Morbus Behcet

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 4. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

Sie sind hier: Startseite Krankheiten Morbus Behcet

Morbus Behcet bzw. türk. Morbus Behçet ist eine schubweisende erlaufende Immunerkrankung, die vor allem südostasiatische und türkische Männer ab 30 Jahren betrifft. Die wichtigsten Symptome sind häufig wiederkehrende Aphthen und Erkrankungen der Augen, insbesondere Entzündungen und Eiteransammlungen. Zur Therapie stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, die wichtigste ist die Gabe von Kortison.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Morbus Behcet?

Zur Risikogruppe der Erkrankung gehören insbesondere Männer ab 30 Jahren, deren Herkunft türkisch oder südostasiatisch ist. Sie sollten einen Arzt aufsuchen, sobald sie vermehrt unter der Entstehung von Aphthen leiden.
© ferhaterdem – stock.adobe.com

Die rheumatische Erkrankung Morbus Behcet befällt das Immunsystem und tritt schubweise auf. Bereits in der Antike wurden Symptome beschrieben, die sich als diese Krankheit erkennen lassen. Als Erstsymptom manifestierten sich häufig wiederkehrende Aphten an der Mund- oder Genitalschleimhaut.

Im weiteren, dann eindeutigen, Symptomverlauf kommt es zu Erkrankungen der Augen, insbesondere Eiteransammlungen, die vor allem in der vorderen Augenkammer auftreten, und Entzündungen der Regenbogenhaut.

Selten beschrieben werden rheumatische Symptome wie Hautrötungen und -knoten, Beschwerden und Entzündungen der Gelenken, arterielle Gefäßverschlüsse sowie Entzündungen der Nebenhoden. Sehr selten treten Gehirnentzündungen auf, die zu Koordinationsstörungen, Kopfschmerzen, Spastiken und Bewusstseinsstörungen führen können.

Auch bei Jugendlichen kann Morbus Behcet auftreten und verläuft dann monosymptomatisch. Die Inzidenz der Krankheit liegt bei unter 1 zu 100000.

Ursachen

Obwohl die Krankheit schon seit der Antike bekannt ist, konnten ihre und die Gründe des gehäuften Auftretens in der Türkei und Südostasien bis dato nicht geklärt werden. Während es jedoch konkrete Vermutungen zu den Ursachen gibt, konnten keine Theorien zu den Auftrittsorten gefunden werden.

Wissenschaftler vermuten, dass das Zusammenspiel aus genetischer Veranlagung und Autoimmunkrankheiten mit bakteriellen oder viralen Entzündungen den Körper und das Immunsystem so sehr schwächt, dass es zu einer gestörten Immunregulation kommt. Diese würde den Krankheitsausbruch bedingen, weil dem Körper die Möglichkeiten fehlen, Entzündungen und Eiteransammlungen aus eigener Kraft abzubauen.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Morbus Behcet äußert sich durch kleine, meist schmerzhafte Hautstellen im Mund und Intimbereich. Diese Aphten können einzeln oder in größeren Gruppen auftreten und haben unterschiedliche Ausprägungen. Sie sehen wie Akne, Bläschen oder tastbare Knötchen aus, schmerzen bei Berührung und sind immer entzündet. Nach einiger Zeit vernarben die Hautstellen und die Haut löst sich schuppend ab.

Meist bemerken die Betroffenen auch eine gestörte Wundheilung, es kommt bei Verletzungen zu Nachblutungen, Nässen und Infektionen. Die Hautveränderungen werden oft von einer Bindehautentzündung begleitet. Dabei schwillt die Regenbogenhaut an, was in Tränen, Juckreiz und Rötungen resultiert. In der vorderen Augenkammer bilden sich Eiteransammlungen, die schließlich aufbrechen und sich nach innen oder außen entleeren.

In schweren Fällen erblindet der Patient infolge der Entzündung. Die Beschwerden entwickeln sich meist schleichend und nehmen im Verlauf des Morbus Behcet zu. Bei entsprechender Behandlung klingen die gesundheitlichen Probleme innerhalb einiger Tage oder Wochen ab. Wird die rheumatische Erkrankung nicht behandelt, kann es zu Vernarbungen, chronischen Schmerzen und Störungen des Immunsystems kommen. Die Erkrankten fühlen sich zunehmend unwohl, und oft entwickeln sich als Folge seelische Beschwerden wie Depressionen oder Minderwertigkeitskomplexe.

