Ophthalmoplegia progressiva externa

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die Ophthalmoplegia progressiva externa ist eine fortschreitende und genetisch bedingte Lähmung der äußeren Augenmuskeln im Rahmen einer Mitochondriopathie. Das Herabhängen der Lider gilt als Leitsymptom, aber auch Herzrhythmusstörungen können auftreten. Eine kausale Therapie existiert nicht.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Ophthalmoplegia progressiva externa?

Die Ophthalmoplegia progressiva externa kann in jedem Alter zum Ausbruch kommen. Als klinisch zentrales Anzeichen gilt ein Herabhängen von einem oder beiden Augenlidern.
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Unter dem klinischen Terminus der „Ophthalmoplegie“ werden isolierte Lähmungen der inneren oder äußeren Augenmuskeln zusammengefasst. Die chronisch progressive Ophthalmoplegie ist eine fortschreitende Lähmung der äußeren Augenmuskeln, die in Folge von mitochondrialen Dysfunktionn eintritt. Die äußeren Augenmuskeln realisieren sämtliche Drehungen des Augapfels. Zur äußeren Augenmuskulatur zählen neben dem Musculus rectus superior, dem Musculus rectus lateralis und dem Musculus rectus inferior, Musculus rectus medialis auch der Musculus obliquus superior und der Musculus obliquus inferior.

Ihre motorische Innervation erhalten diese Muskeln durch den III., den IV. und den VI. Hirnnerv. Bei der Ophthalmoplegia progressiva externa ist die Lähmung dieser Nerven durch eine genetische Mitochondriopathie bedingt. Eine Sonderform dieser Erkrankung ist die Ophthalmoplegia plus, die mit zusätzlichen Symptomen einhergeht. Zwischen der Plus-Form und dem Kearns-Sayre-Syndrom besteht fließender Übergang.

Ursachen

Die Skelettmuskulatur ist auf aerobe Energiegewinnung angewiesen. Der Begriff der Mitochondriopathie entspricht neuromuskulären Syndromen, die mit einer Funktionsstörung in der mitochondrialen Atmungskette und damit Problemen in der aeroben Energiegewinnung einhergehen. Auch bei der chronisch progredienten Ophthalmoplegia liegt ein solches Phänomen vor. Die Störung betrifft in diesem Fall die äußere Augenmuskulatur und wird meist durch Deletionen oder Punktmutationen auf Position 3243 in der mitochondrialen DNA hervorgerufen.

Multiple Defekte dieser Struktur verursachen mitochondriale Atmungskettenfehler. Die Sonderform Ophthalmoplegia plus ist in der Hälfte aller Fälle eine sporadisch genetische Erkrankung mit singulären mtDNA-Deletionen und etwas seltener mit mtDNA-Duplikationen. Eine maternal vererbte Punktmutation der mitochondrialen DNA kann ebenfalls die Ursache sein. Oft entspricht diese Mutation der Mutation A3243G. Im Rahmen nukleär veränderten Genmaterials können autosomal-dominante und seltener autosomal-rezessive Fälle vorliegen.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die Ophthalmoplegia progressiva externa kann in jedem Alter zum Ausbruch kommen. Als klinisch zentrales Anzeichen gilt ein Herabhängen von einem oder beiden Augenlidern. Die Rede ist in diesem Zusammenhang von einer Ptosis. Teilweise wird dieses Leitsymptom von massiven Bewegungseinschränkungen der Augen begleitet. In aller Regel zeigen sich die Symptome bilateral, aber auch monolaterale Ausprägungen sind nicht ausgeschlossen. Bei bilateralen Augenmuskellähmungen treten oft keine charakteristischen Doppelbilder auf.

Solange die Lähmungen auf beiden Augen annähernd symmetrischer Ausprägung unterliegt, ist kein Schielverhalten zu beobachten. Anders als bei der zentralen Blicklähmung sind bei der Ophthalmoplegia progressiva externa die okulomotorischen Hirnstammfunktionen vollständig unversehrt. Durch die starken Lähmungen können allerdings auch die unversehrten Strukturen verzögerte Bewegungen zeigen. So kommt es bei der Ophthalmoplegia plus zum Beispiel zusätzlich zu Muskelschwächen der körpernahen Extremitäten, am Gesicht oder der Schluckmuskulatur.

