Ataxie
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 2. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Ataxien sind Störungen der Bewegungskoordination, für die unterschiedliche Erkrankungen der Auslöser sind. Es kommt zu einem Funktionsverlust von bestimmten Teilen des Nervensystems. Meist ist das Kleinhirn betroffen, aber auch Schädigungen des Rückenmarks oder der peripheren Nerven können zu Ataxien führen.
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Was ist eine Ataxie?
Ataxie leitet sich von dem griechischen Wort Ataxia ab, das für Unordnung oder Unregelmäßigkeit steht. Unter der Bezeichnung Ataxie werden verschiedene Störungen der Bewegungskoordination zusammengefasst, die sich unterschiedlich äußern können.
Eine Einteilung der Ataxien erfolgt nach Ätiologie, nach dem betroffenen Abschnitt des Nervensystems oder entsprechend der betroffenen Bewegungsform. Bei Letzterer wird zwischen Rumpfataxie, Standataxie, Gangataxie und Zeigeataxie unterschieden. Betroffene einer Rumpfataxie können ohne Stütze nicht gerade sitzen oder stehen.
Bei einer Standataxie sind Patienten nur mit Hilfe in der Lage, zu stehen und zu gehen. Die Gangataxie äußert sich in einem breitbeinigen und unsicheren Gang. Bei der Zeigeataxie können Betroffene ihre Bewegungen nicht richtig koordinieren, was zu feinmotorischen Schwierigkeiten wie einem Daneben-Zeigen, überschießend-ausfahrenden Bewegungen oder unflüssigen und verwackelten Bewegungen führt.
Ist nur eine Körperhälfte von der Ataxie betroffen, wird diese als Hemiataxie bezeichnet. Neben der gestörten Bewegungskoordination können weitere Anzeichen auftreten. Die Sprache kann gestört sein, Augenbewegungen können nicht mehr koordiniert werden oder es treten Probleme beim Schlucken auf. Begleitsymptome wie Inkontinenz, Schmerzen oder Muskelkrämpfe werden häufig beobachtet.
Ursachen
Erkrankungen mit Funktionsverlust bestimmter Teile des Nervensystems können Ataxien hervorrufen. Die häufigste Ursache ist eine Schädigung des Kleinhirns, das für die Koordination der Informationen aus dem Rückenmark, dem Gleichgewichtsorgan und den übrigen Sinneseindrücken verantwortlich ist. Das Kleinhirn übersetzt diese Informationen in motorische Bewegungsabläufe.
Funktioniert dies nicht mehr, kommt es zu Ataxien. Hirntumore oder Metastasen im Kleinhirn können zu den Symptomen führen. Ebenso kann ein Schlaganfall, der Durchblutungsstörungen oder Blutungen im Kleinhirn zur Folge hat, eine Ataxie auslösen. Entzündliche Erkrankungen des Nervensystems, bei denen das Kleinhirn oder Rückenmark geschädigt wird, kommen auch als Ursache in Betracht. Ein Beispiel hierfür ist die Multiple Sklerose.
Infektionskrankheiten, wie Masern, können bei einem schweren Verlauf Nerven schädigen und eine Ataxie auslösen. Akute Kleinhirnfunktionsstörungen durch zu hohen Alkoholkonsum oder die Überdosierung bestimmter Medikamente, wie Antiepileptika, Benzodiazepine oder bestimmte Antibiotika, lösen ebenfalls Störungen in der Bewegungskoordination aus. Ataxien können auch genetisch bedingt sein, die sogenannten hereditären Ataxien. Auslöser sind verschiedene seltene, vererbbare Erkrankungen, die meist das Kleinhirn oder das Rückenmark befallen.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Eindeutige Symptome und Anzeichen für eine Ataxie sind Gangstörungen, Koordinationsstörungen, Bewegungseinschränkungen, Sprachstörungen und Schluckbeschwerden. Ist ein Patient an Ataxie erkrankt, ist er nicht mehr in der Lage, sich in gewohntem Maße zu bewegen. Bei der Gang-Ataxie erscheinen die Bewegungen unsicher mit einer vergleichsweise breitbeinigen Gangart.
Aufgrund dieser verwackelten und unkoordinierten Bewegungen versuchen die Betroffenen, Gleichgewichtsstörungen auszugleichen. Die Rumpf-Ataxie macht sich durch die Unfähigkeit, gerade zu sitzen und einer damit verbundenen Fallneigung zur rechten oder linken Seite bemerkbar. Im Fall der Zeige-Ataxie treten Beschwerden im Ablauf der feinmotorischen Bewegungen auf.
Danebenzeigen, ausfahrende und überschüssige sowie unkoordinierte und verwackelte Bewegungen sind die Folge. Bei der Stand-Ataxie ist der Betroffene nur mit fremder Hilfe in der Lage, zu stehen und zu gehen. Die Ataxie kann unterschiedlich stark ausgeprägt sein und beide oder nur eine Körperhälfte betreffen.
