RAPADILINO-Syndrom
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. November 2021Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Das RAPADILINO-Syndrom ist ein Fehlbildungssyndrom mit den Leitsymptomen Minderwuchs und skelettale Missbildung. Dem Syndrom liegt eine erbliche Mutation zugrunde. Die Therapie der unheilbaren Erkrankung findet symptomatisch statt.
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Was ist das RAPADILINO-Syndrom?
Manche angeborenen Fehlbildungssyndrome gehen vorwiegend mit Kleinwuchs einher. Eins dieser Syndrome ist das RAOADILINO-Syndrom, dessen Name sich akronymisch aus den typischen Symptomen zusammensetzt. Dazu zählen unterentwickelte oder fehlende Unterarmknochen, unterentwickelte Kniescheiben, Fehlbildungen des Mund- und Gaumenbereichs, Durchfall, verschobene Gelenke und Kleinwuchs mit missgebildeten Gliedmaßen.
Erstmals beschrieben wurde der Komplex aus Symptomen im Jahr 1989. Als Erstbeschreiber gelten die Mitarbeiter einer finnischen Forschungsgruppe unter der Leitung von Helena Kääriänen. Näher beschrieben wurde das Syndrom von Forschern der Universität Helsinki und der Universität Turku. In Finnland wird eine Prävalenz von einem Betroffenen unter 75000 angegeben. Das Syndrom ist nicht auf Finnland begrenzt, sondern ist mit dokumentierten Fällen in anderen Staaten assoziiert.
Das RAPADILINO-Syndrom ist eine Erberkrankung, der offenbar eine genetische Mutation zugrunde liegt. Verursacht wird das Syndrom genauer gesagt von Mutationen im RECQL4-Gen. Das Gen übernimmt in der DNA die Codierung für die sogenannte ATP-abhängige DNA-Helikase Q4. Dabei handelt es sich um ein Enzym zur Aufspaltung von gewundenen DNA-Strängen. Familiäre Häufung wurde an den bisher dokumentierten Fällen beobachtet. Am ehesten scheint das Syndrom im autosomal-rezessiven Erbgang weitergegeben zu werden.
Ursachen
Noch verbreiteter scheint als Krankheitsursache eine Frame-Deletion zu sein, die das Exon 7 beim Spleißen gänzlich aus der Proteinstruktur entfernt. In einer Folge dessen fehlen annähernd 50 Aminosäuren fehlen. Diese Frame-Mutation lässt die Struktur der Helikase-Codierung intakt. Dass es trotzdem zu einer Fehlfunktion der Helikinase kommt, liegt vermutlich an einer falschen Proteinfaltung aufgrund des fehlenden Exon 7.
Die Ursache der fehlerhaften Faltung ist vermutlich eine Verschiebung des isoelektrischen Punkts oder eine Polaritätserhöhung des Enzyms. Die ursächliche Beteiligung der Helikinase an dem Symptomkomplex steht mittlerweile zwar fest, allerdings bleibt der genaue Zusammenhang mit den einzelnen Symptomen Gegenstand der Spekulation. Spekulativ hängt die genetische Zellstabilität mitunter von dem mutierten Enzym ab, sodass es beispielsweise zu einer Anfälligkeit für Krebserkrankungen kommt.
Da das Enzym in Enterozyten entdeckt wurde, lässt sich außerdem die Malabsorption erklären und der Durchfall nachvollziehen. Die Mutationen des beschriebenen Gens schränken nicht nur die Helikinase-Aktivität ein, sondern wirken sich außerdem negativ auf die ATP-Spaltungsfähigkeit aus.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Neugeborene mit RAPADIILINO-Syndrom leiden an einem Komplex aus verschiedenen Symptomen. Die charakteristischsten davon sind bereits im Namen des Syndroms angedeutet. RA steht für radiale Hypoplasien, die bis hin zu einer Aplasie der Speiche gehen können. PA steht für Hypoplasien der Patella, die ebenfalls einer Nichtanlage entsprechen können.
Der Gaumen der Patienten ist außerdem stark gewölbt. Die fehlenden oder unterentwickelten Kniescheiben beeinträchtigen die motorische Entwicklung. Zusätzlich liegt oft eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalten vor. DI steht in der Bezeichnung RAPADILINO-Syndrom für Diarrhoea und verschoben Gelenke. Die Gelenkverschiebung kann sich als Ausrenkung manifestieren.
Das LI kürzt „Little size“ und „limb malformation“ ab. Die Patienten sind also von kleiner Größe und besitzen missgebildete Extremitäten. NO steht für „slender nose“ und „normal intelligence“. Die geistige Entwicklung der Patienten verläuft also normal. Außerdem sind sie mit einer ungewöhnlich schlanken Nase ausgestattet. Abgesehen von den namensgebenden Symptomen leiden die Patienten oft an Malabsorption.
