Morbus Gaucher (Gaucher-Syndrom)
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 15. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Morbus Gaucher ist eine der häufigsten Lipidspeicherkrankheiten und auf einen genetisch bedingten Mangel des Enzyms Glukozerebrosidase zurückzuführen. In einer Vielzahl der Fälle kann die Erkrankung im Rahmen einer Enzymersatztherapie behandelt werden, die eine Rückbildung der für Morbus Gaucher charakteristischen Symptome bewirkt.
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Was ist Morbus Gaucher?
Als Morbus Gaucher (Gaucher-Syndrom) wird eine genetisch bedingte Fettstoffwechselstörung bezeichnet, die durch einen Mangel des Enzyms Glukozerebrosidase verursacht wird. Infolge der durch diesen bedingten Abbaustörung wird vermehrt Glukozerebrosid im Organismus angereichert, vor allem in den Retikulumzellen (Fibroblasten im Bindegewebe), was zu einer Vergrößerung der betroffenen Organe führt.
Morbus Gaucher wird nach drei Formen differenziert, die sich hinsichtlich der Symptome und des Verlauf unterscheiden. Die viszerale oder nicht-neuronopathische Form kennzeichnen vor allem organische Beeinträchtigungen wie Leber- und Milzvergrößerung (Hepatosplenomegalie), Anämie (Blutarmut), Knochen- und Gelenkstörungen sowie Gerinnungsstörungen.
Bei Vorliegen eines akut-neuronopathischen Morbus Gaucher weisen die Betroffenen zusätzlich Schädigungen des Nervensystems auf. Diese Erkrankungsform besitzt einen schweren und stark progredienten Verlauf und führt in den ersten Lebensjahren zum Tod. Die chronisch-neuronopathische Form charakterisiert ein schwach progredienter Verlauf mit einer Manifestation in späteren Lebensjahren.
Ursachen
Die Zellen von von Morbus Gaucher Betroffenen sind nicht in der Lage dieses Enzym im ausreichendem Maße zu produzieren bzw. stellen Glukozerebrosidase in verminderter Qualität her. Infolgedessen kommt es zu einer Akkumulation von Glukozerebrosid in den Makrophagen (Fresszellen).
Die Makrophagen sammeln sich mit dem unverdauten Glukozerebrosid hauptsächlich in der Milz, Leber sowie im Knochenmark an und verursachen die für Morbus Gaucher typische Organvergrößerung, die die Funktion der betroffenen Organe einschränkt.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Morbus Gaucher kann in drei unterschiedlichen Formen mit jeweils unterschiedlichen Symptomen auftreten. Die mildeste Form der Erkrankung ist der Typ I mit einer non-neuronopathischen Verlaufsform. Typ II kennzeichnet die akut neuronopathische Verlaufsform, während Typ III der Erkrankung die chronisch neuronopathische Verlaufsform darstellt. Bei Morbus Gaucher Typ I kommt es meist erst im Erwachsenenalter zu den ersten Symptomen. Im Gegensatz zu den anderen Formen der Erkrankung treten hier keine neurologischen Beschwerden auf.
Allerdings sind die inneren Organe betroffen. Besonders die Milz vergrößert sich und ruft solche Beschwerden wie vergrößerten Bauch, Oberbauchbeschwerden und ständiges Sättigungsgefühl hervor. Gleichzeitig werden die Blutzellen schneller abgebaut und die Blutbildung im Knochenmark behindert.
Das hat eine zunehmende Blutarmut (Anämie) zur Folge, die sich durch Müdigkeit und Abgeschlagenheit äußert. Das Immunsystem ist durch den Mangel an weißen Blutkörperchen geschwächt. Die Blutgerinnung ist ebenfalls herabgesetzt, weil zu wenig Blutplättchen gebildet werden. Außerdem kommt es zur Verformung der Knochen, vermehrten Knochenbrüchen und häufigen Infektionen.
Knochenschmerzen, chronische Gelenkschmerzen und Durchblutungsstörungen gehören ebenfalls zu den möglichen Symptomen bei der non-neuronopathischen Verlaufsform. Beim Gauchersyndrom vom Typ II beginnt die Erkrankung bereits bei Säuglingen mit heftigen Symptomen, die auf Nervenabbauprozesse zurückzuführen sind.
