Mittelhirnsyndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 13. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

Sie sind hier: Startseite Krankheiten Mittelhirnsyndrom

Das Mittelhirnsyndrom ist die Folge einer Hirndrucksteigerung im Bereich der Fossa cranii media und hängt mit einer Kompression der Mittelhirnstruktur zusammen. Die häufigsten Ursachen für das Syndrom sind Blutungen und Ödeme. Die Behandlung erfolgt meist intensivmedizinisch und beinhaltet neben dem Erhalt der Vitalfunktionen eine meist neurochirurgische Drucksenkung.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Mittelhirnsyndrom?

Erste Hinweise auf ein Mittelhirnsyndrom erhält der Neurologe durch die Anamnese. Die standardmäßige Reflexprüfung bestärkt die erste Verdachtsdiagnose.
© matis75 – stock.adobe.com

Das Mesencephalon bildet einen Anteil des Hirnstamms. Der Neurologe bezeichnet den Hirnteil zwischen Pons und Diencephalon auch als Mittelhirn. Im Mittelhirn sind Bahnsysteme und Nervenkerne lokalisiert, die für den Menschen lebenswichtig sind. Als Mittelhirnsyndrom werden Druckschädigungen des Mittelhirns zusammengefasst, die mit unterschiedlichen Symptomen einhergehen können.

Primär bildet eine Hirndrucksteigerung den Rahmen für akute Mittelhirnsymptomatik. Bei steigendem Hirndruck können Hirnstrukturen ihre physiologische Position verlassen und eingequetscht werden. In der Regel verklemmt sich der Mittelhirnanteil im Tentorium cerebelli, dem sogenannten Kleinhirnzelt.

Dabei handelt es sich um eine querlaufende Hirnhautstruktur zwischen Okzipitallappen im supratentoriellen Raum und Kleinhirn im infratentoriellen Raum. Zu einer Verklemmung des Hirnanteils kann es nur nach Drucksteigerung im Bereich der Fossa cranii media kommen. Die Ursachen für eine Drucksteigerung in diesem Bereich können unterschiedlicher Natur sein.

Ursachen

Einem akuten Mittelhirnsyndrom gehen hirndrucksteigernde Prozesse wie beispielsweise Ödembildungen voraus. Zu solchen Ödembildungen kann es im Rahmen unterschiedlicher Erkrankungen kommen, so zum Beispiel bei Gehirntumoren, Hirninfarkten oder toxischen Ischämien. Auch ein Schlaganfall kann zerebrale Ödembildung zur Folge haben.

Prinzipiell können Schlaganfälle und Tumore allerdings auch ohne begleitende Ödembildung ein Mittelhirnsyndrom zur Folge haben. Alle genannten Prozesse lassen den Hirndruck ansteigen. Innerhalb des Schädels liegt begrenzter Raum vor. Austretendes Blut im Rahmen eines Schlaganfalls nimmt mehr oder weniger viel Platz in Anspruch.

Dasselbe gilt für Raumforderungen im Gehirn sowie Wasseransammlungen im Sinne eines Ödems. Da die Hirnstrukturen innerhalb der Schädelhöhle kaum ausweichen können, werden sie aneinander gedrängt und verklemmen sich. Die Folge kann das Mittelhirnsyndrom sein.

In Einzelfällen sind auch Liquorabflussstörungen die primäre Ursache für eine Verklemmung. Als Liquor wird das Hirnwasser bezeichnet, das das zentrale Nervensystem umspült. Im Einzelfall kann das Mittelhirnsyndrom auch durch Schädel-Hirn-Traumata, Vergiftungen oder einen Herzstillstand verursacht werden.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Aus klinischer Sicht lässt sich das Mittelhirnsyndrom in drei unterschiedliche Stadien unterteilen, die je durch verschiedene Symptome charakterisiert sind. Grundsätzlich liegt ein progredienter Bewusstseinsverlust vor. Außerdem kommt es im Verlauf zum Ausfall der Pupillenreflexe. Das Anfangsstadium ist durch Tachykardie und pathologische Cheyne-Stokes-Atmung gekennzeichnet.

