Morbus Scheuermann (Scheuermann-Krankheit)
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 6. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Morbus Scheuermann ist eine Erkrankung der Wirbelsäule, die sich häufig im Wachstumsalter manifestiert. Durch eine Wachstumsstörung der Wirbelkörper bilden sich keilförmige Wirbel, die die zwischengelagerten Bandscheiben verschmälern. Dadurch entsteht der für Morbus Scheuermann typische Rundrücken mit Hohlkreuz.
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Was ist Morbus Scheuermann?
Die Scheuermann-Krankheit wurde von dem dänischen Röntgenologen Holger Scheuermann entdeckt und nach ihm benannt. Sie betrifft mehr männliche als weibliche Jugendliche. Es wird geschätzt, dass etwa 10-20% der Bevölkerung von dieser Wachstumsstörung der Wirbelkörper in mehr oder minder ausgeprägter Form betroffen sind.
Es kommt zu Fehlbildungen der Grund- und Deckplatten benachbarter Wirbelkörper, hauptsächlich im Brustwirbelbereich, die zu einer keilförmigen Ausbildung der Wirbelkörper führen. Dadurch werden die zwischen den Wirbelkörpern liegenden Bandscheiben verschmälert, was in späteren Lebensjahren zu verschiedenen Beschwerden führt.
Sind die Brustwirbel von der Wachstumsstörung betroffen, bildet sich der typische Rundrücken mit Hohlkreuz und Wirbelsäulenverkrümmung. Sind dagegen die Wirbelkörper der Lendenwirbelsäule betroffen, kommt es zur Herausbildung eines Flachrückens. Die Scheuermann-Krankheit wird auch als Osteochondritis deformans juvenilis dorsi bezeichnet.
Ursachen
Verschiedene äußere Faktoren, wie Fehlhaltungen beim stundenlangen Sitzen am Schreibtisch in gebeugter Haltung oder auch eine schwache Muskulatur durch eine zu geringe sportliche Betätigung, gelten ebenfalls als begünstigend für Morbus Scheuermann. Durch die gebeugte Haltung ensteht ein verstärkter Druck auf die Vorderkanten der Brustwirbelsäule. Da sich die Wachstumszone der Wirbelkörper in den Kantenbereichen befindet, wird das Wachstum der Wirbelkörper durch den vermehrten Druck auf die Vorderkante beeinträchigt und verlangsamt.
Hierdurch wachsen die Wirbelkörper an der Hinterkante stärker, als an der Vorderkante, in dessen Folge sich keilförmige Wirbelkörper herausbilden. Dies wiederum führt zu einer Verringerung des Abstandes der Wirbelkörper zueinander, zu einer Abflachung der Bandscheiben und zu einer größeren Bruchgefahr der Grund- und Deckplatte der Wirbelkörper. Als weitere Ursache für Morbus Scheuermann gilt eine mechanische Überbeanspruchung der Wirbelsäule, beispielsweise bei Leistungssportlern.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Morbus Scheuermann ist für das geschulte Auge häufig bereits äußerlich an einer deutlichen Rundung der Brustwirbelsäule und einem eventuell ausgleichenden Hohlkreuz im Bereich der Lendenwirbelsäule zu erkennen. Die Symptome und Beschwerden, die in Zusammenhang mit der Scheuermann-Krankheit stehen, sind direkt aus dem äußeren Erscheinungsbild ableitbar.
Die starke Krümmung nach vorne im Brustbereich hat vor allem im fortgeschrittenen Zustand Rückenschmerzen und Nackenverspannungen zur Folge. Auch Kopfschmerzen sind möglich. Weitere Verspannungen von Muskeln kommen dadurch zustande, dass die Wirbelsäule im betroffenen Bereich deutlich an Beweglichkeit verliert. Im BWS-Bereich kann dies auch zu Schmerzzuständen im Bereich von Schultern und Armen führen.
Auch die inneren Organe reagieren nicht selten auf die unphysiologisch verengten Zustände. So kann sich die Lunge bei einer starken Ausprägung von Morbus Scheuermann nicht frei zur tiefen Einatmung entfalten. Herzrhythmusstörungen und Magenprobleme sind ebenfalls zu den Spätsymptomen der Scheuermann-Krankheit zu zählen.