Durch zunehmende Hirnschädigung kommt es zu Schluckbeschwerden und schweren Krampfanfällen. Der Tod tritt innerhalb von zwei Jahren ein. Bei der chronischen neuronopathischen Verlaufsform finden langsame Nervenabbauprozesse statt mit fortschreitendem geistigen Abbau, Bewegungsstörungen, Verhaltensauffälligkeiten und zunehmenden Krampfanfällen.
Diagnose & Verlauf
Die Diagnose von Morbus Gaucher erfolgt anhand der für die Erkrankung charakteristischen Symptome wie Milz- und Lebervergrößerung (Hepatosplenomegalie), Knochen- und Gelenkschmerzen, spontane Frakturen, abnehmender Muskeltonus, Anämie, Ermüdungserscheinungen, Krampfanfälle sowie Augenhintergrundveränderungen (weiße Flecken).
Abgesichert wird die Diagnose durch eine Blutuntersuchung sowie einen Enzymtest, bei welchem die Enzymaktivität in den Leukozyten bzw. Fibroblasten bestimmt wird. Werden eine Erhöhung von Phosphatase sowie eine verminderte Glukozerebrosidasekonzentration im Blut festgestellt und lassen sich Gaucher-Zellen im Knochenmark nachweisen, gilt die Diagnose als gesichert.
Bei rechtzeitigem Therapiebeginn ist bei der viszeralen und chronisch-neuronopathischen Form von Morbus Gaucher in den meisten Fällen mit einer Verlangsamung des progredienten Krankheitsverlaufs sowie einer Linderung der Symptome zu rechnen. Die akut-neuronopathische Form weist hingegen einen stark progredienten Verlauf auf und die Betroffenen dieser Form von Morbus Gaucher versterben oftmals im frühkindlichen Alter.
Komplikationen
Neben den Schmerzen tritt auch eine Appetitlosigkeit ein, die weiterhin zu einer Unterernährung oder zu einem Nährstoffmangel führen kann. Die Blutarmut fördert zudem die Abgeschlagenheit und Müdigkeit des Patienten. Die Lebensqualität wird durch den Morbus Gaucher deutlich verringert. Auch Schmerzen in den Gelenken oder Krampfanfälle können dabei auftreten und den Alltag des Betroffenen erschweren.
Nicht selten versterben vor allem sehr kleine Kinder an den Beschwerden dieser Krankheit, was zu psychischen Beschwerden oder zu Depressionen bei den Eltern und den Angehörigen der Patienten führen kann. Die Behandlung dieser Krankheit kann mit Hilfe von Infusionen und anderen Medikamenten stattfinden.
Komplikationen treten dabei in der Regel nicht auf. Allerdings ist es nicht möglich, den Morbus Gaucher vollständig einzuschränken, sodass die Patienten in den meisten Fällen auf eine lebenslange Therapie angewiesen sind. Ob es zu einer Verringerung der Lebenserwartung kommt, hängt stark von der Behandlung und von der Ausprägung dieser Krankheit ab.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Bei der vererbbaren Fettspeicherkrankheit Morbus Gaucher müssen die Betroffenen damit rechnen, dass dieser selten auftretende Enzymdefekt mehrfach falsch diagnostiziert wird. Derzeit sind in Deutschland nur etwa 2.000 Patienten damit registriert. Daher ist jeder Gang zum Arzt, der durch diesen Gendefekt notwendig wird, zunächst ein problematischer Gang. Schwierig ist bereits der Umstand, dass die Symptomlage bei jedem Menschen anders ausfällt.
Menschen, die von Morbus Gaucher betroffen sind, erkranken oft schon als Kind. Manche Betroffenen haben kaum Symptome zu verzeichnen. Sie besuchen folglich auch keinen Arzt. Bei einer prekären Beschwerdelage durch den Enzymdefekt sollte ein Facharzt aufgesucht werden. Im Internet finden sich genügend Tests und Symptomlisten, um bei einem Verdacht auf Morbus Gaucher eine entsprechende Anmerkung gegenüber dem Arzt zu machen. Dieser Hinweis ist vermutlich Auslöser für einen Bluttest.