Herzreizleitungsstörungen und Endokrinopathien mit Diabetes mellitus, verzögerter Pubertät oder Kleinwuchs sind ebenso denkbar wie axonale Polyneuropathien, Demenzen, Innenohrschwerhörigkeit, Pigmentretinopathien oder Ataxien zeigen.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Zur Diagnostik mitochondrialer Erkrankungen werden im Allgemeinen Verfahren wie die Creatin-Kinase, die Lactatdehydrogenase, das Ruhe-Laktat und der Pyruvat im Serum empfohlen. Durch eine neurologische Untersuchung des Patienten wird über Ergometrie oder Elektromyographie ein Laktatanstieg ausgeschlossen. Muskelbiopsien und molekulargenetische Diagnostiken können sich daran anschließen.

Der Schilddrüsenhormonstatus und der Schilddrüsenantikörperstatus sind speziell für die Ophthalmoplegia progressiva externa wichtige Diagnostika. Die Verdachtsdiagnose wird der Arzt vermutlich schon anhand der charakteristischen Krankheitsanzeichen und der Anamnese stellen. Differentialdiagnostisch sind Myasthenien, Blicklähmungen anderer Ursache, die Okulomotoriusparese und Hirnstammläsionen zu beachten. Auch eine senile Ptosis und das Fibrosesyndrom müssen ausgeschlossen werden. Die Mittel dazu sind neben dem MRT das EMG, das ENG und das EKG.

Das EMG zeigt verminderte Muskelaktivität. Das ENG veranschaulicht die verminderte Nervenleitgeschwindigkeit und das EKG zeigt unter Umständen Herzrhythmusstörungen. Je früher die Krankheit ausbricht, desto ungünstiger ist in der Regel die Prognose.

Komplikationen

Während das Leitsymptom einer Ophthalmoplegia progressiva externa eine Ptosis ist, können bei der Ophthalmoplegia plus weitere Organe beteiligt sein und dadurch teilweise schwerwiegende Komplikationen auftreten. Eine Ptosis bezeichnet das Herabhängen eines oder beider Augenlider. Wenn diese nicht behandelt wird, kann die Hornhaut der Augen aufgrund des schlechten Lidschlusses austrocknen.

Die Ophthalmoplegia plus ist neben der Ptosis außerdem von Muskelschwäche in den Extremitäten, des Gesichts und der Schluckmuskulatur gekennzeichnet. Neben Schluckstörungen können auch Herzrhythmusstörungen, vielfältige Hormonstörungen und eine verzögerte Pubertät auftreten. Bei unbehandelten Herzrhythmusstörungen wird das Herz langfristig geschädigt. Es kann zu Atembeschwerden und schwerer Herzinsuffizienz kommen.

Die Komplikationen, welche von hartnäckigen Herzrhythmusstörungen verursacht werden, können nur mit dem Einsetzen eines Herzschrittmachers verhindert werden. In schweren Fällen kann das Herz so schwer geschädigt sein, dass sogar eine Herztransplantation notwendig wird. Die Hormonstörungen äußern sich hauptsächlich in Form von Diabetes mellitus, Kleinwuchs oder verzögerte Pubertät.

Ein unbehandelter Diabetes führt langfristig zu Herzkreislauferkrankungen mit der Gefahr von Herzinfarkten oder Schlaganfällen, Polyneuropathien und allmählicher Abnahme der körperlichen Leistungsfähigkeit. Eine weitere Komplikation bei Ophthalmoplegia progressiva externa, aber insbesondere bei Ophthalmoplegia plus, ist das Auftreten von Demenz und von Störungen der Bewegungskoordination.

Der Verlauf einer Ophthalmoplegia progressiva externa ist allerdings abhängig vom Zeitpunkt des Beginns der Erkrankung. Je früher sie beginnt, desto schwerer sind auch die auftretenden Komplikationen.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Bei allen die Augen betreffenden Erkrankungen mit entzündlichen oder die Sehfähigkeit einschränkenden Symptomen ist ein Arztbesuch grundsätzlich ratsam. Die Empfindlichkeit der Augen und der mögliche Verlust von Sehkraft sind gute Gründe für einen Arztbesuch. Bei einem Verdacht auf eine Ophthalmoplegia progressiva externa sind die ersten Symptome unübersehbare Hinweise auf eine schwerere Erkrankung.

Die chronisch progressive Ophthalmoplegie verläuft generell schwerer, wenn sie bereits früh im Leben auftritt. Daher sollten Kinder und junge Menschen bei Symptomen wie Bewegungseinschränkungen der Augen oder einem plötzlich herabhängenden Lid umgehend einem Arzt vorgestellt werden. In vielen Fällen sind beide Augen von der Ophthalmoplegia progressiva externa betroffen, in anderen nur ein Auge.

