Polkörperdiagnostik

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 16. April 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

Sie sind hier: Startseite Behandlungen Polkörperdiagnostik

Mit der Polkörperdiagnostik werden mütterliche Erbkrankheiten im Rahmen der künstlichen Befruchtung erkannt. Polkörperdiagnostische Untersuchungen finden statt, bevor die Eizelle befruchtet wird. Die Verwerfung der unbefruchteten Zelle hat der Verwerfung eines tatsächlichen Embryos in moralischer Hinsicht vieles voraus.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Polkörperdiagnostik?

Bei der Polkörperdiagnostik werden sowohl dem mütterlichen, als auch dem väterlichen Material Polkörper entnommen, um genetische Defekte vor der Befruchtung auszuschließen.

Die Polkörperdiagnostik ist ein Verfahren der Präfertilisationsdiagnostik. Der Begriff der Präfertilisationsdiagnostik beschreibt gentechnische Untersuchungsmethoden, die bei der künstlichen Befruchtung noch vor der Befruchtung der Eizelle genetische Defekte detektieren sollen. Bei der Polkörperdiagnostik werden einzelne Elemente der entnommenen Eizelle also vor der Zygotenbildung auf Defekte untersucht.

Von den Verfahren der Präfertilisationsdiagnostik zu unterscheiden sind die ebenfalls molekulargenetischen Untersuchungen der Präimplantationsdiagnostik. Diese Verfahren entscheiden nach einer bereits stattgefundenen In-vitro-Fertilisation darüber, ob ein Embryo in die Gebärmutter eingepflanzt wird.

Da sich in diesem Zusammenhang ethische Fragen stellen, ist die Präimplantationsdiagnostik nicht in allen Ländern erlaubt. In Österreich sind präimplantationsdiagnostische Untersuchungen zum Beispiel verboten. Die Präfertilisationsdiagnostik und die Polkörperdiagnostik sind noch zulässig, da bei Befundcen keine tatsächlichen Embryos verworfen werden.

Funktion, Wirkung & Ziele

Mit der In-vitro-Fertilisation bietet sich Paaren mit Fruchtbarkeitsstörungen und einem unerfüllten Kinderwunsch die Möglichkeit auf eine Schwangerschaft. Produkte aus der In-vitro-Fertilisation sind auch als Embryos im Glas bekannt. Die Eizelle wird bei diesem Verfahren außerhalb des weiblichen Körpers befruchtet und nach der Befruchtung in die Gebärmutter implantiert. Um genetische Defekte vor der Befruchtung auszuschließen, werden sowohl dem mütterlichen, als auch väterlichen Material Polkörper entnommen.

Die Polkörper bilden sich in der Meiose. Sie haften an der Eizelle an, enthalten wenig Cytoplasma und sind mit einem einfachen Chromosomensatz ausgestattet. Die Polkörperdiagnostik im Rahmen der In-vitro-Fertilisation umfasst nicht nur die Entnahme, sondern auch die humangenetische Untersuchung der Polkörper.

Auf diese Weise lassen sich genetische Defekte detektieren und die Eizelle kann noch vor der Befruchtung verworfen werden, falls auffällige Befunde vorliegen. Das Verfahren erfolgt vor allem deshalb vor der Verschmelzung von mütterlichem und väterlichem Material, da die die Diagnostik an der schon befruchteten Eizelle aus Gründen der Ethik ursprünglich nicht zugelassen war.

Über die Polkörperdiagnostik lassen sich so noch vor der Befruchtung zum Beispiel Fehlverteilungen des Chromosomensatzes erkennen. Auch Chromosomenmutationen wie Translokationen sind über die Untersuchung erkennbar. Außerdem wird im Rahmen der Polkörperdiagnostik ein Segregationsnachweis von mütterlich weitergegebenen monogenetischen Krankheiten möglich, der durch die sogenannte Polymerase-Kettenreaktion erbracht wird.

Bei diesem Verfahren handelt es sich um eine Methode der In-vitro-Vervielfältigung von Erbsubstanzen. Wenn die polkörperdiagnostischen Untersuchungen keine Auffälligkeiten zeigen, wird die erste Zellteilung abgewartet. Dabei entsteht ein Embryo, das bei unauffälligen Befunden in die Gebärmutter der Mutter verpflanzt wird.

