Rückengymnastik

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 28. Oktober 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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In vielen Teilen der Bevölkerung ist Rückengymnastik besonders in fortgeschrittenem Alter der Standardsport, den man aus gegebenem Anlass an der Volkshochschule oder im regionalen Turnverein bucht. Zugleich ist Rückengymnastik eine gelegentlich verschriebene therapeutische Maßnahme, die der Orthopäde verordnet. Auch in Reha- und Kurkliniken steht oft Rückengymnastik auf dem Programm. Angesichts der bekannten Statistiken über kostenträchtige Ausfälle am Arbeitsplatz sollte man Rückengymnastik vielleicht in jedem Unternehmen standardmäßig anbieten.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Rückengymnastik?

Rückengymnastik dient vorwiegend der Vorbeugung, Entlastung oder Behandlung bei bereits bestehenden Rückenproblemen.

Unter dem sammelbegriff Rückengymnastik werden verschiedene Übungssequenzen für den Nacken-, Schulter und Rückenbereich summiert, die zum Ziel haben, die Rückenmuskeln systematisch zu stärken, bereits verspannte Partien zu lockern und -bei entsprechender Indikation ergänzt durch manuelle oder apparative Maßnahmen - von chronischen Blockaden und Schmerzen zu befreien.

Rückengymnastik kann in Eigenregie oder unter fachkundiger Anleitung ausgeführt werden. Rückengymnastik dient vorwiegend der Vorbeugung, Entlastung oder Behandlung bei bereits bestehenden Rückenproblemen.

Geschichte & Entwicklung

Die Geschichte der Rückengymnastik reicht bis in die Antike zurück, wo schon im alten Griechenland und Rom Übungen zur Stärkung des Körpers und zur Haltungskorrektur praktiziert wurden. Hippokrates, der als „Vater der Medizin“ gilt, erkannte bereits um 400 v. Chr. die Bedeutung eines gesunden Rückens und empfahl Übungen zur Stärkung der Wirbelsäule. Auch in der traditionellen chinesischen Medizin wurden Techniken entwickelt, um die Rückengesundheit zu fördern, darunter Tai Chi und Qi Gong.

Im 19. und frühen 20. Jahrhundert gewann die Rückengymnastik mit der Industrialisierung und dem Anstieg von sitzenden Tätigkeiten an Bedeutung. Der schwedische Gymnastikpädagoge Pehr Henrik Ling entwickelte um 1813 das „Ling-System“, das auf gezielten Körperübungen beruhte und als Vorläufer moderner Gymnastiksysteme gilt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg rückte die Rückengymnastik verstärkt in den Fokus, da Studien das Auftreten von Rückenschmerzen mit Bewegungsmangel und falscher Haltung in Verbindung brachten. In den 1970er-Jahren entstand schließlich eine „Rückenschule“, die speziell entwickelte Programme zur Vorbeugung und Behandlung von Rückenleiden beinhaltete. Heute werden Rückengymnastikübungen in zahlreichen Formen angeboten, von Physiotherapie über Fitnessstudios bis hin zu Online-Programmen, und sind ein zentraler Bestandteil der Prävention und Rehabilitation. Die Methoden reichen von klassischen Kräftigungsübungen bis hin zu modernen Ansätzen wie Pilates und Yoga, die gezielt die Körperhaltung und Rumpfstabilität stärken.

Einsatz & Indikation

Rückengymnastik wird durchgeführt, um Rückenschmerzen vorzubeugen, bestehende Beschwerden zu lindern und die Muskulatur zu stärken. Sie ist besonders dann notwendig, wenn eine Schwäche der Rumpfmuskulatur, Fehlhaltungen oder Verspannungen zu Rückenproblemen führen. Häufig sind Menschen betroffen, die viel sitzen, etwa im Büro oder im Homeoffice, da die sitzende Haltung die Rückenmuskulatur belastet und oft zu einer Verkürzung bestimmter Muskelgruppen führt. Auch bei einseitigen Belastungen im Arbeitsalltag, etwa durch körperlich anstrengende Tätigkeiten, kann Rückengymnastik helfen, Dysbalancen auszugleichen und die Wirbelsäule zu entlasten.

Für Personen, die bereits an Rückenschmerzen oder Erkrankungen wie Bandscheibenvorfällen leiden, ist Rückengymnastik ebenfalls ein wichtiger Bestandteil der Therapie und Rehabilitation. Ärzte und Physiotherapeuten empfehlen häufig gezielte Übungen, um die Stabilität und Flexibilität der Wirbelsäule zu verbessern und die Beschwerden zu verringern. Auch nach Verletzungen oder Operationen im Rückenbereich wird Rückengymnastik eingesetzt, um die Muskulatur schonend wieder aufzubauen und die Beweglichkeit wiederherzustellen.

Darüber hinaus wird Rückengymnastik im präventiven Bereich angewendet, um das Risiko von Rückenleiden zu senken. Regelmäßige Übungen stärken den gesamten Rumpfbereich und helfen dabei, eine gute Körperhaltung zu bewahren und so langfristig Rückenproblemen vorzubeugen.

