Neuralrohr
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 16. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Das Neuralrohr ist eine embryonale Anlage in der Frühschwangerschaft, die nicht nur beim Menschen, sondern bei allen Wirbeltieren zu finden ist. Im weiteren Verlauf der Entwicklung gehen daraus das zentrale Nervensystem, das Rückenmark und das Gehirn hervor. Bei Störungen bei der Bildung und Weiterentwicklung des Neuralrohrs sind schwere Fehlbildungen die Folge.
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Was ist das Neuralrohr?
Die Entstehung des Neuralrohrs ist eine der ersten Ausdifferenzierungen der Embryonalzellen. Es bildet sich an der Oberfläche des äußeren Keimblatts. Dies geschieht beim Menschen zwischen dem 22. und 28. Tag nach der Befruchtung der Eizelle. Als Vorläufer von zentralem Nervensystem, Rückenmark und Gehirn ist die störungsfreie Ausbildung und Umformung des Neuralrohrs von enormer Bedeutung für die weitere Entwicklung des Embryos.
Anatomie & Aufbau
Schließlich formen sich die Neuralwülste zu Neuralfalten um und vereinigen sich über der Neuralrinne zum Neuralrohr. Diese Entwicklung setzt zunächst in der Mitte des Bereichs ein. Kurz darauf schließt sich die vordere Öffnung und zuletzt die hintere Öffnung des Neuralrohrs. Da sich das Ektoderm über das Neuralrohr legt, wandert dieses in das Innere des Embryos, wo es einen Hohlraum formt. Dabei bilden sich auch Neuralleisten heraus, die auf beiden Seiten des Neuralrohrs zu finden sind. Aus diesen werden später verschiedene Organe und Elemente des Körpers.
Das Neuralrohr selbst bildet die Grundlage für die Entwicklung des Gehirns, des Rückenmarks und des zentralen Nervensystems. Aus dem vorderen Bereich des Neuralrohrs entstehen im Laufe des weiteren Wachstums des Embryos die verschiedenen Teile des Gehirns. Das Rückenmark und das zentrale Nervensystem gehen aus dem hinteren Ende des Neuralrohrs hervor. Die mittlere Region des Neuralrohrs, die einen deutlichen Hohlraum aufweist, wird zum Zentralkanal des Rückenmarks und füllt sich nach und nach mit Flüssigkeit.
Während des gesamten Entwicklungsverlaufs bestimmt das wachsende und sich abrundende Neuralrohr das äußeres Erscheinungsbild des Embryos. Etwa in der Mitte der sechsten Entwicklungswoche des Embryos ist die Nerulation abgeschlossen und die Umbildung des Neuralrohrs beginnt.
Funktion & Aufgaben
Störungen bei der Bildung und Weiterentwicklung des Neuralrohrs sind sehr häufig. Zwischen einem und fünf Kindern, die lebend geboren werden, weisen einen Neuralrohrdefekt auf. Die Gesamtzahl liegt jedoch deutlich höher, da bei durch Vorsorgeuntersuchungen festgestellten schweren Missbildungen die Schwangerschaft meist vorzeitig beendet wird.
Auch natürliche Aborte in der Frühschwangerschaft sind nicht selten auf Defekte des Neuralrohrs zurückzuführen. Bei den lebend geborenen Kindern mit Neuralrohrdefekt sind verschiedene Krankheitsbilder möglich. Kindern mit Anenzephalie fehlen große Teile des Gehirns und des Schädeldachs völlig. Sie sind in der Regel blind, taub und ohne Bewusstsein und sterben meist kurz nach der Geburt. Im Fall von Enzephalozele ist das Gehirn zwar vorhanden, aber fehlgebildet. Es liegt teilweise in auffälligen sackartigen Ausstülpungen außerhalb der Schädelknochen, die mit sehr viel Flüssigkeit angefüllt sein können. Nach operativer Entfernung dieser Ausstülpungen ist oft ein Leben ohne körperliche oder geistige Einschränkungen möglich.
Hydranenzephalie zeichnet sich durch das ganze oder teilweise Fehlen von verschiedenen Gehirnbereichen aus. Da der Schädel äußerlich unauffällig ist, fällt dieser Defekt erst nach einiger Zeit aufgrund von starken Entwicklungsverzögerungen des Kindes auf. Kinder mit Hydranenzephalie haben nur eine sehr geringe Lebenserwartung. Eine sehr seltene Störung im Zusammenhang mit einer Fehlbildung des Neuralrohrs ist die Inienzephalie. Die betroffenen Kinder haben meist einen überproportional großen Kopf und weisen eine starke rückwärtige Krümmung des Rückgrats auf.
Von allen Neuralrohrdefekten am bekanntesten ist Spina bifida. Obwohl diese Fehlbildung umgangssprachlich auch offener Rücken genannt wird, ist sie nicht zwingendermaßen von außen sichtbar. Gemeinsames Merkmal aller Formen von Spina bifida ist eine Spaltbildung in der Wirbelsäule. In den jeweiligen Spalt wölben sich Teile der Rückenmarkshaut oder des Rückenmarks selbst hinein. In schweren Fällen wird das Nervengewebe nicht von anderem Gewebe bedeckt und liegt tatsächlich offen. Je nach Schweregrad der Spina bifida unterscheiden sich die körperlichen Beeinträchtigungen deutlich.
Sehr häufig sind Beeinträchtigungen in der Mobilität und Störungen der Blasen- und Darmfunktion. Auch treten zusammen mit Spina bifida nicht selten weitere Fehlbildungen auf, die auf einen Neuralrohrdefekt zurückzuführen sind. Allerdings ist Spina bifida die einzige im Zusammenhang mit einer Entwicklungsstörung des Neuralrohrs stehende Fehlbildung, die heute bereits im Mutterleib operiert werden kann.
Krankheiten
Es wird deshalb allen Frauen mit Kinderwunsch empfohlen, als Nahrungsergänzungsmittel Folsäure einzunehmen. Auch durch Drogen-, Alkohol- oder Medikamentenmissbrauch der Schwangeren können Fehlentwicklungen des Neuralrohrs verursacht werden. Äußere Einflüsse, die die Entstehung von Neuralrohrdefekten begünstigen können, sind Röntgen- und andere Strahlen sowie verschiedene Umweltgifte. Verschiedene Infektionskrankheiten können ebenfalls die korrekte Herausbildung des Neuralrohrs beeinträchtigen.
Quellen
- Bommas-Ebert, U. et al.: Kurzlehrbuch Anatomie. Und Embryologie. Thieme, Stuttgart 2011
- Frotscher, M., et al.: Taschenatlas Anatomie, Band 3: Nervensystem und Sinnesorgane. Thieme, Stuttgart 2018
- Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013