Neutrophilie
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
Sie sind hier: Startseite Krankheiten Neutrophilie
Mit Neutrophilie wird eine über das Normalmaß hinausgehende Zahl der neutrophilen Granulozyten (Neutrophile) im Blut bezeichnet. Die Neutrophilie ist eine von mehreren möglichen Formen der Leukozytose, mit der allgemein ein Anstieg der weißen Blutkörperchen bezeichnet wird, zu denen auch die Neutrophilen gezählt werden. Es gibt viele endogene und exogene Faktoren einschließlich Immunreaktionen, die eine vorübergehende oder permanente Überzahl an neutrophilen Granulozyten verursachen.
Inhaltsverzeichnis |
Was ist Neutrophilie?
Für neutrophile Granulozyten, die zum angeborenen Immunsystem gehören, wird häufig die Kurzbezeichnung Neutrophile verwendet. Sie stellen eine spezifische Form der weißen Blutkörperchen (Leukozyten) dar und machen den größten Anteil der Leukozyten insgesamt aus. Eine zeitweise oder permanente Erhöhung der Zahl der Neutrophilen im Blut über das Normalmaß hinaus wird als Neutrophilie bezeichnet.
Die Neutrophilie ist damit eine Sonderform der Leukozytose, mit der generell eine Erhöhung der Leukozytenzahl bezeichnet wird. Die neutrophilen Granulozyten gehören zur unspezifischen angeborenen Immunabwehr. Sie sind permanent „auf Patrouille“ im Blut und in inaktiver Form auch als „Posten“ im Gewebe verteilt. Eine schnelle und kurzandauernde Erhöhung ihrer Zahl im Blut kann eine Immunreaktion sein oder auf eine Erkrankung der Neutrophilen selbst hindeuten.
Der Großteil der Neutrophilen sind sogenannte segmentkernige, ausdifferenzierte Neutrophile, von denen im Normalfall 3.000 bis 5.800 im Blut pro Mikroliter zirkulieren. Stabkernige neutrophile Granulozyten, die noch nicht vollständig ausdifferenziert sind, treten im Normalfall mit einer Zahl von circa 150 bis 400 pro Mikroliter Blut in Erscheinung.
Ursachen
Bei äußeren Umständen, die akuten Stress verursachen mit einer schlagartigen Erhöhung des Adrenalinspiegels wird der Körper auf kurzzeitige muskuläre und mentale Höchstleistungen für Flucht oder Angriff vorbereitet. Dazu gehört auch die Vorsorge, im Falle von Verletzungen möglichst wenig Blut zu verlieren durch Verengung der peripheren Blutgefäße und schneller auf Keime, die mögliche äußere Verletzungen als Eintrittspforte nutzen, reagieren zu können.
Das Immunsystem veranlasst als Vorsorgemaßnahme eine vorübergehende Neutrophilie, die nach etwa einer Stunde wieder abklingt. Das Immunsystem ist auch der Auslöser einer Neutrophilie bei akuten Entzündungen, starken Verletzungen, Operationen und Infektionen sowie bei einer Erhöhung des Spiegels an Glucocorticoiden. Die drastische Erhöhung der Zahl der neutrophilen Granulozyten geht meist mit einer sogenannten Linksverschiebung einher.
Es werden vermehrt noch nicht ausgereifte stabkernige Neutrophile aus dem Knochenmark in den Blutkreislauf geschleust. Ein ähnlicher Vorgang als Reaktion des Immunsystems tritt bei chronischen Entzündungen und bei einigen Arten von Neoplasien (Krebs) auf. Eine besonders schwere Form der Neutrophilie entsteht bei der chronisch granulozytären Leukämie wie die myeloische Leukämie, bei der es aufgrund genetischer Faktoren im Verlauf der Krankheit – unbehandelt – zu einer ungebremsten Proliferation von Vorläuferzellen der Leukozyten kommt.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Eine Erhöhung der neutrophilen Granulozyten über das Normalmaß hinaus ist in der Regel völlig symptomlos. Symptome treten allenfalls in Verbindung mit den die Neutrophilie auslösenden Faktoren auf. So können beispielsweise Entzündungen oder Verletzungen Schmerzen verursachen, die aber nicht auf die sich dann entwickelnde Neutrophilie zurückgeführt werden können.
Auch Beschwerden und Anzeichen, die mit der Vielzahl anderer Verursacher in Verbindung gebracht werden können, werden durch die pathologisch erhöhte Zahl der Neutrophilen weder verursacht noch verstärkt.
Diagnose & Krankheitsverlauf
Da die Neutrophilie völlig symptomlos ist, wird sie meist mehr oder weniger zufällig im Rahmen labormäßigen Blutuntersuchung entdeckt. Die routinemäßige Ermittlung der Blutwerte im Labor erlaubt eine Differenzierung zwischen den verschiedenen Leukozyten. Es wird zwischen Neutrophilen, Lymphozyten, Monozyten, Eosinophilen und Basophilen unterschieden, die unterschiedliche Aufgaben innerhalb des Immunsystems übernehmen.