Die Betroffenen schwitzen und besitzen keine Schmerzreizreaktionen mehr. Pathologische Reflexe treten ein. Die Babinski-Zeichen sind zum Beispiel positiv. Im dritten Stadium eines akuten Mittelhirnsyndroms leiden die Patienten an lichtstarren Pupillen. Außerdem treten Strecksynergismen in Form einer sogenannten Dezerebrationsstarre ein. Dieses Symptom erklärt sich durch den Ausfall aller inhibitorischen Bahnen.

Die Reflexe sind in dieser Phase überaktiv. Die Rede ist hierbei auch von Hyperreflexie. Da das Mittelhirnsyndrom während des dritten Stadiums in ein Koma mündet, sind die Vitalfunktionen der Patienten im Spätverlauf des Syndroms bedroht. Bei fortschreitenden Schädigungen durch zunehmende Hirndrucksteigerung geht das Mittelhirnsyndrom in der Regel fließend in ein lebensbedrohliches Bulbärhirnsyndrom über.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Erste Hinweise auf ein Mittelhirnsyndrom erhält der Neurologe durch die Anamnese. Die standardmäßige Reflexprüfung bestärkt die erste Verdachtsdiagnose. Zur Diagnosesicherung eines Mittelhirnsyndroms bedient sich der Neurologe einer bildgebenden Diagnostik. In den meisten Fällen ordnet er ein MRT an. Die Verklemmung des Mittelhirns ist auf der Schichtaufnahme deutlich zu sehen.

Eine Messung des Hirndrucks ist bei entsprechender Indikation zwingend erforderlich. Die Messung wird im Verlauf fortlaufend wiederholt, um einen fortlaufenden Druckanstieg möglichst früh zu erkennen und intervenieren zu können. Die Prognose für Patienten mit Mittelhirnsyndrom hängt vom Zeitpunkt der Diagnose ab. Die Diagnose im ersten Stadium wirkt sich prognostisch positiv aus.

Komplikationen

Durch das Mittelhirnsyndrom kommt es bei den Patienten zu verschiedenen Einschränkungen und Beschwerden. Diese können zu Lähmungen oder zu weiteren Störungen der Sensibilität führen und sich damit sehr negativ auf den Alltag und auf die Lebensqualität des Patienten auswirken. Die Betroffenen sind dabei nicht selten auf die Hilfe von anderen Menschen in ihrem Alltag angewiesen und können einfache Tätigkeiten in der Regel nicht mehr ausführen.

Nicht selten kommt es dabei zu einer Starre und zu einer ungewöhnlichen Atmung. Die Betroffenen können dabei auch in ein Koma fallen und nicht mehr aktiv am Leben teilnehmen. Vor allem für die Angehörigen, Kinder oder Partner kann das Mittelhirnsyndrom zu sehr schweren psychischen Beschwerden und Belastungen führen, sodass auch diese auf eine psychologische Behandlung angewiesen sind.

In der Regel kann die Behandlung des Mittelhirnsyndroms mit Hilfe von Medikamenten stattfinden, wobei diese in der Regel auf die Grunderkrankung abzielt. Ob es dabei allerdings zu einem positiven Krankheitsverlauf kommt, kann nicht allgemein vorausgesagt werden. In der Regel ist die Lebenserwartung der Patienten durch das Mittelhirnsyndrom nicht verringert oder eingeschränkt.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Eine Störung des Bewusstseins ist ein erstes Anzeichen, einer vorliegenden Erkrankung des Gehirns. Ein Arztbesuch ist erforderlich, sobald es zu Unregelmäßigkeiten des Bewusstseins, Kopfschmerzen oder Aufmerksamkeitsdefiziten kommt. Ein Abfall der Leistungsfähigkeit, Probleme der Konzentration oder Funktionsstörungen sind von einem Arzt untersuchen zu lassen. Tritt ein Ausfall des Bewusstseins auf, muss unverzüglich ein Rettungsdienst alarmiert werden.

