Kognitive Dysphasie
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Die kognitive Dysphasie ist eine Sprachstörung. Die Ursache sind Läsionen in Arealen der Aufmerksamkeit, des Gedächtnisses oder der Exekutivfunktion. Zur Behandlung erfolgt eine gezielte Sprachtherapie.
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Was ist kognitive Dysphasie?
Sprache ist eine Verhaltensweise. Zum Sprechen braucht der Mensch nicht nur seine Zunge und seine Stimmbänder. Die Unversehrtheit der neuromuskulären Sprachstrukturen ist zwar eine Voraussetzung des Sprechens, es handelt sich aber bei Weitem nicht um die einzige. Um sprechen zu können, benötigt der Mensch zum Beispiel auch geistige Funktionen, um sein Verhalten unter der Berücksichtigung von Umweltbedingungen zu steuern.
Dieses Bündel an kognitiven Fähigkeiten gilt als kognitive Kontrolle. In diesem Zusammenhang ist auch Aufmerksamkeitsfähigkeit relevant. Nur wer seine Umwelt aufmerksam wahrnimmt, kann angemessen auf sie reagieren. Darüber hinaus spielt das Gedächtnis für jede Art des sprachlichen Ausdrucks eine wichtige Rolle, so insbesondere das Sprach- oder Bedeutungsgedächtnis.
Wenn eine der beschriebenen Funktionen beeinträchtigt ist, ist es auch das Sprachverhalten. Menschen mit Dysphasien leiden an einer Verminderung der Sprechfähigkeit, die einer leichten Aphasie entspricht. Der Begriff der kognitiven Dysphasie geht auf Heidler zurück. Die Erstbeschreibung erfolgte im Jahr 2006. Diese Art der Aphasie ist eine Sprachverarbeitungsstörung, die mit einer Beeinträchtigung der Aufmerksamkeit, des Gedächtnisses und der Exekutivfunktion vergesellschaftet ist und oft zu einer Unverständlichkeit im Sprechen führt.
Nicht immer muss ein Patient mit Dysphasie allerdings gänzlich ausdrucksunfähig sein. Die kognitive Dysphasie ist ein Symptom von Läsionen im zentralen Nervensystem. In der Regel wird der Zustand von herdförmig anmutenden Läsionen in den Gehirnbereichen verursacht, die für das Sprachgedächtnis, die Aufmerksamkeit oder die Exekutivfunktionen relevant sind.
Ursachen
Auch im Rahmen von Unfällen kann eine kognitive Dysphasie eintreten, so vor allem im Zusammenhang mit Hirnblutungen. Hirnblutungen lassen den Hirndruck oft bedenklich ansteigen. In einer Folge dessen wird das Gehirn komprimiert. Funktionsstörungen in den betroffenen Bereichen sind die Folge. Neben Schlaganfällen und Blutungen können auch zerebrale Entzündungen, Tumore oder degenerative Erkrankungen Dysphasien begünstigen.
Im Zusammenhang mit Entzündungen kommt eine bakterielle Ursache ebenso in Frage wie eine autoimmunologische Ursache. Areale für die Aufmerksamkeitsleistungen liegen vor allem im Formatio reticularis des Hirnstamms, des Thalamus und des Frontalhirns. In der rechten Hirnhälfte sitzt die allgemeine Wachheit. Die linke Hirnhälfte beherbergt spezifische Konzentrationsleistungen.
Gedächtnisfunktionen liegen vor allem im limbischen System des Hippocampus und der Mandelkerne. Darüber hinaus sind das Frontalhirn und die Langzeitgedächtnisregionen in der linken Hirnhälfte als Wortspeicher relevant. Der Episodenspeicher liegt in der rechten Hälfte. Das sprach-logische Denken, Planen und Initiieren liegt im Frontalhirn und seinen Verbindungen zu anderen Gebieten.
Abhängig von den Symptomen im Einzelfall existieren unterschiedliche Arten der kognitiven Dysphasie. Eine Art der Dysphasie liegt an gestörter Aufmerksamkeit, die eine Verlangsamung in der Informationsverarbeitung zur Folge hat. Die Sprachverarbeitung verzögert sich und der Redefluss wirkt langsam. Kohärenzbrüche treten in den Äußerungen ein.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Eine kognitive Dysphasie äußert sich in erster Linie durch die charakteristischen Sprachstörungen. Die Betroffenen haben oft eine schleppende oder undeutliche Sprache, verschlucken Silben und haben Wortfindungsschwierigkeiten. Des Weiteren kann eine kognitive Dysphasie ernste seelische Beschwerden hervorrufen.
Die Sprachstörungen stellen eine psychische Belastung dar, aus der sich langfristig Folgeerkrankungen wie depressive Verstimmungen, Sozialphobien oder Minderwertigkeitskomplexe entwickeln können. In schweren Fällen geht aus einer kognitives Dysphasie beziehungsweise aus dem ursächlichen Leiden eine schwere Depression hervor. Die Sprachstörung stellt sich meist ganz plötzlich ein.
