. Aus diesem Grund müssen MAO-Hemmer mindestens 14 Tage vor Beginn der Amphetaminbehandlung abgesetzt werden.
Wechselwirkungen bestehen auch mit anderen zentralnervösen Stimulanzien wie Koffein oder Nikotin, die die stimulierende Wirkung von Amphetamin verstärken können, was zu erhöhter Nervosität, Herzrasen und Bluthochdruck führt. Auch trizyklische Antidepressiva und Serotonin-Wiederaufnahmehemmer können die Wirkung von Amphetamin verstärken, was das Risiko für Herzrhythmusstörungen und eine übermäßige Stimulation des Nervensystems erhöht.
Betablocker, die zur Behandlung von Bluthochdruck verwendet werden, können die Wirkung von Amphetamin abschwächen, während Antipsychotika, insbesondere Dopamin-Antagonisten, die stimulierenden Effekte von Amphetamin verringern. Auch Wechselwirkungen mit Säureblockern (Antazida) sind bekannt, da diese die Aufnahme von Amphetamin im Magen-Darm-Trakt beschleunigen und dadurch zu einer verstärkten Wirkung führen können.
Alternative Behandlungsmethoden
Wenn Amphetamin nicht vertragen wird, gibt es verschiedene alternative Behandlungsmethoden und Wirkstoffe, insbesondere bei der Behandlung von Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) und Narkolepsie. Eine der häufigsten Alternativen zu Amphetaminen sind Methylphenidat-haltige Medikamente, wie Ritalin oder Concerta. Diese wirken ebenfalls als zentrale Stimulanzien, haben jedoch ein etwas anderes Wirkprofil und können bei manchen Patienten besser verträglich sein.
Als nicht-stimulierende Alternative wird Atomoxetin (Strattera) häufig eingesetzt. Dieser Wirkstoff beeinflusst den Noradrenalinspiegel im Gehirn und hat keine stimulierenden Effekte, was das Risiko für Missbrauch und Abhängigkeit reduziert. Atomoxetin ist besonders bei Patienten geeignet, die auf Stimulanzien mit starken Nebenwirkungen reagieren.
Guanfacin und Clonidin sind weitere nicht-stimulierende Medikamente, die bei ADHS zum Einsatz kommen, besonders bei Kindern und Jugendlichen. Sie wirken blutdrucksenkend und beeinflussen ebenfalls die Impulskontrolle und Konzentration, haben jedoch eine beruhigende Wirkung.
Verhaltenstherapie stellt eine nicht-medikamentöse Alternative dar. Besonders bei ADHS kann eine Kombination aus Verhaltenstherapie und Psychoedukation helfen, die Symptome zu kontrollieren. Auch Entspannungstechniken und Achtsamkeitstraining werden zur Symptomlinderung angewandt.
Für die Behandlung von Narkolepsie werden neben Amphetamin häufig Modafinil oder Armodafinil verwendet, die Wachheit fördern und ebenfalls als Alternativen in Frage kommen.
Quellen
- "Goodman & Gilman's The Pharmacological Basis of Therapeutics" von Laurence Brunton, Randa Hilal-Dandan, und Bjorn Knollmann
- "Rang & Dale's Pharmacology" von Humphrey P. Rang, Maureen M. Dale, James M. Ritter, und Rod J. Flower
- "Basic and Clinical Pharmacology" von Bertram Katzung, Anthony Trevor