Eine Notfallversorgung sowie eine intensivmedizinische Versorgung des Betroffenen sind vonnöten. Medizinische Tests werden durchgeführt, damit die Ursache der Symptome geklärt und behandelt werden können. Anwesende sind in der Pflicht bis zum Eintreffen des Notfallmediziners Erste-Hilfe-Maßnahmen zu ergreifen. Nur so kann das Überleben des Betroffenen gewährleistet werden.

Bei einer Unregelmäßigkeit der Atemtätigkeit, Störungen der Reflexe sowie starkem Schwitzen wird ein Arzt benötigt. Insbesondere der Verlust der Pupillenreflexe muss mit einem Arzt besprochen werden. Tritt ein Verlust des Schmerzempfindens ein oder nehmen vorhandene Beschwerden an Intensität zu, muss ein Arzt aufgesucht werden. Ein blasses Hautbild, Apathie sowie Teilnahmslosigkeit sind Anzeichen einer vorliegenden Erkrankung.

Da das Mittelhirnsyndrom zu einem lebensbedrohlichen Zustand führen kann, ist ein Arzt bereits bei einer zunehmenden Tendenz eines Unwohlseins oder Krankheitsgefühls aufzusuchen. Störungen der Gedächtnisfähigkeit, eine Orientierungslosigkeit sowie Einbußen der kognitiven Leistungen sind ärztlich untersuchen zu lassen.

Behandlung & Therapie

Die Therapie eines Mittelhirnsyndroms hängt vom Stadium und der Ursache der Erscheinung ab. Im Vordergrund der Behandlung steht vor allem die Sicherung der Vitalfunktionen. Außerdem muss der Hirnstoffwechsel in Gang gehalten und der Hirndruck überwacht werden. Zum Erhalt der Vitalfunktionen erhalten die Patienten eine Beatmung mit kontrollierter Hyperventilation.

Die konservativ medikamentöse Therapie entspricht der Gabe von Katecholaminen. Außerdem muss in der Regel eine Volumensubstitution erfolgen. Sind die Vitalfunktionen stabilisiert, so gilt die Senkung des Hirndrucks als endgültiges Therapieziel. Die effektivste Methode zur Hirndrucksenkung hängt von der primären Ursache der Drucksteigerung ab. Neben der neurochirurgischen Senkung können Mannitol oder die Ventrikeldrainage wichtige Ansatzpunkte sein.

Während der Drucksenkung gilt es nicht nur die Druckverhältnisse, sondern auch die Vitalfunktionen der Patienten fortlaufend zu überwachen. Diese Überwachung geschieht über intensivmedizinisches Monitoring. An die akute Hirndrucksenkung schließt sich die Beseitigung der primären Ursache an. Diese Ursachenbeseitigung erfolgt mittels neurochirurgische Intervention.

Falls die primäre Ursache zum Beispiel in ausgetretenem Blut gelegen hat, erfolgt als Kausaltherapie eine Hämatomausräumung. Bei ursächlichen Raumforderungen erfolgt dagegen eine Tumorexstirpation. Ob sich Patienten vollständig von einem Mittelhirnsyndrom erholen, hängt vom Schweregrad der Quetschungen und den betroffenen Gebieten ab, Rehabilitative Maßnahmen können die Rückbildung von etwaigen Langzeitfolgen fördern.


Aussicht & Prognose

Das Mittelhirnsyndrom bietet eine relativ schlechte Prognose und bedeutet für die Betroffenen eine deutliche Einschränkung der Lebensqualität. Beim Auftreten des Syndroms besteht meist bereits eine erhebliche Hirnschädigung, welche zu ernsten Komplikationen oder zum Tod des Patienten führt. Schwere Symptome wie die Hirndrucksteigerung oder das Koma nehmen oft einen schweren Verlauf. Die Patienten müssen künstlich beatmet werden und sind in der Regel nicht ansprechbar.

Bei einem positiven Verlauf ist die Aussicht auf eine Genesung gegeben, insofern keine schweren körperlichen Schäden entstanden sind. Im Allgemeinen hängt die Prognose vom Zeitpunkt der Behandlung und der Schwere des ursächlichen Schädel-Hirn-Traumas ab. Wird das Trauma umgehend ärztlich behandelt, ist die Prognose besser. Bei fehlender Behandlung verläuft das Mittelhirnsyndrom immer tödlich.

