Hirnstammaudiometrie

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Bei der nicht-invasiven Hirnstammaudiometrie führt der Neurologe oder Hals-Nasen-Ohren-Arzt unter auditiver Stimulation eine objektive Gehörleistungsmessung anhand von Impulsen der Höhrnervbahnen durch, die sich bis in den mittleren Hirnstamm verfolgen lassen.

Dieses Verfahren ist eines der wenigen Verfahren zur objektiven Beurteilung der Gehörleistung, das auch an Kleinkindern oder anderweitig unwilligen Patienten durchgeführt werden kann. Einsatz findet die Prüfmethode insbesondere zur Differentialdignostik von cochleären und retrochleären Schädigungen des Gehörs, im Begutachtungswesen und als Teil der ERA, eines Gehörscreenings bei Neugeborenen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Hirnstammaudiometrie?

Bei der nicht-invasiven Hirnstammaudiometrie führt der Neurologe oder Hals-Nasen-Ohren-Arzt unter auditiver Stimulation eine objektive Gehörleistungsmessung anhand von Impulsen der Höhrnervbahnen durch, die sich bis in den mittleren Hirnstamm verfolgen lassen.

Die Hirnstammaudiometrie ist auch unter dem Begriff BERA (brainstem evoked response audiometry)bekannt und ist ein nicht-invasives Verfahren zur Gehörprüfung. Es handelt sich um eine neurologische und HNO-heilkundige Untersuchungsmethode, die vor allem bei der Differentialdiagnose von Hörstörungen helfen soll.

Prinzipiell findet bei dem Verfahren unter akustischer Stimulation eine Messung der Hirnströme zur Beurteilung der objektiven Hörfähigkeit statt. Die Impulse der Höhrnervenbahnen werden durch eine gezielte Reizübertragung bis in den mittleren Hirnstamm verfolgt und als einzelne Wellen registriert und aufgezeichnet. Die Auswertung der Messdaten bezieht sich auf die Latenzzeit der Wellen, die unter Umständen Aufschluss über den Ursprung einer Gehörschädigung geben kann. Die aufgezeichneten Daten einer Hirnstmmaudiometrie dienen daher meist der Differentialdiagnostik bei Hörstörungen, können aber auch während eines allgemeinen Gehörscreenings erhoben werden.

Funktion, Wirkung & Ziele

Der Hals-Nasen-Ohrenarzt oder Neurologe setzt die Hirnstammaudiometrie in erster Linie zur Differentialdiagnostik ein. Eine gestörte Hörfunktion, die sich an gestörten Hirnströmen erkennen lässt, könnte beispielsweise auf eine Gehörschädigung durch Multiple Sklerose oder ein Geschwulst am Hörnerv hinweisen.

Die häufigsten Tumore dieser Art sind zum Beispiel das Akustikusneurinom und der Kleinhirnbrückenwinkeltumor. Differentialdiagnostisch lässt sich über BERA so also vor allem zwischen cochleären und retrochleären Schädigungen des Gehörs unterscheiden. Ein anderer Einsatzbereich für das objektive Prüfverfahren ist das Begutachtungswesen. Hörschwellen lassen sich mit BERA gänzlich ohne Mithilfe des Patienten erkennen und können so auch für Kinder ermittelt werden, die sich gegen die Prüfung zur Wehr setzen.

Sogar das Gehörscreening bei Neugeborenen kann damit über die Hirnstammaudiometrie erfolgen. Das Grundprinzip des BERA ist letztlich immer die grafische Darstellung elektrischer Potentiale in Wellenform. Fünf bis sechs Wellen werden während der Prüfung aufgezeichnet. Zu dieser Aufzeichnung kommt es ausschließlich bei erfolgreicher Verarbeitung von akustischen Reizen. Die dargestellten Potentiale veranschaulichen so eine normale oder gestörte Aktivität der Hörbahn. Die Elektroenzephalografie (EEG) leitet die Potentiale bei akustischer Stimulation mit einer Latenzzeit von größer oder gleich 10 ms zwischen der Scheitelmitte und dem Mastoidzur ab.