Die Lendenwirbelsäule reagiert oft ausgleichend auf die Krümmung der Brustwirbelsäule, indem sie ein ausgeprägtes Hohlkreuz und eine Überbeweglichkeit schafft. Auch dies kann zu Problemen führen. Typisches Symptom sind Schmerzen im unteren Rücken, die besonders dann auftreten, wenn die Bauchmuskulatur in schwachem Trainingszustand ist.
Weitere Komplikationen sind Schmerzen in den Beinen mit deutlich ausstrahlendem Charakter, die Folge eines durch die verstärkte Hohlkreuzbildung verursachtenVorfalls von Bandscheibenmaterial in den Spinalkanal sein können.
Diagnose & Verlauf
Die Diagnose Morbus Scheuermann wird durch eine Röntgendiagnostik erstellt. Im Röntgenbild zeigen sich die typische Verkrümmung der Wirbelsäule sowie die keilförmig verformten Wirbelkörper.
Zu Beginn der Krankheit zeigen sich kaum Beschwerden. Im weiteren Verlauf kommt es zu nach vorn gezogenen Schultern und einem Rundrücken. Durch den Rundrücken kommt es zu einer verstärkten Beanspruchung der Lendenwirbelsäule und der Ausbildung eines Hohlkreuzes. Um die Schmerzen zu verringern, wird von den Betroffenen häufig eine Schon-Fehlhaltung eingenommen, die zu Abnutzungserscheinungen an den Wirbelkörpern und Beeinträchtigung der Muskulatur, Sehnen und Bänder führt.
In den meisten Fällen von Morbus Scheuermann kommt es jedoch nicht zur vollen Ausbildung des Krankheitsbildes, da mit dem Ende der Wachstumsphase auch das Fehlwachstum beendet ist.
Komplikationen
Die Rückenschmerzen selbst schränken den Alltag des Patienten deutlich ein und führen zu einer deutlich verringerten Belastbarkeit des Patienten. Weiterhin wird auch das Wachstum von Kindern durch den Morbus Scheuermann merklich eingeschränkt und verzögert. Dadurch kann es auch zu Folgeschäden im Erwachsenenalter kommen, die in den meisten Fällen irreversibel sind.
Die Behandlung des Morbus Scheuermann findet mit Hilfe verschiedener Therapien statt. Damit können die Schmerzen relativ gut eingeschränkt und behandelt werden. Besondere Komplikationen treten dabei nicht auf. In der Regel werden operative Eingriffe nur dann durchgeführt, wenn es sich um einen schwerwiegenden Fall handelt. Auch die Lebenserwartung des Betroffenen wird durch den Morbus Scheuermann in der Regel nicht verringert.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Besonderheiten des Skelettsystems sind grundsätzlich von einem Arzt untersuchen zu lassen. Kommt es innerhalb des Wachstumsprozesses bei Kindern oder Jugendlichen zu Auffälligkeiten, sollte schnellstmöglich ein Arztbesuch erfolgen. Bei einer optischen Veränderung der Wirbelsäule besteht eine besondere Sorgfaltspflicht. Kann eine Fehlhaltung des Körpers wahrgenommen werden, ist ein Arztbesuch notwendig.
Rückenschmerzen oder Beschwerden des Nackens sollten einem Arzt vorgestellt werden. Die Einnahme von Schmerzmedikamenten ist grundsätzlich nur in Rücksprache mit einem Arzt zu empfehlen, da das Risiko von Nebenwirkungen oder Komplikationen sehr hoch ist. Kopfschmerzen, Beschwerden des Muskelapparates, Störungen des Herzrhythmus sowie Probleme bei der Atemfähigkeit sind untersuchen und behandeln zu lassen.
Ist es dem Betroffenen nicht möglich, tief einzuatmen, besteht Anlass zur Besorgnis. Eine starke Hohlkreuzbildung, Einschränkungen der Bewegungsmöglichkeiten oder eine Abnahme der gewohnten körperlichen Belastbarkeit sollten mit einem Arzt besprochen werden. Können die alltäglichen schulischen oder beruflichen Verpflichtungen nicht erfüllt werden oder ist die Teilnahme an sportlichen Aktivitäten eingeschränkt, wird ein Arzt benötigt. Treten aufgrund des optischen Makels sowie der verringerten Mobilität emotionale oder seelische Probleme auf, ist ein Arzt aufzusuchen. Bei depressiven Verstimmungen, einem aggressiven Auftreten oder einem Rückzug aus dem sozialen Leben ist die Konsultation eines Arztes anzuraten.
