Gesprächstherapie
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 31. Juli 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Die Gesprächstherapie, Gesprächspsychotherapie oder auch klientenzentrierte Psychotherapie bezeichnet eine Therapiemethode aus dem Bereich der Humanistischen Psychologie.
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Was ist eine Gesprächstherapie?
Bei einer Gesprächstherapie steht, wie der Name schon andeutet, das Gespräch im Vordergrund. Sie wird auch klientenzentrierte Psychotherapie genannt, da sie den Klienten und seine Aussagen in den Vordergrund stellt, verbal wie auch non-verbal.
Als Begründer gilt vor allem der Psychologe Carl R. Rogers, welcher durch seine Lehrtätigkeit in den 40er und 50er Jahren an amerikanischen Universitäten Zugang zu Forschungsmöglichkeiten erhielt. Im Rahmen dieser Forschungstätigkeit versuchte er herauszubekommen, wie eine Person Erlebtes besser verarbeiten kann und von sich aus darüber spricht, um im Gesprächsverlauf zu einer neuen Einsicht zu kommen und auf diese Weise eine Verhaltensänderung herbeizuführen.
Er erforschte die Bedingungen, welche dafür nötig sind. Wie viele andere Therapiemodelle auch, entwickelte sich auch die Gesprächstherapie im Laufe der Jahre.
Grundsätzlich versteht sich die Gesprächstherapie als eine Art Instrument, die dem Klienten hilft, durch Selbstexploration Erlebtes angemessen zu verarbeiten und falsches Verhalten durch Einsicht zu ändern. Diese Methode der Gesprächsführung findet sich nicht nur in Therapien wieder, sondern ist auch zum Bestandteil von Supervision, schülerzentriertes Lehren und der Beratung geworden.
Geschichte & Entwicklung
Die Gesprächstherapie hat ihre Wurzeln in der frühen Psychologie und Philosophie, aber ihre moderne Form entwickelte sich hauptsächlich im 20. Jahrhundert. Sigmund Freud gilt als einer der Pioniere mit der Entwicklung der Psychoanalyse in den späten 1800er und frühen 1900er Jahren. Freuds Ansatz konzentrierte sich auf das Unbewusste und die Analyse von Träumen sowie freien Assoziationen, um verdrängte Konflikte und Wünsche aufzudecken.
In den 1940er Jahren führte Carl Rogers die klientenzentrierte oder personzentrierte Therapie ein, die einen bedeutenden Wandel in der therapeutischen Praxis darstellte. Rogers betonte die Bedeutung der bedingungslosen positiven Wertschätzung, Empathie und Echtheit des Therapeuten. Dieser Ansatz legte den Fokus auf das Erleben und die Selbstwahrnehmung des Klienten und förderte ein nicht-direktives Therapieverhältnis.
Parallel dazu entwickelte sich in den 1950er und 1960er Jahren die kognitive Verhaltenstherapie (CBT), maßgeblich geprägt von Aaron T. Beck und Albert Ellis. Diese Form der Gesprächstherapie fokussiert sich auf die Veränderung negativer Denkmuster und Verhaltensweisen, die psychische Störungen aufrechterhalten.
In den folgenden Jahrzehnten wurden weitere Ansätze wie die Gestalttherapie, die systemische Therapie und die narrative Therapie entwickelt. Diese Methoden erweiterten die Möglichkeiten der Gesprächstherapie, indem sie unterschiedliche theoretische Perspektiven und Techniken einbrachten. Die Gesprächstherapie entwickelte sich so zu einem vielfältigen und anpassungsfähigen Feld, das sich ständig weiterentwickelt, um den Bedürfnissen der Klienten gerecht zu werden.
Einsatz & Indikation
Eine Gesprächstherapie wird durchgeführt, wenn Menschen psychische oder emotionale Probleme erleben, die sie allein nicht bewältigen können. Sie wird notwendig bei der Behandlung von psychischen Störungen wie Depressionen, Angststörungen, posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS), und Essstörungen. Auch bei Suchtproblemen kann eine Gesprächstherapie hilfreich sein, um die zugrundeliegenden emotionalen und kognitiven Probleme zu adressieren.
Darüber hinaus wird Gesprächstherapie in Lebenskrisen eingesetzt, etwa bei Trauer, Trennung, Verlust eines Arbeitsplatzes oder anderen schweren persönlichen Herausforderungen. Sie kann helfen, Gefühle zu verarbeiten, Perspektiven zu verändern und neue Bewältigungsstrategien zu entwickeln. Auch Menschen, die unter chronischem Stress, Beziehungsproblemen oder Selbstwertproblemen leiden, profitieren von dieser Form der Therapie.
In vielen Fällen wird Gesprächstherapie als Teil eines umfassenderen Behandlungsplans verwendet, der auch medikamentöse Therapien, soziale Unterstützung oder andere therapeutische Ansätze umfassen kann. Die Notwendigkeit einer Gesprächstherapie ergibt sich häufig aus der Schwierigkeit, normale Alltagsaktivitäten aufrechtzuerhalten, oder wenn die Lebensqualität durch psychische Belastungen erheblich beeinträchtigt ist. Fachleute empfehlen eine Gesprächstherapie, wenn der Leidensdruck so groß ist, dass er die Fähigkeit, normale Lebensaufgaben zu bewältigen, stark beeinträchtigt.