Sie nehmen Nährstoffe aus der Nahrung also nicht ausreichend auf. Neben dem charakteristischen Durchfall kann auch Erbrechen Mangelernährung begünstigen und den Kleinwuchs noch verstärken. In einigen Fällen zeigten die Betroffenen außerdem dermale Symptome wie Café-au-lait-Flecken. Darüber hinaus ist das Krebs-Risiko der Patienten um mehr als ein Drittel erhöht, so insbesondere das Risiko für Osteosarkome und Lymphome.
Diagnose & Krankheitsverlauf
Zur Diagnostik des RAPADILINO-Syndroms konzentriert sich der Arzt auf die charakteristischen Symptome. Eine molekulargenetische Analyse ist zwar möglich, allerdings meist nicht notwendig und oft ungenau. Differenzialdiagnostisch muss der Arzt das RAPADILINO-Syndrom von anderen Mutationen im RECQL4-Gen abgrenzen. Dazu zählen das klinisch ähnliche Rothmund-Thomson-Syndrom und das Baller-Gerold-Syndrom.
Die Abgrenzung gestaltet sich oft einfach, da das erstgenannte Syndrom vor allem durch dermale Veränderungen imponiert. Beim zweitgenannten Syndrom sind es Veränderungen des knöchernen Schädels. Die Differentialdiagnostik und Diagnosesicherung lässt sich im Falle des RAPADILINO-Syndroms in der Regel mittels Bildgebungen erbringen. Die Prognose der Patienten hängt von der Ausprägung des Syndroms im Einzelfall ab.
Komplikationen
Dadurch kommt es oft zur Mangelernährung der betroffenen Kinder, die zu Gedeih- und Wachstumsstörungen führen. Der beim RAPADILINO-Syndrom auftretende Kleinwuchs kann neben den Störungen im Skelettsystem zum großen Teil auch aufgrund der Mangelernährung verursacht sein. Weitere Probleme können von den verschobenen und ständig ausgerenkten Gelenke hervorgerufen werden. Die Fehlbildungen im Gelenksystem sind chirurgisch korrigierbar.
Manchmal müssen dann Prothesen zum Einsatz kommen. Auch die Malabsorption ist mit der Gabe von Medikamenten gut zu behandeln. In schweren Fällen ist jedoch teilweise eine künstliche Ernährung notwendig, um den Körper wieder ausreichend mit Nährstoffen zu versorgen. Die größte Gefahr geht jedoch durch das um etwa 40 Prozent erhöhte Krebsrisiko gegenüber der Normalbevölkerung aus. Beobachtet wird ein verstärktes Auftreten von Lymphomen und Osteosarkomen.
Daher sollte bei den Patienten mit RAPADILINO-Syndrom besonders auf Veränderungen der Symptome geachtet werden. Zunehmende Knochenschmerzen, häufige Knochenbrüche und sich verschlimmernde Gangstörungen gelten als Warnzeichen für ein mögliches Osteosarkom. Des Weiteren sollten regelmäßige Untersuchungen auf die mögliche Entwicklung von Lymphomen erfolgen.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Das RAPADILINO-Syndrom muss immer von einem Arzt behandelt werden. Da es sich dabei um eine genetisch bedingte Erkrankung handelt, kann diese nicht kausal, sondern nur rein symptomatisch behandelt werden. Allerdings kann sich der Betroffene auch einer genetischen Beratung unterziehen, damit das RAPADILINO-Syndrom nicht an die Nachfahren vererbt wird. Meistens wird das RAPADILINO-Syndrom schon vor der Geburt oder kurz nach der Geburt durch den Arzt festgestellt.
Daher ist kein Besuch beim Arzt zur Diagnose des Syndroms notwendig. Die weitere Behandlung erfolgt allerdings durch verschiedene operative Eingriffe, die die einzelnen Beschwerden lindern können. Ein Arzt ist dann aufzusuchen, wenn das Kind nicht richtig ernährt werden kann und es dadurch zu einer Mangelernährung kommt. Da auch das Krebsrisiko durch das RAPADILINO-Syndrom deutlich erhöht ist, sollten regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen durchgeführt werden, um Tumore schon frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. In einigen Fällen ist daher auch die Lebenserwartung des Patienten durch die Krankheit verringert. Die Behandlung selbst findet bei verschiedenen Fachärzten statt.
Behandlung & Therapie
Da dem RAPADILINO-Syndrom eine genetische Mutation zugrunde liegt, ist der Komplex aus Symptomen bislang unheilbar. Nur ein gentherapeutischer Ansatz könnte die Ursache der Erkrankung beseitigen und das Syndrom auf diese Weise heilen. Gentherapeutische Ansätze sind zwar Forschungsgegenstand, aber haben die klinische Phase noch nicht erreicht. Daher kann das Syndrom momentan nur symptomatisch behandelt werden.
