Makrodaktylie
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. April 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Als Makrodaktylie nennt man eine überproportionale Vergrößerung eines einzelnen oder mehrerer Finger oder Zehen. Die sehr seltene Krankheit kann sich bereits bei der Geburt in einer statischen Form zeigen oder innerhalb der ersten zwei Lebensjahre mit progressivem Verlauf. Eine medikamentöse Behandlung ist nicht bekannt, wohl aber verschiedene Operationsmethoden zur Reduzierung des weiteren Größenwachstums oder für eine Teil- oder Gesamtamputation, falls gewünscht.
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Was ist eine Makrodaktylie?
Eine Makrodaktylie ist äußerlich daran zu erkennen, dass ein oder mehrere Finger oder Zehen gegenüber den übrigen Fingern oder Zehen ein ungewöhnlich starkes Wachstum zeigen. Die außergewöhnliche Größe der betroffenen Finger oder Zehen kann entweder bereits bei der Geburt sichtbar sein oder sich erst im Laufe der ersten beiden Lebensjahre entwickeln.
Im ersteren Fall spricht man von einer statischen und im letzteren von einer progressiven Verlaufsform. Auch bei der progressiven Verlaufsform ist die Anlage bereits bei der Geburt vorhanden. Auffällig ist, dass der betroffene Finger oder Zeh eine proportionale Vergrößerung aufweist und das abnorme Größenwachstum sich nicht auf ein einzelnes oder mehrere Glieder des Fingers oder Zehs beschränkt.
Probleme kann es mit den angrenzenden Fingern oder Zehen geben, die aufgrund des Raumbedarfs der übergroßen Gliedmaße ein Fehlwachstum aufweisen können. Die Krankheit kann als isolierte Fehlbildung auftreten oder Teil eines Syndroms sein. Ein typisches Syndrom ist das extrem seltene Proteus-Syndrom, das einen Großwuchs vieler Gewebearten wie Haut, Knochen, Muskeln und Fettgewebe beinhaltet. Das Syndrom ist bei Geburt noch nicht sichtbar, sondern zeigt sich erst in früher Kindheit.
Ursachen
Wie es während dieser Schwangerschaftsphase zu der seltenen Fehlanlage kommen kann, ist (noch) nicht bekannt. Als gesicherte Erkenntnis gilt allerdings, dass die Makrodaktylie zwar angeboren ist, aber nicht vererbt wird, so dass Genmutationen keine Rolle spielen. In einigen Fällen liegt gleichzeitig eine genetisch bedingte Neurofibromatose vor.
Es handelt sich dabei um eine Gruppe von Erbkrankheiten, die Nerventumoren verursachen und autosomal-dominant vererbt werden. Makrodaktylie tritt meist nur einseitig auf, und der Zeigefinger ist am häufigsten betroffen. Es folgen mit abnehmender Häufigkeit der Mittel- und die übrigen Finger. Neben der Makrodaktylie sind weitere Daktylien bekannt, mit der bestimmte Fehlstellungen der Finger oder Zehen bezeichnet werden.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Die Makrodaktylie verursacht normalerweise nur wenige Beschwerden. Das Hauptproblem besteht in der eingeschränkten Greiffähigkeit der Hand oder darin, dass für einen betroffenen Fuß kein industriell gefertigtes Schuhwerk passt. Symptomatisch und sichtbar sind bei der Krankheit die insgesamt proportional vergrößerten Finger oder Zehen, die von der Krankheit betroffen sind.
Bei den benachbarten Fingern oder Zehen können sich allerdings Probleme mit den Gelenken entwickeln, weil sie von den großen Gliedmaßen weggedrängt werden und deshalb zu kompensatorischem Wachstum gezwungen werden, was ein wenig mit einem Hallux am großen Zeh vergleichbar ist. Im Einzelfall muss entschieden werden, ob eine operative Maßnahme erforderlich ist.
Diagnose & Krankheitsverlauf
Falls die Makrodaktylie bereits bei der Geburt symptomatisch ist, handelt es sich um den Typ I nach Barsky. Falls es sich um die progressive Form handelt, die sich erst im frühen Kindesalter zeigt, handelt es sich um den Typ II nach Barsky. Eine Diagnose des Typs I kann relativ einfach per Röntgenuntersuchung durchgeführt werden.
Die progressive Form kann bei der Geburt noch nicht erkannt werden, weil keinerlei phänotypische oder röntgenologische Auffälligkeiten vorhanden sind. Während die Krankheit des Typs I proportional zum Wachstum des Kindes verläuft, kann sich das Wachstum der betroffenen Finger oder Zehen im Fall des Typs II disproportional progressiv entwickeln.