Nach einem Schlaganfall kann die veränderte Sprechweise unmittelbar bemerkt werden. Meist verstärken sich die Symptome in den ersten Tagen bis Wochen noch. Wird die Ursache der Störung frühzeitig fachkundig behandelt, kann die Dysphasie in ihrer Ausprägung gelindert werden. Allerdings leiden die meisten Patienten ein Leben lang unter bleibenden Sprachstörungen und den daraus resultierenden Folgen.
Wird die Erkrankung nicht behandelt, können sich ernste Komplikationen einstellen. Neben den psychischen Beschwerden, die sich bei einem Großteil der Patienten bemerkbar machen, kann es zu einer Verstärkung der Sprachprobleme kommen. Je nach Ursache kann es zu weiteren körperlichen und geistigen Einschränkungen und Erkrankungen kommen.
Aufmerksamkeitsselektionsstörungen führen dagegen zu Symptomen wie irrelevant verbaler Tätigkeit, da sie das Filtern von Informationen beeinträchtigen. Sprache wird bei dieser Variante unter Geräuschbedingungen kaum mehr wahrgenommen, da der Filter auch mit Umweltgeräuschen überfordert ist. Die Variante der Gedächtnis-Dysphasie sind Sprachsystemstörungen, die den Neuerwerb von Wissen im Generellen erschweren.
Häufige Symptome sind in diesem Fall eine Verarmung des sprachlichen Ausdrucks, Konfabulation, spontane Erfindungen und Sprachverständnisprobleme. Kognitive Dysphasien aufgrund von gestörten Exekutivfunktionen führt zu Sprachantriebsstörungen, Sprachhemmung oder Sprachenthemmung, Assoziationsströmen, falscher Wortwahl und Wortsalat.
Besonders schwere kognitive Dysphasien sind oft mit einer Orientierungsstörung vergesellschaftet und manifestieren sich in konfus zusammenhanglosen, konfabulatorischen Äußerungen sowie vermindertem Sprachverständnis.
Diagnose & Verlauf
Die Dysphasie-Erfassung erfolgt mittels Screening von Heidler. Das Screening entspricht einer Aufmerksamkeit- und Gedächtnis-Diagnostik, das die Exekutivfunktionen mittels verbaler und nonverbaler Informationsverarbeitung prüft.
Aufmerksamkeit und Gedächtnis werden außerdem durch visuelle Rekognition der Objektabbildung und verbale Reproduktion von narrativen Texten geprüft. Neben dem Screening erfolgt eine neurologische Diagnostik, die mittels Bildgebung vor allem die Primärursache der Dysphasie ausmachen soll.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Mit Sprachstörungen muss in jedem Fall ein Arzt aufgesucht werden. Je nach Ausprägung der Beschwerden kann zunächst der Hausarzt oder direkt ein Logopäde oder Neurologe konsultiert werden. Der Betroffenen sollte ärztlichen Rat einholen, wenn die Sprachstörungen scheinbar ohne Grund auftreten und nach einer Woche noch bestehen. Womöglich liegt ein unbehandelter Schlaganfall zugrunde oder es existiert eine autoimmunologische Ursache, die abgeklärt werden muss. Zu den Risikogruppen zählen auch Personen, die bereits einmal an Krebs oder zerebralen Entzündungen erkrankt waren.
Menschen mit degenerativen Erkrankungen sollten die genannten Symptome ebenfalls zügig abklären lassen. Kinder sollten bei den genannten Krankheitszeichen zum Kinderarzt gebracht werden. Die kognitive Dysphlasie muss in jedem Fall ärztlich abgeklärt werden, um Komplikationen auszuschließen und eine rasche Genesung zu gewährleisten. Während der Behandlung ist eine durchgehende ärztliche Überwachung notwendig. Zudem muss die Medikation regelmäßig an den aktuellen Gesundheitszustand des Patienten angepasst werden. Weitere Ansprechpartner sind der Neurologe oder ein Facharzt für Sprachstörungen.
Behandlung & Therapie
Die Behandlung einer kognitiven Dysphasie erfolgt durch einen Neuropsychologen, der auf das Training von Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Exekutivfunktion spezialisiert ist. Wegen der wenigen Neuropsychologen in Niederlassung werden die Patienten alternativ an einen Sprachtherapeuten überwiesen, der eine speziell kognitiv ausgerichtete Sprachtherapie durchführt.
Die Behandlung muss störungsspezifisch erfolgen und richtet sich so genau auf die kognitiven Funktionen aus, die geschädigt wurden. Die Sprachverarbeitung des Patienten soll soweit verbessert werden, bis sie seinen Alltag kaum mehr beeinträchtigt. Oberste Priorität der Behandlung ist die Erzeugung von ausreichendem Aktivitätsniveau, wie es durch ein Training der Exekutivfunktionen, der selektiven Aufmerksamkeit, der Aufmerksamkeitsfokussierung und der mentalen Umstellfähigkeit erzielt werden kann.
