Karsch-Neugebauer-Syndrom
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. November 2021Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Symptomatisch für das Karsch-Neugebauer-Syndrom sind vor allen Dingen Deformationen an Händen und Füßen. Weiter ist ein unkontrollierbares Augenzittern und heftiges Schielen typisch. Alle Therapiemöglichkeiten richten sich in erster Linie nach den Symptomen und die Behandlung beginnt sofort nach der Geburt.
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Was ist das Karsch-Neugebauer-Syndrom?
Bei dem Karsch-Neugebauer-Syndrom handelt es sich um eine sehr seltene Erbkrankheit. Sie wurde erstmals im Jahr 1936 von einem Augenarzt beschrieben. Danach war es ein Wiener Orthopäde, der 1962 noch einmal darauf einging.
Er beobachtete eine Familie während mehrerer Generationen und konnte so umfassende Kenntnisse sammeln. Die Namen der beiden Experten sind J. Karsch und H. Neugebauer. Sie waren also nicht nur Forscher sondern auch Namensgeber. Die Krankheit wird autosomal dominant vererbt.
Das heißt, dass hier schon ein defektes Gen genügt, um das Karsch-Neugebauer-Syndrom zu übertragen. Träger des kranken Gens kann sowohl Vater als auch Mutter sein. Es ist nicht zwingend, dass die nächsten Nachkommen ebenfalls erkranken. Oft sind es erst die Enkel oder Urenkel, die das Karsch-Neugebauer-Syndrom vererben.
Ursachen
Ein ähnliches Bild zeigt sich beim Berndorfer-Syndrom. Auch die Krankheit ist autosomal dominant und wird durch Deformationen der Oberlippe und Händen und Füßen gekennzeichnet.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Schon vor dem ersten Schrei des Neugeborenen ist die Behinderung zu erkennen. Extremitätsdefekte in Form von Spalten an Händen und Füßen oder Fingerkontrakturen sind dabei eindeutig. Das Fehlen einzelner oder sämtlicher Finger ist ebenfalls denkbar. Mit fortschreitendem Alter werden zudem Symptome am Auge sichtbar.
Sie zeigen sich unter anderem im Nystagmus. Dabei handelt es sich um unkontrollierbare, regelmäßig wiederkehrende Bewegungen der Augen. Die hier beteiligten Muskeln können nur eingeschränkt oder gar nicht fixieren und der Augapfel befindet sich in dauernder und anormaler Bewegung. Durch die Spalten in Händen und Füßen ist ein normaler Gebrauch der Extremitäten nicht möglich.
Eine Spalthand kann durch das Fehlen eines oder mehrerer Finger zu unterschiedlichen Funktionseinschränkungen führen. Fehlt der Mittelfinger, so ist das Greifen trotzdem möglich. Ist dagegen nur ein Finger vorhanden, kann die Hand keinerlei Funktion erfüllen. Auch beim Spaltfuß ist die Aufgabe der Extremität stark eingeschränkt oder unbrauchbar.
Nicht nur die Tatsache, dass einzelne Zehen fehlen, sondern in den meisten Fällen sind sie so mit dem Fuß verwachsen, dass ihr Vorhandensein kaum erkennbar ist. Säuglinge, die keine Hilfsmittel haben und nicht früh therapiert werden, können das Laufen nicht lernen. Auch Stehen wird für sie zu einem Problem.
Diagnose & Krankheitsverlauf
Der Befund von deformierten Händen und Füßen ist sofort nach der Geburt eindeutig. Der Säugling kommt mit massiven Behinderungen auf die Welt. Nicht selten sind die Eltern darauf nicht vorbereitet.
In einigen Fällen sind die Entstellungen bereits im Ultraschall zu sehen. Dann haben die Eltern die Möglichkeit, einen Schwangerschaftsabbruch vorzunehmen. Das ist eine schwere Entscheidung und die Betroffenen müssen von einfühlsamen Experten begleitet werden. Das Karsch-Neugebauer-Syndrom zeigt nicht nur Deformierungen an Händen und Füßen.
Oft sind auch die Augen betroffen. Ihre Muskeln stehen dann nicht zueinander im Gleichgewicht. Erkrankte können dann nicht normal fixieren und sind stark beeinträchtigt. Das Symptom lässt sich mit Hilfsmitteln, wie speziellen Brillen und/oder Augenklappen reduzieren. Beim Nystangismus wird die Behinderung durch dauerndes nicht kontrollierbares Blinzeln sichtbar.
Komplikationen
Nicht selten besitzen die Betroffenen eine sogenannte Spalthand. Mit dieser können verschiedene Bewegungen aus dem Alltag nicht mehr richtig durchgeführt werden, sodass die Hand vollständig unbrauchbar wird. Ebenso können Zehen oder Finger fehlen. Durch die Fehlbildungen leiden vor allem Kinder an Hänseleien und an Mobbing, wodurch es zu psychischen Beschwerden kommen kann. Ebenso ist die Entwicklung des Kindes durch diese Symptome stark eingeschränkt und verzögert.
