Gegenstromprinzip
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Das Gegenstromprinzip ist ein biologisches Funktionsprinzip, das an der Thermoregulation vieler Tiere, an der Atmung von Fischen wie Haien und an Prozessen wie der menschlichen Harnkonzentration beteiligt ist. Die Diurese des Menschen findet zum Großteil in der sogenannten Henle-Schleife des Nierenmarks statt und ist durch Systeme entgegengesetzter Flussrichtung gekennzeichnet. Eine diesbezügliche Erkrankung ist das erbliche und mutationsbedingte Barrter-Syndrom.
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Was ist das Gegenstromprinzip?
Das biologische Gegenstromprinzip hat unterschiedliche Bedeutungen. Für die Tierwelt spielt das Funktionsprinzip vor allem bei der Thermoregulation eine Rolle. Im menschlichen Körper ist es für den Stoffaustausch im Nierengewebe besonders relevant. Eine entgegen gerichtete Flussrichtung in benachbarten Geweben stellt dabei die Effizienz des Stoffaustauschs sicher.
Die Gegenstromsysteme im menschlichen Nierengewebe dienen insbesondere der Stoff- und Energiekonservierung. Die Henle-Schleife innerhalb des Nephrons stellt im menschlichen Körper ein Paradebeispiel für das Funktionsprinzip des gegenläufigen Flussstroms in benachbarten Anatomiestrukturen dar. Als Henle-Schleife wird der im Nierenmark gelegene Schleifen-Abschnitt des Nieren-Tubulus-Systems bezeichnet, der vor allem der Konzentrierung des Harns dient.
Die Henle-Schleife und damit eines der wichtigsten Gegenstromprinzipe des Menschen findet innerhalb der äußeren Markzone statt. Das Prinzip ist für die Diurese oder Harnbildung alles-entscheidend und besteht aus drei unterschiedlichen Komponenten mit entgegen gerichteter Flussrichtung.
Haie und andere Fische nutzen das Gegenstromprinzip auch zur Atmung. Sie besitzen einen Gegenstrom-Austauscher, in dem sauerstoffarmes Blut auf ein sauerstoffreiches Medium trifft. Beim Gasaustausch besteht Kontakt zwischen Blut und sauerstoffreicherem Medium, um die Sauerstoffpartialdruckdifferenz aufrechtzuerhalten und die weitere Aufnahme von O2 aus dem Medium zu fördern.
Funktion & Aufgabe
Der dünne, absteigende Anteil der Henle-Schleife ist für Wasser durchlässig. Der dicke, aufsteigende Schleifenteil ist es nicht. Innerhalb des aufsteigenden Henle-Schleifenanteils wandern Natrium-Ionen aus dem Harn ins benachbart gelegene Interstitium. Diese Wanderung erfolgt durch aktiven Transport. Das Wasser wandert nicht ins Interstitium, sondern bleibt im Harn erhalten. Anders als das Natrium ist es dem Wasser, wegen der undurchlässigen Anteile der Henle-Schleife, überhaupt nicht möglich, das Interstitium zu erreichen. Aus diesem Grund wird die Flüssigkeit hypoton, während das Interstitium Hypertonizität erhält.
Ins hyperton gewordene Interstitium fließt schließlich Wasser ein, das aus dem absteigend dünnen Teil der Henle-Schleife stammt. Denn in diesem Anteil der Schleife ist die Wand wasserdurchlässig. Auf diese Weise wird der Primärharn aufkonzentriert: die Konzentrierung erfolgt innerhalb des absteigenden Anteils der Schleife ohne zusätzlichen Energieaufwand. Wasser wird dem Primärharn bei der Konzentrierung durch das Gegenstromprinzip entzogen.
Die Wasserrückgewinnung in den Nieren ist dank des Prinzips passiv möglich und ist dabei an die Rückresorption von Natrium gekoppelt. Dieses Vorgehen ist extrem energieeffizient.
Die Henle-Schleife besitzt mehrere Etagen, die alle gleichzeitig an dem Vorgang beteiligt sind. Durch den gleichzeitigen Ablauf des geschilderten Prinzips in allen Etagen der Henle-Schleife stellt sich eine fraktionierte Aufkonzentrierung des Harns ein. Die Konzentration der Elektrolyte ist im Apikal-Anteil der Henle-Schleife am höchsten, denn in diesem Teil wurde dem Primärharn über die Gesamtstrecke des dünn absteigenden Schenkels Wasser entzogen. Das Gegenstromprinzip hat durch die entgegen gerichtete Flussrichtung der benachbarten Gewebe in der Henle-Schleife der Nieren also zur energieeffizienten Konzentrierung des Hans beigetragen.
Krankheiten & Beschwerden
Durch die gestörte Kooperation zwischen Kotransporter und Kanälen können nicht mehr genügend Natrium-Ionen rückresorbiert werden. Aufgrund der reduzierten Rückresorption fällt der Blutdruck der Patienten ab. Wegen des bedenklich weit abfallenden Blutdrucks leiten die Pressorezeptoren in der Wand der Aorta eine Katecholamin-Ausschüttung ein.
Darüber hinaus führt der Blutdruckabfall auch zu einer verringerten Durchblutung der Vasa afferentia. Diese verringerte Durchblutung stimuliert die Ausschüttung von Renin. Hyperreninämischer Hyperaldosteronismus ist die Folge. Bei Typ IV der Erkrankung besteht ein Defekt im Barttin, die der essentiellen β-Untereinheit im ClC-K-Kanal entspricht. Diese Untereinheit ist nicht nur an der baso-lateralen Henle-Schleifenmembran, sondern auch an der baso-lateralen Innenohrmembran beteiligt. Aus diesem Grund ist diese Unterform der Krankheit nicht nur durch ein gestörtes Gegenstromprinzip, sondern zusätzlich durch Taubheit gekennzeichnet.
Auch alle anderen Erkrankungen der Nierenmarkzone können das Gegenstromprinzip stören, so zum Beispiel Nierenkrebs oder Nekrosen des dort gelegenen Nierengewebes. Darüber hinaus können Störungen der Harnkonzentrierung und ihres Funktionsprinzips durch zahlreiche Mutationen bedingt sein. Allein für das Barrter-Syndrom wurden insgesamt fünf ursächliche Mutationen dokumentiert.
Quellen
- Classen, M., Diehl, V., Kochsiek, K. (Hrsg.): Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2009
- Keller, C.K., Geberth, S.K.: Praxis der Nephrologie. Springer, Berlin 2010
- Reuter, P.: Springer Lexikon Medizin. Springer, Berlin 2004