Die Therapie ist oft langwierig und schwierig, da das Lernvermögen der Patienten bei schweren Hirnschädigungen eingeschränkt ist. Neben der Therapie des Symptoms erfolgt außerdem eine Therapie der primären Ursache, soweit das möglich ist. Entzündungen im Gehirn müssen mittels Cortison oder Antibiotika zum Abklingen gebracht werden. Ein erhöhter Hirndruck wird notfalls operativ gesenkt und Tumore werden chirurgisch entfernt.
Da das zentrale Nervensystem wegen seiner Spezialisierung nicht besonders regenerationsfähig ist, sind Hirnläsionen oft mit bleibenden Schäden assoziiert. Eine vollständige Wiederherstellung der Funktionen in den betroffenen Geweben lässt sich nur erreichen, wenn die einzelnen Funktionen durch gezieltes Training auf umliegendes Nervengewebe übertragen werden können.
Aussicht & Prognose
Die Prognose der kognitiven Dysphasie richtet sich nach dem Ausmaß der Schädigungen sowie der vorliegenden Grunderkrankung. Bei einer Vielzahl der Patienten können Verbesserungen durch die Nutzung von gezielten Sprachtrainings erzielt werden. Eine vollständige Heilung tritt jedoch nicht immer ein.
Bei einem erlittenen Schlaganfall werden irreparable Gewebeschäden im Gehirn als Ursache der Sprachstörung festgestellt. Je größer der Umfang der beschädigten Hirnareale ist, desto unwahrscheinlicher ist eine Wiederherstellung des natürlichen Sprachvermögens vor dem auslösenden Ereignis. Wird nur ein kleiner Bereich des Gehirns durch den Schlaganfall oder durch eine Hirnblutung beschädigt, kann der Betroffene mit viel Disziplin und Mitarbeit bei einer Therapie sein Sprachvermögen wiedererlangen.
Bei einer Tumorerkrankung ist die Prognose abhängig von der Art des Tumors, dessen Umfang sowie der Möglichkeit zu einer vollständigen Entfernung des mutierten Gewebes. Je aggressiver und je größer der Tumor ist, desto schlechter ist die Prognose. Es besteht die Möglichkeit, dass der Tumor ein Ausmaß erlangt, welches zu einer starken Zunahme der Beschwerden und letztlich zu einem vorzeitigen Ableben des Betroffenen führt. Kann keine Entfernung des Tumors vorgenommen werden, ist die Prognose in den meisten Fällen ungünstig. Zudem besteht das Risiko, dass sich weitere Erkrankungen aufgrund der psychischen Belastung einer möglichen weiteren Gewebeschädigung ausbilden.
Vorbeugung
Einer kognitiven Dysphasie lässt sich nur insoweit vorbeugen, wie Schlaganfällen, zerebralen Entzündungen, degenerativen Erkrankungen des Gehirns, Gehirntumoren, Blutungen und Traumata vorzubeugen ist.
Nachsorge
Durch medizinische Nachsorgeuntersuchungen wird das Ausmaß der Schädigungen und Beeinträchtigungen, die auf die kognitiven Dysphasie zurückzuführen sind, diagnostiziert. Daraus werden dann die geeigneten therapeutischen Maßnahmen abgeleitet. Die logopädische Therapie wird auf die Ressourcen und Fähigkeiten in der Sprache und Kommunikation ausgerichtet. So wird die medizinische und logopädische Behandlung sich auf gemeinsame Zielstellungen stützen.
Dabei wird ein früher Beginn bedeutend zum Erhalt der Sprache und der Kommunikationsfähigkeit beitragen. Zudem führt die Verbesserung der sprachlichen Leistungen des Patienten dazu, dass seine kognitiven Leistungen nicht abbauen. Außerdem werden Strategien aufgezeigt, mit denen der Patient die Wortfindungsstörungen korrigieren kann. Die Teilhabe am gemeinschaftlichen Leben wird so erhalten. Während der Nachsorge ist auch die Einbindung der Angehörigen hinsichtlich der beeinträchtigten Kommunikation mit dem Patienten ein wichtiger Bestandteil der Therapie.
Die Behandlungsdauer wird nach dem Erfolg der Behandlung und nach den Bedürfnissen und dem sozialen Umfeld des Patienten ausgerichtet. Sind Zielsetzungen erreicht worden und besteht vorerst kein weiterer Therapieansatz, der zu Verbesserungen führen könnte, wird die Behandlung nicht weiter fortgeführt. Gegebenenfalls ist dann zu einem späteren Zeitpunkt eine erneute Nachsorgeuntersuchung durch den Facharzt oder dem Logopäden notwendig.
Quellen
- Böhme, G. (Hrsg.): Sprach-, Sprech-, Stimm- und Schluckstörungen. Urban & Fischer, München 2006
- Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010
- Tesak, J., Brauer, T.: Aphasie – Sprachstörungen nach Schlaganfall oder Schädel-Hirn-Trauma. Schulz-Kirchner, Idstein 2014 APHASIE