Diagnose & Verlauf

Betroffene des Morbus Behcet wenden sich häufig an einen Arzt, weil sie ein irritierendes Wundheilungsverhalten an sich feststellen. Die verletzte Haut erweist sich als hyperaktiv, es kommt zu starken Hautrötungen und Blasenbildung in der Umgebung der Wunde. Auch den zurate gezogenen Ärzten dient dieses Symptom als Hauptkriterium zur Früherkennung des Morbus Behcet.

Die Diagnose wird anhand des sogenannten "Katzenellenbogen-Tests" gesichert. Hierfür werden von einem Arzt 0,5ml medizinische Kochsalzlösung in die Haut des Ellenbogens injiziert und seine Reaktion beobachtet. Ist der Patient an Morbus Behcet erkrankt, so reagiert die überschießende Haut mit Knötchenbildung und Entzündungsreaktionen auf die Injektion.

Bestätigt dieser Test den Verdacht, so müssen zur weiteren Diagnose Blutanalysen erfolgen, um zu bestimmen, wie viel Immunglobulin im Blut enthalten ist und wie sich dieses zusammensetzt.

Morbus Behcet ist eine in Schüben verlaufende chronische Erkrankung, die sich zunächst durch Aphten und später durch verschiedene Augenerkrankungen zeigt. Wird nicht ärztlich interveniert, so kann die rheumatische Erkrankung zur Erblindung oder schweren Entzündungsverläufen im Gehirn führen.

Komplikationen

Durch den Morbus Behcet kommt es zu verschiedenen Beschwerden und Komplikationen. In erster Linie kann es zu Entzündungen an den Augen kommen, sodass sich in der vorderen Augenkammer Eiter ansammelt. Durch diese Ansammlung kommt es in den meisten Fällen zu Sehbeschwerden und im schlimmsten Falle zu einer vollständigen Erblindung. Auf der Haut bilden sich Juckreize und Rötungen aus, die die Lebensqualität des Betroffenen erheblich einschränken.

Dabei fühlen sich die meisten unwohl und schämen sich nicht selten für diese Beschwerden. Ebenso kann der Morbus Behcet zu einem verringerten Selbstwertgefühl oder zu Minderwertigkeitskomplexen führen. Nicht selten leiden die Patienten dadurch auch an psychischen Einschränkungen oder an Depressionen. Auch die Wundheilung kann durch den Morbus Behcet eingeschränkt sein, sodass es häufiger zu Infekten kommt.

Der Morbus Behcet kann mit Hilfe von Medikamenten relativ gut behandelt werden. Besondere Komplikationen treten dabei in der Regel nicht auf. In den meisten Fällen sind die Patienten allerdings auf eine langwierige Behandlung angewiesen. Ebenso kommt es in der Regel nicht zu einer verringerten Lebenserwartung des Betroffenen. Durch das geschwächte Immunsystem sind die Patienten anfälliger für verschiedene Erkrankungen.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Zur Risikogruppe der Erkrankung gehören insbesondere Männer ab 30 Jahren, deren Herkunft türkisch oder südostasiatisch ist. Sie sollten einen Arzt aufsuchen, sobald sie vermehrt unter der Entstehung von Aphthen leiden. Schmerzende Stellen am Zahnfleisch oder den Schleimhäuten im Mund sollten untersucht und behandelt werden. Breiten sich die betroffenen Regionen weiter aus oder kommt es zu weiteren Beschwerden, sollte ein Arztbesuch erfolgen. Bei Entzündungen, Juckreiz, offenen Wunden oder der Bildung von Eiter ist Vorsicht geboten. In schweren Fällen droht eine Blutvergiftung mit potentiell tödlichem Verlauf. Die Rücksprache mit einem Arzt ist erforderlich, wenn Schmerzen entstehen, sich die Wunde vergrößert oder eine sterile Wundversorgung nicht gewährleistet werden kann.