Die Therapie hängt damit von den Symptomen im Einzelfall ab. Die multiplen Fehlbildungen des Skeletts können rekonstruktiv chirurgisch behandelt werden. Die Nichtanlage der einzelnen Knochen lässt sich außerdem durch den Einsatz von Prothesen kompensieren. Besondere Relevanz hat die Behandlung von Störungen im Verdauungstrakt. Diesem Symptom muss dringend mit Medikamenten entgegengesteuert werden, um einen schwereren Nährstoffmangel zu verhindern.
Wenn sich ein solcher bereits eingestellt hat, ist eine direkte Gabe von entsprechenden Medikamenten und Substitutionen angezeigt. Um die motorische Entwicklung der Patienten zu unterstützen, können physiotherapeutische Maßnahmen sinnvoll sein. Da Patienten des Syndroms geistig keine Einschränkungen zu erwarten haben, ist die Frühförderung der Intelligenz kein erforderlicher Therapieschritt.
Vorbeugung
Dem RAPADILINO-Syndrom lässt sich allenfalls über genetische Beratung während der Familienplanung vorbeugen. Da der Feinultraschall in der Schwangerschaft außerdem Missbildungen detektiert, können sich Eltern gegebenenfalls gegen das Kind entscheiden.
Nachsorge
Beim RAPADILINO-Syndrom richtet sich die Nachsorge nach den Symptomen und der Art der Therapie. Im Anschluss an einen rekonstruktiven chirurgischen Eingriff oder dem Einsatz einer Prothese ist eine korrekte Einnahme der Medikamente unverzichtbar. Häufig empfehlen die Ärzte eine Physiotherapie, um die Motorik der Patienten zu verbessern.
Die Eltern der erkrankten Kindern sind für ihre Unterstützung verantwortlich und sollten sich gut darauf vorbereiten. Dabei geht es einerseits um praktische Hilfestellungen im Alltag, andererseits um die psychische Betreuung. Das Kind braucht eine gewisse Anregung für körperliche Aktivitäten. Eine solche Nachsorge dient dem allmählichen Muskelaufbau.
Wenn das Kind noch bettlägerig ist, darf es sich nicht wund liegen. Abhängig von der individuellen Situation brauchen die jungen Patienten eine Beschäftigungstherapie, zudem kann ein ambulanter Pflegedienst nötig sein. Mit einer umfassenden Aufklärung zu der Krankheit gehen die Kinder besser mit dem Syndrom um. Auch für die anderen Familienmitglieder ist es hilfreich, offen damit umzugehen.
Da es sich um eine Erbkrankheit handelt, empfehlen die Fachärzte im Zuge der Vor- und Nachsorge eine genetische Beratung. Diese dient der Familienplanung. Auch der Kontakt zu anderen betroffenen Familien schützt die Eltern sowie die anderen Angehörigen vor frustrierenden Erlebnissen.
Das können Sie selbst tun
Kinder, die am RAPADILINO-Syndrom leiden, müssen medikamentös, operativ und physiotherapeutisch behandelt werden. Eltern von betroffenen Kindern können einiges tun, um die Behandlung zu unterstützen.
Im Alltag bieten sich Hilfsmittel wie Gehhilfen oder ein Rollstuhl an, die bei einem positiven Verlauf oft nur einige Wochen oder Monate genutzt werden müssen. Generell sollte darauf geachtet werden, dass sich das Kind ausreichend bewegt. Bei bettlägerigen Kindern ist besonders auf wunde Stellen zu achten. Das Kind benötigt ausreichend Beschäftigung und sollte am besten von einem ambulanten Pflegedienst betreut werden. Zudem muss der Betroffene frühzeitig über seine Erkrankung aufgeklärt werden. Ein offener Umgang erleichtert den Umgang mit der schweren Erbkrankheit.
Der regelmäßige Kontakt mit anderen Betroffenen ist ebenso wichtig. Der Arzt kann Tipps für weitere Maßnahmen geben, mit denen die medizinische Therapie des RAPADILINO-Syndroms unterstützt werden kann. Mütter, die nach einem Kind mit RAPADILINO-Syndrom erneut schwanger werden möchten, sollten eine genetische Beratung in Anspruch nehmen. Zudem sind vor und während der Schwangerschaft einige Maßnahmen zu treffen, welche im Detail mit einem Fachmann für Erbkrankheiten besprochen werden.
Quellen
- Murken, J., Grimm, T., Holinski-Feder, E., Zerres, K. (Hrsg.): Taschenlehrbuch Humangenetik. Thieme, Stuttgart 2011
- Steffen, H.-M. et al.: Internistische Differenzialdiagnostik. Schattauer, Stuttgart 2008
- Witkowski R., Prokop O., Ullrich E.: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen. Springer, Berlin 2003