Sollte das Karsch-Neugebauer-Syndrom schon vor der Geburt diagnostiziert werden, können die Betroffenen sich überlegen, ob sie die Schwangerschaft vorzeitig abbrechen wollen. Dabei kommt es nicht selten zu einer psychischen Belastung der Eltern, die eventuell einer Behandlung bedarf. Die Beschwerden können nach der Geburt mit Hilfe von operativen Eingriffen und Therapien eingeschränkt werden. Die Lebenserwartung wird durch das Karsch-Neugebauer-Syndrom in der Regel nicht verringert.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Eine schwangere Frau sollte an allen Kontrolluntersuchungen während der Schwangerschaft teilnehmen. In bildgebenden Verfahren sind oftmals bereits in den ersten Wochen der Schwangerschaft optische Veränderungen wie bei dem Karsch-Neugebauer-Syndrom erkennbar. Wünschen die Eltern aufgrund der Diagnose einen Schwangerschaftsabbruch, ist die Teilnahme an weiteren Kontrollen und Beratungsgesprächen notwendig.
Wird die Erkrankung nicht während des Schwangerschaftsverlaufs bemerkt oder entscheiden sich die Eltern gegen eine Abtreibung des Kindes, sind spätestens unmittelbar nach der Geburt die Verformungen und Deformierungen des Neugeborenen am gesamten Körper ersichtlich. Bei einer stationären Geburt übernehmen die Geburtshelfer und Kinderärzte die weiteren notwendigen Schritte. Findet eine Hausgeburt ohne die Anwesenheit einer Hebamme statt, ist unmittelbar nach der Niederkunft ein Arztbesuch notwendig. Ratsam ist jedoch die Kontaktaufnahme zu einem Notarzt, damit schnellstmöglich eine medizinische Versorgung von Mutter und Kind gewährleistet ist.
Das Karsch-Neugebauer-Syndrom ist von derart starken optischen Besonderheiten geprägt, dass Hände, Füße oder das gesamte Skelettsystem betroffen sind. Oftmals weisen bereits die Augen des Neugeborenen auf das Vorliegen einer schwerwiegenden Erkrankung hin. Ein Arztbesuch ist unverzüglich notwendig, damit eine optimale Therapiemöglichkeit eingeleitet werden kann. Zudem müssen die Eltern in vielen Fällen psychologisch betreut werden. Kommt es daher zu emotionalen oder seelischen Problemen der Mutter des Kindes, wird ein Arzt benötigt.
Behandlung & Therapie
Die Behandlung des Karsch-Neugebauer-Syndroms besteht in erster Linie darin, die Symptome zu mildern. Daher wird auch sofort nach der Geburt mit Krankengymnastik begonnen. Kontrakturen werden so vermieden und die normale Durchblutung von Armen und Beinen gefördert.
Kinder lernen, dass sie, obwohl ein oder mehrere Finger fehlen, Gegenstände in ihren Händen halten können. Der Besuch eines Orthopäden ist wichtig und sollte ebenfalls in den ersten Lebenswochen erfolgen. Gemeinsam mit den Eltern wird er Hilfsmittel verordnen, die dem Kind den Gebrauch seiner Füße ermöglichen. Später können die Betroffenen auch mit Handprothesen versorgt werden.
Je nach Ausprägung der Entstellung ist auch möglich, dass Finger oder Zehen operativ aufgebaut werden. Die Einschränkung der Sehkraft lässt sich in einigen Fällen durch Augenmuskeloperationen ebenfalls verbessern. Bei allen Eingriffen wird berücksichtigt, wie schwer das Karsch-Neugebauer-Syndrom ausgeprägt ist. Eine allgemeingültige Therapie gibt es also nicht.
Aussicht & Prognose
Die Prognose des Karsch-Neugebauer-Syndroms ist ungünstig. Die Erkrankung kann trotz fortschrittlicher medizinischer Möglichkeiten unter den aktuellen Gegebenheiten nicht geheilt werden. Die Ursache des Syndroms ist ein Gendefekt. Rechtliche Vorgaben untersagen es jedoch Wissenschaftlern und Forschern, die Genetik des Menschen zu verändern. Deshalb konzentrieren sich die Mediziner auf die Behandlung der Symptome des Patienten.
Da die Erkrankung mit starken Deformierungen des Skelettsystems verbunden ist, werden operative Verfahren zur Verbesserung der Bewegungsmöglichkeiten angewendet. Zudem gibt es Therapieansätze, die eine Stärkung des Sehvermögens beinhalten. Ziel der Behandlung ist keine Genesung sondern eine Optimierung der Lebensqualität. Nicht immer gelingt es, die Sehkraft an die eines gesunden Menschen anzugleichen. Darüber hinaus ist mit optischen Makeln trotz der Eingriffe zu rechnen. Die krankengymnastischen Übungen werden bereits unmittelbar nach der Geburt verschrieben und angewendet. Je stärker die Deformierungen sind und je später eine physiotherapeutische Behandlung stattfindet, desto ungünstiger ist der weitere Krankheitsverlauf.