Behandlung & Therapie
Bei leichten Fällen der Scheuermann-Krankheit ist eine gezielte Physiotherapie ausreichend. Bei den krankengymnastischen Übungen wird eine gesunde Körperhaltung antrainiert und die Rückenmuskulatur gekräftigt. Wichtig ist eine regelmäßige sportliche Betätigung, die der Verkrümmung der Wirbelsäule entgegenwirkt.
Spezielle Rückengymnastik, Schwimmen und Wandern dienen der Kräftigung der Muskulatur und einer gesunden Körperhaltung. Hilfreich ist auch das Tragen eines Korsetts während der Wachstumsphase, das den Oberkörper zu einer gesunden Haltung zwingt und ein gesundes Wachstum der Wirbelkörper fördert.
Nur in besonders schweren Fällen, wenn es bereits zu einer ausgeprägten Fehlhaltung und damit verbunden starken Rückenschmerzen gekommen ist, kann eine Operation erforderlich werden. Dabei werden die defekten Bandscheiben entfernt und durch vorher aus den Rippen oder dem Beckenkamm entnommene Knochenstücke ersetzt. Diese Operationsmethode ist jedoch nur in etwa der Hälfte aller Fälle erfolgreich und mit gewissen Risiken behaftet.
Aussicht & Prognose
Im Allgemeinen ist die Prognose bei Morbus Scheuermann günstig, wenn frühzeitig mit der Therapie begonnen wird. Die Deformation der Wirbelsäule entsteht meist erst während der Pubertät und kann unbehandelt zu mehr oder minder starken Verformungen der Wirbelsäule (Buckel, Skoliose, Hyperkyphose) führen.
Deshalb ist eine rechtzeitige Diagnosestellung und eine regelmäßige Verlaufskontrolle wichtig, bei welcher der sogenannte "Cobb-Winkel" (Maß für die Wirbelkrümmung) bestimmt wird. Daraus leiten sich im Weiteren die Maßnahmen ab, die das Voranschreiten der Wirbelsäulendeformation verlangsamen oder im Idealfall sogar aufhalten können.
Günstig auf die Prognose wirkt sich das gezielte Training der Rückenmuskulatur durch entsprechende Krankengymnastik aus. Auch Sportarten, die die Rückenmuskulatur kräftigen (wie beispielsweise Schwimmen), können positive Auswirkungen auf die Symptome und die Entwicklung der Wirbelsäule haben. Sehr gute Erfolge werden mit der Anwendung eines stützenden Korsetts erzielt. Nicht außer Acht gelassen werden sollte außerdem die Ernährung. Mangelerscheinungen begünstigen die Scheuermann-Krankheit.
Mit dem Ende des Wachstums schreitet Morbus Scheuermann nicht weiter voran. Sekundäre Schäden (Bandscheibenvorfälle, Haltungsschäden, neurologische Missempfindungen) können allerdings dennoch entstehen. Wichtige Faktoren sind dabei vor allem zu wenig Bewegung, eine ungünstige Körperhaltung (viel gebücktes Sitzen) und Übergewicht. Diese wirken sich generell negativ auf die Prognose von Morbus Scheuermann aus.
Vorbeugung
Zur Vorbeugung der Scheuermann-Krankheit gehören die Vermeidung von Fehlhaltungen bei Kindern und Jugendlichen etwa durch eine der Körpergröße angepasste Höhe des Schreibtisches und einen ergonomisch geformten Stuhl. Regelmäßige sportliche Betätigung kräftigt die Rücken- und Bauchmuskulatur, stützt die Wirbelsäule und begünstigt eine gesunde Körperhaltung. Günstig sind Ausdauersportarten wie Schwimmen und Laufen, während Leistungssport sowie das Heben und Tragen von schweren Lasten und die damit verbundene starke mechanische Belastung der Wirbelsäule vermieden werden sollten.
