Baller-Gerold-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 10. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Das Baller-Gerold-Syndrom zählt zur Gruppe der Fehlbildungssyndrome mit vorwiegender Beteiligung des Gesichts. Das Syndrom geht auf Mutationen zurück und wird im autosomal-dominanten Erbgang weitergegeben. Die Therapie beschränkt sich auf die symptomatische Behandlung, die weitestgehend aus der operativen Korrektur der Fehlbildungen besteht.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Baller-Gerold-Syndrom?

Bei der Diagnose des Baller-Gerold-Syndroms muss der Arzt das Krankheitsbild nach der ersten Blickdiagnose differentialdiagnostisch von klinisch ähnlichen Syndromen wie dem Rapadilino-Syndrom oder dem Rothmund-Thomson-Syndrom abgrenzen.
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In die Krankheitsgruppe der angeborenen Fehlbildungssyndrome bilden Fehlbildungssyndrome mit vorwiegender Beteiligung des Gesichts eine eigene Untergruppe. In diese Untergruppe fällt das Baller-Gerold-Syndrom. Die Krankheit hat ihren Namen den Erstbeschreibern F. Baller und M. Gerold zu verdanken, die das Krankheitsbild Mitte des 20. Jahrhunderts erstmals dokumentiert haben.

Als Prävalenz wird für das Syndrom ein Verhältnis von eins zu 1000000 angegeben. Die Leitsymptome des Symptomkomplexes sind der frühe Verschluss der Schädelnähte im Sinne einer Kraniosynostose und die Nichtanlage der Speichenknochen. Aktuellen Erkenntnissen zufolge handelt es sich beim Baller-Gerold-Syndrom um ein Erbleiden, das auf genetische Mutation zurückgeht.

Ursachen

Obwohl das Baller-Gerold-Syndrom äußerst selten ist, ist die Ursache mittlerweile bereits bekannt. Eine genetische Mutation im RECQL4-Genes auf Chromosom 8q24.3 ist für das Syndrom verantwortlich. Das Gen codiert in der menschlichen DNA für ein Enzym mit dem Namen RecQ Helikase. Dieses Enzym entwirrt die DNA-Stränge und bereitet sie auf die Reduplikation vor. Bei einer Mutation des codierenden Gens ist das Enzym defekt und kann seine Aufgabe nicht mehr zufriedenstellend erfüllen.

Die Folge sind die einzelnen Symptome des Baller-Gerold-Syndroms. Im Zusammenhang mit der ursächlichen Mutation wurde familiäre Häufung beobachtet, die für die Erblichkeit der Erkrankung spricht. Offenbar wird die Mutation im autosomal-dominanten Erbgang weitergegeben. Ob neben den genetischen Faktoren äußere Faktoren wie Giftexposition eine Rolle für die Krankheitsentstehung spielen, ist bislang nicht vollständig geklärt.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Klinisch imponiert der Symptomkomplex des Baller-Gerold-Syndroms durch einen vorzeitige Naht-Synostose, die schon vor der Geburt stattfindet. Die Patienten leiden außerdem an einem radial gelegenen Strahldefekt, der mit einer Aplasie der Speiche einhergeht und zuweilen eine Fehlbildung des Daumen umfasst.

Auch die daumenseitige Handwurzel und der Mittelhandknochen können dysplastisch oder hypoplastisch anmuten. Dasselbe gilt für die dort ansässigen Fingerstreckmuskeln. Zusätzlich leiden die Patienten oft an Minderwuchs, der mit skelettalen Fehlbildungen der Wirbelsäule oder Fehlbildungen des Schulter- und Beckengürtels vergesellschaftet sein kann. Manche der Betroffenen leiden außerdem an einem Herzfehler, sind von Analatresie betroffen oder haben verlagerte Nieren.

Oftmals treten zusätzlich faziale Dysmorphien ein, die sich in Form eines Hypertelorismus, eines Epikanthus oder einer prominenten Nasenwurzel manifestieren können. Auch fehlgebildete Ohrmuscheln sind denkbare Dysmorphien. Oft sind die Betroffenen wegen des frühen Nahtverschlusses geistig retardiert. Als Säuglinge leiden sie zuweilen an Poikilodermie. An Kindern manifestiert sich die Erkrankung oft in Form von Hypoplasien der Patella. Aufgrund der Mutation sind die Patienten außerdem anfälliger für die Bildung von Osteosarkomen.

