Neuroleptika

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 10. September 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Neuroleptika gehören zu den Psychopharmaka. Sie werden bei Psychosen eingesetzt und daher auch als Antipsychotika bezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Was sind Neuroleptika?

Neuroleptika haben eine beruhigende Wirkung und sie dämpfen die Sinneswahrnehmungen, sie werden bei Psychosen eingesetzt.

Psychosen sind seelische Erkrankungen, bei welchen das Denken und die Wahrnehmung gestört sind. Dies kann zu Angst und Unruhezuständen führen, zu Halluzinationen oder Wahnvorstellungen.

Neuroleptika haben beruhigende Wirkung und dämpfen die Sinneswahrnehmungen. Je nach Zusammensetzung überwiegt mehr die eine oder die andere Wirkweise. Die Medikamente greifen im Gehirn in die Erregungsübertragung an den Synapsen ein und hemmen den Neurotransmitter Dopamin, was zu einer Dämpfung der Nerventätigkeit führt.

Außerdem sind sie in der Lage mit anderen Neurotransmittern wie beispielsweise Noradrenalin, Serotonin oder Histamin zu reagieren. Neuroleptika wirken symptomatisch, das heißt sie haben keine Heilungswirkung auf die psychische Erkrankung. Sie lindern lediglich die Symptome im Akutzustand oder verhindern ein erneutes Auftreten der Störungen.

Geschichte & Entwicklung

Die Entdeckung und Entwicklung von Neuroleptika begann in den 1950er Jahren und revolutionierte die Behandlung psychischer Erkrankungen, insbesondere der Schizophrenie. Den Anfang machte 1952 die Entdeckung von Chlorpromazin, dem ersten Neuroleptikum, durch die französischen Ärzte Henri Laborit, Jean Delay und Pierre Deniker. Ursprünglich als Anästhetikum entwickelt, stellte sich heraus, dass Chlorpromazin starke beruhigende und antipsychotische Eigenschaften hatte. Es reduzierte Halluzinationen, Wahnvorstellungen und Erregungszustände bei Patienten mit Schizophrenie.

Dieser Durchbruch führte zur Entwicklung einer Reihe weiterer Neuroleptika, die als typische Antipsychotika bekannt wurden. Zu diesen gehörten Substanzen wie Haloperidol, das in den 1960er Jahren eingeführt wurde und aufgrund seiner starken antipsychotischen Wirkung schnell verbreitet wurde. Typische Neuroleptika wirken vor allem durch die Blockade von Dopaminrezeptoren im Gehirn, was die psychotischen Symptome mindert, allerdings häufig mit starken Nebenwirkungen wie Bewegungsstörungen einhergeht.

In den 1990er Jahren kam eine neue Generation von Neuroleptika, die atypischen Antipsychotika, auf den Markt. Medikamente wie Clozapin und später Risperidon zeichneten sich durch weniger schwere motorische Nebenwirkungen und eine breitere Wirkung auf verschiedene Neurotransmittersysteme aus, was sie zu einer bevorzugten Therapieoption machte.

Anwendung & Gebrauch

Neuroleptika werden aufgrund ihrer Wirkweise in schwach und stark wirksame Neuroleptika unterteilt. Schwach wirksame Neuroleptika sind von der Wirkweise stärker beruhigend und weniger antispsychotisch. Sie kommen bei Angst- und Unruhezuständen, bei Schlafstörungen oder bei Manien zur Anwendung.

Liegen echte Psychosen vor, so werden stark wirksame Neuroleptika verabreicht. Sie machen nicht so müde und wirken dafür stärker dämpfend auf die Nerventätigkeit. Man setzt sie beispielsweise bei Wahnvorstellungen, schizophrenen Zuständen oder Halluzinationen ein. Auch bei Entzugserscheinungen werden sie verabreicht. Die Patienten werden in ihrer Wahrnehmung gedämpft, sie erleben die Umwelt distanzierter und die typischen Symptome der Psychose verschwinden.

In der Regel müssen die Neuroleptika bei diagnostizierten Psychosen regelmäßig, das heißt lebenslang, eingenommen werden. Nach Bewältigung der Akutsituation wird allerdings die Dosis verringert. Neuroleptika werden als Tabletten eingenommen oder auch gespritzt. Es besteht die Möglichkeit sogenannte Depot-Spritzen zu verabreichen. Diese haben eine Wirkdauer von vier Wochen.