Vorteile & Nutzen
Eine Gesprächstherapie bietet mehrere einzigartige Vorteile gegenüber anderen Behandlungs- und Untersuchungsmethoden. Einer der Hauptvorteile ist der Fokus auf das individuelle Erleben und die subjektive Realität des Klienten. Dies ermöglicht eine maßgeschneiderte Behandlung, die auf die spezifischen Bedürfnisse und Herausforderungen des Einzelnen eingeht. Im Gegensatz zu medikamentösen Therapien, die Symptome biochemisch behandeln, adressiert die Gesprächstherapie die zugrunde liegenden emotionalen und psychologischen Ursachen von Problemen.
Ein weiterer Vorteil ist die Förderung der Selbstreflexion und des persönlichen Wachstums. Durch den therapeutischen Dialog können Klienten Einsicht in ihre Gedanken- und Verhaltensmuster gewinnen und neue, gesündere Strategien entwickeln. Dieser Prozess der Selbsterkenntnis und Veränderung kann langfristige positive Auswirkungen haben, die über die unmittelbare Linderung von Symptomen hinausgehen.
Zudem bietet die Gesprächstherapie eine sichere und unterstützende Umgebung, in der Klienten offen über ihre Gefühle und Erfahrungen sprechen können, ohne Angst vor Verurteilung. Dies kann besonders wertvoll sein, wenn soziale Unterstützung im Alltag fehlt oder unzureichend ist.
Die Gesprächstherapie ist außerdem oft flexibler und anpassungsfähiger als andere Methoden, da sie auf verschiedene Weisen und mit unterschiedlichen theoretischen Ansätzen durchgeführt werden kann. Dies ermöglicht eine Anpassung an die individuelle Persönlichkeit und Problematik des Klienten, was die Effektivität der Behandlung erhöhen kann.
Funktion, Wirkung & Ziele
Die Gesprächstherapie findet bei vielen psychischen Erkrankungen Einsatz. Ob als alleinige Methode oder in Kombination mit anderen Therapieverfahren und/oder medikamentöser Behandlung.
In der Gesprächstherapie wird davon ausgegangen, dass jeder Mensch eine Drang zur Selbstverwirklichung hat und die dafür nötigen Ressourcen bereits in sich trägt. Im Normalfall ist ein gesunder Mensch leistungsstark, sein Denken und Handeln zielgerichtet und bewusst. Gestörte Abläufe und Beeinträchtigungen gründen somit auf falschen Lernprozessen und blockieren die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung. Mithilfe der Gesprächstherapie sollen diese Blockaden vom Patienten erkannt und gelöst werden.
Die Gesprächstherapie scheint sich auf den ersten Blick auf das Erlebte zu konzentrieren. Im Gesprächsverlauf geht es aber vorrangig darum, wie der Klient das traumatische Ereignis erlebt hat, welche Emotionen eine Rolle spielten und welche Schlüsse er daraus zog. Durch die Aufarbeitung soll der Klient von selbst neue Einsichten gewinnen und somit das Erlebte neu bewerten können.
Folglich wird er durch diese gewonnene Einsicht auch sein Verhalten verändern. In der Gesprächstherapie geht es nicht um eine konkrete Zielsetzung. Durch das Gespräch entwickelt sich automatisch ein Verlauf. Der Therapeut überlässt diesen Verlauf weitestgehend dem Patienten und schafft die Rahmenbedingungen, die es dem Klienten möglich machen, von selbst über Erlebtes und über Probleme zu sprechen, Einsichten selbst zu gewinnen und sein Handeln in Frage zu stellen.
Der Gesprächstherapeut tritt empathisch und authentisch auf und nimmt den Betroffenen mit seinem Gefühlsleben ernst, ohne ihn zu bewerten. Der Kern der Gesprächstherapie beruht auf der gegenseitigen Akzeptanz und der Wertschätzung des Klienten. Ein Mensch, der sich nicht beurteilt fühlt und sich keine Gedanken über eine mögliche Wertung machen muss, ist eher bereit über sich und seine möglichen Fehler zu sprechen. Somit ist die Basis zur Veränderung geschaffen.
Durchführung & Ablauf
Eine Gesprächstherapie beginnt in der Regel mit einem Erstgespräch, bei dem der Therapeut und der Klient sich kennenlernen und die Rahmenbedingungen der Therapie besprechen. In diesem ersten Treffen werden häufig die aktuellen Probleme, die Erwartungen an die Therapie und die Ziele erörtert. Der Therapeut erläutert seine Arbeitsweise und klärt organisatorische Aspekte wie die Häufigkeit der Sitzungen, Dauer und Kosten.