Diagnose & Verlauf

Bei der Diagnose des Baller-Gerold-Syndroms muss der Arzt das Krankheitsbild nach der ersten Blickdiagnose differentialdiagnostisch von klinisch ähnlichen Syndromen wie dem Rapadilino-Syndrom oder dem Rothmund-Thomson-Syndrom abgrenzen. Diesen Syndromen liegt dieselbe genetische Mutation zugrunde. Eine andere Ursache hat das klinisch relativ ähnliche Saethre-Chotzen-Syndrom, das es ebenfalls abzugrenzen gilt.

Zusätzlich müssen die radialen Defekte des Syndroms vom Roberts-Syndrom abgegrenzt werden. Falls eine Poikilodermie vorliegt, wird dieses Symptom als pathognomonisch bezeichnet. Theoretisch besteht für die Diagnostik und die Diagnosesicherung die Möglichkeit einer molekulargenetischen Analyse. Die Prognose hängt von den Manifestationen im Einzelfall ab. Im Langzeitverlauf verschlechtern zum Beispiel auftretende Osteosarkome die Prognose erheblich.

Komplikationen

Durch das Baller-Gerold-Syndrom kann es zu unterschiedlichen Komplikationen kommen, die vor allem zu Fehlstellungen im Körper führen können. In der Regel kommt es durch das Baller-Gerold-Syndrom zu Fehlbildungen am Skelett und an der Wirbelsäule. Diese Fehlbildungen werden von Minderwuchs begleitet und wirken sich sehr negativ auf die Lebensqualität aus.

Vor allem Kinder können stark an Minderwuchs leiden, wenn sie aufgrund des Symptoms gehänselt oder gemobbt werden. Nicht selten wird das Baller-Gerold-Syndrom von einer geistlichen Retardierung begleitet, wodurch die Konzentration und Lernfähigkeit des Patienten stark abnimmt. Oft ist der Betroffene auf die Hilfe und Betreuung von anderen Personen angewiesen.

Durch die Symptome kommt es zu einer verringerten Lebenserwartung. Auch die Wahrscheinlichkeit zur Tumorbildung erhöht, wodurch sich lebensbedrohliche Komplikationen ergeben können, die im schlimmsten Falle zum Tode führen können. Die kausale Behandlung des Baller-Gerold-Syndroms erfolgt in der Regel direkt nach der Geburt durch operative Eingriffe.

Weiterhin muss der Patient darauf achten, viel Sonnenschutz zu verwenden, damit es nicht zu Hautkrebs kommt. Durch das Baller-Gerold-Syndrom kann es zu Gangstörungen und weiteren Frakturen kommen, die das Leben erschweren können. Die Symptome können allerdings mit Hilfe von Gehhilfen eingeschränkt werden.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Ein Arztbesuch sollte bereits beim Verdacht auf das Baller-Gerold-Syndrom und ähnliche Syndrome erfolgen. Der Mediziner kann die Erkrankung nach der ersten Blickdiagnose von vergleichbaren Krankheiten abgrenzen und die Behandlung der Symptome starten. Typische Warnzeichen, die einer ärztlichen Abklärung bedürfen, sind Fehlbildungen der daumenseitigen Handwurzel und des Mittelhandknochens, insbesondere des Daumens und der Fingerstreckmuskeln. Hinzukommen meist auch Fehlbildungen der Wirbelsäule und des Schulter- oder Beckengürtels sowie Minderwuchs.

Auch Herzfehler und fehlgebildete Nasenwurzeln, Ohrmuscheln und Wangenknochen können auftreten. Sollte eines dieser Symptome festgestellt werden, muss ein Arzt aufgesucht werden. Meist wird die Erkrankung allerdings bereits im Kindesalter festgestellt. Betroffene Kinder sind meist geistig zurückgeblieben und werden im Rahmen der Erstuntersuchung nach der Geburt auf das Baller-Gerold-Syndrom getestet.

Bei einem schwach ausgeprägten Syndrom erfolgt die Diagnose üblicherweise in den ersten Lebensjahren. Tritt das erwähnte Krankheitsbild auf, sollte mit dem betroffenen Kind in jedem Fall zum Kinderarzt gegangen werden. Dies gilt vor allem dann, wenn in der Vergangenheit bereits leichte Fehlstellungen oder geistige Probleme bemerkt wurden.

Behandlung & Therapie

Eine kausale Therapie steht für Patienten des Baller-Gerold-Syndroms nicht zur Verfügung. Gentherapeutische Ansätze sind derzeit an Hauptforschungsgegenstand der Medizin. Allerdings sind sie bislang nicht in die klinische Phase übergetreten. Aus diesem Grund sind bisher alle Krankheiten auf Basis von genetischen Mutationen unheilbar. Bis gentherapeutische Ansätze zugelassen werden, erfolgt bei solchen Erkrankungen eine rein symptomatische Behandlungsweise.

