Hypochondrogenesie
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. November 2021Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Die Hypochondrogenesie ist eine sehr selten auftretende Erbkrankheit, die sich durch vielgestaltige Missformungen des menschlichen Skelettes äußert. Bislang sind nur wenige Fälle bekannt. Beschrieben wurde sie zuerst 1921. Die Mediziner brachten sie in Verbindung zum Zwergwuchs. Danach erhielt die Hypochondrogenesie nur wenig Aufmerksamkeit in der medizinischen Literatur und Forschung. 1977 wurde die Krankheit neu definiert und von der Achondrogenesie abgegrenzt, deren Träger keine Lebensfähigkeit besitzen. Da die Überlebenschancen von Neugeborenen nur sehr gering sind, wird sie als letal bezeichnet.
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Was ist eine Hypochondrogenesie?
Hypochondrogenesie wird autosomal-dominant vererbt. Die mutierten Gene stammen entweder von der Mutter oder vom Vater. Da ein Gen immer zweifach vorhanden ist -eines stammt von der Mutter, eines vom Vater, werden mutierte Gene in der Regel durch das andere, gesunde Gen, inaktiviert. Bei der Hypochondrogenesie ist allerdings das kranke Gen dominant und schaltet das gesunde aus (autosomal).
Damit wird die Krankheit vollständig ausgeprägt. Sie wird zusammen mit weiteren Krankheiten ähnlichen Typs als Kollagen-II-Krankheit bezeichnet. Bei der Hypochondrogenesie fällt ein wichtiges Gen aus, so dass die Knochenbildung gestört ist. Die meisten Kinder, die an Hypochondrogenesie leiden, sterben sehr früh; viele werden bereits tot geboren oder ersticken nach der Geburt.
Allerdings ist dies ein statistischer Trugschluss, denn überlebende Kinder werden als Träger der Kongenitalen Spondyloepiphysären Dysplasie bezeichnet, einer Krankheit, die starke Ähnlichkeit mit der Hypochondrogenesie besitzt.
Ursachen
Die genetische Information wird ausgelesen, ist aber fehlerhaft. Das so produzierte Kollagen-Molekül ist nicht in der Lage, die normalen Aufgaben eines Kollagens wahrzunehmen. Die Zellen verbauen es zwar in die wachsenden Knochen, aber das Kollagen-Molekül kann den inneren und äußeren Zusammenhalt der Knochen nicht gewährleisten.
Es kommt zu staken Missbildungen im gesamten Skelettaufbau des Menschen. Kinder mit dieser Krankheit sind nicht oder nur sehr gering lebensfähig. Aufgrund des gestörten Skelettverlaufs können viele Kinder nicht richtig atmen und versterben kurz nach der Geburt.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Kollagen II ist maßgeblich am Aufbau der Knochen beteiligt. Durch die Störung des Kollagens werden die Knochen deformiert. Kollagen II ist ein Protein, das die Knochen miteinander verwachsen lässt und ihnen Stabilität gibt. Ohne dieses Protein zerfließen die Knochen regelrecht.
Ohne eine Stabilisierung des Körpers durch das Skelett ist ein Mensch nicht lebensfähig. Die Hypochondrogenesie äußert sich durch sehr kurze Extremitäten und einen verkürzten Rumpf. Der Brustkorb ist missgestaltet und die Rippen sehr verkürzt. Die Wirbelsäule ist vollkommen deformiert und kann ihre Aufgaben nicht erfüllen. Der Kopf erscheint im Gegensatz dazu überproportional groß.
Das Gesicht ist abgeflacht, aus dem die Augen stark hervortreten. Der Bauchbereich ist extrem verwölbt, was auf einen Fehler in der Wasserregulierung hinweist. Einige Totgeburten zeigten auch weitere Missgestaltungen an inneren Organen. Mediziner sind sich nicht einig, welche Relevanz diese besitzen.
Diagnose & Krankheitsverlauf
Die Diagnose auf Hypochondrogenesie kann bereits im Mutterleib erfolgen. Bei Schwangerschaftsuntersuchungen entnimmt der Arzt der Mutter Fruchtwasser. Dies wird im Labor untersucht. Bei positiven Befunden erfolgt eine Beratung der Eltern.
