Präfertilisationsdiagnostik

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 13. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die Präfertilisationsdiagnostik bietet die Möglichkeit der gentechnischen Untersuchung von Eizellen der Frau im Rahmen der In-vitro-Fertilisation (IVF). Die Untersuchungen werden an den Chromosomen des 1. und 2. Polkörpers durchgeführt, die bei der 1. und 2. Reifeteilung nach Einbringen eines männlichen Spermiums in die Eizelle entstehen. Die Methode hat den Vorteil, dass es sich de iure nicht um eine Präimplantationsdiagnostik (PID) handelt, weil die Untersuchung noch vor der Verschmelzung des weiblichen und des männlichen Zellkerns erfolgt, so dass die Präfertilisationsdiagnostik in einigen Ländern mit PID-Verbot erlaubt ist.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Präfertilisationsdiagnostik?

Die Präfertilisationsdiagnostik bietet die Möglichkeit der gentechnischen Untersuchung von Eizellen der Frau im Rahmen der In-vitro-Fertilisation.

Die Präfertilisationsdiagnostik schafft die Möglichkeit, im Rahmen der In-vitro-Fertilisation (IVF) Chromosomenaberrationen am haploiden Genom der weiblichen Eizelle zu erkennen. Vor allem können zahlenmäßige Abweichungen bestimmter Chromosomen (Aneuploidie) und Anomalien bestimmter Gene, die Erbkrankheiten auslösen, erkannt werden. Wenn bei der IVF ein männliches Spermium in das Cytoplasma der Eizelle eingebracht wird, setzt das bei der Eizelle zunächst die 1. und die 2. Reifeteilung (Meiose I und II) in Gang.

Dabei entstehen durch die Teilung jeweils zwei „überflüssige“ Zellen, die Polkörper, die über den identischen Chromosomensatz wie die Eizelle selbst verfügen. Die Polkörper, die normalerweise vom Körper abgebaut würden, werden per Polkörperbiopsie für die Untersuchung der Chromosomen entnommen. Da die Präfertilisationsdiagnostik immer an den Polkörpern vorgenommen wird, wird das Verfahren auch Polkörperdiagnostik (PKD) genannt. Der Vorteil der Untersuchungsmethode besteht darin, dass es auch in einigen Ländern mit Verbot einer Präimplantationsdiagnostik (PID) durchgeführt werden darf, weil die Untersuchung an dem Genom der Eizelle erfolgt, wenn die Zellkerne der Samenzelle und der Eizelle noch nicht miteinander verschmolzen sind.

Der Nachteil besteht darin, dass ausschließlich Chromosomenaberrationen des mütterlichen Genoms untersucht werden können. Die Chromosomen des Spermiums, das in das Cytoplasma der Eizelle eingebracht wurde, können mit dieser Methode nicht erfasst werden. Y-chromosomale Krankheiten können nicht erkannt werden, weil der haploide Chromosomensatz der Eizelle kein Y-Chromosom enthalten kann.

Funktion, Wirkung & Ziele

Im Rahmen der Präfertilisationsdiagnostik in Form einer genetischen Polkörperuntersuchung können zahlenmäßige Anomalien (Aneuploidie) bei bestimmten Chromosomen des mütterlichen Genoms erkannt werden sowie Translokationen wobei Chromosomenabschnitte abgetrennt und an falscher Stelle wieder eingegliedert wurden. Zusätzlich können X-chromosomale Genmutationen diagnostiziert werden, die zu einer mütterlich vererbten und auf der Mutation eines einzigen Gens (monogenetische Erkrankung) beruht. Das setzt voraus, dass die potenzielle Erbkrankheit bekannt sein muss, um gezielt ein bestimmtes Gen auf dem X-Chromosom untersuchen zu können.

Bei rezessivem Erbgang besteht die Chance, dass das X-Chromosom des Polkörpers – und damit auch das X-Chromosom der befruchteten Eizelle das gesunde Allel des entsprechenden Gens enthält. Das Verfahren selbst beinhaltet eine Polkörperbiopsie, bei der die beiden haploiden Polkörper aus der Eizelle entnommen und die Chromosomen anschließend dem FISH-Test (Fluoreszenz in situ Hybridisierung) unterzogen werden. Die Biopsie der Polkörper stellt an das durchführende Labor eine enorme Herausforderung dar, weil die Identifizierung und Isolierung der Polkörper eine gewisse Erfahrung verlangt. Für das FISH-Testverfahren stehen für ausgewählte Chromosomen sogenannte DNA-Sonden zur Verfügung, die sich mit den entsprechenden haploiden Chromosomen verbinden, weil sie über die komplementäre Aminosäurensequenz verfügen.