Der Verlauf der Krankheit ist in beiden Fällen weitestgehend frei von primären Beschwerden. Sekundäre Beschwerden können durch die Platzbeanspruchung der betroffenen Gliedmaßen entstehen. Bei der Diagnose sollten eine Reihe von anderen Formen eines partiellen Riesenwuchses differentialdiagnostisch ausgeschlossen werden.
Komplikationen
Nicht selten kommt es auch zu Einschränkungen an den Füßen oder den Zehen. Diese können auch unproportional ausgeprägt sein, sodass es zu ästhetischen Beschwerden beim Patienten kommt. Im weiteren Verlauf kann die Makrodaktylie auch zu Beschwerden oder Schmerzen an den Gelenken führen. Allerdings ist nicht in jedem Fall eine ärztliche Behandlung dieser Symptome notwendig.
Die Behandlung der Makrodaktylie wird mit Hilfe von operativen Eingriffen durchgeführt. Dabei treten in der Regel keine besonderen Komplikationen oder Beschwerden ein und die Behandlung selbst führt zu einem Erfolg. Nur in schwerwiegenden Fällen ist eine Amputation notwendig. Die Lebenserwartung des Patienten wird durch die Makrodaktylie in der Regel nicht beeinflusst oder verringert. Bei einer Amputation ist möglicherweise auch eine psychologische Behandlung notwendig.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Vergrößerungen der Zehen und Finger sind Hinweise einer bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigung, die ärztlich untersucht werden sollte. Bei den meisten Patienten zeigen sich die optischen Veränderungen bereits unmittelbar nach der Geburt. In routinierten Untersuchungen bemerken die anwesenden Krankenschwestern oder Ärzte bei einer stationären Niederkunft die Symptome und leiten erste medizinische Tests für eine Diagnosestellung ein. Kommt es zu einer Geburt in einem Geburtshaus oder einer Hausgeburt, übernimmt die anwesende Hebamme die Erstuntersuchung des neugeborenen Kindes. Sind Unregelmäßigkeiten der Gliedmaßen vorhanden, übernimmt sie als Geburtshelferin die nächsten Schritte für eine ausreichende medizinische Versorgung.
Eltern müssen in diesen Fällen nicht aktiv werden, da sie und ihr Nachwuchs sich bereits in den Händen eines medizinisch geschulten Personals befinden. Werden die Veränderungen nicht sofort nach der Geburt vom Pflegepersonal bemerkt, sollten die Eltern im Anschluss selbständig einen Kinderarzt konsultieren. Entwickeln sich die Vergrößerungen der Finger und Zehen erst innerhalb der ersten Lebensjahre des Kindes, ist bei den ersten Hinweisen der Unregelmäßigkeiten ein Besuch bei einem Kinderarzt anzuraten. Ist die Greiffunktion eingeschränkt, entwickeln sich im weiteren Wachstumsprozess Probleme der Gelenke oder kommt es zu Störungen der Mobilität, ist ein Arzt aufzusuchen. Passen die Füße des Kindes nicht in käuflich erworbene Schuhe, ist ein Arztbesuch anzuraten.
Behandlung & Therapie
Eine Behandlung der Makrodaktylie wird vom Ausmaß der Krankheit abhängig gemacht. Als Behandlungsmethode kommen ausschließlich chirurgische Eingriffe in Frage. Falls ein Eingriff noch während der Wachstumsphase des Kindes oder Jugendlichen geplant ist, kann zunächst eine Epiphyseodese erwogen werden.
Es handelt sich um einen chirurgischen Eingriff, bei dem die Wachstumsfuge (Epiphyse) des entsprechenden Knochens zerstört oder überbrückt wird. Nach Abschluss des Wachstums kann dieses Verfahren nicht mehr angewandt werden, weil sich die Epiphyse geschlossen hat und per se an dem Knochen kein Wachstum mehr stattfindet. In den meisten Fällen wird eine Teilamputation vorgenommen, um den angrenzenden Fingern oder Zehen die notwendige Bewegungsfreiheit zurückzugeben.
Daraus resultiert eine für die betroffene Hand verbesserte Greiffähigkeit und ein betroffener Fuß, der möglichst wieder in einen Konfektionsschuh hineinpasst. In einigen Fällen kann auf Wunsch auch der gesamte Finger oder Zeh amputiert werden.