Inwiefern eine Abtreibung in Frage kommt ist medizinisch nicht relevant, sondern müssen die Eltern im Rahmen der juristischen Möglichkeiten klären. Die Lebensfähigkeit von Föten mit Hypochrogenesie ist sehr gering. Die meisten Kinder mit diesen Symptomen werden tot geboren. Nur wenige Kinder kommen lebend zur Welt, versterben allerdings während der ersten Lebensjahre.
Bei einer fortgeschritteneren Schwangerschaft kann der Arzt die Diagnose mittels Ultraschall im Mutterleib stellen. Er untersucht dabei die Entwicklung der Skelettstruktur des Embryos. Weist diese Anomalien auf, kann er genetische Untersuchungen veranlassen.
Komplikationen
Falls der Betroffene direkt ohne Stabilisierung des Skelettes auf die Welt kommt, kann dieser nicht überleben und stirbt. Weiterhin kommt es nicht selten zu Totgeburten. Der Kopf der Patienten ist mitunter größer als bei gewöhnlichen Babys und auch die inneren Organe sind deformiert. Durch den Tod des Kindes kommt es in den meisten Fällen zu starken psychischen Beschwerden und Komplikationen.
Die Patienten leiden an Depressionen, wobei auch die Partner in der Regel betroffen sind. Falls es zu einer frühzeitigen Diagnose kommt, kann auch eine Abtreibung in Erwägung gezogen werden, wenn dies von den Eltern erwünscht ist. Die Lebenserwartung der Mutter wird durch die Hypochondrogenesie in der Regel nicht beeinflusst. Weiterhin treten auch keine besonderen Komplikationen für die Mutter ein.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Da es bei der Hypochondrogenesie nicht zu einer Selbstheilung und in den meisten Fällen zu einer Verschlechterung der Beschwerden kommt, muss bei dieser Erkrankung in jedem Fall ein Arzt aufgesucht werden. Dadurch können weitere Komplikationen vermieden werden. Je früher der Arzt aufgesucht wird, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit einer Heilung. Der Betroffene sollte dann einen Arzt aufsuchen, wenn es beim Kind zu Störungen des Wachstums und zu einem eingeschränkten Knochenbau kommt. Die Knochen verwachsen dabei häufig miteinander, sodass es zu Bewegungseinschränkungen und in vielen Fällen auch zu starken Schmerzen kommen kann.
Ebenfalls können sehr kurze Extremitäten auf die Hypochondrogenesie hindeuten und sollten von einem Arzt immer untersucht werden. Die Hypochondrogenesie kann in einigen Fällen auch zu einer Totgeburt führen. Falls die Krankheit schon vor der Geburt diagnostiziert wird, kann eine Abtreibung stattfinden. Da die Erkrankung in vielen Fällen auch zu psychischen Beschwerden bei der Mutter oder bei den Eltern führen kann, ist ein Besuch bei einem Psychologen ratsam.
Behandlung & Therapie
Bei einer genetisch bedingten Krankheit sind Therapien bislang nicht möglich. Eine Therapie müsste einerseits bei den Eltern beziehungsweise dem Träger des autosomal-dominanten Gens anfangen, andererseits aber auch beim Fötus im Mutterleib. Mediziner versuchen eine Gentherapie zu entwickeln, bei der mutierte Gene durch gesunde ersetzt werden, aber diese Methode ist bislang lediglich in der Versuchsphase.
Ob sie in naher Zukunft eine Anwendung finden wird, bleibt abzuwarten. Die Entwicklung des Fötus und Embryos im Mutterleib kann war von außen durch Zugabe von wichtigen Vitaminen und Proteinen gesteuert werden, aber Kollagen II wird ausschließlich in der Zelle durch das fehlerhafte Gen selber hergestellt. Ein Zuführen und Verarbeiten von künstlichem Kollagen II (wie zum Beispiel Insulin bei Diabetes) ist nicht möglich.