Nachsorge
Ebenso wie die Therapie, richtet sich auch die Nachbehandlung von Morbus Scheuermann nach dem Ausmaß der Schmerzen, dem Umfang des Rundrückens sowie dem Lebensalter des Patienten. Im Rahmen der Nachsorge arbeiten in der Regel Orthopäden und Physiotherapeuten zusammen. Eine wichtige Rolle spielt aber auch die Zuarbeit des Patienten. So sollte er die krankengymnastischen Übungen, die er erlernt, zu Hause regelmäßig durchführen, um die Genesung voranzubringen.
Die physiotherapeutischen Übungen sorgen für eine verkürzte Brustmuskulatur und beugen einer ungesunden verkrümmten Haltung vor. Im oberen Bereich des Rückens findet eine Kräftigung der Muskeln statt. Dies wirkt sich wiederum positiv auf das Aufrichten der Wirbelsäule aus. Sowohl in der Rehabilitation als auch in Fitnessstudios ist eine präzise Durchführung zur Muskelstärkung möglich. Auch das Risiko von Verletzungen lässt sich auf diese Weise verringern.
Sowohl für die betroffenen Kinder als auch für ihre Eltern ist neben der Durchführung der krankengymnastischen Maßnahmen eine Sportberatung hilfreich. So ist es wichtig zu wissen, welche Sportarten sich positiv auswirken und welche nicht. Als günstig gilt Wassersport wie Rückenschwimmen. Negativ eingestuft werden dagegen Kunstturnen, Radfahren, Trampolinspringen oder Rudern.
Ziel der Nachsorge ist das Stabilisieren der Ausrichtung der Wirbelsäule, um einer progredienten Deformierung entgegenzuwirken. Übergewicht kann die Behandlung negativ beeinflussen. In den meisten Fällen sind jedoch keine schweren Verlaufsformen von Morbus Scheuermann zu befürchten.
Das können Sie selbst tun
Das typische Beschwerdebild von Morbus Scheuermann ist eng mit der Haltung verbunden. In vielen Fällen bedeutet das: Je gekrümmter der Patient sitzt oder steht, umso mehr Schmerzen werden berichtet. Hier setzt die Selbsthilfe rund um die Scheuermann-Krankheit an: Je aufrechter die Haltung, umso größer das Wohlbefinden und umso besser häufig auch der Therapieerfolg von Schulmedizin und Krankengymnastik. Der Patient kann sich allein schon daher selbst helfen, wenn er die verschriebene Physiotherapie mit all ihren Sitzungen konsequent wahrnimmt und auch für zu Hause empfohlene Übungen gewissenhaft durchführt. Auch ein Korsett, das in schwereren Fällen verschrieben werden kann, muss mit hoher Selbstdisziplin getragen werden.
Im Alltag kann der Patient ebenfalls eine Menge zur Linderung oder gar Beseitigung der durch Mobus Scheuermann verursachten Beschwerden beitragen. Dazu gehört insbesondere die Kräftigung der Rumpfmuskulatur (Bauch und insbesondere Rücken), die für die Aufrichtung des Körpers und damit der Wirbelsäule zuständig ist. Dies sollte immer in Absprache mit dem behandelnden Arzt oder Physiotherapeuten geschehen. Gut geeignet sind Kräftigungsübungen an den speziell für diese Muskelgruppen geeigneten Maschinen im Fitnessstudio. Schwimmen oder Walken trainieren neben der Rückenmuskulatur auch die Ausdauer. Bei Liegepositionen während des Schlafens oder Lesens ist es oft hilfreich, immer wieder auch einmal die Bauchlage einzunehmen.
Quellen
- Breusch, S., Clarius, M., Mau, H., Sabo, D. (Hrsg.): Klinikleitfaden Orthopädie, Unfallchirurgie. Urban & Fischer, München 2013
- Niethard, F., Pfeil, J., Biberthaler, P.: Orthopädie und Unfallchirurgie. Thieme, Stuttgart 2014
- Wülker, N., Kluba, T., Roetman, B., Rudert, M.: Taschenlehrbuch Orthopädie und Unfallchirurgie. Thieme, Stuttgart 2015