Vorteile & Nutzen

Rückengymnastik bietet gegenüber anderen Behandlungsmethoden verschiedene Vorteile, die sowohl präventiv als auch therapeutisch wirksam sind. Ein wesentlicher Vorteil ist die aktive Beteiligung des Betroffenen: Anders als bei passiven Methoden wie Massagen oder Medikamenten wirkt der Patient selbst gezielt an der Stärkung seiner Muskulatur und Haltung mit. Durch regelmäßige Übungen kann die Muskulatur nachhaltig aufgebaut und gestärkt werden, was zur Stabilisierung der Wirbelsäule und zur Entlastung der Bandscheiben führt. Dies sorgt für eine langfristige Schmerzreduktion, ohne auf Schmerzmittel oder invasive Eingriffe zurückgreifen zu müssen.

Darüber hinaus fördert Rückengymnastik die Eigenverantwortung und Körperwahrnehmung. Die Teilnehmer lernen, Fehlhaltungen zu erkennen und zu vermeiden, was die Rückengesundheit langfristig verbessert. Ein weiterer Vorteil ist die Flexibilität der Rückengymnastik: Die Übungen lassen sich leicht an individuelle Bedürfnisse und Beschwerden anpassen und können nahezu überall, oft auch ohne spezielle Geräte, durchgeführt werden.

Im Vergleich zu anderen Methoden wie Operationen oder starken Schmerzmitteln ist Rückengymnastik zudem kostengünstig und risikoarm. Sie ist daher besonders gut geeignet, um chronische Rückenbeschwerden schonend und nachhaltig zu behandeln oder diesen vorzubeugen, und kann unkompliziert in den Alltag integriert werden.

Funktion, Wirkung & Ziele

Unter dem Begriff Rückengymnastik stellen sich verschiedene Gymnastikübungen und Dehnverfahren vor, die in jedem Lebensalter zur Entlastung der Rückenmuskulatur genutzt werden können.

Videos, Bücher und Kurse zum Thema Rückengymnastik weisen darauf hin, dass jede Form der Rückengymnastik eine hohe Bedeutung im Gesundheitsschutz und der Prävention hat. In jedem Lebensalter kann man die meisten Übungen der Rückengymnastik ausführen. Bei fortgeschrittenem Alter oder bei bereits bestehenden Schädigungen und Erkrankungen des Skeletts muss man allerdings veränderten Bewegungsmöglichkeiten Rechnung tragen. Die Rückengymnastik muss jeweils den gesundheitlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten angepasst werden.

Grundregel Nummer eins ist, dass man niemals in den Schmerz hineingehen sollte. Es kann nicht immer empfohlen werden, eine beliebige Rückengymnastik nach einem Buch zu praktizieren, weil nicht alle Übungen aus orthopädischer Sicht gleichermaßen empfehlenswert sind. Fachkundig können einem ausgebildete Krankengymnastinnen, Fitnesstrainer, Sporttrainer oder Physiotherapeuten zu einer angemessenen Form der Rückengymnastik verhelfen. Diese kann man dann auch in Eigenregie ausüben.

Bei Bandscheibenvorfällen, Unfallverletzungen oder nach Operationen an der Wirbelsäule ist oft eine spezifische Rückengymnastik und umfassende Reha-Behandlung nötig. Zum Teil finanzieren die Krankenkassen heutzutage Präventionskurse. Bei chronischen Rückenschmerzen sind häufig multimodale Therapieansätze sinnvoll. Im weiteren Sinne kann man auch Pilates, Yoga oder Chi Gong Übungen als Rückenschule verstehen. Man müsste aber gezielt entsprechende Übungen auswählen.

Rückengymnastik in Eigeninitiative kann bei Bedarf mit Schmerztherapie, Entspannungsübungen, Ergotherapie, Chirotherapie und mit physikalischen Therapiemaßnahmen ergänzt werden. Ziel aller Maßnahmen ist es, die Muskeln im Halteapparat zu stärken, bereits gestörte Bewegungsabläufe zu optimieren, einseitige Belastungen auszugleichen, Blockaden und Verspannungen durch Rückengymnastik zu lösen und Schmerzfreiheit zu erzielen.

Regelmäßige Rückengymnastik kann sowohl vorbeugend als auch in der Nachsorge eine wichtige Rolle spielen. Vorheriges Aufwärmen und Dehnen ist sinnvoll. Alle Übungen der Rückengymnastik müssen bewusst vollzogen und mehrfach wiederholt werden. Überforderung und Übereifer sind in Bezug auf die Rückengymnastik zu vermeiden. Außerdem muss jede Übung technisch korrekt ausgeführt werden, um optimalen Nutzen zu erzielen. Bereits geschädigte Rückenpartien müssen bei Rückengymnastik besonders schonend trainiert werden.


Durchführung & Ablauf

Eine typische Rückengymnastikstunde beginnt mit einer Aufwärmphase, um die Muskulatur zu lockern und den Kreislauf in Schwung zu bringen. Leichte Bewegungsübungen, wie Schulterkreisen, Arm- und Beinbewegungen oder ein sanftes Dehnen, bereiten den Körper auf die nachfolgenden Übungen vor und verringern das Verletzungsrisiko.