Aussicht & Prognose
Die optischen Veränderungen der Finger oder Zehen bleiben ohne eine medizinische Versorgung unverändert vorhanden. Der Betroffene kann lediglich mit den Widrigkeiten im Alltag versuchen Kompromisse zu finden, da eine Spontanheilung oder eine Veränderung der Optik ohne die Zusammenarbeit mit einem Arzt nicht möglich sein wird.
Bei einem ungünstigen Krankheitsverlauf ist darüber hinaus mit einer Zunahme der Beschwerden zu rechnen. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und Abnutzungserscheinungen können sich entwickeln. Bei der Inanspruchnahme einer medizinischen Versorgung grenzen sich die Behandlungsmöglichkeiten stark ein. Es gibt die Möglichkeit eines chirurgischen Eingriffs, bei dem es zu einer Teilamputation der Betroffenen Bereiche kommt.
Eine Prognosestellung ist nur individuell möglich, da diese von dem weiteren Heilungsverlauf sowie den ursprünglichen Vergrößerungen der Skelettsystems abhängig ist. Es kann zu Beeinträchtigungen der Bewegungsmöglichkeiten kommen. Ziel ist jedoch, durch eine Operation eine Verbesserung von Greiffunktion oder Bewegungsabläufen zu erreichen. Darüber hinaus sollen vorhandene Beschwerden bei der Fortbewegung auf ein Mindestmaß reduziert werden. Unterstützend für eine gute gesundheitliche Entwicklung sind physiotherapeutische Maßnahmen notwendig.
Der Betroffene kann selbst eine Linderung der Beschwerden erreichen, wenn er die erlernten Übungen im Alltag eigenverantwortlich umsetzt. Zusätzlich sollte beispielsweise Übergewicht vermieden werden. Dieses hat einen ungünstigen Einfluss auf das Skelettsystem.
Vorbeugung
Direkt vorbeugende Maßnahmen, die vor einer Makrodaktylie schützen würden, sind nicht existent, weil die auslösenden Ursachenfaktoren nicht bekannt sind. Da aber angenommen wird, dass sich die Anlage für die Krankheit in der vierten bis sechsten Schwangerschaftswoche bildet, kann schwangeren Frauen empfohlen werden, während dieser kritischen Phase der Schwangerschaft penibel Schad- und Giftstoffe zu meiden. Insbesondere die Abstinenz von Rauchen und Alkohol und möglicherweise auch von starkem Kaffeegenuss können als mittelbar wirksame vorbeugende Maßnahmen angesehen werden.
Das können Sie selbst tun
Da es sich bei der Makrodaktylie um eine angeborene Erkrankung handelt, kommt ausschließlich eine symptomatische Behandlung infrage. Dieser chirurgische Eingriff, bei dem die Wachstumsfuge des betroffenen Knochens überbrückt wird, kann durch die typischen präoperativen Maßnahmen unterstützt werden.
So sollte der Betroffene vor dem Eingriff keinen Alkohol trinken oder andere Genussmittel zu sich nehmen. Je nachdem, was der zuständige Arzt empfiehlt, darf einige Stunden vor dem Eingriff auch nichts mehr gegessen werden. Nach dem Eingriff sollte das betroffene Körperteil geschont werden. Die Wunde muss nach den Vorgaben des Arztes gepflegt werden, um Wundheilstörungen, Infektionen und andere typische Komplikationen zu vermeiden. Daneben sind regelmäßige Kontrolluntersuchungen im Krankenhaus oder in der Arztpraxis angezeigt. Sollten sich Beschwerden einstellen, zum Beispiel Schmerzen oder Bewegungsstörungen, muss umgehend der Arzt informiert werden. Meist ist dann ein zweiter Eingriff notwendig.
Die Schmerztherapie kann durch klassische Hausmittel wie kühle Auflagen unterstützt werden. In Rücksprache mit dem Arzt sind auch homöopathische Mittel wie Belladonna oder Arnika erlaubt. Bei einer Amputation liegt die wichtigste Maßnahme in der Anschaffung eines geeigneten orthopädischen Ersatzes.
Quellen
- Breusch, S., Clarius, M., Mau, H., Sabo, D. (Hrsg.): Klinikleitfaden Orthopädie, Unfallchirurgie. Urban & Fischer, München 2013
- Niethardt, F.U.: Kinderorthopädie. Thieme, Stuttgart 2009
- Witkowski R., Prokop O., Ullrich E.: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen. Springer, Berlin 2003