Aufgrund der multiplen Beschwerden besteht zudem eine erhöhte Unfallgefahr. Durch die gestörten Bewegungsabläufe passiert es häufig, dass die Betroffenen nicht nur stolpern, sondern einfach umfallen. Neben diesen Beschwerden des Bewegungsapparates ist ein Kontrollverlust der Augen möglich, der dazu führt, dass Entfernungen und Ziele nicht richtig eingeschätzt werden.
Die Aussprache ist undeutlich und nur schwer verständlich, während die Nahrungsaufnahme durch Schluckbeschwerden nur eingeschränkt möglich ist. Gleichfalls können Muskelkrämpfe, Schmerzen und Inkontinenz auftreten.
Diagnose & Verlauf
Die Ataxie kann je nach Ursache allmählich beginnen oder Symptome zeigen sich plötzlich. Erste Anzeichen sind Schwierigkeiten bei der Koordination, ungleichmäßiger Gang oder häufiges Stolpern ebenso wie feinmotorische Schwierigkeiten. Probleme beim Sprechen, Kontrollverlust der Augenbewegungen und Schwierigkeiten beim Schlucken treten ebenfalls auf.
Bei Verlust des Gleichgewichts, Verlust der Kontrolle über die Gliedmaßen, einem schwammigen Sprechen oder bei Schluckschwierigkeiten sollten Betroffene einen Facharzt für Neurologie aufsuchen, um die Ursache abklären zu lassen. Kommt es plötzlich zu Bewegungsstörungen, sollte ebenfalls umgehend ein Arzt kontaktiert werden.
Treten die Symptome bereits vor dem 25. Lebensjahr auf, wird eine molekulargenetische Untersuchung durchgeführt. Hierdurch wird festgestellt, ob eine vererbte Erkrankung die Symptome auslöst. Im Erwachsenenalter können umfangreiche körperliche und neurologische Untersuchungen erforderlich sein, um die Krankheitsursache zu klären.
Labortests, bei denen Blut oder Urin untersucht werden, können Aufschluss zu weiteren Erkrankungen geben. Ein Röntgenbild, eine Computertomographie oder die Entnahme von Rückenmarkflüssigkeit kann in einigen Fällen ebenfalls notwendig sein. Der weitere Verlauf der Symptome und ob sich diese verschlechtern oder zurückgehen, ist abhängig von der ursächlichen Erkrankung.
Komplikationen
Bei einer Ataxie kann sich der Patient nicht mehr richtig alleine bewegen. In den meisten Fällen ist dieser auf die Hilfe von anderen Personen oder auf Gehhilfen angewiesen, um richtig laufen zu können. Bei der Ataxie kann es auch auftreten, dass die betroffene Person nicht mehr alleine stehen kann. Das Gangbild erscheint relativ breitbeinig und unsicher.
Auch können Ziele und die Entfernung zu den Zielen nicht mehr richtig eingeschätzt werden. Der Patient greift oft daneben und kann bestimmte Dinge nicht einfach erreichen. Rasche und plötzliche Bewegungen können ebenso in der Regel nicht mehrt durchgeführt werden. Der Alltag des Patienten wird durch die Ataxie stark eingeschränkt und die Person ist meistens auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen.
In vielen Fällen kommt die Ataxie durch den Missbrauch von Alkohol oder anderen Drogen zustande. Ihre Ausweitung kann durch den Abbruch dieser Drogen verhindert werden. Allerdings wird die Ataxie in der Regel nicht komplett zurückgehen, auch wenn die Drogen abgesetzt werden. Eine Physiotherapie kann ebenso hilfreich sein und fördert die Bewegung des Patienten. Die Behandlung mit Medikamenten ist allerdings nicht notwendig.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Bei dem Verdacht auf eine Ataxie sollte rasch mit dem Hausarzt gesprochen werden. Sollten ganz plötzlich Koordinationsstörungen, Gangstörungen oder andere Bewegungseinschränkungen auftreten, die auf keine andere Ursache zurückzuführen sind, ist medizinischer Rat gefragt. Auch bei akuten Sprachstörungen oder Schluckbeschwerden liegt womöglich eine Erkrankung zugrunde, die abgeklärt werden muss. Schlaganfall-Patienten sollten bei Anzeichen einer Ataxie mit dem zuständigen Arzt sprechen.
Selbiges gilt für Menschen, die bereits einmal eine Hirnblutung erlitten haben oder in der Vergangenheit an Masern erkrankt sind. Auch Tumore und Nervenerkrankungen können eine Ataxie hervorrufen. Patienten mit einer entsprechenden Krankengeschichte sollten genannte Symptome deshalb unbedingt untersuchen lassen.
Kommt es nach der Einnahme eines neuen Medikaments zu Störungen in der Bewegungskoordination, sollte mit dem Hausarzt gesprochen werden, bevor die Symptome weiter zunehmen. Patienten mit hereditären Ataxien sollten sich regelmäßig über die möglichen Symptome informieren und bei ersten Anzeichen einen Arzt aufsuchen. Durch eine umfassende Therapie können weitere Komplikationen meist abgewendet werden.