Leidet der Betroffenen wiederholt innerhalb weniger Wochen oder Monate unter den verschiedenen Symptomen, ist ein Arzt zu konsultieren. Bilden sich Bläschen oder kommt es zu anderen Veränderungen des Hautbildes, gilt dies als Hinweis des Organismus für bestehende Unregelmäßigkeiten. Ertastbare Knoten, eine schuppende Haut oder ein Berührungsschmerz sind einem Arzt vorzustellen. Heilen Wunden schlecht ab oder kommt es zu ungewöhnlichen Nachblutungen, wird ein Arzt benötigt. Bei emotionalen oder seelischen Auffälligkeiten ist ebenfalls ein Arztbesuch notwendig. Depressive Verstimmungen oder Verhaltensauffälligkeiten sind von einem Arzt begutachten zu lassen, sobald sie unvermindert über mehrere Wochen anhalten.

Behandlung & Therapie

Ist die Diagnose Morbus Behcet eindeutig nachgewiesen, so wird eine Standardtherapie eingeleitet. Diese besteht im Akutstadium aus der Gabe von Kortison, je nach Schweregrad und individuellen Bedürfnissen des Patienten intravenös oder in Tablettenform. Kortison hemmt Entzündungen im Körper und das Wachstum betroffener Zellen und kann so den Krankheitskreislauf unterbrechen oder abschwächen.

Bei sehr schweren Fällen und sich häufig wiederholenden Schüben kann der behandelnde Arzt entscheiden, zusätzlich oder alternativ Immunsuppressiva zu verabreichen. Diese vermindern die Funktionen des Immunsystems durch eingeschränktes Wachstum der Immunzellen oder Blockade des DNA-Wachstums. Dosishöhe und Einnahmehäufigkeit richten sich nach dem Schweregrad der Erkrankung.

Schlagen weder die Kortisontherapie noch die Immunsuppressiva oder die Kombination beider Präparate an, so stehen als letzte Möglichkeiten noch Therapien mit Infliximab oder Thalidomid zur Verfügung. Infliximab gilt als zentrales Medikament bei rheumatischen Erkrankungen. Thalodomid wurde unter den Namen und negativen Erfahrungen mit Contergan oder Softenon bekannt, verspricht jedoch in seiner heutigen Form und unter strengen Sicherheitskontrollen gute Heilungsaussichten.


Aussicht & Prognose

Die Prognose bei Morbus Behcet wird bei zunehmender Erkrankungsdauer besser. Der Verlauf ist als wellenförmig zu beschreiben, wobei gerade die zahlreichen Aphthen im Mundbereich oder an den Genitalien mit zunehmendem Alter seltener werden. Ist zudem nur das Hautbild betroffen, haben Betroffene keine geringere Lebenserwartung. Der Leidensdruck kann sich eher durch psychische Probleme, die aufgrund der als störend empfundenen Hautveränderungen entstehen, verstärken. In seltenen Fällen kommt es zu Depressionen, die die Prognose anderweitig verschlechtern.

Die Sterblichkeitsrate bei Morbus Behcet ist umso höher, je früher die Krankheit das erste Mal auftritt. Gerade Männer im jugendlichen Alter sowie junge Erwachsene haben eine viel höhere Sterberate als alle anderen Betroffenen. Dabei sind gerade Aneurysmen in den Lungenarterien mit einer hohen Sterblichkeitsrate von etwa einem Fünftel verbunden. Da diese vor ihrer Wirkung selten diagnostiziert werden, ist die Prognose entsprechend schlecht. Auch eine neuronale Beteiligung oder Geschwürbildungen im Verdauungstrakt oder anderen Organen tragen zur erhöhten Sterblichkeitsrate bei.

Mit steigendem Alter wird aber auch bei dieser Risikogruppe die Prognose immer günstiger, weil die Krankheit inaktiver wird. Des Weiteren ist die Prognose bei einer Beteiligung der Augen schlecht, denn circa 25 bis 50 Prozent der Betroffenen erblinden oder werden stark in ihrer Sehkraft eingeschränkt. Eine gute medizinische Versorgung kann dies unterbinden.