Nach dem Aufwärmen folgen meist gezielte Kräftigungsübungen für den gesamten Rumpfbereich, darunter Bauch-, Rücken- und seitliche Rumpfmuskulatur. Typische Übungen sind der „Unterarmstütz“ (Plank), bei dem die Bauch- und Rückenmuskulatur angespannt wird, oder der „Vierfüßlerstand“, bei dem die Teilnehmer den Rücken stabilisieren, indem sie Arme und Beine im Wechsel anheben. Auch Übungen wie die „Brücke“, bei der das Becken aus der Rückenlage angehoben wird, stärken gezielt die untere Rückenmuskulatur und das Gesäß.

Neben der Kräftigung spielt die Mobilisation der Wirbelsäule eine wichtige Rolle. Durch sanfte Drehbewegungen und Dehnungen werden die Wirbelgelenke mobilisiert und die Flexibilität der Wirbelsäule verbessert. Diese Bewegungen helfen, Verspannungen zu lösen und die Beweglichkeit zu fördern.

Am Ende der Rückengymnastik folgt eine Entspannungsphase, in der Atemübungen oder leichtes Dehnen zum Einsatz kommen, um den Körper zur Ruhe zu bringen und ein angenehmes Körpergefühl zu erzeugen. Dieser Ablauf sorgt für eine umfassende Stärkung und Mobilisierung des Rückens und fördert gleichzeitig die Entspannung.

Risiken & Gefahren

Rückenbeschwerden sind ein häufig vorkommendes Phänomen. Entsprechend oft wird Rückengymnastik ausgeübt. Viele Betroffene besuchen in Eigeninitiative entsprechende VHS-Kurse, machen Pilates, Yoga oder Chi Gong, um die Rückenmuskulatur zu stärken.

Falsches Mobiliar, chronische Haltungsschäden, einseitige Berufsbelastungen und chronischer Bewegungsmangel sind häufige Auslöser von Rückenbeschwerden. Welche Rückengymnastik jeweils geeignet ist, sollte man wegen der Risiken nicht selbst definieren. Zwar kann man mit zehn Minuten Rückengymnastik täglich manches Rückenproblem vermeiden oder bessern.

Probleme entstehen aber durch eine falsch angewendete Rückengymnastik. Übungen der Rückengymnastik, die zu einer Überlastung der Halswirbelsäule oder andere Teile der Wirbelsäule führt, schaden mehr als dass sie nützen. Beachtet die Rückengymnastik beispielsweise nicht das Lebensalter, den Zustand der Wirbelsäule, der Sehnen und Knorpel, das Vorhandensein einer Osteoporose oder anderer medizinischer Probleme, kann sie unerwünschte Auswirkungen haben.

Setzt man die Übungen der Rückengymnastik gezielt ein und achtet auf Schmerzsignale, kann die verspannte Muskulatur besser durchblutet werden und ist in der Folge entspannter.

Alternativen

Es gibt eine Reihe alternativer Verfahren zur Rückengymnastik, die sich insbesondere dann eignen, wenn Rückengymnastik aufgrund von Schmerzen, Bewegungseinschränkungen oder individuellen Einschränkungen nicht möglich ist. Eine der gängigen Alternativen ist die Physiotherapie, bei der gezielte Techniken wie manuelle Therapie, Massagen und Dehnübungen eingesetzt werden, um Verspannungen zu lösen, die Durchblutung zu fördern und die Beweglichkeit zu verbessern. Physiotherapeuten passen die Behandlung individuell an und können so auf spezielle Bedürfnisse eingehen.

Eine weitere Alternative ist die Elektrotherapie. Hierbei werden elektrische Impulse genutzt, um Schmerzen zu lindern und die Muskeln zu stimulieren, ohne dass der Patient aktiv Übungen ausführen muss. Wärme- und Kälteanwendungen kommen ebenfalls häufig zum Einsatz, um muskuläre Verspannungen zu lösen oder Entzündungen zu lindern.

Auch Aqua-Therapie oder Wassergymnastik ist eine schonende Alternative, da die Übungen im Wasser durch den Auftrieb des Körpers weniger belastend für die Gelenke und Wirbelsäule sind. Das Wasser bietet dennoch Widerstand, sodass die Muskeln gekräftigt werden.

Für Patienten, die eine sanfte Form der Bewegung bevorzugen, kann Yoga oder Pilates hilfreich sein, da hier die Muskulatur schonend gedehnt und gekräftigt wird. Schließlich bieten auch Methoden wie Akupunktur oder Chiropraktik ergänzende Ansätze, die durch gezielte Impulse und Manipulationen zur Schmerzlinderung und Mobilisation des Rückens beitragen können.

Quellen

  • Hüter-Becker, A., Dölken, M.: Physikalische Therapie, Massage, Elektrotherapie und Lymphdrainage. Thieme, Stuttgart 2007
  • Hüter-Becker, A., Dölken, M.: Physiotherapie in der Orthopädie. Thieme, Stuttgart 2015
  • Stiftung Warentest: Das Rückenbuch. Aktiv gegen Schmerzen. Stiftung Warentest, Berlin 2004

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