Fregoli-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 10. April 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Das Fregoli-Syndrom zählt zur Gruppe der Missidentifikationssyndrome (DMS, delusional misidentification syndromes). Es ist eine sehr seltene psychische Erkrankung, bei der es sich meistens um die Folge einer Schizophrenie handelt. Vereinzelt wird auch von einem isolierten Auftreten der Krankheit berichtet.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Fregoli-Syndrom?

Wer am Fregoli-Syndrom erkrankt, verwechselt Menschen nicht auf herkömmliche Weise. Es muss keine Ähnlichkeit vorliegen, damit es zur Missidentifikation beziehungsweise zur Hyperidentifikation kommt.
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Patienten, die unter dem Fregoli-Syndrom leiden, gehen davon aus, dass ihnen bekannte Menschen wie Freunde und Angehörige sich verwandeln und ihnen mit verändertem Aussehen begegnen können. Fremde Personen werden als vertraut wahrgenommen, aber es wird ihnen unterstellt, sich getarnt oder verkleidet zu haben. Die vermeintliche Identifikation gelingt durch die Wiedererkennung von typischen Merkmalen (Blick, Stimme.). In diesem Zusammenhang wird auch von Hyperidentifikation gesprochen.

Die Krankheit wurde erstmals im Jahr 1927 durch Paul Courbon und Gustave Fail beschrieben. Sie berichteten vom Fall einer Frau, die sich von zwei Schauspielern verfolgt fühlte. Zu diesem Zweck hätten die Schauspieler sich wiederholt und rasch in Personen verwandelt, die der Frau bekannt waren. Die Patientin nahm an, dass die beiden Schauspieler sie manipulieren wollten.

Die Bezeichnung dieser wahnhaften Missidentifikation ist an Leopoldo Fregoli angelehnt. Fregoli war ein berühmter Verwandlungs- und Imitationskünstler, der innerhalb kurzer Zeit die Gestalt anderer Menschen annehmen konnte.

Ursachen

Es kommen mehrere Ursachen in Frage. So kann eine Verletzung des Gehirns das Fregoli-Syndrom verursachen. Eine Störung des Gyrus fusiformis führt dazu, dass die Gesichtserkennung beeinträchtigt ist. Auch die Behandlung mit dem Parkinsonmittel Levodopa (L-Dopa) kommt als Ursache in Frage. Bei starker Dosierung ist nicht auszuschließen, dass sich wahnhafte Vorstellungen in der beschriebenen Form einstellen.

Ebenso kann Suchtgiftabhängigkeit eine Ursache darstellen. Darüber hinaus weisen vor allem Menschen, die an Alzheimer-Demenz leiden, die Neigung zu Missidentifikationssyndromen auf. Studien zufolge leidet mindestens ein Drittel der Alzheimer-Patienten darunter, Personen zu verkennen.

Oft handelt es sich beim Fregoli-Syndrom um eine Begleiterscheinung von Psychosen oder paranoider Schizophrenie. Es kommt auch nicht selten vor, dass das Syndrom gemeinsam mit dem Liebeswahn beziehungsweise mit der Erotomanie oder mit dem Capgras-Syndrom auftritt, denen ebenfalls eine Schizophrenie zugrundeliegt.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Wer am Fregoli-Syndrom erkrankt, verwechselt Menschen nicht auf herkömmliche Weise. Es muss keine Ähnlichkeit vorliegen, damit es zur Missidentifikation beziehungsweise zur Hyperidentifikation kommt. Auch ähnliche Details (zum Beispiel die Form des Ohres, die Kopfhaltung) können auf Einbildung beruhen.

Es wird beharrlich daran festgehalten, dass es sich bei dem fremden Menschen „in Wirklichkeit“ um eine Person aus der näheren Umgebung handelt, der der Patient früher schon begegnet ist oder mit der er regelmäßig Kontakt hat. Dabei kann es sich um unterschiedliche Personen handeln, denen die Täuschungsabsichten unterstellt werden. Nicht immer werden die verkannten Personen darauf angesprochen.

Wenn das Opfer der Missidentifikation im Rahmen einer Konfrontation darauf beharrt, nicht die gemeinte Person zu sein, wird jedoch die Wahnvorstellung des Patienten dadurch in der Regel nicht gemildert. Der zwanghafte Gedanke, systematisch und bewusst getäuscht zu werden, wird so bisweilen noch verstärkt.