Vorbeugung

Da die Ursachen der Krankheit bis dato nicht erforscht wurden, sind keine Präventionsmethoden bekannt. Betroffene sollten sich jedoch schnellstmöglich und regelmäßig ärztliche Hilfe suchen, um schweren Krankheitsverläufen vorzubeugen.

Nachsorge

Das Therapieziel bei Morbus Behcet ist eine nachhaltige und möglichst komplette Unterdrückung der autoimmunen Entzündung der Blutgefäße. In aller Regel nimmt die Aktivität der wechselnd aufflackernden und abklingenden Krankheitszeichen mit der Zeit ab. Bei stärkerer Ausprägung mit Augenentzündungen, Thrombosen und Beteiligung des Nervensystems oder Magen-Darmtrakts ist eine langjährige Nachbehandlung mit entzündungshemmenden Medikamenten wie Infusionen und Tabletten erforderlich.

Haben Patienten mindestens zwei Jahre keine Beschwerden und sind ohne Symptome, werden Präparate zur Senkung von Entzündungsprozessen oder immunsuppressive Therapien in Einzelfällen abgesetzt. Oft ist es jedoch schwierig, Morbus Behcet unter Kontrolle zu bringen, da der zeitliche Verlauf und der Schweregrad der Schübe unkalkulierbar sind.

Wichtig bei der Autoimmunvaskulitis ist daher eine optimale Nachsorge. Die Maßnahmen zur Nachbehandlung im Anschluss an die akute Therapiephase haben zur Aufgabe, Folgeerscheinungen festzustellen und einen erneuten Schub rechtzeitig zu erkennen. Anhand des klinischen Erscheinungsbildes lassen sich die Medikamentendosierungen individuell abstimmen. Unterstützend bei der Nachsorge von Morbus Behcet wirkt ein Ernährungsstil zur Stabilisierung der Darmflora und zur Stärkung der Blutgefäße.

Regelmäßige Kontrolluntersuchungen, insbesondere beim Dermatologen und Augenarzt, ermöglichen die Früherkennung von Hautveränderungen oder Augenentzündungen, geben Betroffenen aber auch Sicherheit bei der Klärung drängender Fragen. Die Nachsorgebehandlung bei Morbus Behcet ist ein wichtiger Baustein, um den Erfolg einer Therapie dauerhaft zu festigen und an den individuellen Krankheitsverlauf anzupassen.

Das können Sie selbst tun

Da die Krankheit in Schüben verläuft, ist es schwierig ein Patentrezept zur Selbsthilfe auszustellen. Viele Patienten können mit der Krankheit gut und erträglich leben, wenn die verschriebenen Medikamente regelmäßig eingenommen werden. Bei einigen Erkrankten gibt es auch Zeiten, in denen sie gänzlich ohne Medikamente zurechtkommen. Tritt ein erneuter Schub auf, sollte unbedingt der behandelnde Arzt aufgesucht werden, um etwas zur Linderung zu verschreiben, da jederzeit starke Schmerzen damit verbunden sind.

Wer an Morbus Behcet leidet sollte auf alle Fälle darauf achten, seinem Körper ausreichend Ruhe zu gönnen. Ausreichend Schlaf und eine gesunde, ausgewogene Ernährung werden ebenfalls zu einem relativ stabilen Krankheitsverlauf beitragen. Außerdem sollten Erkrankte auf eine regelmäßige Lebensführung achten, um ihrem Körper unnötigen Stress zu ersparen.

Weiterhin wird Erkrankten angeraten sich einer Selbsthilfegruppe bzw. Therapiegruppe anzuschließen. Es gibt ebenfalls einige Internetforen, die eine gewisse Anonymität bieten. So kann sich jeder mit anderen Betroffenen über Themen austauschen, die vielleicht nicht in einer offiziellen Gruppe diskutiert werden sollen. Es ist eine Hilfe die Erfahrungen anderer in der jeweiligen Situation zu hören. So kann besser mit den eigenen Gefühlen und Befürchtungen umgegangen werden.

Quellen

  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Murphy, K., Travers, P., Walport, M.: Janeway – Immunologie. Spektrum, Heidelberg, 2010
  • Peter, H.-H., Pichler, W.J. (Hrsg.): Klinische Immunologie. Urban & Fischer, München 2012

Das könnte Sie auch interessieren