Dafür werden dem Patienten drei Klebeelektroden auf dem Kopf befestigt. Er trägt je eine Elektrode beidseits hinter dem Ohr sowie eine Neutralelektrode auf der Stirnmitte. Die akustische Stimulation erfolgt mittels Klicks, die über einen Kopfhörer in regelmäßigen Abständen von 20 Sekunden gegeben werden. Über die Elektroden wird das Antwortpotential abgeleitet und aufsummiert, während andere EEG-Signale herausgefiltert werden. Dargestellt wird so letztlich nur die Antwort des Hirnstamms auf die akustischen Klick-Signale.

Die Wellen I, III und V lassen sich meist deutlich erkennen und eignen sich so zur Ermittelung einer Absolut-Latenz zu einem akustischen Reiz. Zusätzlich wird eine sogenannte Inter-Peak-Latenz erhoben. Dabei handelt es sich um eine Latenzdifferenz zwischen mehreren Wellen, die Aufschluss über retrokochleäre Prozesse geben kann. Einen Hinweis auf retrochleäre Schädigungen durch MS oder Tumore geben bei Erwachsenen zum Beispiel Inter-Peak-Latenzen mit Latenzzeiten von größer oder gleich 4,4 ms in den Wellen I bis V. Für Kleinkinder gilt im Allgemeinen eine verzögerte Latenzzeit als Norm.

Risiken, Nebenwirkungen & Gefahren

Da BERA keine Mithilfe des Patienten erfordert und sogar im narkotisierten Zustand erfolgen kann, ist dieses Verfahren eines von wenigen Gehörmessungsverfahren, die auch bei unwilligen Patienten wie Kindern durchgeführt werden können.

Oft kommt das BERA auch als einer von drei Bestandteilen des ERA (Evoked response audiometry) zum Einsatz und wird von ECochG und CERA vervollständigt. Während ersteres Verfahren die Potentiale der Schnecke und Hörnerven misst, erfasst das letztere die Potentiale der Hirnrinde. Bei einem umfangreichen Gehörscreening werden so mit ECochG, CERA und BERA alle gehörrelevanten Potentiale erhoben. Für Erwachsene ist eine Hirnstammaudiometrie meist mit keinerlei Zusatzvorkehrungen verbunden.

Vor der Messung muss der Patient allerdings an einem umfangreichen Aufklärungsgespräch teilnehmen, das die Richtigkeit der Messungen sicherstellen soll. In diesem Gespräch erhalten Patienten daher genaue Verhaltensregeln für den Zeitraum der Messung. Wenn sie zum Beispiel nicht entspannt liegen oder sich vermehrt bewegen, dann kann das die Ergebnisse deutlich verfälschen. Neugeborene und Kinder müssen für die Messung meist in Narkose gelegt werden, da sie sich selten gänzlich ruhig verhalten.

Auch anderweitig unwillige Patienten werden narkotisiert. Komplikationen sind im Regelfall nicht zu erwarten. Bei Narkotisierungen während der Messung besteht allerdings immer ein Risiko, da die Narkose an sich leicht risikobehaftet ist. Nach der Messung sind keine speziellen Vorkehrungen zu treffen und der Patient kann wieder nachhause gehen. Je nach Auswertungsbefund können in den Folgewochen allerdings weitere, diagnostische Verfahren angezeigt sein, die eine mögliche Diagnose weiter sichern oder ausschließen.


Quellen

  • Grehl, H., Reinhardt, F.: Checkliste Neurologie. Thieme, Stuttgart 2012
  • Klingelhöfer, J., Berthele, A.: Klinikleitfaden Neurologie. Urban & Fischer, München 2009
  • Poeck, K., Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010

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