Falls statt auffällige Befunde vorliegen, kann die Eizelle verworfen werden, bevor sich tatsächlich ein Embryo entwickelt. Die vorgenommenen Untersuchung am Chromosomensatz ist wegen des altersbedingt erhöhten Risikos vor allem bei älteren Frauen relevant, um Aneuploidien wie Trisomie 21 auszuschließen.

Zusätzlich ermöglicht die Polkörperdiagnostik die Erkennung von mütterlichen Erbkrankheiten der dominanten und X-chromosomalen Form im mendelischen Erbgang. Väterliche Krankheitsfaktoren sind durch polkörperdiagnostische Untersuchungen allerdings nicht umfassend aufspürbar.

Damit erbringt die Polkörperdiagnostik keinen sicheren Ausschluss von Gendefekten. In der Präimplantationsdiagnostik lassen sich dagegen auch väterliche Erbkrankheiten erkennen, sodass die präimplantationsdiagnostischen Verfahren der Polkörperdiagnostik in dieser Hinsicht überlegen sind. Die Verwerfung von einer bereits befruchteten Eizelle, wie sie für die Präimplantationsdiagnostik vorliegen muss, wird von vielen Menschen ethisch allerdings für unverantwortbar gehalten.


Risiken, Nebenwirkungen & Gefahren

Für den Fachbereich der Fertilisationsmedizin sind ethische Fragen von hoher Relevanz. Staatliche Vorgaben legen den Rahmen fest, in dem die Fertilisation für verantwortbar gehalten wird. In Deutschland ist dieser Rahmen auch als Embryonenschutzgesetz bekannt. Durch die Einführung des Schutzgesetzes war die Präimplantationsdiagnostik über lange Zeit nur in Maßen zulässig, da sie mit der Verwerfung von tatsächlichen Embryos assoziiert wurde und damit das Embryonenschutzgesetz missachtet hat.

Aus diesem Grund wurde in Deutschland die Präfertilisations- und Polkörperdiagnostik voran getrieben. Seit dem Jahr 2011 ist die Präimplantationsdiagnostik bei entsprechenden Indikationen allerdings deutschlandweit zugelassen. Wissenschaftlich sind präimplantationsdiagnostische Verfahren der Polkörperdiagnostik überlegen, sodass polkörperdiagnostische Untersuchungen seit 2011 nur noch eingeschränkt zur Anwendung kommen.

Weder das eine, noch das andere Verfahren sind für die Mutter oder den Vater mit körperlichen Risiken und Nebenwirkungen verbunden. Allerdings kann das Ergebnis beider Diagnostiken ein Paar in der Familienplanung mit psychischen Belastungen konfrontieren. Daher sollten die Paare mit einer möglichst stabilen Konstitution in die Untersuchungen gehen.

Bei auffälligen Befunden stellt sich die Frage, ob Mutter und Vater überhaupt eine Verwerfung der Eizelle wünschen. Erfolglose Fertilisationen haben in der Vergangenheit häufig Beziehungen belastet und in Einzelfällen sogar beendet. Dasselbe gilt für Komplikationen bei der Fertilisation, wie sie mit Erbkrankheiten auftreten können und so unter Umständen durch die Polkörperdiagnostik ans Licht kommen.

Paare sollten sich vorab daher bewusst machen, wie belastend die Diagnostik auf ihre Beziehung wirken kann. Indikationen für eine polkörperdiagnostische Untersuchung können bekannte Erbkrankheiten in der Familie sein. Auch das Alter der Mutter kann eine Veranlassung zur Polkörperdiagnostik geben, da das Risiko für Mutationen ab einem bestimmen Lebensalter steigt.

Quellen

  • Feige, A., Rempen, A., Würfel, W., Jawny, J., Rohde, A. (Hrsg.): Frauenheilkunde – Fortpflanzungsmedizin, Geburtsmedizin, Onkologie, Psychosomatik. Urban & Fischer, München 2005
  • Rath, W., Gembruch, U., Schmidt, S. (Hrsg.): Geburtshilfe und Perinatologie: Pränataldiagnostik - Erkrankungen - Entbindung. Thieme, Stuttgart 2010
  • Wassermann, K., Rohde, A.: Pränataldiagnostik und psychosoziale Beratung. Schattauer, Stuttgart 2009

Das könnte Sie auch interessieren