Vorbeugung
Da es sich um eine genetische Veränderung handelt, gibt es keine Vorbeugung für diese Krankheit. Bei Schwangerschaftsuntersuchungen werden die Gene der Eltern jedoch auf Mutationen untersucht. Wird eine Veränderung festgestellt, informiert der Arzt die Eltern. Solche Genuntersuchungen können jedoch auch außerhalb der Schwangerschaft vorgenommen werden.
Dies gibt Eltern die Möglichkeit zu diskutieren, inwiefern sie eine Risikoschwangerschaft eingehen wollen. Genetiker, aber auch Ärzte beraten Risikoeltern intensiv und klären sie über alle möglichen Störungen auf. Möglicherweise kommen hier auch Alternativen zu einer eigenen Schwangerschaft in Betracht wie Adoption oder künstliche Befruchtung.
Nachsorge
Gegen die Erbkrankheit Hypochondrogenesie gibt es keine eindeutigen Vorbeugungs- und Nachsorge-Maßnahmen. Im Zusammenhang mit einer Schwangerschaftsuntersuchung prüft der Arzt die Gene der Elternteile jedoch auf eventuelle Mutationen. Bei einer Veränderung erfolgt sofort eine umfassende Information der Eltern. Diese können anschließend überlegen, ob sie eine solche Risikoschwangerschaft eingehen möchten oder nicht.
Durch die intensive Beratung von Ärzten und Genetikern erfahren die betroffenen Eltern alle wichtigen Fakten zu der Krankheit und den damit einhergehenden Störungen. Eventuell kommt dabei eine Alternative wie künstliche Befruchtung oder Adoption zur Sprache. Gezielte Selbsthilfe für die Betroffenen ist grundsätzlich nicht vorhanden.
In der Schwangerschaft ist es möglich, die Entwicklung des Fötus gezielt zu steuern. Das gelingt mit Protein- und Vitamin-Zugaben. Eine Heilung der Erbkrankheit ist jedoch nicht möglich. Da die erkrankten Kinder häufig tot zur Welt kommen, denken die Eltern über eine Abtreibung nach. Die damit einhergehenden Verstimmungen und Beschwerden können Depressionen auslösen.
Darum ist die psychotherapeutische Begleitung sehr wichtig. Die Kontaktaufnahme mit anderen Eltern hilft dabei, die Situation zu bewältigen und die Trauer zu verarbeiten. Um ein erneutes Auftreten der Krankheit zu verhindern, sollten die Betroffenen eine umfassende genetische Beratung wahrnehmen, wenn sie eine weitere Schwangerschaft planen.
Das können Sie selbst tun
Während der Schwangerschaft kann die Entwicklung des Kindes eingeschränkt durch die Zugabe von Proteinen und Vitaminen gesteuert werden, wobei eine vollständige Heilung der Krankheit dadurch nicht erreicht wird. Die Kinder werden in vielen Fällen schon tot geboren, sodass für Eltern eventuell auch eine Abtreibung in Frage kommt.
Weiterhin kann die Hypochondrogenesie bei den Eltern und den Angehörigen zu starken psychischen Beschwerden oder zu Depressionen führen. Aus diesem Grund sollte bei der Erkrankung immer eine psychologische Beratung und Behandlung durch einen Psychologen durchgeführt werden. Auch der Kontakt mit anderen Betroffenen kann dabei Fragen beantworten und mögliche psychische Verstimmungen lösen. Vor einer weiteren Schwangerschaft sollte eine genetische Beratung durchgeführt werden, um das erneute Auftreten der Hypochondrogenesie zu vermeiden.
Quellen
- Breusch, S., Clarius, M., Mau, H., Sabo, D. (Hrsg.): Klinikleitfaden Orthopädie, Unfallchirurgie. Urban & Fischer, München 2013
- Rath, W., Gembruch, U., Schmidt, S. (Hrsg.): Geburtshilfe und Perinatologie: Pränataldiagnostik - Erkrankungen - Entbindung. Thieme, Stuttgart 2010
- Wassermann, K., Rohde, A.: Pränataldiagnostik und psychosoziale Beratung. Schattauer, Stuttgart 2009