Die Prognose stellt der zuständige Neurologe in Rücksprache mit Chirurgen und weiteren Fachärzten. Zur Prognosestellung wird die Schwere des Traumas ebenso miteinbezogen wie der bisherige Verlauf und etwaige körperliche und geistige Schäden. Die Prognose ist relativ zuverlässig, da bereits entstandene Organschäden meist nicht mehr behandelt werden können und ein einmal überwundenes Schädel-Hirn-Trauma nicht zwingend Komplikationen hervorruft.

Vorbeugung

Dem Mittelhirnsyndrom lässt sich nur insoweit vorbeugen, wie einer Drucksteigerung im Bereich der Fossa cranii media vorzubeugen ist. Die Vorbeugemaßnahmen im Kontext des Hirninfarkts können im weitesten Sinn zum Beispiel zu den präventiven Maßnahmen gezählt werden.

Nachsorge

Beim Mittelhirnsyndrom stehen dem Patienten in den meisten Fällen nur sehr wenige und in der Regel auch nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten einer Nachsorge zur Verfügung, sodass der Betroffene in aller erster Linie auf eine frühzeitige Diagnose und rasche Behandlung dieser Krankheit angewiesen ist, um weitere Komplikationen und Beschwerden zu verhindern. Es kann zu keiner Selbstheilung kommen, sodass immer eine Behandlung von einem Arzt notwendig ist.

Die meisten Betroffenen sind beim Mittelhirnsyndrom auf einen operativen Eingriff angewiesen. Der Betroffene sollte sich nach einem solchen Eingriff auf jeden Fall schonen, wobei auch Bettruhe einzuhalten ist. Ebenso ist nicht selten die Einnahme von verschiedenen Medikamenten notwendig, um die Beschwerden zu lindern.

Dabei sind die Anweisungen des Arztes zu beachten, wobei auch auf eine regelmäßige Einnahme und ebenso auf eine richtige Dosierung zu achten ist. Die meisten Patienten benötigen während der Behandlung auch eine psychologische Unterstützung und sind dabei auch auf die Hilfe der eigenen Familie im Alltag angewiesen. Über den weiteren Verlauf des Mittelhirnsyndroms kann dabei keine allgemeine Voraussage getroffen werden, da dieser stark vom Zeitpunkt der Diagnose abhängig ist.

Das können Sie selbst tun

Beim Mittelhirnsyndrom stehen dem Betroffenen in den meisten Fällen keine Möglichkeiten der Selbsthilfe zur Verfügung. Es ist auf jeden Fall eine medizinische Hilfeleistung notwendig, um die Beschwerden und Symptome dieses Syndroms zu verringern und einzuschränken.

In vielen Fällen leiden auch die Angehörigen oder die Eltern des Betroffenen an starken psychischen Beschwerden oder an Depressionen. Dabei ist eine psychologische Behandlung sinnvoll, um den Patienten damit nicht zu belasten. Auch kann sich die liebevolle Hilfe und Pflege der Angehörigen positiv auf den Krankheitsverlauf des Mittelhirnsyndroms auswirken. Sollte der Betroffene in ein Koma verfallen, so kann in der Regel keine direkte Hilfe geleistet werden. Die tägliche Pflege und die Vorbeugung von psychischen Beschwerden ist hierbei sinnvoll. Bei einem Mittelhirnsyndrom sind die Betroffenen auf regelmäßige Kontrollen und Untersuchungen angewiesen, die vor allem in einem höheren Alter oder bei dauerhaften Beschwerden durchgeführt werden sollten.

Da auch die Atmung durch das Syndrom negativ betroffen ist, sollte sich der Betroffene schonen und keine anstrengenden oder sportlichen Tätigkeiten ausführen. Ob es durch das Mittelhirnsyndrom zu einer verringerten Lebenserwartung kommt, kann leider nicht im Allgemeinen vorhergesagt werden.

Quellen

  • Grehl, H., Reinhardt, F.: Checkliste Neurologie. Thieme, Stuttgart 2012
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Masuhr K., Masuhr, F., Neumann, M.: Duale Reihe Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013

Das könnte Sie auch interessieren