Bei Fehlbildungssyndromen wie dem Baller-Gerold-Syndrom entspricht die symptomatische Behandlung in der Regel einer operativen Auflösung der multiplen Fehlbildungen. Die Kraniosynostose der Patienten wird in der Regel innerhalb der ersten sechs Monate operativ behoben, damit die Folgebeschwerden möglichst gering bleiben. Der Daumen kann unter Umständen rekonstruktiv chirurgisch behandelt werden.

Meist basiert diese Behandlung auf einer operativen Transposition der Zeigefinger. Vorliegende Herzfehler müssen schnellstmöglich zur Korrektur gebracht werden. Auch eine operative Korrektur von verlagerten Nieren kann im Einzelfall erforderlich sein. Geistiger Retardierung lässt sich supportiv über Frühförderungsansätze begegnen. In der Regel entwickeln so geförderte Kinder trotz des Syndroms eine normale Intelligenz.

Patienten des Baller-Gerold-Syndroms müssen wegen ihrer Disposition für Krebs außerdem regelmäßig und möglichst engmaschig an Vorsorgeuntersuchungen teilnehmen. Oft wird den Betroffenen empfohlen, die Sonnenexposition zu meiden. Damit reduziert sich die Empfindlichkeit für Krebsarten wie Hautkrebs.

Wenn Krebs zum Ausbruch kommt, wird die Erkrankung mittels der engmaschigen Vorsorgeuntersuchungen meist früh genug erkannt. In einer Vielzahl der Fälle führen die Betroffenen im Erwachsenenalter ein relativ normales Leben und erfreuen sich kaum eingeschränkter Lebensqualität.


Vorbeugung

Vorbeugemaßnahmen für genetische und mutationsbedingte Erkrankungen wie das Baller-Gerold-Syndrom gibt es nur in Maßen. Nachdem ein Nachweis über pathogene RECQL4-Mutationen erbracht wurde, können betroffene Eltern bei weiteren Schwangerschaften auf eine vorgeburtliche Diagnostik zurückgreifen und sich unter Umständen gegen das Kind entscheiden. Auch die genetische Beratung während der Familienplanung lässt sich weitestgehend als Vorbeugemaßnahme bezeichnen.

Das können Sie selbst tun

Die Patienten mit Baller-Gerold-Syndrom leiden an Missbildungen einiger innerer Organe, die eine chirurgische Korrektur erfordern. Selbsthilfemaßnahmen sind bei diesen Beschwerden nicht möglich, jedoch unterstützt der Betroffene durch sein Verhalten den Erfolg medizinischer Therapien. So befolgt er während seiner Aufenthalte in der Klinik die Hinweise der Ärzte und unterstützt die Regeneration des Organismus durch ausreichend Ruhe.

Oftmals sind Hand und Finger von Missbildungen betroffen, die alltägliche Handgriffe erschweren. Der Patient fördert seine Motorik in den entsprechenden Bereichen, indem er eine Physiotherapie absolviert und die erlernten Trainingseinheiten zu Hause ausführt. Eine ähnliche Therapie kommt auch bei etwaigen Gangstörungen in Frage, wobei der Patient oft zusätzlich Gehhilfen benutzt.

Sportliche Aktivitäten sind je nach körperlicher Verfassung des Betroffenen möglich und wirken sich üblicherweise förderlich auf das Wohlbefinden aus. Voraussetzung ist allerdings, dass sämtliche sportlichen Betätigungen von einem Arzt abgesegnet sind.

Falls die Erkrankung mit Beeinträchtigungen der kognitiven Leistungsfähigkeit einhergeht, erhalten die Patienten in sonderpädagogischen Schulen dennoch eine wertvolle Bildung. Die sich durch den Schulbesuch ergebenden sozialen Kontakte steigern zudem die Lebensqualität der Betroffenen. Wenn die Eltern der erkrankten Kinder durch die Mehrbelastung Depressionen oder Burnout entwickeln, wenden sie sich schnellstens an einen psychologischen Therapeuten.

Quellen

  • Buselmaier, W. et al.: Humangenetik für Biologen. Springer Verlag, Berlin Heidelberg 2005
  • Murken, J., Grimm, T., Holinski-Feder, E., Zerres, K. (Hrsg.): Taschenlehrbuch Humangenetik. Thieme, Stuttgart 2011
  • Witkowski R., Prokop O., Ullrich E.: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen. Springer, Berlin 2003

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