Diagnose & Verlauf

Ein solch auffälliges Verhalten ermöglicht eine gezielte und treffende Diagnose. Bleiben Diagnose und Behandlung aus, wird die Krankheit erfahrungsgemäß lange andauern und sich verstärken. Lediglich im Rahmen von Psychosen und psychotischen Schüben ist davon auszugehen, dass diese massiven Störungen nur vorübergehend sind – sofern sich die betroffenen Personen bereits in Behandlung befinden.

Die Krankheit kann gefährliche Züge annehmen. In manchen Fällen wird eine ehemals emotional nahe stehende Person nach Jahren „wiedererkannt“. Ihr wird dann nachgestellt. Körperliche Übergriffe können folgen. Mit verschiedenen Mitteln wird versucht, die fremde Person dazu zu zwingen, ihre „wahre“ Identität preis- und zuzugeben. Die Einweisung in eine psychiatrische Anstalt bleibt in solchen Fällen oft der letzte Ausweg.

Komplikationen

In den meisten Fällen treten beim Fregoli-Syndrom vor allem psychische Komplikationen auf. Der Patient identifiziert dabei fremde Menschen als nicht solche, sondern als schon bekannte Menschen. Dies kann vor allem in der Öffentlichkeit zu bizarren und unangenehmen Situationen führen, welche sich im schlimmsten Falle in Gewalttaten auswirken können.

Oft sind soziale Kontakte aufgrund des Fregoli-Syndroms eingeschränkt und es kommt zu Depressionen. Oft tritt beim Betroffenen das Gefühl einer Täuschung oder einer Lüge auf, wenn die andere Person besagt, dass sich die Menschen nicht kennen. Dadurch wird das Fregoli-Syndrom in der Regel noch weiter verstärkt.

Eine Behandlung ist nicht in allen Fällen möglich. Vor allem bei einer Drogensucht muss ein Entzug durchgeführt werden, damit es zu einer Besserung kommt. Allerdings kann auch die Einnahme bestimmter Medikamente zum Fregoli-Syndrom führen, sodass diese abgesetzt werden. Meistens kommt es nach dem Verzicht auf die Medikamente oder Drogen zu einer Besserung.

Die Behandlung wird allerdings auch psychotherapeutisch durchgeführt und kann mit Antidepressiva unterstützt werden. Nicht selten kommt es bei der Konfrontation des Betroffenen mit dem Fregoli-Syndrom zu Gewaltausbrüchen oder einer aggressiven Stimmung. Dadurch wird die Behandlung verzögert. Da das Fregoli-Syndrom vor allem bei einer Schizophrenie auftritt, treten dabei auch die Komplikationen der Grunderkrankung auf.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Das Fregoli-Syndrom ist auffällig und geht für gewöhnlich mit einer bereits bestehenden Grunderkrankung einher. Die unter diesem Missidentifikationssyndrom leidenden Personen haben jedoch nur selten den Eindruck, dass mit ihnen etwas nicht stimmt und sehen deshalb kaum die Notwendigkeit, einen Arzt aufzusuchen. Sie halten ihre Wahnvorstellungen für real, fühlen sich tatsächlich von anderen Menschen getäuscht und bemühen sich darum, glaubwürdig und normal zu erscheinen. Das macht Hilfe schwierig und deshalb kommt Angehörigen und Freunden eine besondere Verantwortung zu.

Diese sollten aufmerksam zuhören, was die betroffene Person über die merkwürdigen Situationen berichtet, in denen sie einen bekannten Menschen „wiedererkannt“ hat. Sie sollten diesbezüglich beharrlich nachfragen und beim geringsten Verdacht auf das Vorliegen eines solchen Missidentifikationssyndroms dafür sorgen, dass ein Nervenarzt sich des Patienten annimmt.