Neuroleptika werden auch in sehr geringer Dosierung vor Operationen zur Beruhigung von ängstlichen Patienten eingesetzt. Bei kleineren operativen Eingriffen verwendet man Neuroleptika zusammen mit speziellen Schmerzmitteln. Dieses Verfahren ist verträglicher als eine Vollnarkose und wird als Neuroleptanalgesie bezeichnet.

Außerdem haben Neuroleptika antiemetische (den Brechreiz eindämmend) Wirkung und werden daher bei sehr starker Übelkeit und Erbrechen angewendet, um lebensbedrohliche Zustände zu vermeiden.

Pflanzliche, natürliche & pharmazeutische Neuroleptika

Es gibt zwei Arten von Neuroleptika, typische und atypische. Diese Einteilung erfolgt gemäß des Alters der Medikamente. Die älteren und typischen Neuroleptika kamen erstmals in den 50er Jahren zum Einsatz, das bekannteste dieser Gruppe ist Haloperidol. Bei der Einnahme dieser herkömmlichen Medikamente hatten die Patienten teilweise heftige Nebenwirkungen in Form von Bewegungsstörungen.

Die neuere Variante, die atypischen Neuroleptika, gibt es seit den 70er Jahren. Sie sind anders zusammengesetzt und rufen diese Begleiterscheinungen nicht mehr oder nur sehr gering hervor. Außerdem wirken sie spezifischer auf die Symptome.

Da Neuroleptika, auch die neuere Generation, dennoch Nebenwirkungen verursachen, versucht man auch mit homöopathischen Mitteln Psychosen zu behandeln. Jedoch ist dieser Ansatz völlig anders als die Behandlung mit chemischen Neuroleptika und bedarf unbedingt eines erfahrenen klassischen Homöopathen. Bis heute ist allerdings die Wirksamkeit von homöopathischen Substanzen bei Psychosen nicht wissenschaftlich belegt.

Auch die Frage nach pflanzlichen Psychopharmaka kommt immer häufiger auf, jedoch sind noch keine pflanzlichen Neuroleptika erforscht worden. Man sagt der Wurzel Kawa Kawa einen ähnlichen Effekt wie den der Neuroleptika nach, da sie angstlösend und beruhigend wirken soll. Allerdings ist dieses Mittel nicht ausreichend erforscht und nicht als Arzneimittel zugelassen.


Risiken & Nebenwirkungen

Neuroleptika haben diverse Nebenwirkungen, die von Mensch zu Mensch verschieden sind, auch wenn die neuere atypische Variante bereits wesentlich verträglicher ist als die alte typische Form. Die sogenannten extrapyramidal-motorischen Störungen, die von der alten Form verursacht werden, äußern sich in sogenannten Dyskinesien.

Das sind plötzlich einsetzende Bewegungen die der Patient nicht kontrollieren kann. Weiterhin kann es zu Zittern (Tremor) und starren Muskelkrämpfen (Rigor) kommen. Auch eine gewisse Bewegungsarmut kann eintreten, aber ebenso überschießendes Bewegungsbedürfnis, wodurch die Betroffenen nicht still sitzen oder liegen können.

Weitere Nebenwirkungen der Neuroleptika sind Müdigkeit, Verstopfung oder Schwitzen sowie eine Beeinträchtigung des sexuellen Empfindens. Neuroleptika können die Bildung der weißen Blutkörperchen verändern und sie können zu Gewichtszunahme führen. Bei den neuen atypischen Medikamenten sind die Nebenwirkungen weitaus geringer. Sie können auftreten, jedoch wesentlich schwächer.

Anwendung & Sicherheit

Die Anwendung von Neuroleptika erfolgt hauptsächlich zur Behandlung psychotischer Erkrankungen wie Schizophrenie, bipolaren Störungen und schweren Depressionen. Diese Medikamente zielen darauf ab, Symptome wie Halluzinationen, Wahnvorstellungen und schwere Erregungszustände zu lindern. Die genaue Dosierung und das Präparat werden individuell auf den Patienten abgestimmt, abhängig von der Schwere der Erkrankung und den Reaktionen auf das Medikament. Neuroleptika können oral (Tabletten, Kapseln) oder als Depotpräparate verabreicht werden, die über eine Injektion langsam freigesetzt werden und eine längere Wirkungsdauer haben.

Die Sicherheit der Anwendung von Neuroleptika ist ein zentrales Thema. Während sie psychotische Symptome effektiv reduzieren, können sie auch Nebenwirkungen haben. Typische Antipsychotika sind bekannt für Bewegungsstörungen wie extrapyramidale Symptome oder Tardive Dyskinesien, während atypische Neuroleptika eher Stoffwechselprobleme wie Gewichtszunahme, Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursachen können. Regelmäßige ärztliche Überwachung ist wichtig, um Nebenwirkungen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.