Der Verlauf der Neutrophilie hängt sehr stark vom Verlauf der verursachenden Faktoren ab. Er kann selbstregulierend sein wie im Fall einer Stresssituation oder sich nach Überwindung einer lokalen oder systemischen Infektion ebenfalls von selbst wieder zurückbilden oder aber im Falle einer myeloischen Leukämie - unbehandelt - einen schwerwiegenden Verlauf nehmen.
Komplikationen
In vielen Fällen verschwindet die Beschwerde auch wieder vollständig, wenn die Infektion oder die Entzündung überstanden ist. Eine besondere Behandlung ist dabei nicht notwendig. Allerdings kann die Neutrophilie auch durch eine Leukämie auftreten und sich dabei negativ auf die Lebensqualität auswirken. In diesem Falle ist es möglich, die Neutrophilie mit Hilfe von Medikamenten zu behandeln.
Allerdings kommt es auch dabei nicht zu Komplikationen. Auch die Lebenserwartung des Patienten wird von der Neutrophilie nicht beeinflusst. Dieser Krankheit kann in der Regel nicht vorgebeugt werden. Allerdings ist vor allem nach operativen Eingriffen auf Maßnahmen der Hygiene zu achten, um Infektionen und Entzündungen zu vermeiden.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Meist deutet eine schnelle und für kurze Zeit andauernde Erhöhung der im Blut befindlichen Leukozyten auf eine Immunreaktion des Körpers oder auf eine Asschüttung des Stresshormons Adrenalin hin, was zunächst keiner ärztlichen Behandlung bedarf, da sich der Wert von alleine wieder einpendelt.
Ist jedoch weder eine Verletzung, eine akute Entzündung oder eine Infektion der Auslöser für eine Erhöhung des Leukozytenanstiegs erkennbar, kann eine Neutrophilie nicht ausgeschlossen werden. Da die Neutrophilie an sich keine Symptome zu erkennen gibt, wird diese meist erst aufgrund anderer Beschwerden im Blutbild festgestellt.
Ein Arztbesuch sollte daher immer ratsam sein, wenn der Patient sich über einen längeren Zeitraum ohne erkennbare Krankheitsanzeichen unwohl, müde oder antriebslos fühlt. Da in den meisten Fällen große Verletzungen oder Infektionen den Betroffenen zum Arzt treiben, wird die Erkrankung in der Regel anhand einer vorsorglichen Blutentnahme festgestellt. In seltenen Fällen tritt die Neutrophilie auch in Verbinung mit Leukämie auf. Hier sind die Leukozyten selbst als Primärfaktor für die Erkrankung anhand genetischer Knochenmarksveränderungen verantwortlich, was einen unverzüglichen Behandlungsbeginn erfordert.
Behandlung & Therapie
Die Behandlung der Neutrophilie richtet sich immer nach der Behandlung der zugrundeliegenden Primärerkrankung oder in der Aufhebung möglicher exogener Faktoren. Dazu zählen zum Beispiel die Verabreichung bestimmter Medikamente oder eine Veränderung der Lebensweise, wenn beispielsweise Rauchen ein Hauptauslöser einer Neutrophilie ist.
Im Regelfall pendelt sich nach erfolgreicher Therapierung der Grunderkrankung die Zahl der Neutrophilen und der übrigen Leukozyten wieder in den Normalbereich ein. Das bedeutet, dass durch eine Beseitigung der auslösenden Faktoren es dem Immunsystem überlassen bleibt, die Normalverhältnisse wieder herzustellen. Eine Behandlung, die ohne Berücksichtigung der verursachenden Faktoren direkt auf die Reduzierung der Neutrophilen abzielt, existiert nicht und wäre auch nicht sinnvoll.
Lediglich bei einer Erkrankung an akuter myeloischer Leukämie liegen die Verhältnisse anders. Bei der Krankheit, die durch Genveränderungen im Knochenmark ausgelöst wird, ist die außerordentliche Proliferation der Leukozyten selbst die Primärerkrankung. Mögliche Therapieformen zielen deshalb direkt auf die Verminderung der ungesteuerten Proliferation ab.
Aussicht & Prognose
Die Prognose der Neutrophilie ist häufig gebunden an die vorliegende Ursache der Erkrankung. Sind äußere Umstände für die gesundheitlichen Beeinträchtigungen verantwortlich, ist der weitere Krankheitsverlauf erheblich an den Veränderungswillen des Betroffenen gebunden. Andauernder Stress und Zustände einer starken emotionalen Belastung führen zu den körperlichen Unregelmäßigkeiten.
Auch ohne eine ärztliche Behandlung sollte der Betroffene lernen, mit Lebensentwicklungen und alltäglichen Herausforderungen entspannter umgehen zu können. Zahlreiche Techniken der Selbstregulation können bereits helfen, um Stress abzubauen und eine Linderung der Beschwerden zu erwirken.