Die DNA-Sonden sind mit unterschiedlichen Fluoreszensfarben markiert, so dass die Chromosomen anschließend mithilfe einer speziellen Software identifiziert und in einem automatischen Verfahren ausgezählt werden können. Die meisten Chromosomenaberrationen wie Aneuploidien und Chromosomenverschiebungen innerhalb eines Chromosoms sind letal. Das bedeutet, dass sich bei der IVF entweder keine Zygote bildet oder dass der Embryo nach Verpflanzung in die Gebärmutter abgestoßen wird oder es zu einer frühen oder späteren Fehlgeburt kommt. Da die Häufigkeit der Chromosomenaberrationen bei den Eizellen der Frauen mit dem Alter zunehmen, besteht ein wichtiges Ziel der Präfertilisationsdiagnostik in einer positiven Auslese der befruchteten Eier. Es werden nur befruchtete Eier mit – soweit erkennbar - intaktem Genom in die Gebärmutter rückverpflanzt.

Durch die Positivauslese soll sich die Schwangerschaftsrate mit nach einer IVF erhöhen und die Rate abgestoßener befruchteter Eier und die Zahl der Fehlgeburten verringern. Ein weiteres Ziel besteht darin, durch die Positivauslese der befruchteten Eier von vornherein Erbkrankheiten, die auf Chromosomenaberrationen oder bestimmten Gendefekten beruhen, an dem rückverpflanzten befruchteten Ei auszuschließen. Typische Erbkrankheiten, die durch den Test ausgeschlossen werden können, sind die Zystische Fibrose, Spinale Muskelatrophie und Sichelzellenanämie.


Risiken, Nebenwirkungen & Gefahren

Die Durchführung der Präfertilisationsdiagnostik geschieht außerhalb des Körpers und birgt deshalb keinerlei zusätzliche körperliche Risiken für die betroffene Frau. Geringe körperliche Verletzungs- und Infektionsrisiken sind lediglich mit der Entnahme der Eier verbunden. Anders als in der PID, die ebenfalls eine Chromosomenuntersuchung per FISH-Test beinhaltet, kann bei der Präfertilisationsdiagnostik ausschließlich Chromosomen- und Genmaterial der Mutter untersucht werden.

Das bedeutet, dass bei einem negativen FISH-Test, bei dem keine chromosomalen oder genetischen Aberrationen diagnostiziert wurden, eine zu positive Erwartungshaltung bei den Eltern bezüglich Verlauf der Schwangerschaft und der anschließenden Geburt geweckt werden kann. Chromosomenaberrationen des väterlichen Genoms und evtl. vorhandene Anomalien des Y-Chromosoms, die eine geschlechtsbedingte Erbkrankheit auslösen können, werden nicht erfasst. Insofern ist die Präfertilisationsdiagnostik noch unvollständiger als die PID, bei der das gesamte Genom des Embryos im Blastulastadium untersucht werden kann.

Allerdings kann auch bei einer negativen PID nicht ausgeschlossen werden, dass im Genom des Embryos genetische Defekte vorhanden sind, die Fehlentwicklungen und evtl. zu Beeinträchtigungen nach der Geburt verursachen können. Der FISH-Test kann sich immer nur auf ausgesuchte Chromosomen und Gene beziehen.

Quellen

  • Goerke, K., Steller, J., Valet, A. (Hrsg.): Klinikleitfaden Gynäkologie und Geburtshilfe. Urban & Fischer, München 2012
  • Keck C.: Kinderwunschbehandlung in der gynäkologischen Praxis. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2014
  • Rath, W., Gembruch, U., Schmidt, S. (Hrsg.): Geburtshilfe und Perinatologie: Pränataldiagnostik - Erkrankungen - Entbindung. Thieme, Stuttgart 2010

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