Nur dieser kann die richtige Diagnose stellen, die Ursache (Schizophrenie, Suchterkrankung, Nebenwirkung von Medikamenten oder Alzheimer-Krankheit) ermitteln und sodann gezielt Maßnahmen ergreifen. Es ist keineswegs angebracht, die auf ein Fregoli-Syndrom hinweisenden Anzeichen zu verharmlosen. Die Gefährlichkeit und Komplexität der Erkrankung erfordert rasches und beherztes Eingreifen, ihre Therapie übersteigt die Kompetenzen eines Allgemeinmediziners.

Behandlung & Therapie

Die Behandlungsart richtet sich nach der Krankheit, die die Ursache des Fregoli-Syndroms ist. Ist die Einnahme bestimmter Medikamente (zum Beispiel L-Dopa) oder eine Suchterkrankung mit Medikamentenmissbrauch verantwortlich, so sind entsprechende Maßnahmen zu setzen. Sind diese Ursachen ausgeschlossen und wurde bereits eine Schizophrenie diagnostiziert, dann ist eine Kombination aus medikamentöser Behandlung und Psychotherapie üblich.

Die medikamentöse Therapie besteht in der Gabe von atypischen Antipsychotika (zum Beispiel Risperidon) und Benzodiazepinen sowie im Bedarfsfall von Antidepressiva. In der Psychotherapie kommt es darauf an, herauszufinden, welche Funktion die Wahnvorstellung erfüllt und was mit ihr kompensiert wird. Wenn dies gelingt, können alternative Wege und Lösungsversuche erarbeitet werden.

Das erfordert viel Geduld und eine hohe Frustrationstoleranz. Therapeuten haben die Erfahrung gemacht, dass die Erkrankung schwer zu kurieren ist. Einige Patienten müssen als therapieresistent bezeichnet werden. Patienten, die mit ihren Wahnvorstellungen und mit den mutmaßlichen Verwandlungskünstlern konfrontiert werden, reagieren oft mit aggressivem Verhalten und Gewaltausbrüchen. Es wird empfohlen, auch soziotherapeutische Maßnahmen begleitend einzusetzen.

Aussicht & Prognose

Das Fregoli-Syndrom gehört zu den Wahnvorstellungen, die meist im Rahmen anderer psychischer Erkrankungen vorkommen. Selten tritt es als isolierte Erkrankung auf. Sehr häufig wird es im Rahmen einer Schizophrenie beobachtet und ist daher oft mit anderen Wahnvorstellungen kombiniert. Der Verlauf des Fregoli-Syndroms ist meist abhängig von der zugrunde liegenden Erkrankung. So gibt es Verläufe mit vorübergehender Symptomatik. Das ist besonders dann der Fall, wenn das Fregoli-Syndrom eine sekundäre Erscheinung innerhalb einer akuten Psychose darstellt.

Sehr oft breitet sich die Wahnvorstellung jedoch chronisch aus. Das trifft insbesondere dann zu, wenn keine Therapie stattfindet. Wenn die betroffene Person dann überzeugt werden soll, dass ihre Vorstellung jeder Grundlage entbehrt, kommt es erst recht zu einer Verfestigung und Verstärkung des Wahns.

Die Gegenargumente führen nur dazu, dass der Patient immer stärker von der Überzeugung besessen ist, eine für ihn bedeutsame Person, zu der er oft auch eine emotionale Bindung entwickelt hat, erscheine im Körper einer anderen Person. Dabei vermuten Betroffene häufig, die falsch identifizierte Person an bestimmten Merkmalen wie Gang, Ohrform, Kopfhaltung oder Stimme eindeutig erkannt zu haben.

Ohne medikamentöse Behandlung können sich aus der Verstärkung der Wahnvorstellungen auch gefährliche Verhaltensweisen ergeben. So führt etwa die Kombination von Fregoli-Syndrom mit Liebeswahn oft zu Stalking und tätlichen Übergriffen auf andere Personen. Zur Milderung der Symptomatik ist oft eine dauerhafte medikamentöse Behandlung notwendig.


Vorbeugung

Die Vorbeugung gestaltet sich insofern als schwierig, als das Fregoli-Syndrom verschiedene Ursachen haben kann, die sich nur schwer beeinflussen und beseitigen lassen. Ist ein Patient wegen paranoider Schizophrenie bereits in Behandlung, so wird drauf zu achten sein, ob diese mit dem Fregoli-Syndrom einhergeht.