Behandlung & Therapie
So richtet sich auch die Therapie der Ataxie nach der zugrunde liegenden Krankheit. In einigen Fällen verschwinden mit der Heilung dieser Krankheit auch die Symptome der Ataxie.
Ebenso bessert sich die durch Masern oder virale Infektionen ausgelöste Ataxie meist von alleine. Bei übermäßigem Alkoholkonsum oder Überdosierung von Medikamenten hilft ein Verzicht auf diese Substanzen für die Besserung der Symptomatik. Lediglich bei chronischem Alkoholmissbrauch kann es zu irreversiblen Schäden in der Bewegungskoordination kommen.
In anderen Fällen wie bei der Multiplen Sklerose ist eine Heilung nicht möglich und es kann zu einer dauerhaften Einschränkung kommen. Betroffene sind auf Gehstöcke oder andere Hilfsmittel angewiesen. Unterstützend können bei Ataxien Bewegungs- und Sprachtherapien eingesetzt werden, um diese Fähigkeiten zu verbessern oder zu erhalten.
Aussicht & Prognose
Die Prognose der Ataxie richtet sich nach der vorliegenden Grunderkrankung. Bei einer Friedreich- Ataxie oder einer genetischen Erkrankung wie Multiple Sklerose besteht eine ungünstige Prognose. Der Verlauf der Erkrankungen ist progredient und es kommt zu einer Verkürzung der Lebenszeit. Viele Patienten sind zum Zweck der Fortbewegung auf die Hilfe Dritter, Gehilfen oder einen Rollstuhl angewiesen.
Liegen virale oder bakterielle Infekte vor, bestehen deutliche bessere Heilungsaussichten. Sobald die ursprüngliche Erkrankung geheilt wurde, verschwinden die Symptome der Ataxie. Die Versorgung der Muskeln sowie Nerven findet wie gewohnt statt und die Koordination der Bewegung ist beschwerdefrei möglich.
Bei einer Alkoholerkrankung, einem Substanzmittelmissbrauch oder durch einen übermäßigen Konsum von Medikamenten, ist eine Heilung bei den meisten Patienten ebenfalls möglich. Sobald die Wirkstoffe vollständig und dauerhaft aus dem Organismus abtransportiert wurden, kommt es nach einiger Zeit zu einer Regeneration. Die Bewegungsmöglichkeiten setzen wie gewohnt ein und bleiben bestehen.
Bei einem Schlaganfall, einem Herzinfarkt oder einem Tumor im Gehirn sind die Aussichten auf Heilung individuell, aber dennoch nicht günstig. Es kann mit viel Training zum Muskelaufbau und der Bewegungskoordination sowie einer guten medizinischen Versorgung bei gleichzeitig geringen Schäden zu einer einer Linderung der Beschwerden kommen. Eine vollständige Heilung ist meist nicht möglich.
Vorbeugung
Eine Vorbeugung von Ataxien ist in vielen Fällen nicht möglich und abhängig von der ursprünglichen Krankheit. Die Vermeidung von Übergewicht, Bluthochdruck sowie Cholesterinwerte im Normalbereich und der Verzicht auf Nikotin senken das Risiko für einen Schlaganfall. Ein Verzicht auf übermäßigen Alkohol-, Drogen- oder Medikamentenkonsum ist ebenso sinnvoll.
Das können Sie selbst tun
Bei dem Verdacht auf eine Ataxie muss ein Arzt die geeigneten Behandlungsschritte einleiten. Begleitend dazu kann der Umgang mit der Erkrankung durch einige Selbsthilfemaßnahmen erleichtert werden.
Zunächst sollte die Erkrankung bei ersten Anzeichen diagnostiziert werden, damit eine Behandlung im Frühstadium erfolgen kann. Dadurch können schwere Folgesymptome in vielen Fällen noch vermieden werden. Gegen die parkinsonähnlichen Bewegungsstörungen und Muskelkrämpfe können Bewegungsübungen wie Yoga oder Krankengymnastik helfen. Die begleitend auftretenden Schmerzen lassen sich durch Schmerzmittel, aber auch durch schmerzlindernde Tees lindern.
Abhängig von der Art der Ataxie, können auch Massagen und Saunagänge gegen die Schmerzen helfen. Kommt es zu Veränderungen im Sprechapparat, müssen diese durch eine Sprachtherapie frühzeitig ausgeglichen werden, damit weiterhin eine gute Kommunikation möglich ist. Begleitsymptome wie Inkontinenz oder Schluckbeschwerden sollten abhängig vom Krankheitsbild durch entsprechende Hilfsmittel gelindert werden.
Da sich die Erkrankung nicht vollständig kurieren lässt, muss langfristig gelernt werden, mit der eingeschränkten Bewegung umzugehen. Hierfür empfehlen sich Selbsthilfegruppen und Gespräche mit dem Freunden und Familienmitgliedern. Darüber hinaus müssen entsprechende Vorkehrungen getroffen werden, um eine behindertengerechte Umgebung zu schaffen.
Quellen
- Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
- Grehl, H., Reinhardt, F.: Checkliste Neurologie. Thieme, Stuttgart 2012
- Mattle, H., Mumenthaler, M.: Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013