Aufgrund der optischen Auffälligkeiten sowie gesundheitlichen Einschränkungen, kann es zu Folgeerkrankungen kommen. Die operativen Eingriffe sind ebenfalls mit Risiken verbunden. Die Betroffenen sind emotionalen Belastungen ausgesetzt, die in einigen Fällen zu einer zusätzlichen psychischen Erkrankung führen. In der Prognosestellung ist der gesundheitliche Gesamtzustand des Patienten zu berücksichtigen.
Vorbeugung
Vorbeugende Maßnahmen sind nicht vorhanden. Tritt in der Familie diese Erkrankung auf, sollte sich jeder einer genauen Untersuchung unterziehen. Das gilt vor allen Dingen für Mitglieder der Familie, die im gebähr- beziehungsweise zeugungsfähigen Alter sind. Es ist ebenfalls empfehlenswert, dass die Erkrankung gemeldet wird.
Das kann bereits in der Entbindungsklinik geschehen. Der weitere Verlauf wird dann genau dokumentiert. Wissenschaftler haben so eher die Möglichkeit, dass sie die Erbkrankheit weiter erforschen. Nur dann können sie allen Ursachen auf den Grund gehen und gleichzeitig noch bessere Therapiemöglichkeiten entwickeln.
Nachsorge
Betroffenen stehen beim Karsch-Neugebauer-Syndrom in den meisten Fällen keine besonderen Möglichkeiten einer Nachsorge zur Verfügung. Hierbei sind sie in erster Linie auf eine frühzeitige und auch auf eine schnelle Diagnose der Erkrankung angewiesen, damit keine weiteren Komplikationen mehr auftreten können. Eine frühzeitige Diagnose wirkt sich dabei immer positiv auf den weiteren Verlauf dieser Krankheit aus, sodass schon bei den ersten Anzeichen und Symptomen ein Arzt aufgesucht werden sollte.
Die meisten Betroffenen sind beim Karsch-Neugebauer-Syndrom auf Maßnahmen der Krankengymnastik und der Physiotherapie angewiesen, um die Beschwerden richtig und dauerhaft zu lindern. Dabei können viele der Übungen aus diesen Therapien auch im eigenen Zuhause durchgeführt werden, wodurch die Behandlung bescheinigt wird. In vielen Fällen sind auch operative Eingriffe notwendig, um die Beschwerden des Karsch-Neugebauer-Syndroms zu lindern.
Hierbei sollte sich das Kind nach dem Eingriff auf jeden Fall ausruhen und schonen. Der weitere Verlauf hängt sehr stark von der Ausprägung der Krankheit ab, sodass dabei keine allgemeine Voraussage erfolgen kann. Im Fall eines Kinderwunsches sollte jedoch immer eine genetische Untersuchung und Beratung erfolgen, um das erneute Auftreten der Krankheit zu verhindern.
Das können Sie selbst tun
Möglichkeiten der Selbsthilfe sind für Betroffene des Karsch-Neugebauer-Syndroms stark eingeschränkt. Patienten und Angehörige sind auf eine ärztliche Behandlung angewiesen, um auftretende Beschwerden zu lindern.
Da die meisten Beschwerden des Syndroms durch Übungen der Krankengymnastik gelindert werden können, können diese Übungen auch im eigenen Zuhause durchgeführt werden. Häufig wird die Durchführung dieser Übungen in einer sicheren Umgebung angenehmer vom Kind empfunden. Regelmäßige Besuche bei einem Orthopäden sind anzuraten, um etwaigen Komplikationen oder neuauftretenden Beschwerden zeitnah entgegenzutreten. Hierbei liegt es vor allem in der Verantwortung der Eltern die Kinder regelmäßig zu einer Untersuchung zu begleiten. Beschwerden an den Augen können in der Regel nur durch einen operativen Eingriff gelöst werden.
Da das Syndrom häufig auch mit psychischen Beschwerden eingeht, sind Gespräche mit Angehörigen sehr hilfreich. Auch eine vollständige Aufklärung des Kindes über die Erkrankung ist dabei überaus wichtig, damit keine Fragen offen bleiben. Beim Karsch-Neugebauer-Syndrom kann sich der Kontakt mit anderen Patienten ebenso positiv auf den Verlauf der Erkrankung auswirken, da es dabei häufig zu einem Informationsaustausch kommt.
Quellen
- Breusch, S., Clarius, M., Mau, H., Sabo, D. (Hrsg.): Klinikleitfaden Orthopädie, Unfallchirurgie. Urban & Fischer, München 2013
- Murken, J., Grimm, T., Holinski-Feder, E., Zerres, K. (Hrsg.): Taschenlehrbuch Humangenetik. Thieme, Stuttgart 2011
- Witkowski R., Prokop O., Ullrich E.: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen. Springer, Berlin 2003