Bei dieser und auch bei anderen Wahnvorstellungen kommt den Angehörigen im Anfangsstadium entscheidende Bedeutung zu. Sie können am ehesten Veränderungen wahrnehmen und Gefährdungen erkennen. Hier gilt es, merkwürdiges Verhalten nicht zu bagatellisieren und rechtzeitig professionelle Beratung und Hilfe einzuholen.

Nachsorge

In den meisten Fällen stehen dem Patienten beim Fregoli-Syndrom keine Möglichkeiten der Nachsorge zur Verfügung. Die Erkrankung muss dabei immer zuerst durch einen Arzt behandelt werden, wobei in erster Linie und auch im Vordergrund die Erkennung der Erkrankung steht. Eine Selbstheilung kann dabei nicht eintreten, wobei allerdings die Lebenserwartung des Betroffenen durch das Fregoli-Syndrom nicht verringert wird.

Die Behandlung erfolgt meist durch einen Psychologen oder einen Psychiater. Dabei ist der Betroffene häufig auf die Unterstützung der eigenen Familie und der von Freunden angewiesen. Hierbei wirkt sich eine intensive Pflege und vor allem das Verständige der Außenstehenden über die Erkrankung sehr positiv auf den weiteren Verlauf aus und kann Komplikationen verhindern.

In vielen Fällen sind die Betroffenen dabei auch auf die Einnahme von Medikamenten angewiesen, wobei eine regelmäßige Einnahme zu beachten ist. In Zweifelsfällen über mögliche Wechselwirkungen sollte dabei immer ein Arzt aufgesucht werden. Häufig sind auch tiefgründige Gespräche mit vertrauten Personen sehr hilfreich und können die Beschwerden lindern. Nach einer erfolgreichen Behandlung sollte die Dosis der Medikamente nicht sofort verringert werden, um das erneute Auftreten des Fregoli-Syndroms zu vermeiden.

Das können Sie selbst tun

Wer unter dem Fregoli-Syndrom leidet, ist meistens bereits mit einer ernsten Grunderkrankung belastet. In der Regel handelt es sich hierbei um paranoide Schizophrenie, Alzheimer-Demenz oder Drogensucht.

Diese Erkrankungen führen zu einer massiven Erschwerung des Alltagslebens. Sozialer Rückzug und Vereinsamung sind ebenso häufige Begleiterscheinungen wie abnehmende Zuversicht und apathisches Verhalten. Menschen, die wissen, wie schwer das Fregoli-Syndrom zu behandeln ist und die ein Gespür für die damit verbundenen Qualen haben, können in dieser schwierigen Lebensphase helfen. Dazu zählen primär jene, die mit denselben oder mit ähnlichen Wahnvorstellungen (Capgras-Syndrom, Erotomanie, Eifersuchtswahn) zu kämpfen haben.

Die schwer zu ertragende Empfindung, nicht verstanden, nicht ernst genommen oder absichtlich getäuscht zu werden, findet Linderung durch den Besuch von Selbsthilfegruppen und von Selbsthilfeforen im Internet. Sie ermöglichen den Austausch zwischen den Betroffenen und verhelfen ihnen zur erleichternden Erfahrung, mit ihrem Leiden nicht allein zu sein. Dadurch wird das bei Wahnpatienten stark ausgeprägte Misstrauen gegenüber anderen Menschen abgemildert. Darüber hinaus wächst die Hoffnung, wenn andere Betroffene über ihre Strategien zur Alltagsbewältigung berichten.

Der erste Schritt zur Selbsthilfe besteht paradoxerweise in der Suche nach und in der Annahme von Hilfe. Die mangelnde Krankheitseinsicht der Menschen, die unter dem Fregoli-Syndrom leiden, stellt hier jedoch ein oft schwer zu überwindendes Hindernis dar.

Quellen

  • Arolt, V., Reimer, C., Dilling, H.: Basiswissen Psychiatrie und Psychotherapie. Springer, Heidelberg 2007
  • Lieb, K., Frauenknecht, S., Brunnhuber, S.: Intensivkurs Psychiatrie und Psychotherapie. Urban & Fischer, München 2015
  • Payk, T., Brüne, M.: Checkliste Psychiatrie und Psychotherapie. Thieme, Stuttgart 2013

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