Kleinhirn
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 28. Februar 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Das Kleinhirn hat als Teil des Gehirns von Wirbeltieren viele wichtige Funktionen beim Steuern der Motorik. Schädigungen des Kleinhirns äußern sich entsprechend des betroffenen Bereichs und der Ausdehnung in spezifischen Symptomen.
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Was ist das Kleinhirn?
Das Kleinhirn, lateinisch Cerebellum, befindet sich beim Menschen unterhalb des Großhirns und hinter dem Hirnstamm in der hinteren Schädelgrube. Es ist nach dem Großhirn der zweitgrößte Teil des Gehirns, besitzt jedoch eine höhere Zelldichte und deutlich mehr Neurone als das Großhirn.
Obwohl das Kleinhirn nur ungefähr 10 Prozent des Gewichts des Großhirns besitzt, kommt es durch zahlreiche feine Windungen auf eine Oberflächengröße, die 50 bis 75 Prozent des Großhirns entsprechen. Es ist durch das Kleinhirnzelt, dem sogenannten Tentorium cerebelli, vom Großhirn getrennt. Das Kleinhirn ist mit dem Hirnstamm über drei Kleinhirnstiele, den Pedunculus cerebellaris inferior, Pedunculus cerebellaris medius und den Pedunculus cerebellaris superior, verbunden. Das Kleinhirn erfüllt wichtige Funktionen bei der Koordination und Feinabstimmung von Bewegungsabläufen des Körpers und bei Lernvorgängen.Anatomie & Aufbau
Funktion & Aufgaben
Das Kleinhirn arbeitet unbewusst, eine bewusste Steuerung ist nicht möglich. Die Hauptaufgabe des Kleinhirns ist die Steuerung der Motorik. Außerdem spielt das Kleinhirn eine wichtige Rolle für das Erlernen von Bewegungsabläufen. Inzwischen gehen Forscher jedoch auch davon aus, dass das Kleinhirn an kognitiven Prozessen wie Kommunikation, sozialem Verhalten und visueller Wahrnehmung beteiligt ist.
Außerdem konnte eine Aktivierung des Kleinhirns bei verschiedenen anderen Aufgaben wie dem Kurzzeitgedächtnis, der Kontrolle des impulsiven Verhaltens, bei Schmerzen, Hunger und Atemnot und weiteren Tätigkeiten gezeigt werden. Die genauen Aufgaben des Kleinhirns sind jedoch hierfür im Gegensatz zu den motorischen Funktionen noch nicht im Detail geklärt. Für die Motorik übernehmen unterschiedliche Bereiche des Kleinhirns verschiedene Aufgaben.
Das Vestibulocerebellum steuert die Halte- und Stützmotorik. Es ist außerdem für das feine Abstimmen von Bewegungen der Augen zuständig. Es erhält die nötigen Informationen über die Lage des Körpers und die Bewegung durch das Gleichgewichtsorgan. Das Spinocerebellum ist für die Stand-, Gang- und Stützmotorik verantwortlich.
Außerdem übernimmt es Aufgaben der Zielmotorik und die Durchführung von Bewegungen. Hierdurch kann eine Bewegung wie geplant ablaufen und Ziele, beispielsweise beim Greifen nach Gegenständen, können exakt getroffen werden. Außerdem ist das Spinocerebellum wichtig für die Abstimmung von mimischer und Kehlkopfmuskulatur, die für das Sprechen benötigt werden. Es erhält seine Informationen über Fasern des Rückenmarks.
Das Pontocerebellum, der größte Teil des Kleinhirns, ist für die Feinplanung und Koordination von Bewegungen zuständig. Es entwickelt Bewegungsentwürfe weiter, stimmt dies ab und moduliert sie oder korrigiert die Bewegungsplanung. Es bekommt seine Information über die sogenannte Brücke, einen Abschnitt des Hirnstamms.
Krankheiten & Beschwerden
Bei Funktionsstörungen des Kleinhirns kommt es meist zu Problemen mit der Motorik, deren Symptome von der Stelle im Kleinhirn und der Größe des betroffenen Gebiets abhängen. Die Symptome werden oft unter dem Begriff Ataxie zusammengefasst. Bei einer Ataxie sind die Koordination von Bewegungen und die Körperhaltung gestört. Es kommt zu Gleichgewichtsproblemen und der Gang kann schwankend sein. Bewegungen sind unkontrolliert und gehen oft über das Ziel hinaus.
Ist nur eine Körperseite von der Ataxie betroffen, wird von einer Hemiataxie gesprochen. Bei einer Asynergie ist ebenfalls die Koordination betroffen. Verschiedene Muskelgruppen können besonders bei feineren Bewegungen nicht richtig zusammen agieren. Bei einer Dysdiadochokinese kommt es zu einer Verminderung der Koordinationsfähigkeiten, eine schnelle Abfolge antagonistischer Bewegungen kann nicht mehr korrekt ausgeführt werden.
Bei Funktionsstörungen des Kleinhirns können Störungen der Blickstabilisierung mit Augenzittern, dem sogenannten Nystagmus, und sakkadierter Blickfolge auftreten. Bei der sakkadierten Blickfolge bewegen sich die Augen nicht flüssig, wenn schnell auf eine Seite geschaut wird, sondern verharren zwischendurch immer wieder kurz, bevor sie sich weiter zur Seite bewegen. Es kann zu einer Verminderung der Muskelspannung kommen, so dass der gesamte Körper schlaff wirkt, oder es tritt ein Intentionstremor auf, der sich besonders in zitternden Händen beim Greifen nach Objekten äußert.
Ein weiteres mögliches Symptom einer Kleinhirnschädigung ist eine holprige und undeutliche Sprache, da die für das Sprechen erforderlichen Muskeln bei manchen Kleinhirnschädigungen nicht fein aufeinander abgestimmt werden können.
Quellen
- Frotscher, M., et al.: Taschenatlas Anatomie, Band 3: Nervensystem und Sinnesorgane. Thieme, Stuttgart 2018
- Schmidt, R., et al.: Physiologie des Menschen. Springer, Heidelberg 2010
- Weniger, W.: Gehirn und Nervensystem. Facultas, Wien 2019