Die Erkrankung Morbus Gaucher ist nicht heilbar. Sie ist aber mit einer Enzymersatztherapie oder einer Substrat-Reduktionstherapie gut behandelbar. Daher müssen die Betroffenen nach der Diagnosestellung mehrfach zur Einleitung einer entsprechenden Behandlung in einem ausgewiesenen Gaucher-Zentrum antreten. Außerdem sind regelmäßige Kontrolluntersuchungen im Abstand von drei bis sechs Monaten nötig.
Die notwendigen Untersuchungen sollten in einem klinischen Gaucher-Zentrum durchgeführt werden. Hier wird auch die Enzymersatztherapie als Infusionstherapie begonnen. Später kann der Hausarzt die Weiterbehandlung übernehmen.
Behandlung & Therapie
Bei Morbus Gaucher stehen prinzipiell zwei Therapieformen zur Verfügung: die Enzymsubstitutionstherapie (Enzymersatztherapie – EET) sowie die Substratreduktionstherapie. Da Morbus Gaucher durch einen Enzymmangel bedingt wird, konzentriert sich die Behandlung auf die Beseitigung dieses Mangels durch eine Enzymsubstitutionstherapie.
Hierbei wird gentechnisch gewonnene Glukozerebrosidase (rekombinante Imiglucerase) intravenös infundiert. Da das modifizierte Enzymsubstrat eine relativ lange Halbwertzeit aufweist, genügen zweiwöchige Infusionen. Das Substrat wird von den Makrophagen aufgenommen und kann somit den Glukozerebrosidabbau katalysieren. Die Enzymersatztherapie stellt die Standardtherapie bei der nicht-neuronopathischen und chronisch-neuronopathischen Form von Morbus Gaucher dar und bewirkt eine sukzessive Verbesserung der für Morbus Gaucher charakteristischen Symptome.
Daneben wird bei einem milden Verlauf von Morbus Gaucher ein Therapieansatz verfolgt, bei welchem die Glukozerebrosidanreicherung teilweise durch den oral verabreichten Wirkstoff Miglustat gehemmt wird (Substratreduktionstherapie). Aufgrund starker Nebenwirkungen kommt dieses Medikament nur bei von Morbus Gaucher Betroffenen zum Einsatz, für die eine Enzymersatztherapie nicht angezeigt ist.
Zusätzlich können begleitende Maßnahmen ergriffen werden, die zur Minderung oder Beseitigung der jeweiligen Symptome beitragen. So können beispielsweise bei starken Beeinträchtigungen der Knochen zusätzliche orthopädische Maßnahmen bis hin zu einem Gelenkersatz erforderlich werden.
Aussicht & Prognose
Ohne Behandlung zeigen sämtliche Morbus Gaucher-Typen einen langsam fortschreitenden Verlauf. Unter Behandlung hängt die Prognose vom jeweils vorliegenden Erkrankungstyp ab. Morbus Gaucher Typ I ist bei frühzeitiger und zeitgemäßer Therapie in aller Regel gut behandelbar. Die Lebensqualität ist hier vor allem durch die Knochen- und Gelenkveränderungen beeinträchtigt. Während der Kindheit stehen häufig Wachstumsstörungen sowie Knochenkrisen im Fokus. Einige Betroffene benötigen nach Knochenbrüchen (Frakturen) und Nekrosen des Femurkopfes einen Rollstuhl.
Bei Morbus Gaucher Typ II (akut neuronopathische Form) ist die Prognose dagegen aufgrund der ausgeprägten Beteiligung des Nervensystems schlecht. Trotz Therapie versterben die meisten betroffenen Kinder bereits innerhalb der ersten beiden Lebensjahre. Morbus Gaucher Typ III (chronisch neuronopathische Form) ist behandelbar, kann aber mit auffallenden geistigen Beeinträchtigungen sowie einer eingeschränkten Lebenserwartung einhergehen. Allerdings liegen für diesen Typ bislang nicht genügend Daten aus klinischen Studien vor, sodass ein abschließende Bewertung nicht möglich ist.
Bei allen Morbus Gaucher Betroffenen besteht im gesamten Erkrankungsverlauf ein erhöhtes Risiko für Blutungskomplikationen und Milzrisse (Milzrupturen). Eine endgültige Heilung kann lediglich durch eine Gentherapie erzielt werden. Eine fetale Gentherapie für Typ II ist zumindest an Mäusen erfolgreich von britischen Forschern durchgeführt worden. Ob und wann eine derartige Therapie Morbus Gaucher-Betroffenen zur Verfügung steht, kann bislang nicht gesagt werden.