Im weiteren Verlauf besteht eine typische Sitzung aus einem Dialog zwischen dem Klienten und dem Therapeuten. Der Klient wird ermutigt, offen über seine Gedanken, Gefühle und Erfahrungen zu sprechen. Der Therapeut hört aktiv zu, stellt Fragen und gibt gegebenenfalls Rückmeldungen, um das Verständnis des Klienten zu vertiefen. Dabei wird ein sicherer, vertrauensvoller Raum geschaffen, in dem der Klient frei über persönliche Themen sprechen kann.
Der Therapeut nutzt verschiedene Techniken, abhängig vom gewählten therapeutischen Ansatz. In der kognitiven Verhaltenstherapie könnten beispielsweise negative Denkmuster identifiziert und herausgefordert werden. In einer personenzentrierten Therapie könnte der Fokus stärker auf dem Ausdruck von Gefühlen und der Selbstakzeptanz liegen.
Zwischen den Sitzungen können Klienten oft an Aufgaben oder Reflexionen arbeiten, die ihnen helfen, das Besprochene zu vertiefen und im Alltag anzuwenden. Der Verlauf der Therapie wird regelmäßig reflektiert und gegebenenfalls angepasst, um die Therapieziele zu erreichen. Die Dauer der Therapie variiert, abhängig von den individuellen Bedürfnissen und dem Fortschritt.
Kritik & Gefahren
Es gibt keine ausreichenden Risikoforschungen im Bereich der Gesprächstherapie. Durch ihre klientenzentrierte Arbeitsweise und der größtmöglichen Akzeptanz des Klienten genügt sie weitreichend den ethischen Ansprüchen.
Gefahren und Risiken bestehen daher vorwiegend durch den Patienten und seine Persönlichkeitsstruktur sowie den Therapeuten betreffend. Ein Klient, welcher mit Weiterentwicklung und Veränderung nicht offen ist, wird kaum Erfolge verzeichnen können.
Ein Therapeut, welcher nicht empathisch und authentisch reagiert und den Gesprächsverlauf in negativer Weise dominiert kann nicht nur die Therapie zum Scheitern bringen, sondern gerade bei stark verunsicherten Klienten weitere schwerwiegende psychische Schäden verursachen.
Es ist daher ratsam, die Wahl des passenden Therapeuten sorgfältig zu treffen. Da es mittlerweile viele verschiedene Richtungen der Gesprächstherapie gibt, sollte eine entsprechende Vorauswahl getroffen werden. Bei schwerwiegenden Traumata empfiehlt sich beispielsweise eine Gesprächstherapie mit Spezialisierung im Bereich der Traumatherapie. So sind schon von Anfang an wichtige Faktoren für ein Gelingen der Gesprächstherapie gelegt.
Alternativen
Alternative Verfahren zur Gesprächstherapie umfassen eine Vielzahl von Ansätzen, die auf unterschiedliche Weise psychische Gesundheit und Wohlbefinden fördern. Eine gängige Alternative ist die medikamentöse Therapie, die insbesondere bei schwerwiegenden psychischen Störungen wie Depressionen, Angststörungen oder Schizophrenie eingesetzt wird. Medikamente können Symptome lindern und das psychische Gleichgewicht wiederherstellen, insbesondere wenn eine direkte Kommunikation mit einem Therapeuten nicht möglich ist.
Eine weitere Option sind kreative Therapien wie Kunst-, Musik- oder Tanztherapie. Diese Ansätze bieten Patienten, die Schwierigkeiten haben, ihre Gefühle verbal auszudrücken, die Möglichkeit, ihre Emotionen auf nicht-verbale Weise zu verarbeiten und zu kommunizieren. Sie können besonders hilfreich bei traumatisierten Personen oder bei Kindern sein, die sich in einer konventionellen Gesprächstherapie nicht wohlfühlen.
Körperorientierte Therapien, wie z.B. Körperpsychotherapie oder Bioenergetik, fokussieren sich auf die Verbindung zwischen Körper und Geist. Durch Techniken wie Atemübungen, Bewegung und körperliche Wahrnehmung können emotionale Blockaden gelöst und Stress abgebaut werden.
Achtsamkeitsbasierte Ansätze wie die Mindfulness-Based Stress Reduction (MBSR) oder Mindfulness-Based Cognitive Therapy (MBCT) helfen Patienten, durch Achtsamkeitsübungen und Meditation eine bessere Selbstwahrnehmung und emotionale Regulierung zu entwickeln. Diese Methoden sind besonders nützlich für Menschen, die durch Stress, Angst oder chronische Schmerzen belastet sind.
Teletherapie oder Online-Therapie bietet eine weitere Alternative, insbesondere für Menschen, die aufgrund von geografischer Entfernung, Mobilitätseinschränkungen oder zeitlichen Problemen nicht persönlich zu einer Gesprächstherapie gehen können.
Quellen
- Lieb, K., Frauenknecht, S., Brunnhuber, S.: Intensivkurs Psychiatrie und Psychotherapie. Urban & Fischer, München 2015
- Möller, H.-J.: Therapie psychischer Erkrankungen. Thieme, Stuttgart 2006
- Schneider, F.: Facharztwissen Psychiatrie und Psychotherapie. Springer, Berlin 2012