In vielen Fällen empfiehlt sich die Zusammenarbeit mit einem Psychotherapeuten, da hier der Behandlungserfolg deutlich verbessert ist. Verhaltensweisen und kognitive Techniken werden erlernt, damit ein besserer Umgang mit Stresssituationen ermöglicht wird. Bei einer körperlichen Unregelmäßigkeit wird häufig eine medikamentöse Behandlung eingeleitet. In diesen Fällen genügen die Möglichkeiten der Selbsthilfe nicht aus, um eine dauerhafte Verbesserung zu erzielen. Eine Langzeittherapie wird benötigt, damit der Organismus reguliert wird.
Grundsätzlich verbessert sich die Prognose, wenn die Lebensweise des Betroffenen optimiert wird. Es hat sich gezeigt, dass eine Vermeidung von Schadstoffen wie Nikotin oder Alkohol zur Linderung der Beschwerden beitragen. Zudem sollte der Konsum von Medikamenten nur in Absprache mit dem behandelnden Arzt stattfinden. Andernfalls können Nebenwirkungen auftreten, die zu einer Zunahme der Beschwerden führen.
Vorbeugung
Aufgrund der vielfältigen möglichen Verursacher einer Neutrophilie sind direkt vorbeugende Maßnahmen, die den Ausbruch der Krankheit verhindern würde, kaum denkbar. Indirekte Maßnahmen, die eine Stärkung des Immunsystems bewirken, führen prinzipiell dazu, dass das Immunsystem die meisten verursachenden Faktoren wie Infektionen, Operationen und Verletzungen selbst überwinden kann und sich eine zwischenzeitliche Neutrophilie von selbst zurückbildet.
Nachsorge
Bei der Neutrophilie sind die Maßnahmen und die Möglichkeiten einer Nachsorge in den meisten Fällen sehr stark eingeschränkt, sodass der Betroffene bei dieser Krankheit auf jeden Fall auf eine sofortige medizinische Behandlung angewiesen ist. Je früher die Krankheit dabei erkannt und behandelt wird, desto besser ist in der Regel auch der weitere Verlauf, sodass der Betroffene schon bei den ersten Symptomen und Anzeichen der Krankheit einen Arzt aufsuchen sollte.
Eine Selbstheilung kann sich dabei meist nicht einstellen, sodass schon bei den ersten Anzeichen der Erkrankung ein Arzt aufgesucht werden sollte. Die meisten Patienten sind bei der Neutrophilie in der Regel auf die Einnahme von verschiedenen Medikamenten angewiesen. Dabei ist immer auf eine regelmäßige Einnahme und auch auf eine richtige Dosierung zu achten, um die Beschwerden richtig und dauerhaft zu lindern.
Bei Unklarheiten oder bei Fragen ist dabei ein Arzt zuerst zu konsultieren. Während der Behandlung sind meistens regelmäßige Kontrollen und Untersuchungen durch einen Arzt sehr wichtig, um weitere Schäden an den inneren Organen festzustellen. Der weitere Verlauf der Neutrophilie ist allerdings stark vom Zeitpunkt der Diagnose und auch von der Ausprägung der Krankheit abhängig, sodass eine allgemeine Voraussage dabei nicht möglich ist.
Das können Sie selbst tun
Aufgrund der Vielzahl der möglichen Ursachen einer Neutrophilie, sind die Ansätze der Selbsthilfe weniger spezifisch als breit gefächert. Neben der fachärztlichen Behandlung der zugrundeliegenden Erkrankung, ist es von zentraler Bedeutung, den Körper im Heilungsprozess zu unterstützen. Alles, was dabei zur Stärkung des Immunsystems beiträgt, hilft auch Entzündungsprozesse im Körper zu lindern.
Das Immunsystem lässt sich auf vielseitige Art und Weise stärken: Eine ausgewogene Ernährung, die an das jeweilige Alter, den Energiebedarf und das gesundheitliche Befinden angepasst ist, bildet die Basis eines ausgeglichenen Lebensstils. Da der Körper durch den Konsum schädlicher Substanzen wie Nikotin und Alkohol geschwächt wird, gilt es, diesen zu reduzieren oder ganz darauf zu verzichten. Darüber hinaus bildet Stress einen negativen Einflussfaktor auf das Immunsystem. Lässt sich Stress nicht vermeiden, ist es ratsam, eine Balance von Bewegung und Entspannung in den Alltag zu integrieren. Dabei bestehen je nach Ausprägung des Krankheitsbildes individuelle Möglichkeiten der Umsetzung in Dauer und Intensität.
Obgleich das Krankheitsbild der Neutrophilie derart heterogen in Erscheinung tritt, gibt es demnach indirekte Möglichkeiten den Heilungsprozess zu unterstützen und Symptome alltagsnah zu lindern.
Quellen
- Arasteh, K., et. al.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
- Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
- Schänzler, N., Bieger, W.P.: Laborwerte. Gräfe und Unzer, München 2009