Vorbeugung
Da Morbus Gaucher eine genetisch bedingte Lipidspeicherkrankheit ist, kann dieser nicht direkt vorgebeugt werden. Im Rahmen eines Heterozygotentest und einer pränatalen Diagnostik kann jedoch während der Schwangerschaft geprüft werden, ob das Kind von Morbus Gaucher betroffen sein wird.
Nachsorge
Als genetische Erkrankung ist Morbus Gaucher bis heute nicht heilbar. Die Betroffenen sind lebenslang auf die Einnahme von Medikamenten angewiesen. Haben Patienten eine Diagnose erhalten und sind auf eine Therapie eingestellt, ist eine regelmäßige Nachsorge erforderlich, um den Behandlungserfolg zu kontrollieren. In der Regel bestellt der Arzt die Betroffenen einmal pro Quartal zur Blutentnahme ein, um die wichtigsten Werte zu kontrollieren.
Je nach Schwere der Erkrankung und Verlauf sind zusätzlich alle sechs bis zwölf Monate gründliche Untersuchungen in einem spezialisierten Gaucher-Kompetenzzentrum erforderlich. Die Erkrankung führt je nach Krankheitstyp und Stadium unter Umständen zu starken Schmerzen und Bewegungsstörungen und Lähmungserscheinungen. Fachleute raten dazu, ein Schmerztagebuch zu führen und eine Schmerztherapie zu beginnen, um die Lebensqualität weitgehend zu erhalten.
Zudem helfen Übungen, die sich leicht in den Alltag integrieren lassen, die Bewegungsfähigkeit zu verbessern und zu erhalten. Grundsätzlich ist auch beim Gauchersyndrom eine gesunde und ausgewogene Ernährung sehr empfehlenswert. Es besteht ein erhöhter Bedarf an Kalzium und Eisen.
Deshalb sind Milchprodukte und Haferflocken, Linsen oder Brokkoli ein wertvoller Bestandteil des Speiseplans. Sofern es das Befinden zulässt, ist auch regelmäßiger Sport sinnvoll. Allerdings sollten Betroffene auf Kontaktsportarten verzichten, da bei dieser Krankheit ein erhöhtes Risiko für einen Milzriss besteht.
Das können Sie selbst tun
Morbus Gaucher Patienten können viel selbst tun, um ihre Lebensqualität zu verbessern. Aktive Krankheitsbewältigung und eigenverantwortlicher Umgang mit der Erkrankung, stärken das Selbstbewusstsein. Betroffene geraten nicht so schnell in eine depressive Abwärtsspirale. Es ist wichtig, die Krankheit zunächst einmal zu akzeptieren. Das Auflehnen dagegen kostet nur unnötig Kraft.
Empfehlenswert ist auch, möglichst viel über das Krankheitsbild zu recherchieren. Je mehr Wissen vorhanden, desto kleiner wird die Angst und Unsicherheit. Offene Fragen können mit dem Arzt des Vertrauens besprochen werden. Es empfiehlt sich außerdem eine Selbsthilfegruppe aufzusuchen. Im Austausch mit anderen Patienten fühlen sich Betroffene verstanden und nicht mehr so einsam. Ebenso ist es anzuraten psychotherapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Eine gesunde, ausgewogene Ernährung ist generell zu empfehlen. Morbus Gaucher Patienten können davon in besonderer Weise profitieren. Kalzium stärkt Muskeln und Knochen. Eisen hilft gegen Blutarmut. Natürliche Lebensmittel wie Milch- und Vollkornprodukte, Fisch, Spinat, Nüsse und Hülsenfrüchte enthalten ein Vielfaches der benötigten Nährstoffe. Außerdem können Nahrungsergänzungsmittel eingenommen werden, um den täglichen Bedarf zu decken. Natürlich nur nach ärztlicher Absprache.
Bewegung kann sich ebenfalls positiv auf die Gesundheit auswirken. Die meisten Sportarten sind problemlos ausführbar. Zur Sicherheit sollte der behandelnde Arzt zu Rate gezogen werden.
Quellen
- Grehl, H., Reinhardt, F.: Checkliste Neurologie. Thieme, Stuttgart 2012
- Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
- Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013