Der Arztbesuch ist schon deshalb angeraten, weil bei einer Ophthalmoplegia progressiva externa behandlungsbedürftige Folgeerscheinungen auftreten können. Diese sind sehr vielfältig. Sie können auch andere Körperregionen, Organe oder Organfunktionen betreffen. In vielen Fällen ist eine operative Behandlung des hängenden Augenlids angeraten. Dadurch wird zumindest die Austrocknung der Hornhaut durch einen schlechten Lidschluss verhindert. Die Ophthalmoplegia progressiva externa kann jedoch nicht geheilt werden.

Zu den behandlungsbedürftigen Folgeerscheinungen können schwerwiegende Störungen der Hormondrüsen und der Reizleitung am Herzen auftreten. Beide ziehen weitere Erkrankungen nach sich. Es kann infolge einer Ophthalmoplegia progressiva externa zu Diabetes, Polyneuropathie oder Demenzerkrankung kommen.

Behandlung & Therapie

Bislang existiert zur Behandlung der genetischen Erkrankung Ophthalmoplegia progressiva externa und ihrer Sonderform Ophthalmoplegia plus keine ursächliche Therapie. Aus diesem Grund gilt die Erkrankung als unheilbar und wird lediglich symptomatisch und supportiv behandelt. Die symptomatische Behandlung entspricht in der Regel der Gabe von hochdosierten Coenzymen Q10, die auch als Ubichinon bekannt sind.

Auch die Substitution mit Carnitin oder Kreatin zählt zu den allgemeinen Behandlungsempfehlungen bei Mitochondriopathien. So lässt sich vor allem bei der Plus-Form der Erkrankung die muskuläre Symptomatik verbessern. Die weitere Behandlung richtet sich nach der vorherrschenden Symptomatik. Symptomen wie der Innenohrschwerhörigkeit kann zum Beispiel durch implantierte Hörgeräte begegnet werden. Wenn neben den Augenbeschwerden persistierende Herzrhythmusstörungen vorliegen, so ist der Einsatz eines Herzschrittmachers angezeigt.

Zur endgültigen Auflösung von fortschreitender Kardiomyopathie kommt eine Herztransplantation in Frage. Zur Verbesserung von ataktischen Erscheinungen und Muskelschwächen der Extremitäten kann der Patient physiotherapeutische Maßnahmen verfolgen und die betroffenen Muskeln gegebenenfalls stärken. Wenn zusätzlich eine Diabetes vorliegt, wird eine entsprechende Diät empfohlen. Die Patienten müssen in diesem Fall außerdem mit Insulin versorgt werden.

Die Betreuung der Eltern durch einen Psychotherapeuten kann als supportive Maßnahme in Frage kommen. Auch der Patient selbst profitiert unter Umständen von Psychotherapien oder dem Austausch mit anderen Betroffenen, wie er in einer supportiven Hilfsgruppe stattfinden kann.


Aussicht & Prognose

Die Erkrankung namens Ophthalmoplegia progressiva externa ist eine das Auge betreffende Lähmung von mindesten einem Augenlides. Die chronisch fortschreitende externe Ophthalmoplegie (CPEO) ist meistens vererbt. Über die Jahre auftretend zunehmende Lähmungen an den äußeren Augenmuskeln und dem Lidheber-Muskel auf.

Die sichtbaren Folgen der Ophthalmoplegia progressiva externa können operativ abgemildert werden. Heilbar ist die Ophthalmoplegia progressiva externa jedoch nicht. In aktuellen Studien wird bei ausgesuchten Probanden versucht, die mitochondrialen Dynamik zu verbessern. Die operativen Verfahren sind bewährt, weil das betroffene Auge wegen der Lähmung nicht vollständig geschlossen werden kann. Es könnte sich daher auf Dauer durch Austrocknung der Hornhaut eine sogenannte Expositions-Keratopathie ausbilden.

Zusätzliche Beschwerden treten nur auf, wenn die sogenannte Ophtalmophlegia Plus vorliegt. Diese Variante der Ophtalmophlegie ist neben dem typischen Hängelid durch weitere körperliche Symptome gekennzeichnet. Es kann beispielsweise zur Schwächung der Muskulatur im Gesicht, an den Extremitäten oder des Schluckapparates kommen. Bei Vorliegen von Herzrhythmusstörungen kann heutzutage ein Herzschrittmacher eingesetzt werden. Doppelbilder können mittels einer Prismenbrille oder operativ behoben werden.