Die Qualitätskontrolle bei der Herstellung von Neuroleptika ist streng reguliert. Pharmazeutische Unternehmen müssen strenge Richtlinien der Good Manufacturing Practice (GMP) einhalten. Diese Standards gewährleisten, dass jedes Medikament sicher, wirksam und konsistent ist, durch regelmäßige Tests auf Reinheit, Stabilität und Wirksamkeit in jeder Produktionscharge.

Alternativen

Alternativen zu Neuroleptika bei der Behandlung psychotischer Erkrankungen wie Schizophrenie oder bipolarer Störungen umfassen andere Medikamentengruppen sowie nicht-medikamentöse Therapieansätze. Antidepressiva können bei bestimmten Formen der Depression oder begleitender Angststörungen eine Alternative sein, haben jedoch keine direkte Wirkung auf psychotische Symptome. Stimmungsstabilisatoren wie Lithium oder Antikonvulsiva (z. B. Valproat) werden bei bipolaren Störungen eingesetzt und können helfen, manische und depressive Episoden zu stabilisieren, ohne die motorischen Nebenwirkungen von Neuroleptika.

Nicht-medikamentöse Therapien spielen ebenfalls eine bedeutende Rolle. Psychotherapie, insbesondere die kognitive Verhaltenstherapie (CBT), kann helfen, den Umgang mit den psychotischen Symptomen zu verbessern und die soziale Funktion zu unterstützen. Allerdings ersetzen solche Therapien Neuroleptika bei schweren Psychosen nicht, sondern ergänzen sie.

Elektrokonvulsionstherapie (EKT) wird in einigen Fällen von therapieresistenter Schizophrenie oder schwerer Depression eingesetzt. Sie kann eine wirksame Alternative sein, insbesondere wenn Medikamente keine ausreichende Wirkung zeigen oder schwerwiegende Nebenwirkungen haben. Obwohl EKT effektiv sein kann, wird sie aufgrund ihres invasiven Charakters nur in speziellen Fällen angewendet.

Insgesamt hängt die Wahl der Therapie von der Schwere der Erkrankung, der Reaktion auf frühere Behandlungen und dem Nebenwirkungsprofil ab.

Forschung & Zukunft

Aktuelle Trends in der Forschung zu Neuroleptika konzentrieren sich auf die Entwicklung von Medikamenten mit einem besseren Nebenwirkungsprofil und einer gezielteren Wirkung auf das Gehirn. Ein wichtiger Ansatz ist die Entwicklung von Medikamenten, die spezifischere Rezeptoren im Gehirn ansprechen, um unerwünschte Nebenwirkungen wie Bewegungsstörungen oder Stoffwechselprobleme zu reduzieren. Insbesondere wird an der Modulation von Glutamat-Rezeptoren geforscht, da Glutamat eine wichtige Rolle bei Schizophrenie und anderen psychotischen Erkrankungen spielt.

Ein weiterer Trend ist die Entwicklung von langwirksamen Depotpräparaten, die die Einnahmefrequenz reduzieren und die Therapietreue verbessern. Diese Präparate sorgen dafür, dass Patienten über Wochen oder sogar Monate eine gleichmäßige Medikamentenfreisetzung haben, was besonders bei Patienten mit mangelnder Adhärenz zur Medikation hilfreich ist.

Darüber hinaus wird an neuen Biomarkern geforscht, um individuellere Behandlungsansätze zu ermöglichen. Ziel ist es, vor der Behandlung besser vorhersagen zu können, welche Patienten auf welche Medikamente ansprechen und wer ein höheres Risiko für Nebenwirkungen hat.

Ein vielversprechender neuer Behandlungsansatz ist die Psychedelika-basierte Therapie, bei der Psychedelika wie Psilocybin oder Ketamin in kontrollierten klinischen Umgebungen verwendet werden, um schwer behandelbare Depressionen oder psychotische Symptome zu lindern. Diese Ansätze sind noch in der Erprobung, bieten jedoch neue Perspektiven für die zukünftige Behandlung von psychischen Störungen.

Quellen

  • "Goodman & Gilman's The Pharmacological Basis of Therapeutics" von Laurence Brunton, Randa Hilal-Dandan, und Bjorn Knollmann
  • "Rang & Dale's Pharmacology" von Humphrey P. Rang, Maureen M. Dale, James M. Ritter, und Rod J. Flower
  • "Basic and Clinical Pharmacology" von Bertram Katzung, Anthony Trevor

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