Obwohl die moderne Medizin viele der begleitenden Symptome der Ophthalmoplegie Plus behandeln kann, ist die Prognose bei dieser Variante der Ophthalmoplegie nicht so gut. Die Voraussetzung für einen anhaltend symptomarmen Zustand ist, dass die verfolgten Therapieansätze auch greifen.

Vorbeugung

Die Gründe für die krankheitsauslösende Genmutation sind bislang nicht abschließend geklärt. Aus diesem Grund lässt sich der Ophthalmoplegia progressiva externa bisher nicht aktiv vorbeugen.

Nachsorge

Da es sich bei der Ophthalmoplegia progressiva externa um eine genetisch bedingte Krankheit handelt, kann diese in der Regel nicht vollständig wieder geheilt werden. Aus diesem Grund stehen dem Betroffenen dabei auch nur wenige und meist auch nur sehr eingeschränkte Maßnahmen einer Nachsorge zur Verfügung. Der Betroffene sollte in erster Linie frühzeitig einen Arzt aufsuchen, um das Auftreten von weiteren Komplikationen und Beschwerden zu verhindern.

Eine Selbstheilung kann sich dabei in der Regel nicht einstellen. Bei einem Kinderwunsch des Betroffenen oder der Eltern sollte immer eine genetische Untersuchung und Beratung erfolgen, um ein erneutes Auftreten der Ophthalmoplegia progressiva externa zu verhindern. Die Betroffenen sind bei der Krankheit auf regelmäßige Kontrollen der inneren Organe angewiesen, wobei vor allem das Herz kontrolliert werden sollte.

Im Allgemeinen sind sehr anstrengende oder stressige Tätigkeiten zu vermeiden, um das Herz nicht unnötig zu belasten. Dabei ist auch die Einnahme von verschiedenen Medikamenten notwendig, wobei der Betroffene immer auf eine richtige Dosierung und auch auf eine regelmäßige Einnahme achten sollte. Viele Patienten sind auch auf eine psychologische Unterstützung durch die eigene Familie angewiesen. Eventuell kommt es durch die Erkrankung zu einer verringerten Lebenserwartung des Betroffenen.

Das können Sie selbst tun

Da es sich bei der Ophthalmoplegia progressiva externa um eine genetisch bedingte Krankheit handelt, sind die Möglichkeiten zur Selbsthilfe gering. Doch obgleich keine ursächliche Therapie besteht, können und sollten dennoch begleitende Maßnahmen zu einer medizinischen Behandlung durchgeführt werden.

Ärzte und Physiotherapeuten geben Anleitungen für Übungen, welche selbstständig zu Hause durchgeführt werden können. Dadurch besteht die Möglichkeit, die durch die Krankheit geschwächten Muskeln zu stärken und das Körpergefühl der Patienten zu verbessern. Wichtig dabei ist, diese Übungen kontinuierlich zu absolvieren, da nur so eine Leistungssteigerung möglich ist.

Neben physiologischen Begleitmaßnahmen können psychologische Angebote helfen, mit den Auswirkungen der Erkrankung umzugehen. Dabei kann die Betreuung durch einen Psychotherapeuten sowohl Patienten als auch Eltern und Angehörigen zugute kommen. Durch die Therapeuten können Maßnahmen der Selbsthilfe erlernt werden, um den erlebten Stress in Folge der Ophthalmoplegia progressiva externa zu senken.

Da eine solche Erkrankung eine extreme Situation für eine Familie darstellt, sollte Wert auf ausgleichende Aktivitäten gelegt werden. Körperliche Betätigung, wenn möglich an der frischen Luft, kann eine Depression vorbeugen und für eine bessere Lebensqualität sorgen. Auch das soziale Umfeld der erkrankten Person und deren Familie sollte nicht vernachlässigt werden. Ein intaktes soziales Netzwerk kann helfen, mit den Auswirkungen der Krankheit umzugehen und neuen Lebensmut zu fassen.

Quellen

  • Augustin, A.J.: Augenheilkunde. Springer, Berlin 2007
  • Burk, A. et al.: Checkliste Augenheilkunde. Thieme, Stuttgart 2011
  • Lang, G. K.: Augenheilkunde. Thieme, Stuttgart 2014

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